Kapitel 23

Gähnend schob Flammenstern ihren Kopf durch die Efeuranken, die ihren warmen Bau unter den Wurzeln der Eiche, vom Rest des Lagers abschirmten. Ihr runder Bauch strich beide Wände, wenn er noch etwas weiter wuchs, würde sie ihren eigenen Bau nicht mehr betreten können. Sie sah schon jetzt Regenpelz und Staubwolke vor sich, die sich vor Belustigung am Boden kullerten, falls dies wirklich eintreten sollte.

Es dämmerte bereits, als die flammenfarbene Anführerin die Senke betrat. Die Wurzeln, denen sie ausweichen musste, schützten etwas vor dem aufkommenden Wind, der sie, umso weiter sie sich von der riesigen, sich im Wind biegenden, Eiche entfernte, überraschend erfasste. Flammensterns Pelz wurde zerzaust und gegen den Fellwuchs aufgestellt. Sie hatte kurz Mühe, nicht von einem kalten Windstoß von den Pfoten geworfen zu werden.

Genervt schnaubte sie. Der Wind in diesem Blattfall schien es bei weitem zu Gut mit ihnen zu meinen. Sie brauchten ihn nicht, er störte nur ungemein, doch das schien weder den Wind noch denk SternenClan groß zu kümmern. Flammenstern war sich manchmal ziemlich sicher, dass ihre Ahnen das Wetter überhaupt nicht beeinflussen konnten, hatte bisher aber nie Zeit gehabt, dies zu fragen.

Nachdenklich blickte die Königin sich im Lager des FeuerClans um. Es war ruhig, kaum eine Katze war zu sehen. Forellenpelz und Lahmpelz saßen vor ihrem Bau und beschwerten sich lautstark über das Wetter. Flammenstern konnte es ihnen nicht verdenken. Nicht weit vom Ältestenbau entfernt spielten Lilienpfote und Mondpfote mit einem Tannenzapfen. Fliederpfote saß direkt neben dem Rinnsal und beobachtete die beiden gelangweilt.

Zögernd betrachtete Flammenstern die schwarze Schülerin. Es tat ihr leid, dass sie für die nächsten zwei Monde nicht ihre Mentorin sein würde, auch wenn Fliederpfote nie große Freude an der Ausbildung gezeigt hatte. Die junge Kätzin war schon immer abweisend gegenüber allem und jedem gewesen, ihre Schwestern und an manchen Tagen auch ihren Vater einmal ausgenommen. Ihre mürrische Art wirkte auf viele sogar gemein, das wusste die Anführerin nur zu gut. Doch sie glaubte fest daran, dass Fliederpfote eines Tages auftauen würde. Sie wusste nicht, was zu dem abweisenden Charakter der Schülerin geführt hatte, doch sie war der festen Überzeugung, dass es einen Tages eine Wende geben würde.

Flammenstern dachte darüber nach zu ihr zu gehen und sich bei ihr zu entschuldigen. Sie hatte keinen Fehler gemacht, das war ihr klar, trotzdem befürchtete sie, dass Fliederpfote es ihr übel nehmen könnte, dass sie nun von Staubwolke ausgebildet werden würde. Gerade als sie zu der schwarzen Kätzin laufen wollte, steckte Rottupf ihren getüpfelten Kopf zwischen einer der Birken und dem Rinnsal hindurch und jaulte: „Mondpfote! Kannst du bitte Lavendelpfotes gezerrte Kralle anschauen?“

Der grau-weiße Kater ließ in seinem Spiel inne, warf Lilienpfote einen entschuldigenden Blick zu und eilte zu seiner Mentorin. Die weiße Kätzin mit den schwarzen Beinen trottete daraufhin zu dem Tannenzapfen und stieß ihn lustlos mit der Pfote an.

„Willst du jetzt mit mir spielen?“, fragte sie Fliederpfote, doch diese schüttelte sofort den Kopf. Lilienpfote seufzte und nickte dann. „Wir können Lavendelpfote besuchen!“, schlug sie vor. Die beiden Schwestern trotteten schweigend davon zur Heilerlichtung.

