Kapitel 4
In dem Moment, in dem er sprach, wurde ihm klar, dass er keinen schlechteren Zeitpunkt hätte wählen können um seiner Familie von Blaumonds und seinen Jungen zu erzählen. Flammenstern, Regenpelz, Ahornblatt, Laubsprenkel – selbst Blaumond – alle blickten ihn fassungslos überrumpelt an. Sein Pelz wurde heiß vor Verlegenheit und Glutherz senkte seinen Blick auf seine blutigen Pfoten. Was seine Eltern wohl jetzt dachten? Er wusste, dass er zu jung war, um schon Vater zu werden. Aber was sollte er machen? Es würde geschehen, da gab es keinen Weg raus. Und er würde auch keinen Weg hinaus wollen. Blaumond war seine Gefährtin und sie erwartete seine Jungen!
Freude wallte in Glutherz‘ Bauch auf und er hob trotzig das Kinn. Sollten sie nun doch denken, was sie wollten! Junge waren immer ein Grund zur Freude. Das Alter der Eltern sollte nicht im Vordergrund stehen. Wenn ihn seine Familie wirklich liebte, dann würden sie auch seine Jungen lieben!
Der dunkelrote Kater blickte zuerst Blaumond, die unsicher von einer Pfote auf die andere trat, dann seiner Mutter in die Augen. Er konnte den Gefühlswirrwarr in den Augen der beiden Kätzinnen sehen. Blaumond schaute immer wieder erwartungsvoll zu ihrer ehemaligen Mentorin, was genau sie sich erhoffte, wusste er nicht. Flammenstern zögerte währenddessen, wobei sich Sorge, Stolz und noch etwas anderes, das Glutherz nicht deuten konnte, in ihren smaragdgrünen Augen spiegelten.
Regenpelz‘ Maul stand offen, er schien etwas miauen zu wollen, schüttelte dann aber immer wieder den Kopf. Schließlich war es Ahornblatt, die die Stille mit einem fröhlichen Miauen durchbrach: „Na dann herzlichen Glückwunsch euch beiden!“ Mit einem tiefen Schnurren trottete sie zuerst zu Blaumond und berührte mit ihrer Schnauze den mondsichelförmigen weißen Fleck auf ihrer Wange und danach zu Glutherz. Mit einem amüsierten Schnurren schlug sie ihm mit der Pfote gegen das zerfetzte Ohr. Überrascht zuckte der dunkelrote Kater zusammen. Bevor er sich bei seiner Schwester rächen konnte, war diese bereits zurück an die Seite von Laubsprenkel gesprungen und flüsterte ihm aufgeregt etwas ins Ohr, woraufhin er aus tiefster Seele schnurrte.
Ahornblatts Freude schien auch Regenpelz, Flammenstern und Blaumond aus ihrer Starre zu befreien. Glutherz‘ Gefährtin rückte näher zu ihm und schmiegte sich an seine Seite. Ihr warmes Fell erinnerte ihn an den wunderbaren Moment, bevor die Ratten angegriffen hatten. Wieso mussten diese krähenfraßfressenden Ungetüme alles zerstören?
Als Flammenstern auf ihn zukam, wurde Glutherz aus seinen Erinnerungen gerissen. Die smaragdgrünen Augen funkelten wie Edelsteine als sie ihn mehrere Herzschläge lang ernst musterte. Blut, das nicht ihr eigenes war, tropfte von ihrer Schulter auf den Boden, doch es schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Durch das Blut, das überall in ihrem Fell klebte, wirkte ihr Pelz noch röter als normalerweise und als der Sonnenschein durch die Zweige hindurch auf sie fiel, wirkte es, als würde sie in Flammen stehen. Die Weise, wie sie dort auf dem mit Blut getränkten Boden stand, wirkte so stolz, wie sie Glutherz bisher wirklich nur bei ihr gesehen hatte. Keine andere Katze des Waldes – nicht einmal Blattstern vom WindClan – wirkte so edel, mutig und intelligent zugleich. Manchmal zweifelte er daran, dass sie wirklich seine Mutter sein konnte. Er war normal. Ein junger Kater mit recht annehmbaren Jagd- und Kampffähigkeiten und… einer Prophezeiung, die er für kurze Zeit vergessen hatte. Vielleicht war er ihr ja ähnlicher als er dachte? Schließlich war auch sie nur eine normale Kriegerin gewesen, bevor sie vor fast vier Blattwechseln eine Prophezeiung erhalten hatte. Sagte sie zumindest immer.
