Kapitel 53
Die Farne rauschten, als der Wind in ihnen spielte. Sie knisterten, als er sie sich berühren ließ und raschelten, wenn Rottupf und Mondpfote zwischen den zu behandelnden Katzen hin und her eilten. Der Himmel war bewölkt und ließ kaum Sonnenstrahlen durchdringen, weshalb es recht kalt im Lager war. Zum Glück hielten die Farne die Wärme zumindest teilweise davon ab, zu verfliegen, weshalb die Patienten nicht froren – ob das jedoch auch in der Blattleere, wenn Schnee lag, funktionieren würde, war nicht sicher. Sie war jedoch viel zu sehr damit beschäftigt, ihrer Tochter Donnerjunges beim Schlafen zuzuschauen, um sich diese Frage überhaupt zu stellen.
Gleichmäßig hoben sich die Flanken der winzigen schildpattroten Kätzin, doch sehr zu Flammensterns Leidwesen entwich der Kleinen dabei immer wieder ein schwaches Hüsteln, genau wie Taujunges, die neben ihr lag. Bisher war es Rottupf noch nicht gelungen, den nagenden Husten der beiden jungen Kätzinnen zu kurieren. Flammenstern konnte nur beten, dass die Katzenminze bald ihre Wirkung zeigen würde. Das beten jedoch nichts bringen würde, war ihr bewusst. Der SternenClan hatte keine Gewalt über Leben und Tod. Sie konnte aber nicht noch ein Junges verlieren, also tat sie es trotzdem, in der Hoffnung, dass zumindest ihr geliebter Regenpelz sie erhören würde. Und auch Herbstblatt sollte diesen Schmerz, ein Junges zu verlieren, nicht ein weiteres Mal erleiden müssen.
„Rottupf wird es schaffen, sie tut ihr bestes. Bald sind sie gesund", versuchte Gelbfang, die sich, da sie selbst grünen Husten hatte, um die jungen Kätzinnen kümmerte, sie zu besänftigen. Anscheinend hatte die weiß und grau gescheckte Königin die Sorge der Anführerin bemerkt. Oder aber sie ging einfach davon aus, dass sie so fühlte, schließlich war die normale Reaktion einer Königin auf die Krankheit ihres Jungen, sich Sorgen zu machen. Und Sorgen waren etwas, wovon Flammenstern genug für einen ganzen Clan hatte.
„Und wenn ihr Bestes nicht genug ist? Lavendelpfote ist auch gestorben", flüsterte Flammenstern betrübt und fühlte sich sofort schlecht, nachdem sie ihre Worte ausgesprochen hatte. Die Heilerin hatte wirklich alles in ihrer Macht stehende getan, um die weiße Schülerin mit der dunklen Tigerung zu retten, doch es war zu spät gewesen. Und Flammenstern war selbst zu krank gewesen, als dass sie der tapferen jungen Kätzin noch ihren Kriegernamen hätte geben können, bevor sie zum SternenClan ging. Lavendelschweif hätte er gelautet, da war sie sich schon seit einigen Monden sicher gewesen.
„Lavendelpfote hat tapfer gekämpft, doch der Husten saß zu tief. Und nachdem auch noch Felsbart ermordet wurde... irgendwann hat sie aufgegeben und dann gab es keine Hoffnung mehr für sie", seufzte Gelbfang in Gedenken an das tragische Schicksal der jungen Kätzin. Überrascht spitzte Flammenstern die Ohren.
„Was hat Felsbart damit zu tun?", miaute sie überrumpelt und viel lauter als beabsichtigt. Donnerjunges murmelte daraufhin im Schlaf und die flammenrote Kätzin befürchtete bereits, sie aufgeweckt zu haben, doch sie schlief danach an Gelbfangs Bauch gekuschelt weiter, als wäre nichts gewesen. Den Schlaf der Gerechten, so hatte Dornenkralle das manchmal genannt. Den Grund hatte Flammenstern schon lange vergessen.