Flammenstern legte den Kopf schief und ließ ihren Blick über das Lager schweifen. Mit dem verschwinden der drei Schüler war es noch stiller geworden. Nun erschallten Stimmen aus der Heilerlichtung, die beiden Schülerinnen schienen Rottupf in ihrer Arbeit zu stören.

Seufzend ging die flammenrote Anführerin zu ihrem ursprünglichen Ziel, der Kinderstube. Sie trottete am Rinnsal entlang, um nicht über die Wurzlen der Eiche zu stolpern, und erreichte dann die Brombeersträucher, die die Kinderstube bildeten. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie dort Kämpferherz, Kieselpelz und auch Düstersturm, die an einigen Zweigen zerrten. Flammenstern war überrascht, dass der blinde Düstersturm sich nicht im Ältestenbau befand, dies war aufgund seiner Erblindung seit Monden das erste Mal, dass er eine Kriegeraufgabe übernahm. Die drei Kater schienen sie zuerst gar nicht zu bemerken, so sehr konzentrierten sie sich auf ihre Arbeit. Anscheinend waren sie gerade dabei, den Bau windundurchlässiger zu machen. Aus dem Inneren wurden aufgeregte Stimmen nach draußen getragen. Die Brombeerzweige erzitterten, als Fischschweif und Gelbfang, gefolgt von ihren Jungen den Bau verließen. Die beiden Königinnen knurrten genervt.

Verwundert legte Flammenstern den Kopf schief und warf den beiden Kätzinnen einen verwirrten Blick zu. Diese blieben, als sie die Anführerin entdeckten, abrupt stehen. Gelbfangs gelbe Augen funkelten zufrieden. „Flammenstern! Du kommst gerade zum richtigen Zeitpunkt“, miaute die weiß-grau gescheckte Königin. Bussardjunges versteckte sich hinter seiner Mutter. Der kleine Kater wirkte schon fast verängstigt.

„Apfelteich, Blaumond, Herbstblatt und dein Bruder streiten sich da drinnen gerade. In unserem Bau! Bitte, unternimm etwas dagegen, die Jungen haben Angst!“, knurrte Fischschweif, ihr schildpattfarbener Pelz war gesträubt.

Flammenstern blickte einen Moment ungläubig zwischen den Kätzinnen hin und her. Ein Streit? In der Kinderstube? Sie schnaubte. „Sie werden das draußen regeln“, versprach sie, trottete zwischen Düstersturm und Kämpferherz hindurch und zwängte sich in die Kinderstube. Die Brombeersträucher zogen an ihrem Pelz, sie knurrte genervt.

„Und ich werde ganz sicher nicht mit dieser Katze in einem Bau schlafen!“, fauchte Herbstblatt, gerade als die Anführerin den Bau betrat. Staubwolke, der etwas überfordert neben seiner Gefährtin stand, seufzte: „Wir haben aber nur eine Kinderstube...“ Dies schien die dunkelbraun-weiße Kätzin relativ wenig zu interessieren.

Apfelteich, die ihrer Schwester gegenüberstand, miaute: „Bitte, Herbstblatt. Ich verstehe, dass du mir nicht vertrauen willst, aber ich bin genauso ein Teil dieses Clans wie du es bist. Ich will doch nur...“ Herbstblatt unterbrach die hellbraun getigerte Königin. „Ein Teil dieses Clans? Bist du dir da sicher? Ich vertraue dir nicht, wir alle vertrauen dir nicht. Geh zurück in das Loch, aus dem du gekommen bist und lass meine Familie in Ruhe!“ Blaumond, die planlos zwischen den Schwestern stand, murmelte kleinlaut: „Können wir das nicht auch ohne Gekreische regeln?“ Keiner schien sie zu beachten, was bei Blaumonds sonst so entschlossenem Auftreten an ein Wunder grenzte.

