Kapitel 47
Die Kampfgeräusche und der Donner dröhnten kaum abgeschwächt in ihren Ohren. Laute, aufgeregte oder eher panische Stimmen vermischten sich mit dem Fauchen, Platschen und Grollen. Der Lärm ließ Flammensterns Ohren klingeln. Für einen Augenblick war alles, woran sie denken konnte, dass sie gerne etwas Moos hätte, um es in ihre Ohren zu stopfen und die Geräusche damit abzuschwächen.
Dieser Wunsch verflog jedoch sofort, als sie sich darüber klar wurde, woher die Kampfgeräusche stammten. Die Ratten! Der Kampf war noch gar nicht beendet! Weshalb auch immer hatte sie eigentlich damit gerechnet, dass die Ratten besiegt wären, wenn sie wieder aus ihrem Traum erwachte.
Gleich darauf wurde ihr bewusst, was in ihrem Traum geschehen war. Regenpelz! Ihr geliebter Regenpelz. Tot. Es schien Flammenstern, als würden die lauten Geräusche um sie herum verstummen, während sie langsam immer tiefer in ihrer Trauer versank. Es war eine noch viel einnehmendere Trauer als die, die sie damals bei Tüpfeljunges Tod empfunden hatte, sie fühlte sich, als würde jeder einzelne Gedanke und jeder Teil ihres Körpers von ihren Ohrenspitzen bis in ihre inexistente Schwanzspitze von nur einem einzigen Gefühl eingenommen werden. Trauer, tief empfundener Verlust, Schmerz. Aber es war kein körperlicher Schmerz, sondern einer, der aus den tiefsten Tiefen ihrer Seele aufstieg und jede einzelne Faser ihres Körpers einschloss. Sie wusste nicht, wieso es gerade in diesem Augenblick so schrecklich schlimm war. Vielleicht war es, weil er nun sicher und unwiderruflich von ihr gegangen war, weil er nicht mehr bei ihr war, weil alles, was ihr auf dieser Welt von ihm geblieben war sein lebloser Körper und ihre gemeinsamen Jungen waren. Oder aber es war, weil ihr jetzt bewusst wurde, dass sie zum Abschied bei weitem noch nicht genug zu ihm gesagt hatte. Ihr war bewusst, dass er sie in ihren Träumen besuchen würde und sie eines Tages wieder zusammen sein würden und trotzdem erschien es ihr so unglaublich unwiderruflich.
„Flammenstern, bitte, du musst aufwachen", drang eine vertraute Stimme neben ihr in ihre Gedanken ein, doch die flammenrote Anführerin blendete sie sofort wieder aus. Sie fühlte sich taub, leer und trotzdem so von Schmerz erfüllt, dass sie am liebsten geschrien hätte. Sie wollte ihre Augen nicht öffnen, sie wollte der Stimme nicht folge leisten. Auch wenn sie wusste, dass es das beste wäre. Den der Kampf tobte weiterhin, der Donner grollte noch immer über den Himmel, der Wind peitschte den Regen durch den Wald und Katzen und Ratten bekriegten sich auf Leben und Tod.
Tod. Regenpelz war Tod. Allein das Wort riss sie zurück in ihre tiefe Trauer. Die Qualen, die sie litt, waren bei weitem immenser, als die, die sie während der Geburt ihrer Jungen verspürt hatte. Es waren wahrlich Schmerzen, alles andere, das so bezeichnet wurde, war eine Lüge. Man kannte keinen Schmerz, bevor man nicht jemanden verloren hatte, den man so sehr geliebt hatte.
Ein Maunzen erklang gar nicht weit von Flammenstern entfernt. Das ängstliche Miauen war das Erste, was sie in diesem halb wachen Zustand bemerkte, das sie nicht vollkommen kalt ließ. Ihre Jungen! Es waren auch Regenpelz Junge. Er war gestorben, um die Kleinen und sie zu retten.
Flammensterns Lider flatterten. Sie musste nach den kleinen sehen. Oh SternenClan, was, wenn ihnen etwas zugestoßen war, weil sie so selbstsüchtig in ihrer Trauer versunken war? Langsam klärte sich ihr Blick. Als sie trotzdem nichts außer Schatten sehen konnte, war sie kurzzeitig verwirrt, bis ihr einfiel, dass es ja mitten in der Nacht war. Mitten in der Nacht, in der Regenpelz sich für sie geopfert hatte.