Die Augen der gescheckten Kätzin funkelten derweil amüsiert. „Ist dir das nie aufgefallen? Oh, die beiden waren kurz davor ein wundervolles Paar zu sein! Dabei waren sie so unterschiedlich, er, mit seiner aufbrausenden Art und sie mit ihrem ruhigen Gemüt!" Selten hatte Flammenstern Gelbfang so verträumt erlebt, wie in dem Augenblick, als sie über die junge Liebe der beiden Katzen sprach.
„Tatsächlich?", miaute Flammenstern noch immer verwundert. Sie hatte nie darauf geachtet. Zu keiner Zeit auch nur darüber nachgedacht, dass die beiden überhaupt irgendetwas miteinander zu tun gehabt haben könnten. Wieso nur war ihr so viel vom Clanleben entgangen? War sie auf beiden Augen blind gewesen? Wobei, wahrscheinlich hatte es selbst Düstersturm bemerkt. Was hatte sie also falsch gemacht?
„Das war schon..." Gelbfangs Antwort ging in mehrfachem Husten unter. Ein gequälter Ausdruck schlich sich auf das breite Gesicht der jungen Königin. Im Bewusstsein, dass sie sich selbst nicht noch einmal anstecken durfte, trat Flammenstern einen Schritt zurück, darauf wartend, dass sich die junge Königin wieder beruhigen würde.
Als das Husten der gescheckten Kätzin einfach nicht nachlassen wollte, runzelte Flammenstern zuerst verwirrt die Stirn, unsicher, was sie nun tun sollte. „Rottupf?", jaulte sie, im Wissen, dass die Jungen nun ganz sicher aufwachen würden. Das war jedoch nicht relevant, schließlich brauchte Gelbfang anscheinend mehr als dringend Hilfe.
Die Farne raschelten, als sich anstelle von Rottupf Mondpfote näherte. Der graue Kater mit dem helleren Fellansatz steckte seinen Kopf durch die Farne und blickte zwischen den Kätzinnen hin und her, wie wenn er einen anderen Anblick erwartet hätte. Dann runzelte er die Stirn, trat vollends hervor und stellte sich neben Gelbfang, die sich vor Husten krümmte. Einen Moment ruhte sein Ohr an ihrer bebenden Brust, dann nahm sein Gesicht zuerst einen bedauernden und dann einen entschlossenen Ausdruck an.
„Ihr Husten ist schlimmer geworden. Flammenstern, bring die Jungen hier weg, sie könnten sich selbst auch den grünen Husten holen, wenn sie zu nah bei ihr sind", miaute Mondpfote, während er selbst bereits in Richtung des Felsens, unter dem die Heiler schliefen und wo sie ihre Kräuter lagerten, eilte.
Mit einem entschuldigenden Blick zu der sich nun langsam beruhigenden Gelbfang packte sie die strampelnde Donnerjunges am Nackenfell und schob die cremefarbene Taujunges, die schon etwas wacher aussah, vor sich her. Sie wusste nicht wirklich, wohin sie die kranken Kätzchen nun bringen sollte. Die einzige andere noch kranke Katze außer Gelbfang war Forellenpelz und die konnte – auch wenn sie selbst in jüngeren Jahren mindestens drei Junge aufgezogen hatte - sich nicht um die beiden kümmern, schließlich hatte sie keine Milch.
Von nun an würde wohl entweder Herbstblatt oder sie selbst mit den Zweien im Heilerbau bleiben müssen. An sich war das ja für keine von beiden ein Problem, doch damit, dass eine hier schlafen würde, ging einher, dass die andere alleine im Anführerbau bleiben würde. Das jedoch war ihnen von Rottupf – die um das geistige wohlergehen beider besorgt war – strickt verboten worden.
„Geht es Gelbfang nicht gut?", wollte Taujunges piepsend wissen. Aufgrund des strampelnden Jungen in ihrem Maul konnte sie unmöglich antworten. Im Wissen, dass die cremefarbene Kätzin überhaupt nicht zu ihr schaute, schüttelte sie den Kopf. Zielstrebig schob sie das Junge aus den Farnen heraus auf die kleine Lichtung, wo ihnen Rottupf zusammen mit Kieselpelz entgegenkam.
