Kapitel 43

Der Donner grollte durch die von Schmerzensschreien und Kampfgebrüll geprägte Nacht, er klang wie ein Warnruf, doch Flammensterns Schmerzen waren viel zu allumfassend, als dass sie weiter darüber nachgedacht hätte. Ihr Junges! Ächzend beugte sie sich über das winzige, rötliche Junge. Eine Schmerzenswelle ließ ihren Körper erbeben, doch sie ließ sich nicht davon abhalten, ihre kleine Tochter abzulecken. Ihr Maul fühlte sich staubtrocken an, trotzdem fuhr sie der Kleinen so lange durch das nasse, vom Blut verklebte Fell, bis es aufgeregt zu maunzen begann und blind mit der Schnauze nach ihrem Bauch suchte. Leider konnte Flammenstern den Moment nicht genießen, denn wenn das überhaupt möglich war, wurden ihre Schmerzen noch stärker. Gequält jaulte sie auf.

Zeitgleich konnte sie auch von draußen, außerhalb der dunklen Höhle einen Schmerzensschrei hören. Regenpelz! Verzweifelt warf die flammenrote Anführerin einen Blick auf den Ausgang der Höhle. Ihr Gefährte kämpfte dort draußen um sein Überleben. Nein, nicht nur. Er kämpfte um ihres. Um das von ihr und ihren Jungen. „Regenpelz", hauchte sie, bevor sie eine weitere stechende Schmerzenswelle wie ein Blitz durchzuckte. Beim SternenClan! Diese Schmerzen... Es kostete ihr beinahe ihren Verstand!

Flammenstern war kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, ihr Kopf dröhnte. Der Donner grollte über den Himmel, sie konnte hören, wie der Regen von dem jaulenden Wind gegen den Baum und die Erde gepeitscht wurde. Ihr kleines Junges maunzte anklagend, es erwartete Milch. Die orangene Kätzin wollte das Kleine bereits zu ihrem Bauch schieben, als ihr klar wurde, dass ihr Fell so nass war, dass sich bereits eine Pfütze um sie herum bildete. Ihre kleine Tochter würde krank werden! Und eine Krankheit, wenn sie noch so jung war, konnte zu ihrem Tod führen! Das durfte sie auf keinen Fall zu lassen! Aber das Junge brauchte Milch...

Der stechende Schmerz, der sie an unzählige spitze Krallen erinnerte, die sich ins Innere ihres Körpers bohrten, kehrte mit voller Wucht zurück und ebbte gleich darauf wieder ab. Sie keuchte. Aufgeregte Stimmen wurden von außerhalb der Höhle her laut, doch sie konnte sich nicht darauf konzentrieren, was gesagt wurde. Eine weitere Schmerzenswelle jagte durch ihren Körper, kreischend verkrampfte sie ihre Haltung. Solch starke Schmerzen... das konnte nicht normal sein!

„Flammenstern!", jaulte eine junge Stimme ganz plötzlich neben der orangeroten Kätzin. Verwirrt blickte sie auf, gerade, als sie eine weitere Schmerzenswelle durchzuckte. Sie jaulte von dem stechenden Schmerz gepeinigt auf. Mondpfote stand mit tropfendem Pelz und schreckgeweiteten Augen neben ihr. Es war nicht nur Wasser, das zu Boden floss, sondern auch Blut von dem Kampf. „So ein Fuchsdung", fauchte der grau-weiße Kater, bevor er, ohne ihr Junges weiter zu beachten, begann, ihr Fell trockenzulecken.

„Mein Kleines", krächzte sie, gerade, als sie einen dumpfen von einem Patschen begleiteten Aufschlag vor der Höhle hörte. Ihr Atem stockte. War das etwa Regenpelz gewesen? Sie keuchte, dank einer weiteren Welle des Schmerzes war es ihr unmöglich sich bei dem Heilerschüler, der stur weiterhin mit seiner rauen Zunge über ihr tropfend nasses Fell fuhr, nach ihrem geliebten Gefährten zu erkundigen. Wenn ihm nun etwas geschah... Die Ratten, sie kannten kein Erbarmen. Es waren Monster, dunkel, hinterlistig und gemein. Sie würden sogar ihre winzige Tochter töten, wenn sie sie in ihre verdreckten Krallen bekamen. Und es waren so viele!