„Ich freue mich wirklich für euch beide, glaubt mir das“, miaute Flammenstern mit liebevoller Besorgnis in der Stimme, „aber ist es nicht etwas zu früh für euch, um Junge zu bekommen?“
Regenpelz, der ebenfalls nähergetreten war, nickte ernst. Die angetrockneten Blutflecken in seinem Pelz wirkten durch das dunkle grau fast schwarz.
Blaumond antwortete nach einigem Zögern auf Flammensterns Frage: „Ja schon. Aber wenn es der Wille des SternenClans ist, sollten diese Jungen Grund zur Freude sein.“ Unnachgiebig wechselte sie einen langen Blick mit ihrer ehemaligen Mentorin. Diese nickte nach kurzem zögern und zuckte dann amüsiert mit den Schnurrhaaren. „Wenn du das so siehst, bin ich vollkommen deiner Meinung!“, miaute die flammenfarbene Kätzin schnurrend.
Stolz drückte sich Glutherz noch etwas enger an seine Gefährtin und berührte mit der Schnauze ihr Ohr.
„Jetzt wo die Kuschelrunde vorbei ist, können wir ja zurück ins Lager gehen, oder?“, miaute Ahornblatt und trottete bereits voraus zwischen einige Haselnusssträuchern hindurch. Laubsprenkel folgte ihr mit einem nachdenklichen Blick.
„Lasst eure Wunden von Rottupf behandeln und schickt eine Kampfpatrouille, die die Ratten verfolgen soll!“, jaulte Flammenstern ihnen hinterher. Die Missbilligung aufgrund Ahornblatts schnellen Abgangs stand ihr ins Gesicht geschrieben. Eine Antwort erhielt sie nicht.
Seufzend stellte sich Regenpelz neben seine Gefährtin und blickte seiner Tochter nach. „Sie war schon immer so“, brummte er grübelnd und leckte etwas Blut von Flammensterns Schulter. „Ja“, miaute die Anführerin nachdenklich. Nachdem sie einmal ein und aus geatmet hatte, begann sie: „Ihr beiden solltet auch zurück ins Lager gehen. Blaumond, du solltest Rottupf dein Bein zeigen. Regenpelz und ich werden nach Fliederpfote suchen.“
Glutherz warf seiner Gefährtin einen besorgten Blick zu. Er konnte nur hoffen, dass ihr bei dem Kampf nichts Schlimmeres geschehen war. Wenn er nur an den kleinen Unfall von Fischschweif dachte! Ein Schauer lief ihm eiskalt den Rücken hinunter, als er an das schmerzerfüllte Jaulen der schildpattfarbenen Königin dachte, als diese ihre beiden Jungen zur Welt brachte… Tulpenjunges hatte nie begonnen zu atmen und Diamantenjunges hatte es gerade so geschafft. Niemals würde es sich der dunkelrote Kater verzeihen, wenn seiner Gefährtin und seinen Jungen so etwas geschehen würde, nur weil sie hatte kämpfen müssen.
„Werden wir machen. Passt auf euch auf!“, miaute Blaumond und kehrte ihnen den Rücken zu. Glutherz folgte ihr mit einem Nicken an seine Eltern. „Lehn dich gegen meine Schulter“, miaute er bestimmt und lief so dicht neben ihr, dass sich ihre Pelze berührten. „Es geht mir gut“, schnurrte die blaugraue Kätzin augenrollend und beschleunigte ihre Schritte etwas.
Die beiden liefen durch ein paar Haselsträucher hindurch und folgten dann dem Weg, von dem sie gekommen waren. Schon bald sprudelte der kleine Bach zu ihrer linken fröhlich vor sich hin. Die Sonne stand bereits tief am Horizont und würde bald ganz verschwinden. Es dauerte nicht mehr lange, dann würde die Nacht hereinbrechen. Der Pfad führte langsam bergab und schon bald konnte Glutherz aufgeregte Stimmen vernehmen, die vom Lager zu ihnen herüberschallten.
Mit angelegten Ohren liefen Blaumond und Glutherz schneller auf das Lager zu. Normalerweise konnte man die Stimmen nicht bis nach draußen hören, denn die Sträucher, die das Lager umgaben, ließen kaum Geräusche hindurch.