Ein Blitz durchzuckte die Dunkelheit, durch den Eingang der Höhle beleuchtete er ihre Umgebung für einen Herzschlag. Dann war es wieder dunkel. Doch Flammenstern hatte genug gesehen, Verzweiflung wallte in ihrem Innersten auf, auch wenn diese nur sehr schwach war, in Anbetracht ihres seelischen Leids. Für einen Augenblick ließ sie sich nicht mehr von der Trauer leiten, dafür hatte sie nun schlichtweg keine Zeit, das war ihr klar. Denn sie hatte die Ratten gesehen, die dunklen Monster, deren schwarze Augen sie angefunkelt hatten. Schwarz, wie die Seelen dieser Biester, die Finsternis die in ihnen wohnte.
Und alles, war ihre Jungen, die etwa eine Schwanzlänge von ihr entfernt lagen, und sie von diesen Ungetümern trennte, waren Mondpfote und Fliederpfote, die tapfer Seite an Seite kämpften. Fast so tapfer, wie Regenpelz gekämpft hatte, wenn auch nicht mit dieser tapferen Überzeugung und diesem einzigartigen Heldenmut.
Ein Körper schlug mit einem dumpfen Aufschlag auf der Erde gleich neben Flammenstern auf. Im ersten Moment dachte sie, es wäre eine getötete Ratte, bevor sie erkannte, dass es Fliederpfote war. Noch bevor die flammenrote Königin, die nach wie vor zusammengekauert auf dem Boden lag, irgendetwas tun konnte – falls sie das überhaupt gekonnt hätte – rappelte sich die schwarze Kätzin wieder auf die Pfoten, ihr Atem ging keuchend. Fauchend warf sich Fliederpfote wieder in den Kampf. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Flammenstern wohl beeindruckt von der Ausdauer und der Entschlossenheit ihrer Schülerin gewesen, doch nun dachte sie nur daran, dass Regenpelz nicht mehr aufspringen konnte. Sein Körper musste irgendwo gleich beim Ausgang der Höhle liegen, dort, wo die Ratten ihn ermordet hatten.
Ermordet. Mörder. Ja, das war es, was die Ratten am Besten beschrieb. Sie waren kaltblütige Mörder. Sie töteten und es war ihnen egal, ob ihnen Krieger, Königinnen, Älteste oder gar Junge zum Opfer fielen. Und genau aus diesem Grund verdienten sie selbst nichts anderes als den Tod. Denn sie würden nicht davor zurückschrecken, Neugeborene zu ermorden.
Angewidert knurrend begann Flammenstern sich zu bewegen. Sie würde es nicht zulassen. Sie würde nicht zulassen, dass diese Monster ihren Jungen etwas zu Leide tun würden, so wie auch Regenpelz es nicht zugelassen hatte. Er hatte dafür mit seinem Leben bezahlt, doch Flammenstern konnte das verstehen. Kein Preis war zu hoch, um die Jungen zu beschützen. Doch Regenpelz' Opfer durfte nicht umsonst gewesen sein.
Bis dahin unbekannte Kraftreserven anzapfend, versuchte Flammenstern sich auf ihre Pfoten zu erheben. Draußen blitzte es, wodurch sie sehen konnte, dass Mondpfote und Fliederpfote immer weiter zurückgedrängt wurden. Lange würden die Schüler dem Angriff der Ratten nicht mehr standhalten.
Flammenstern wankte, es fiel ihr äußerst schwer sich auf ihren Pfoten zu halten. Allein der Gedanke daran, dass sie Regenpelz' Tod rächen musste und dass sie ihre Jungen beschützen musste, hielt sie aufrecht. Langsam setzte sie eine Pfote vor die andere und überwand die Schwanzlänge, die sie von ihren vier winzigen Jungen trennte. Die kleinen Jungen maunzten verängstigt, zum ersten Mal hatte Flammenstern die Chance die vier genauer zu betrachten. Doch sie hatte dafür keine Zeit. Sie musste die Jungen in Sicherheit bringen, nur das zählte.
„Flammenstern! Du bist wach!", miaute Mondpfote, der gerade keuchend eine Ratte zu Boden drückte, erleichtert. Gleich darauf tötete er seinen Gegner mit einem Biss in die Kehle, so wie Beute getötet wurde. Schon stürzte das nächste Ungetüm auf ihn zu, das Nicken der flammenroten Anführerin konnte er gar nicht bemerken.