Schmerz durchzuckte sie, ein Schmerzensschrei ließ sich nicht unterdrücken.

Die Ratten würden Regenpelz ohne zu zögern töten. Er war ein guter Kämpfer, doch konnte er ihnen lange genug standhalten? Konnte er sie aufhalten, sie besiegen? Sie merkte, dass ihre vom steckenden Schmerz überschatteten Gedanken sich im Kreis drehten, dass sie ihrem Gefährten nicht helfen konnte. Aber sie konnte nicht damit aufhören, sich in dieser von Höllenqualen durchzogenen Nacht um ihren Gefährten, ihren Regenpelz, zu sorgen.

Dann erinnerte sie sich. Die Worte standen so klar vor ihren Augen, als wären sie dort schon immer gewesen. Die dunklen Monster er allein kann besiegen... Regenpelz konnte nicht gewinnen. Nur Glutherz konnte das!

Flammenstern wollte Mondpfote, der nun endlich von ihr abgelassen hatte und ihre kleine Tochter beschnupperte, bitten, nach ihrem ältesten Sohn zu suchen, wurde aber von einem weiteren Schmerzesstick gepackt, der sie wie ein Blitz durchzuckte. Keuchend schnappte sie nach Luft, sie wusste, dass bald ein weiteres Junges geboren werden würde.

„Eine gesunde, kleine Kätzin", murmelte Mondpfote. Er erkannte nicht, dass sie krächzend versuchte, ihn um etwas zu bitten. Draußen wurde ein schwerer Körper gegen eine der Wurzeln vor der Höhle geschleudert, sie zuckte zusammen, während Mondpfote nur unbeeindruckt von dem Lärm weiter auf die winzige Kätzin starrte. „Wie willst du sie nennen?", miaute der Schüler und ein seltsamer Unterton schwang in seiner Stimme mit, den die orangene Anführerin nicht zu deuten vermochte.

Wieder überkam sie der Schmerz, sie jaulte gequält auf. Sie fühlte sich, als würde sie innerlich zerrissen werden. Bestimmt war das nicht normal! Nein, es konnte gar nicht normal sein. Bei ihrem ersten Wurf hatte sie Schmerzen gehabt, ja, aber dies war etwas anderes. Dies waren Qualen, die sich anfühlten, als würden sie niemals enden wollen. Ganz plötzlich wurde ihr klar, weshalb Mondpfote diese Frage gestellt hatte und seine Stimme so seltsam geklungen hatte. Es stand nicht gut um sie. Sie war dabei, die Geburt ihrer Jungen nicht zu überleben.

„Donnerjunges", krächzte sie. Unerträgliche Schmerzen überkamen sie, sie jaulte, schrie, betete, es möge enden. Schließlich war ihr zweites Junges geboren.

Mondpfote eilte zu dem winzigen Körper, der sich neben ihr kaum merklich regte. Flammenstern zitterte, ihr Atem ging schnell und sie bemerkte, dass sich ihre Flanken ungewöhnlich schnell und nur sehr flach hoben und senkten. Ein Wimmern entwich ihrer Kehle. Das helle Licht eines Blitzes erhellte die düstere Nacht für einen Herzschlag, gleich darauf folgte ein weiterer Donnerschlag.

„Ein Kater", verkündete Mondpfote und legte das kleine, weiße Junge mit rötlichen und grauen Sprenkeln neben die winzige Kätzin. Flammenstern warf den beiden einen sehnsüchtigen Blick zu, auch wenn sie wusste, dass ihr Pelz viel zu nass war, als dass die beiden zu ihr kommen konnten. Die Gefahr war zu groß.

Der Schmerz kehrte mit voller Wucht zurück, kurzzeitig war er fast verschwunden gewesen. Sie kreischte. Wimmernd biss sie die Zähne zusammen. Sie hörte, wie Pelz über die Wurzeln vor dem Eingang zur Höhle schliff. Oh nein! Hatte Regenpelz etwa verloren? War er tot? Nein, nein, das konnte gar nicht sein. Nicht ihr Regenpelz.