„Was ist denn los?", miaute die etwas müde wirkende Heilerin und beschnupperte sofort die beiden Jungen. Mondpfote hatte ihr, als er über die Lichtung gerannt war, wohl nichts erklärt. Flammenstern musste Donnerjunges erst einmal absetzen, bevor sie antworten konnte. Kieselpelz, von dem sie nicht wirklich wusste, was er hier wollte, stand derweil etwas überflüssig an der Seite und trat von einer Pfote auf die andere.
„Gelbfang. Sie hat immer stärker gehustet. Mondpfote meint, dass sich der grüne Husten verschlimmert hat und ich die Jungen von ihr separieren soll", erklärte sie und leckte Donnerjunges, die gerade ihr kleines Mäulchen aufriss und gähnte, über den winzigen Kopf.
Betrübt nickte die junge Heilerin und ließ von den Jungen ab. „Da hat er richtig gehandelt, ich werde aber gleich nach ihr sehen. Herbstblatt soll in den Heilerbau ziehen, bis es den beiden besser geht und du schläfst so lange in der Kinderstube." Mit diesen Worten verschwand sie zwischen den Farnen und ließ Flammenstern, die Jungen und Kieselpelz zurück, ohne sich noch einmal umzublicken. Etwas verdattert stand die flammenrote Kätzin da, nicht wissend, was sie nun tun sollte.
Taujunges und Donnerjunges begannen währenddessen, gegenseitig ihre Schwänze zu jagen, was dazu führte, dass sie wild quiekend im Kreis rannten. Flammenstern beobachtete die Jungen, während sie weiterhin etwas unschlüssig dastand. Rottupfs Anordnungen waren deutlich gewesen, aber ihr Problem war, dass sie nicht wusste, wie Herbstblatt nun hier herkommen sollte und sie die Jungen verlassen sollte. Denn egal wer nun zuerst ging, einer würde die Jungen, auf die er gerade aufpasste, alleine lassen. Und auch wenn es nur für einen Moment war, war das etwas, dass keine Königin jemals tun sollte. Selbst wenn sie nur im Lager waren, konnte den kleinen unbeaufsichtigt immer etwas geschehen. Traumjunges war dafür das traurige Beispiel.
„Na gut, ich werde wegen meiner Schulter wohl später wiederkommen", brummte Kieselpelz, dessen Anwesenheit Flammenstern schon wieder vergessen hatte. Der hellgraue Kater war gerade dabei sich abzuwenden und zurück ins Lager zu trotten, als Flammenstern eine Idee kam: „Kieselpelz! Kannst du bitte Herbstblatt zu mir schicken? Aber sag ihr, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht, den Jungen geht es gut."
Mit einem „Mach ich" lief er davon, ohne sich noch einmal umzublicken. Dabei fiel der flammenroten Anführerin auf, dass der junge Krieger humpelte. Seine Wunde aus dem Kampf war wohl nicht gut verheilt.
Als sie sich wieder den Jungen zuwenden wollte, musste sie verwundert feststellen, dass von den beiden jede Spur fehlte. Mit gerunzelter Stirn ließ sie ihren Blick über die kleine Lichtung schweifen. Die Farne hinter ihr knisterten zwar, raschelten aber nicht, weshalb sie ausschloss, dass die Kleinen sich dort versteckten. In dem Moment wäre Flammenstern ziemlich froh gewesen, wenn der Schnee, der am vergangenen Tag immer wieder zur Erde nieder gerieselt war, liegen geblieben wäre. So könnte sie nun nämlich einfach den Pfotenabdrücken der Jungen folgen. Da dies aber nicht der Fall war und sie allein durch angestrengtes Starren die zwei nicht fand, beschloss sie, ihrer Geruchsspur zu folgen, auch wenn das bei dem weiterhin stark wehenden Wind nicht leicht werden würde.