Schluckend blickte die Kätzin zurück zu ihren Jungen und leckte, obwohl ihre Kehle staubtrocken war, dem schildpattroten Jungen, das sie Donnerjunges genannt hatte und das am lautesten Maunzte, über das Köpfchen.
Dann sah sie urplötzlich etwas schwarzes in ihrem Augenwinkel aufblitzen. Zuerst dachte sie noch, dass es nur ein Schatten wäre, aber gleich darauf wurde ihr bewusst, dass sie falsch lag. Vorsichtig, als könnte sie das Unheil ablenken, wenn sie es einfach nicht ansah, hob Flammenstern ihren Kopf. Und blickte direkt in drei Paar nachtschwarze Knopfaugen.
Bevor die flammenfarbene Königin die Gefahr richtig realisierte, stürzten sich die Biester, die irgendwie unbemerkt an Fliederpfote und Mondpfote vorbeigekommen sein mussten, auf sie. Ihre Jungen waren direkt zwischen ihnen, doch glücklicherweise schienen ihre Gegner es vorerst nur auf sie abgesehen zu haben.
Knurrend bohrten sie ihr die spitzen Zähne in ihr Fleisch, sie taumelte zurück. Ihre Beine gaben unter ihr nach, sie stürzte, während die Ratten bissen und kratzen. Flammenstern jaulte, der Schmerz war kaum mehr als ein dumpfes Ziehen, das Leid in ihrem Inneren war bei weitem stärker als alles, was die Ratten ihr persönlich körperlich antun konnten. Dann wurde ihr klar, dass genau diese Ungetüme, möglicherweise Regenpelz' Mörder sein könnte. Und das machte sie wütend, nein, viel mehr als das. Es sorgte dafür, dass sie ein Ziel vor Augen hatte, viel greifbarer als das, ihre Jungen zu schützen. Sie wollte die Ratten tot sehen.
Fauchend riss sie die erste von ihrem Bein weg, wo diese sich hartnäckig festgebissen hatte. Stücke ihres Fells und auch Fleisch wurden mit weggerissen, wovon die orangerote Anführerin sich aber nicht weiter beeindrucken ließ. Sie schleuderte ihren Gegner gegen eine der Höhlenwände, gleich darauf konnte sie, trotz der weiterhin anhaltenden Kampfgeräusche, die im ganzen Wald zu hören sein mussten, einen dumpfen Aufschlag hören, als die Ratte zu Boden glitt. Gleich darauf wollte Flammenstern die nächste, die an ihrer Schulter nagte, loswerden, als sie bemerkte, dass die andere ihrer Kehle bedrohlich nahe gekommen war. Wütend versuchte sie, noch immer am Boden liegend, das Tier, das kaum mehr als gefährliches Ungeziefer für sie war, loszuwerden. Es gelang ihr nicht, selbst als sie sich über den Boden wälzte, wollte ihr Gegner nicht von ihr ablassen.
Flammenstern konnte bereits die spitzen Zähne fühlen, die sich in ihre Kehle bohrten, als das Gewicht der Ratte plötzlich von ihrem Hals verschwand.
Verwirrt blinzelnd blickte sie sich um, sie hatte bereits erwartet, gleich ein weiteres Mal zu sterben und war somit recht positiv überrascht, dass dies nicht eingetreten war. Direkt vor ihr stand die schwer atmende Fliederpfote, eine leblose Ratte im Maul haltend, wie Flammenstern erst einige Herzschläge später realisierte. Die schwarze Schülerin hatte ihr soeben das Leben gerettet!
„Da...danke", krächzte die flammenrote Anführerin, die grünen Augen ihrer Schülerin funkelten grimmig. „Dank mir nicht zu früh", war die finstere Antwort der nachtschwarzen Kätzin. Doch Flammenstern hatte keine Zeit um auf die pessimistische Einstellung der jungen Kätzin einzugehen, da sie plötzlich eine Irritation am Rande ihres Blickfelds wahrnahm. Dort, gleich hinter Fliederpfote, wo sich ihre Jungen befanden, entdeckte sie zwei hässliche, vernarbte Ratten, die sich auf die Kleinen stürzen wollten.
Entsetzt weiteten sich Flammensterns Augen, mit aller Kraft wollte sie sich auf ihre Pfoten hieven, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst, der Kampf gegen die Ratten hatten ihr das letzte bisschen Kraft gekostet, dass sie noch hatte. Hilflos musste sie dabei zusehen, wie die beiden dunklen Gestalten sich auf ihre Jungen stürzten.