Mit vor Schmerzen und Schock geweiteten Augen blickte sie zum von Blitzen erhellten Eingang der Höhle. Dunkles Fell näherte sich ihnen humpelnd. Flammenstern wimmerte vor Erleichterung, als sie die blau gesprenkelten Augen sah, die sich ihr näherten. „Regenpelz", hauchte sie, gleich darauf wurde sie von stechenden Krämpfen geschüttelt. Mondpfote, der bis dahin das gesprenkelte Junge geleckt hatte, blickte mit schreckgeweiteten Augen auf. Es war aber nicht Regenpelz' Erscheinen, das ihn zu schockieren schien, sondern ihr Schrei, denn er eilte ihr sofort zur Seite. Vorsichtig und mit zitternder Pfote betastete er ihre Flanke. Ein dunkler Schatten legte sich über seine Augen, Flammenstern schluckte angespannt. Ihre Kehle war weiterhin staubtrocken. Sie jaulte vor Schmerzen. „Noch mindestens eines", murmelte der Heilerschüler und wandte sich dann an Regenpelz, der schwer atmend im Eingang der Höhle stand. Die flammenrote Königin stöhnte, ihre Qualen wollten einfach nicht enden.

Schwach hob sie den Kopf, um Regenpelz anzuschauen. Bei seinem Anblick blieb ihr beinahe das Herz stehen. Blut, so viel Blut. Die rote, zähflüssige Masse floss aus seinem Pelz, zusammen mit dem Regenwasser. Trotz der Dunkelheit konnte Flammenstern erkennen, dass das Blut nicht nur das von den Ratten war. Sie roch Katzenblut. Regenpelz' Blut.

„Kannst du sie noch länger aufhalten?", miaute Mondpfote, er schien nicht mit einer positiven Antwort zu rechnen. Seine junge Stimme zitterte, so wie Flammenstern es von Schmerzen geschüttelt tat.

„Es sind so viele", murmelte Regenpelz monoton. Sein linkes Auge zuckte unentwegt, es musste verletzt sein. „Aber ich werde es natürlich versuchen. Aber dort draußen... ich konnte dort nicht bleiben. So viele Ratten", miaute er tonlos, Blut tropfte aus seinem leicht geöffneten Maul. Er warf Flammenstern einen verzweifelten Blick zu. „Ich liebe dich", flüsterte er, bevor er sich umdrehte und der ersten Ratte, die eine ganze Meute anführte, die in die Höhle kommen wollte, entgegenstellte. Seine blutbefleckten Krallen waren ausgefahren. Drohend fauchte er, seine Stimme brach.

Flammenstern, die von einer weiteren Schmerzeswelle gepackt wurde, jaulte und stöhnte. Sie musste etwas unternehmen! Regenpelz! Er würde für sie sterben, wenn es nötig war und das konnte sie unter keinen Umständen zulassen. Der dunkelgraue Kater zeriss die Kehle der ersten Ratte, die röchelnd zu Boden fiel, wo sie den anderen Monstern kurz den Weg versperrte, was die dunklen Untiere aber nicht weiter zu stören schien. Verzweifelt wimmerte die flammenrote Anführerin. Fünf weitere Leben sie zerreißen in Stück. Sollten die übrigen vier Leben Regenpelz, Mondpfote und ihren Jungen gelten? Sie selbst konnte nicht sterben, schließlich hatte sie noch acht Leben, doch die anderen hatten dieses Glück nicht...

„Flammenstern! Wie... wie willst du deinen Sohn nennen?", miaute der weiß-graue Heilerschüler in diesem Augenblick. Seine blauen Augen zeigten seine Angst, doch es war nicht die Angst vor den Ratten, die sie dort sehen konnte. Es war die Angst um Flammensterns Leben. Wusste er nicht, dass sie noch acht Leben hatte?