„Nein, Kekspfote, du kannst nicht mitkommen! Das ist eine Kampfpatrouille und nichts für junge Schüler!“, knurrte eine genervte, tiefe Stimme vom Ausgang des Lagers her. Etwas erleichtert trat Glutherz durch einige Brombeersträucher hindurch. Sie standen nun direkt vor dem Eingang des FeuerClan-Lagers und einige Weidenzweige hinten ihnen auf Kopfhöhe im Weg. Direkt vor dem Lagereingang befanden sich Rabensturm, Kämpferherz, Polarlicht, Wasserwirbel und Lilienpfote. Kekspfote, der junge Hund, der seit fünf Monden beim Clan lebte, stand niedergeschlagen zwischen den Holunder- und Heidelbeersträuchern. „Aber ich kann kämpfen!“, winselte er mit hängendem Kopf.
Rabensturm schnippte mit dem Schweif zu Kämpferherz. „Er ist dein Schüler“, brummte er genervt und wandte sich ab. Polarlicht folgte ihm. Als sie Blaumond und Glutherz entdeckte spitzte sie überrascht die Ohren und schnüffelte. „Ich rieche Blut! Rein mit euch zu Rottupf und zwar sofort!“ Die Worte der schneeweißen Kriegerin ließen keinen Widerspruch dulden. „Und nehmt Kekspfote mit. Wenn Rottupf so viele Patienten hat, kann sie eine helfende Pfote gebrauchen“, bestimmte Kämpferherz und trat weg vom Ausgang.
„Kommt, wir gehen zum Fluss, wie Ahornblatt gesagt hat“, miaute Wasserwirbel und stürmte voraus. Die restliche Patrouille folgte ihr.
Glutherz trottete zum Eingang des FeuerClan-Lagers und berührte den jungen Hund aufmunternd am Ohr. „Dein Kampf wird kommen“, erklärte er aus voller Überzeugung. Blaumond strich an ihnen vorbei, ihr Bein an ihren Körper angewinkelt. Schmerz zuckte über ihr Gesicht. Sofort schloss der dunkelrote Kater zu seiner Gefährtin auf. „Ich sagte doch, dass ich dich stützen kann“, murmelte er durch zusammengekniffene Augen. Wieso dachten Kätzinnen immer, keine Schwäche zeigen zu dürfen?
Langsam schritten die beiden durch die Heidelbeer- und Holundersträucher hindurch. Weidenäste streiften über ihre Gesichter. Die Pfad unter ihren Pfoten war mit weichem Laub bedeckt, das schon tief in die feuchte Erde eingetreten worden war. Blaumond lehnte sich stöhnend an seine Schulter und langsam machte sich Glutherz wirklich Sorgen um sie. Wieso hatte sie vorher nur nichts gesagt?
„Was ist mit euch geschehen?“, fragte Kekspfote neugierig, der hinter ihnen her tappte. Sie betraten das Lager, in dem gerade kaum eine Katze zu sehen war. „Dasselbe wie auch Laubsprenkel und Ahornblatt“, brummte Glutherz als Antwort und blickte sich im Lager um. Vom Heilerbau drangen Stimmen zu ihm herüber, ansonsten wirkte es fast verlassen. Lahmpelz und Forellenpelz saßen vor dem umgefallenen Baum, der den Bau der Ältesten bildete und unterhielten sich angespannt. Apfelteich und Felspfote saßen zwischen den Wurzeln der Eiche, die in der Mitte des Lagers aufragte und beobachteten angestrengt den Eingang. Nur ein Schüler und ein Krieger! Wenn die beiden die Krieger waren, die zum Schutz des Lagers dageblieben waren, dann hätte der FeuerClan im Falle eines Angriffs ein echtes Problem.
„Wart ihr auch dabei, als die Ratten angegriffen haben?“, wollte Morgenjunges wissen, der aufgeregt hüpfend auf Glutherz, Blaumond und Kekspfote zukam. Das rotbraune Fell des jungen Katers stand in alle Richtungen ab. Hinter ihm kam ein dunkelbraunes Fellknäul aus der Kinderstube geflitzt. „Morgenjunges! Herbstblatt sagt, du sollst reinkommen!“, miaute die kleine Kätzin und stellte sich ihrem Bruder mit aufgeplustertem Fell in den Weg. „Mir doch egal. Glutherz und Blaumond wollten mir gerade erzählen, was mit ihnen passiert ist!“, erklärte der kleine Kater trotzig und schlüpfte an seiner Schwester vorbei. „Nicht wahr?“
„Später vielleicht. Blaumond muss jetzt in den Heilerbau“, erklärte Glutherz bedauernd. Seine Gefährtin biss neben ihm die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerzen aufzustöhnen. Langsam lief Glutherz mit Blaumond an seiner Seite um die Eiche und deren Wurzeln herum. Um nicht in das Rinnsal treten zu müssen, liefen die beiden über den kleinen Felsen, unter dem das Wasser hindurchfloss. Den Heilerbau betraten sie, indem sie sich zwischen dem Rinnsal und der mit Farnen umwachsenen Buche hindurchzwängten.