„Das werdet ihr nicht tun", fauchte Fliederpfote, als sie wohl erkannte, weshalb Flammenstern so geschockt an ihr vorbeischielte. Die schwarze Schülerin wirbelte auf der Stelle herum, riss die Ratte, die gerade auf die Jungen zusprang, aus der Luft und schleuderte sie mit einem gezielten Schlag mit der Pfote davon. Flammensterns Herz setzte für einen Schlag aus, als sie erkannte, dass Fliederpfote zwar die eine Ratten losgeworden war, die andere, die mit funkelnden Augen zwischen den Jungen stand und aussah, als würde sie sich diebisch freuen, aber anscheinend gar nicht gesehen hatte.
„Fliederpfote!", hauchte die orangerote Königin erstickt, unfähig lauter zu sprechen. Nein, nein, wieso musste ihre Stimme genau jetzt versagen? Das durfte doch einfach nicht war sein! Sie musste verhindern, dass Regenpelz' Tod umsonst gewesen war, sie musste ihre Jungen retten. Oh SternenClan, lass Fliederpfote verstehen, flehte sie, gerade als die junge Kätzin sich wieder zu ihr umgedreht hatte.
Die Verzweiflung in ihrem Blick musste Bände sprechen, denn Fliederpfote wirbelte mit einem besorgten Funkeln in ihren Augen sofort wieder herum, um sich auf die Ratte, die gerade dabei war die Jungen anzugreifen, zu stürzten. Mit aller Kraft versuchte Flammenstern sich zu erheben. Sie musste zu ihren Jungen!
Erst gelang es ihr nicht, sie gab sich alle Mühe, betete, hoffte, am liebsten hätte sie vor Frust geschriehen. Fliederpfote war es in der Zwischenzeit gelungen, die Ratte zu töten, das schwarze Untier baumelte aus ihrem Maul, während die Schülerin nun etwas unschlüssig vor den kleinen Kätzchen stand.
Oh SternenClan, mach, dass ihnen nichts geschehen ist!, flehte Flammenstern verzweifelt. Schlussendlich gelang es ihr sich zu erheben, taumelnd tappte sie an Fliederpfotes Seite, als sie bemerkte, dass die schwarze Schülerin mit glasigen Augen die Kleinen anstarrte. Der Ausdruck in den Augen von Fliederpfote ließ die flammenfarbene Anführerin erschaudern. Es wirkte, als würden unzählige Erinnerungen an der Schülerin vorbeifließen und als würde sie jeden Moment davonrennen wollen.
Flammenstern konnte sich jedoch nicht weiter mit der schwarzen Kätzin befassen. Ihre Jungen! Besorgt ließ sie ihren Blick über die Kleinen schweifen, wobei sie natürlich kaum etwas sah, schließlich war es weiterhin stockdunkel. Trotzdem war sie erleichtert, als sie kein Blut entdeckte, dass nicht schon getrocknet aussah und folglich von der Geburt sein musste. Da es nichts bringen würde, an den Vieren zu schnuppern, unterließ Flammenstern dies.
Beruhigt wandte die Königin sich wieder der recht durch den Wind wirkenden Fliederpfote zu, dabei bemerkte sie, dass Mondpfote fast alle restlichen Gegner verjagt hatte. Dankbar miaute sie an Fliederpfote gerichtet: „Du hast meine Jungen gerettet!"
Die Antwort der schwarzen Kätzin jedoch, fiel, selbst wenn Flammenstern nicht wirklich wusste, was sie erwartet hatte, komplett anders aus, als sie gedacht hatte. „Ich bezweifle, dass das schlau war."
Gleich darauf schüttelte Fliederpfote jedoch ihren Kopf, während die orangerote Anführerin sie nur verblüfft betrachtete. Für Fragen oder sonstige Reaktion auf die seltsame Antwort ihrer Schülerin, blieb Flammenstern jedoch keine Zeit, da plötzlich eine Stimme ihren Namen jaulte.
„Flammenstern! Fliederpfote! Mondpfote! Ihr Lebt! Oh SternenClan, ich dachte...", erklang Staubwolkes erschöpft wirkende Stimme im Eingang der Höhle. Sofort blickten die beiden Kätzinnen zu dem schildpattroten Stellvertreter. Flammenstern hatte das Gefühl, dass sie noch nie so erleichtert gewesen war, ihren Bruder zu sehen. Bis sie feststellte, aus welchem Grund er verstummt war.