Sie wusste, wie sie ihren winzigen Sohn nennen wollte, schon in dem Augenblick, als er das Licht der Welt erblickte. Hatte sie ihn bisher noch nicht ausgesprochen? Diese Schmerzen... sie raubten ihr den Verstand, die Fähigkeit zu denken, sich zu erinnern. „Blitzjunges!" Der Stolz, der in ihrer Stimme mitschwang, verwandelte sich in ein schmerzverzerrtes Jaulen, als sie wieder von dem stechenden Schmerz, der sie innerlich zerriss, geschüttelt wurde. Sie hörte, wie die Körper der Ratten, gegen die Regenpelz kämpfte, mit dumpfen Aufschlägen zu Boden fielen. Der dunkelgraue Krieger kämpfte, wie ein Mitglied des LöwenClans. Doch war das genug? Würde er, würden sie leben? Regenpelz jaulte, die Ratten mussten dabei sein ihn zu überwältigen. Es war aussichtslos. Flammenstern blickte zu ihrem geliebten Gefährten. Eine Ratte saß auf seinem Rücken, eine andere hatte sich an seiner Kehle verbissen. Regenpelz wälzte sich über den Boden, schlug, fauchte. Blut floss aus der Wunde an seinem Hals, die Ratte ließ einfach nicht von ihm ab.

Ein weiterer Schmerzensschrei, der von einem niedergeschmetterten Flehen um das Leben ihres Gefährten begleitet wurde, durchzog die düstere Nacht. Sie fühlte sich, als würden ihre Ohren bersten. Das dritte Junge wurde geboren.

Regenpelz knurrte schwach, er wankte zurück auf seine Pfoten. Irgendwie hatte er es geschafft, seinem Gegner den Gar auszumachen. Wimmernd blickte die orangerote Anführerin zu dem Kater. Immer mehr Ratten wollten in den Bau strömen, Regenpelz kämpfte weiter. Aber seine Schläge wurden immer träger, seine Kraft schien sich dem Ende zuzuneigen. Flammenstern wimmerte verzweifelt, die Schmerzen schienen sie weiterhin von Innen her zu zerreißen. Das jüngste Junge war nicht das letzte, das geboren werden sollte.

„Ein weiterer Kater, sein Herz schlägt sehr kräftig", verkündete Mondpfote, dessen Anwesenheit Flammenstern schon fast vergessen hatte. Sie gewährte sich einen kurzen Blick auf ihren winzigen Sohn. Sein Pelz war dunkel, so dunkel, dass sie ihn in der düsteren, nur von den gelegentlichen Blitzen erhellten Nacht, fast nicht sehen konnte. „Gewitterjunges", murmelte sie, da sie wollte, dass immer an das Unwetter erinnert werden sollte, währenddessen diese Jungen geboren wurden. Das Unwetter, das die Ratten mit sich brachten. Das Unwetter, das ihr ein Leben kosten würde, denn sie spürte, dass ihre Kräfte, mit jeder Schmerzenswelle, die ihren Körper schüttelte, geringer wurden. Ihr Atem ging keuchend, so wie der von Regenpelz, der nun schon wieder zu Boden gerungen worden war. Ratten, sie stürzten sich auf ihn, bissen, kratzen, brachten den Tod. Flammenstern kreischte, ihr Körper wollte bersten, in unzählige Einzelteile zerbrechen. Sei wimmerte. So viel Schmerz. Ihre drei Jungen maunzten ängstlich, sie wollten zu ihrer Mutter, sie brauchten Milch. Doch das ging nicht, sie würden sonst krank werden.

Verzweifelt blickte sie zu Regenpelz, ihr Gefährte konnte nicht mehr aufstehen. Er lag dort, auf der feuchten, blutgetränkten Erde. Ratten saßen über ihm. In der Ferne erklang ein Jaulen, es klang fast wie das eines Hundes. Andere Stimmen stimmten mit ein. Flammenstern atmete schwer, sie zitterte am ganzen Körper. „Regenpelz!", jaulte sie mutlos. Er regte sich nicht. Die schwarzen Augen der Ratten funkelten siegessicher.

„Nein", hauchte Flammenstern. Beim SternenClan, das konnte einfach nicht sein. Er konnte nicht tot sein. Nein, das war unmöglich. Nicht er, nicht ihr geliebter Regenpelz. Die tiefe Trauer packte ihr schwaches, kaum noch schlagendes Herz, eine weitere Welle des Schmerzes, nun gepaart mit ihrem tief empfundenen Kummer, schüttelte sie. Das vierte Junge wurde geboren, gerade, als sie glaubte, ein durch einen Blitz erkennbar gemachtes Atemwölkchen erkennen zu können, das aus Regenpelz' Maul aufstieg und die Form einer Katze hatte. Ein Wimmern entwich ihr, dann wurde es schwarz vor ihren Augen.

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