„Donnerjunges! Taujunges! Kommt wieder her!", miaute sie versuchsweise, war jedoch keinen Erfolg hatte. Seufzend schnupperte sie deshalb. Der Geruch der Jungen war, wie sie angenommen hatte, überall um sie herum zu riechen, da sie ja vorher so aufgeregt herum gewuselt waren. Auch wenn sie bereits vorher zu dem kleinen Teich geblickt hatte, suchte sie ihn noch einmal ab, um sicher zu gehen, dass auch keines der Kleinen dabei war, zu ertrinken. Dann ging sie am Rand der Lichtung entlang, auf der Suche, nach einem möglichen Versteck. Die vielen Farne und die drei Birken boten immerhin genügend Möglichkeiten, wo sie sich aufhalten konnten.
Schließlich hörte sie das begeisterte Flüstern der Kleinen, als sie an Rottupfs Bau vorbeilief. „Komm da endlich raus! Wir bekommen Ärger, wenn man uns hier erwischt", schimpfte Donnerjunges, woraufhin Flammenstern ihren Kopf in den Spalt in dem Felsen, der ins Innere einer kleinen Höhle führte, die die flammenfarbene Königin noch nie betreten hatte, steckte. Dort entdeckte sie ihre schildpattfarbene Tochter, die versuchte, ihre Freundin am Schweif aus dem Bau zu zerren.
„Ich will aber noch sehen, was hier so gut riecht!", protestierte Taujunges und versuchte sich von der etwas größeren Donnerjunges zu lösen. Dies gelang ihr jedoch nicht, woraufhin sie beleidigt mit der Pfote aufstampfte. „Du bist gemein!", brummte sie voller Überzeugung und schmollte.
„Hat euch Rottupf erlaubt, dass ihr in ihrem Bau spielt?", fragte Flammenstern und sah zu ihrer Zufriedenheit, wie die Jungen schuldbewusst zusammenzuckten. Sofort ließ die schildpattrote Kätzin Taujunges los und blickte beschämt auf ihre Pfoten, gleich nachdem sie aus dem Bau gekrochen war. Das cremefarbene Kätzchen stellte sich mit gesenktem Kopf neben ihre Freundin.
„Nein, tut uns leid", erklärte Donnerjunges reumütig, bevor sie mehrfach rau hustete.
Flammenstern seufzte und bedeutete den Jungen mit ihr zurück in die Mitte der Lichtung zu kommen. „Ihr müsst euch schonen", murmelte sie mehr zu sich selbst als zu dein Kleinen, die aber eifrig nickten.
Es dauerte keine fünf Herzschläge, bevor die beiden, so als wäre nichts gewesen, vergnügt quiekend einem Moosball hinterherjagten, nachdem Flammenstern sich neben dem kleinen Teich am Rand der Heilerlichtung niedergelassen hatte. Während sie die zwei beobachtete, bemerkte sie, dass es bereits nach Sonnenhoch sein musste. Dabei hatte sie doch mit Glutherz abgemacht, ihn zu diesem Zeitpunkt zu treffen!
Glücklicherweise betrat nun Herbstblatt die Heilerlichtung, indem sie den ausgetretenen Weg zwischen der Birke und dem Rinnsal entlangtappte. Sofort ließ Taujunges, als sie ihre Mutter entdeckte, von dem Spiel mit Donnerjunges ab und hüpfte hustend zu der gescheckten Königin.
„Herbstblatt!", maunzte sie aufgeregt und schmiegte sich an das Bein der müde wirkenden Kätzin. Diese leckte ihr liebevoll über den kleinen Kopf und flüsterte ihr etwas zu, bevor sie sich nach Flammenstern umblickte.
„Du hast nach mir schicken lassen?", stellte die grauäugige Königin fest und ließ ihren Blick vorsorglich über die Lichtung schweifen, wie um sicher zu gehen, dass hier keine böse Überraschung auf sie lauerte.
Flammenstern nickte, dann erhob sie sich träge – sie hatte in dieser Nacht wieder schlecht geschlafen und war deshalb mehr als müde – auf ihre Pfoten. Sofort rannte Donnerjunges zu ihr und jagte spielerisch ihren Schweif. Die flammenfarbene Anführerin gab vor, dies nicht zu bemerken und trottete zu ihrer Freundin, die nachdenklich die Stirn in Falten gelegt hatte. Die spitzen Zähne, die sich dabei mehrfach in ihren Schweif gruben, konnte sie erfolgreich abschütteln, was ihre Tochter aber nur noch mehr anzuspornen schien.