Der Schildpattkater stand im Eingang der Höhle, wodurch er fast jede Lichtquelle verdeckte. Die flammenrote Anführerin konnte jedoch genug erkennen, um zu verstehen, dass ihr Bruder gerade neben Regenpelz' leblosen Körper stand und es ihm deshalb die Sprache verschlagen hatte.
Regenpelz' lebloser Körper. Sofort wurde Flammenstern wieder an den Tod ihres geliebten Gefährten erinnert und schluchzte gequält auf. Vorbei an Mondpfote, der gerade den Angriff einer der letzten verbliebenen Ratten abwehrte, lief sie, so schnell sie ihre müden Pfoten trugen, zu Staubwolke. „Oh Flammenstern", seufzte der Zweite Anführer mit einem traurigen Blick zu Regenpelz. Wimmernd schmiegte sich Flammenstern an ihren Wurfgefährten, der ihr tröstend über die Schulter leckte.
„Haben die Ratten ihn umgebracht?", flüsterte Staubwolke fragend, auch wenn es offensichtlich war. Flammenstern nickte nur traurig. Sie spürte, wie ihr Wurfgefährte sich neben ihr versteifte. „Deine Jungen", stammelte er mit fast erstickter Stimme. „Sind sie auch...?"
Bestürzt trat Flammenstern einen Schritt zurück und blickte über ihre Schulter zu ihren vier winzigen Jungen, neben denen nun Mondpfote, der die letzte Ratte inzwischen entweder verjagt oder getötet hatte, und Fliederpfote standen. Erst da erkannte sie, dass es für ihren Bruder wohl so aussehen musste, als wären die Kleinen tot, da sie gerade nicht bei ihnen war.
„Nein, nein. Sie sind wohlauf", versicherte sie ihm und setzte sich erschöpft, wobei ihr Blick auf Regenpelz' Leiche fiel, die kaum mehr als zwei Schwanzlängen von ihr entfernt lag. Wimmernd schlug sie die Augen nieder. Der Anblick des leblosen Körper versetzte ihr einen Stich, so stark, dass es ihr vorkam, als würde sie jeden Moment platzen. Sie fühlte, dass ihre Gedanken schon wieder dabei waren in tiefer Trauer zu versinken.
Entschlossen, sich wie eine Anführerin zu verhalten, atmete sie ganz tief ein und aus. Dann miaute sie: „Ist der Kampf vorbei?"
„So gut wie. Zum Glück ist uns Chester zusammen mit dem WolkenClan zur Hilfe gekommen. Wir hätten es sonst wohl nicht geschafft... nur im Lager tobt anscheinend noch der Kampf, aber ich habe Chester, einige WolkenClan-Krieger und alle von unseren Clangefährten, die noch kampffähig sind losgeschickt, um zu helfen", erklärte Staubwolke, er schien froh zu sein, dass er etwas hatte, worüber er sprechen konnte, um sich vom Tod seines Freundes abzulenken.
„Haben wir sonst noch jemanden verloren?", wollte sie wissen und warf trotz ihres Versuchs, sich zusammenzureißen einen weiteren Blick auf den toten Körper ihres Gefährten. Tod. Er war tot.
„Kieselpelz hat eine sehr tiefe Wunde an seiner Schulter und Rabensturm kann sein Hinterbein nicht belasten, aber ansonsten nichts, was weiter schlimm ist. Aber beim WolkenClan...", murmelte Staubwolke hastig. Langsam lief er an ihr vorbei tiefer in die Höhle auf ihre Jungen zu. Zögernd, es fiel ihr noch immer schwer, sich überhaupt auf den Beinen zu halten, folgte sie ihm. Es kam ihr so vor, als würde er nicht mehr weitersprechen wollen, weshalb sie sich schließlich, als sie bereits bei den Jungen, die gerade von Mondpfote eingehend beschnuppert wurden, waren, räusperte. Staubwolke reagierte noch immer nicht, sondern blickte auf die vier Kätzchen herab, während er Mondpfote dafür lobte, dass er so tapfer gekämpft hatte, obwohl er ja Heilerschüler war.
„Ja, ihr habt beide ausgezeichnet gekämpft", murmelte Flammenstern abwesend, wollte sich aber nicht weiter damit aufhalten, da sie wirklich wichtigeres im Sinn hatte. „Also?", miaute sie an ihren Bruder gewandt.