Im inneren des Heilerbaus wurde das spärliche Abendlicht von den Zweigen der drei Buchen gedämmt. Der kleine Teich zu ihrer rechten glitzerte. Zwischen einigen Farnen auf der anderen Seite des Baus, ertönten Stimmen. Dort befanden sich die kranken oder verletzten Katzen, die von Rottupf behandelt oder beobachtet werden mussten.
„Nein, du bleibst hier liegen, Ahornblatt!“, erschallte die bestimmte Stimme der jungen Heilerin Rottupf zwischen den Farnen. „Aber es geht mir bestens!“, fauchte Ahornblatt zur Antwort. Glutherz schüttelte genervt den Kopf. Wieso konnte seine Schwester nicht einmal tun, was ihr gesagt wurde?
Kurz entschlossen erhob der dunkelrote Kater seine Stimme: „Rottupf, wir bräuchten hier deine Hilfe!“ Augenblicklich raschelte es zwischen den Farnen. Blaumonds Körper wurde an seiner Schulter immer schwerer und langsam schien es ihm, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
Rottupfs getüpfelter Kopf erschien zwischen den goldenen Farnen. Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten im Abendlicht. Als sie Blaumond erkannte, riss sie überrascht und besorgt zugleich die Augen auf. Sie sprang aus den Farnen heraus auf sie zu und blieb schnüffelnd vor ihrer Schwester stehen. „Ratten?“, fragte sie ohne eine Antwort zu erwarten. „Bring sie zwischen die Farne, dort ist ein Nest, in das sie sich legen kann“, erklärte Rottupf und eilte davon zu dem Felsen, unter dem sich ihr Bau und ihre Kräuter befanden.
Wie geheißen trottete er zu den Farnen, Blaumonds Gewicht schwer an seiner Schulter. Mit schief gelegtem Kopf betrachtete er die goldenen Gräser, die im Wind hin und her schwangen. Wo genau sollte jetzt das Nest sein? Er konnte ja schlecht einfach mitten in die Farne hinein laufen und Bienenfell, Laubsprenkel oder Ahornblatt auf den Schweif treten!
„Hier entlang!“, rief eine fröhliche Stimme zwischen den Farnen hervor. Überrascht blickte Glutherz sich um, konnte aber keine Katze entdecken. Blaumond neben ihm stöhnte. Mit langsamen Schritten, durchquerten die beiden die Farne, die n ihren Pelzen entlangstrichen. „Gleich hier drüben!“, miaute die Stimme ein weiteres Mal. Sie klang wie die eines Jungen. Auch wenn der dunkelrote Krieger nicht wusste, wem die Stimme gehören könnte, folgte er ihr. Gleich darauf befand sich plötzlich ein Nest aus Moos und trockenem Laub vor ihm. „Die bricht ja gleich zusammen“, staunte die Stimme direkt neben ihm. Verwundert drehte Glutherz sich um. Als die himmelblauen Augen von Mondjunges ihm entgegenblickten, zuckte er überrascht zusammen. „Was machst du denn hier?“, miaute er und betrachtete das weiß-graue Junge durch zusammengekniffene Augen, während er Blaumond half, sich in das Nest zu legen.
„Helfen“, erklärte Mondjunges stolz und schnüffelte an dem Bein der bläulichen Kriegerin. Glutherz legte den Kopf schief, während er das Junge betrachtete, das eifrig Blaumonds Wunde anstarrte. Eine Zeitlang schwiegen sie, während Blaumonds Flanken begannen sich immer regelmäßiger zu senken und zu heben. Die Kätzin war eingeschlafen.
„Da hätte ich auch Schmerzen“, brach Mondjunges nach einiger Zeit die Stille, trottete zu Glutherz herüber und setzte sich neben ihn. „Wusstest du, dass sie Junge erwartet?“ Überrascht blickte Glutherz zu dem kleinen Kater hinab. Gerade als er ihn fragen wollte, woher er das wusste, erschallte eine Stimme hinter ihnen.
„Wer erwartet hier Junge?“, wollte Rottupf wissen, die mit einigen Kräutern beladen durch die Farne geschritten kam.
Seufzend deutete Glutherz auf die schlafende Blaumond. Er konnte nur hoffen, dass sie nicht vorgehabt hatte, es ihrer Schwester persönlich zu sagen.
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