Seufzend – etwas was sie in der letzten Zeit viel zu oft tat – begann Flammenstern zu erklären: „Gelbfang geht es schlechter. Sie kann sich deshalb nicht mehr um die beiden kümmern. Rottupf will, dass du vorerst bei Taujunges und Donnerjunges im Heilerbau bleibst, während ich mit den anderen vier in die Kinderstube umziehe."
Herbstblatt nickte bedächtig, als hätte sie so etwas bereits erwartet. Sie sagte jedoch nichts weiter, weshalb Flammenstern sich ihr über die Wange leckend von Donnerjunges verabschiedete und langsam zurück in die Senke trottete. Gerade, als sie zwischen der Birke und dem Rinnsal hindurchlaufen wollte, fragte Herbstblatt noch „Wird es ihr wieder besser gehen?" und Flammenstern antwortete nur „Ich hoffe es". Damit verließ sie die Heilerlichtung.
Ihre von der Müdigkeit schweren Pfoten schmerzten, obwohl sie an diesem Tag bisher kaum gelaufen war. Nachdem sie über das Rinnsal hinweggesprungen war, ließ sie ihren Blick durch das recht ruhige Lager schweifen. Sofort entdeckte sie Dämmerpfote und Glanzpfote, die mit Blitzjunges, Regenjunges, Gewitterjunges und Hageljunges, die heute zum ersten Mal den Bau verlassen durften, spielten. Herbstblatt hatte den zwei Schülerinnen wohl die Verantwortung über die Jungen überlassen, denn ansonsten war keine Katze in der direkten Nähe der Kleinen zu entdecken. Das Vertrauen, das Herbstblatt in die Kätzinnen aus ihrem ersten Wurf zu haben schien, überraschte Flammenstern etwas, schließlich waren die Schülerinnen noch ziemlich jung. Aber sie war sich sicher, dass ihre Freundin die Verantwortung nicht leichtfertig übergeben hatte.
Abgesehen von den jungen Katzen, waren auch Düstersturm, der allein vor dem Ältestenbau saß und eine erschöpft wirkende Polarlicht, Fliederschatten, Kekstatze und Kämpferherz mit seiner Schülerin Lilienpfote im Lager, wobei sie so aussahen, als würden sie gerade auf eine Patrouille aufbrechen wollen. Flammenstern sah selbst aus großer Distanz Polarlichts etwas verwirrten Seitenblick zu ihrer Schülerin Glanzpfote und miaute deshalb über die gesamte Lichtung hinweg: „Du kannst sie mitnehmen, Polarlicht. Ich bin jetzt da."
Alle Köpfe wandten sich in ihre Richtung, so, als wäre es das überraschendste überhaupt, sie hier zu sehen. Flammenstern rollte die Augen. Sie wusste selbst gut genug, dass der Clan sie zu selten zu Gesicht bekam und sich Sorgen um sich machte.
„Flammenstern! Da bist du ja!", miaute in diesem Moment Glutherz, der, von ihr bisher ungesehen, auf einer der Wurzeln neben dem Eingang zu ihrem Bau saß. Der rote Krieger sprang elegant herab und trottete auf sie zu. Seine grünen Augen, die ihren eigenen und auch denen von ihrem Vater so sehr ähnelten, musterten sie. „Wie geht es Donnerjunges?", miaute er verwirrend gut gelaunt. Flammenstern runzelte die Stirn – ebenfalls etwas, was sie in letzter Zeit viel zu häufig tat. Gute Laune war jedoch etwas, was ihr in dem vergangenen Viertelmond abhanden gekommen war.
Ohne Regenpelz gab es für sie keinen Grund, gut gelaunt zu sein.