„Scharfkralle wird es nicht schaffen. Echoklang hat alles getan, was in ihrer Macht steht, aber er ist bereits auf dem Weg zum SternenClan", erklärte er, was bei Flammenstern aber nicht mehr als ein Schulterzucken auslöste. Bis ihr einfiel, dass auch Scharfkralle eine Gefährtin gehabt hatte, die nun um ihn trauerte. Ganz wie sie, auch wenn sie bezweifelte, dass die Liebe zwischen den beiden so stark gewesen war, wie die zwischen ihr und Regenpelz.
Regenpelz. Hätte sie doch nur die Möglichkeit gehabt, ihn zu retten. Hätte er doch nur nicht versucht, sie zu verteidigen. Dann wäre er noch am Leben. Aber ihre Jungen wären tot. Wie sie es auch drehte und wendete, er hatte das getan, was ein wahrer Krieger und Vater tun sollte. Er hatte sie mit seinem Leben verteidigt. Kaum jemand hätte diesen Mut gehabt, da war sie sich sicher. Sie konnte sich glücklich schätzen, Regenpelz gehabt zu haben.
„Komm, lass uns jetzt die Jungen nehmen und gehen", murmelte Staubwolke und packte Gewitterjunges am Nackenfell. Flammenstern wollte schon nicken, als Mondpfote seinem Vater widersprach. „Wartet noch kurz. Blitzjunges wurde von einer Ratte erwischt. Ich brauche Spinnweben, sonst wird er möglicherweise mehr als nur eine Narbe davontragen.
„Ich hol schon welche", antwortete Fliederpfote und huschte über die toten Körper von einigen Ratten springend davon. Während die drei Katzen auf sie warteten, sprachen sie kein Wort, alle hingen sie ihren eigenen Gedanken nach. Flammenstern wurde derweil klar, dass sie Glutherz, Ahornblatt, Winterschweif und Wasserwirbel von dem Tod ihres Vaters erzählen musste, bevor sie es von jemand anderen erfuhren. Sie wusste nur nicht, ob sie dazu stark genug war.
Als die schwarze Schülerin, die wohl außer einigen Kratzern selbst nichts von dem Kampf davongetragen hatte, eilig zurückkehrte, legte Mondpfote die Spinnweben sofort auf Blitzjunges' gesprenkelten Rücken. Daraufhin packte er den kleinen Kater am Nackenfell. Fliederpfote packte Donnerjunges und Flammenstern nahm die hellgraue Regenjunges, auch wenn sie sich viel zu erschöpft dafür fühlte.
Sich an Staubwolke lehnend wollte sie die Höhle verlassen, als sie an Regenpelz' leblosen Körper vorbeikam. Wie angewurzelt blieb sie stehen, Staubwolke lief noch zwei Schritte weiter, bevor er sich zu ihr umdrehte. Ihre Augen waren auf Regenpelz' blutüberströmten Pelz gerichtet. Sie schluckte, bevor sie miaute: „Ich werde ihn hier nicht zurücklassen."
Ihr schildpattroter Bruder warf ihr einen bekümmerten Blick zu, machte aber nicht einmal Anstalten zu protestieren. Stattdessen murmelte er durch Gewitterjunges' dunklen Pelz hindurch: „Fliederpfote, geh doch bitte schnell ein paar Krieger suchen, die in nach Hause tragen." Die schwarze Kätzin knurrte etwas von wegen, dass sie nicht sein Laufbote sei, bevor sie, nachdem sie Donnerjunges zu den Pfoten ihres Mentors abgesetzt hatte, davontrottete.
Staubwolke seufzte, dann warf er Flammenstern einen prüfenden Blick zu. „Du solltest sie zur Kriegerin ernennen", erklärte er zu ihrer Überraschung. „Was?", miaute sie überrascht, während sie Regenpelz' Leichnam anstarrte.
„Du hast mich schon verstanden. Sie hat dir und den Jungen mehrfach das Leben gerettet, sie hat es sich verdient", brummte er schon fast herausfordernd. Es mochte sein, dass er recht hatte, aber Flammenstern war das gerade egal. Sie hatte ganz andere Sorgen. Aber vielleicht war es genau deshalb eine gute Idee.
„Morgen nach der Totenwache", antwortete sie deshalb einfach nur.
Ich weiß nicht, wieso es dieses Mal so lange gedauert hat. Ich musste das Kapitel mehrfach schreiben, weil es mir nicht gefallen hat. Jetzt müsste es passen, ich hoffe mal, dass es euch gefällt :)
Soll ich es eigentlich wieder so machen, dass ihr die Wiedergeburten (ja, die Jungen sind welche) erratet? Oder eher nicht?
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