„Sie hustet weiterhin", murmelte sie und bedeutete ihrem Sohn mit einem Schwanzschnippen ihr näher zu den Jungen, die gerade Dämmerpfote zu Boden rangen, zu folgen. Die dunkelbraune Schülerin hatte alleine wohl die Kontrolle über die Rasselbande verloren. „Flammenstern!", miaute Regenjunges begeistert und ließ als erste von Dämmerpfote ab. Fröhlich auf und ab springend kam sie als hellgrauer Fellball auf ihre Mutter zu. „Wo warst du so lange? Du hast gar nicht gesehen, wie Staubwolke uns das Jagdkauern gezeigt hat!", maunzte sie, ihr hellgraues Fell war ganz zerzaust. Flammenstern wollte ihr gerade den Pelz mit der Zunge glätten, als auch schon Gewitterjunges und Blitzjunges angesprungen kamen. Die beiden jungen Kater rannten aufgeregt um sie herum und miauten wild durcheinander, sodass sie kein einziges Wort verstehen konnte.
Glutherz, der neben ihr stand, schnurrte nur amüsiert.
„Und Staubwolke hat gesagt, dass ich ein ganz toller Krieger werden werde!", erklärte Blitzjunges seinen Pelz aufplusternd stolz. Das gesprenkelte Fell des jungen Katers war noch zerzauster als das seiner Schwester. „Er hat uns auch ganz viele Tipps gegeben!", fügte Gewitterjunges hellauf begeistert hinzu. „Ich will jetzt gleich Schüler sein und noch viel mehr lernen!" Glutherz' Schnurren wurde da nur noch lauter. Der rote Krieger machte es sich neben einer der größten Wurzeln der Eiche gemütlich und miaute dann: „Da wirst du noch eine ganze Weile warten müssen, Kleiner."
„Das weiß ich doch! Zum Glück kann uns Staubwolke ja noch viel mehr zeigen, auch wenn wir noch keine Schüler sind!", schwärmte Gewitterjunges und ließ sich von seinem älteren Bruder überhaupt nicht die Begeisterung nehmen.
„Hageljunges hat ja so ein Glück, dass Staubwolke ihn so oft besucht", begann daraufhin Blitzjunges und warf dem dunkelbraun gescheckten Jungen einen beneidenden Blick zu. „Wann kommt unser Papa denn vorbei?", wollte er dann noch wissen.
Flammenstern gefror das Blut in den Adern, sie erstarrte in ihrer Bewegung. Gerade hatte sie sich selbst auch setzen wollen, doch das war nun vergessen. Mit einem Schlag brach alles wieder über sie herein.
Regenpelz war tot. Ihre Jungen würden ohne Vater groß werden. Sie würde ihren Gefährten nur noch in ihren Träumen sehen, so lange sie lebte. Er war gestorben um sie zu retten. Er würde noch leben, wenn sie nicht zur Großen Versammlung gegangen wäre.
Unkontrolliert begann sie zu zittern. Sie hatte die Zähne fest zusammengebissen, ihre Sicht war verschleiert. Stocksteif stand sie da, fühlte die Blicke ihrer Jungen auf sich: Regenjunges, Gewitterjunges und Blitzjunges waren erwartungsvoll, während Glutherz genau wie sie erschüttert wirkte.
„Mama?", murmelte Regenjunges unsicher. Sie hatte als erste der drei bemerkt, dass etwas nicht stimmte.
Ruckartig wandte Flammenstern ihren Blick von den drei Jungen ab. Hatte sie es ihnen tatsächlich nie gesagt? Oder erinnerten sie sich einfach nicht daran? Ihr Gedächtnis war den vergangenen Viertelmond betreffend mit vielen Lücken versehen, weshalb sie sich nicht sicher war.
„Stimmt etwas nicht?", fuhr die hellgraue Kätzin, die seine Augen – Regenpelz Augen – hatte, fort, als sie keine Antwort bekam. Flammenstern atmete aus, sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte.
„Euer Vater wird nicht kommen. Niemals. Er ist tot, die Ratten haben ihn getötet. Ihr braucht nicht auf ihn zu warten", miaute sie mit bebender Stimme. Dann schüttelte sie ihre Starre ab wie einen Schleier und stürmte in ihren schützenden Bau.
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