„Da bin ich deiner Meinung“, miaute Flammenstern mit lauter, klarer Stimme. Sofort fuhren alle vier Katzen überrascht zu ihr herum. „Raus mit euch, ihr könnt das nicht in der Kinderstube klären“, bestimmte sie. Das Moos am Boden der Kinderstube war wild durcheinander geworfen, die Unordnung zeugte vom aufgebrachten auf und ab gehen mehrerer Katzen.

Es dauerte einen Moment, bis die vier Katzen ihren Befehl verstanden, auch wenn Flammenstern mit ihrem Schweif auf den Ausgang deutete. Blaumond verließ schließlich als erste den Bau, dicht gefolgt von Herbstblatt und ihrem Gefährten. Apfelteich folgte etwas langsamer mit wütend funkelnden Augen. Flammenstern seufzte nur, sie war die letzte, die durch die Brombeerzweige hindurchschritt. Draußen ging die Diskussion zwischen den Katzen sofort weiter.

„Wenn meine Jungen geboren sind, wirst du sie töten. Ich weiß, dass du deine Rache planst. Ich weiß nur nicht, wofür du dich rächen willst. Denn ich habe dir nichts getan!“, fauchte Herbstblatt und bohrte ihre Krallen tief in die mit totem Laub bedeckte Erde. Apfelteich, die ihr so gegenüberstand, dass nur eine Schnurrhaaresbreite sie von ihrer Schwester trennte und ihre Schnauzen sich fast berührten, fauchte: „Das ist vollkommen absurt! Ich bin keine Mörderin!“

Kämpferherz ließ der Streit zwischen den Katzen vollkommen kalt, Flammenstern beobachtete, wie er sich kurz in der Kinderstube umsah und dann Kieselpelz befahl, einige Schüler zu suchen, damit diese frisches Moos holen würden und dort drinnen aufräumen würden. Die flammenrote Kätzin selbst trottete weiträumig um die Kätzinnen herum und setzte sich neben Staubwolke und Blaumond auf eine Wurzel, wobei sie sich aber, wie so oft in letzter Zeit, sehr schwerfällig bewegte. Als sie endlich saß, musste sie schwer atmen.

„Wie lange geht das schon?“, raunte sie ihrem Bruder zu. Sie bauschte ihren Pelz gegen den kalten Wind auf. Gelbfang und Fischschweif waren mit ihren Jungen zur anderen Seite des Lagers getrottet, wo sie sich nun mit Forellenpelz und Lahmpelz unterhielten. Flammenstern fiel auf, dass Fischschweif ihren ehemaligen Gefährten vollkommen ignorierte.

„Seit Apfelteich den Bau betreten hat, also etwa seit kurz nach deiner Ansprache“, erklärte der schildpattrote Kater trocken.

Flammenstern nickte nur. Diese Antwort hatte sie erwartet.

„Du hast Blatt getötet! Leugne es nicht!“, knurrte die hellbraun-weiße Königin herausfordernd. Ihre grauen Augen blitzten warnend. Apfelteich zuckte jedoch nicht zurück, sie hatte keine Angst vor ihrer Schwester.

„Sie ist gestolpert!“, fauchte die hellbraun getigerte Königin. Ihre Flanken bebten vor Wut. Flammenstern wusste bei bestem Willen nicht, welche der beiden Kätzinnen Recht hatte, sie war sich nur ziemlich sicher, dass beide fest daran glaubten, die Wahrheit zu sagen.

„Was willst du dagegen unternehmen?“, miaute Blaumond, die die Schwestern nur kopfschüttelnd betrachtete. Flammenstern seufzte nur. Sie wusste keine Antwort.

„Was mir gerade einfällt... Hast du Winterschweif gesehen?“, miaute plötzlich Staubwolke, der den Streit seiner Gefährtin langsam wirklich zu nerven schien. Flammenstern runzelte bei dem plötzlichen Themenwechsel überrascht die Stirn.

„Nicht seit... ähm, ich weiß es nicht. War er nicht mit Kieselpelz und dir auf Jagdpatrouille?“, miaute sie verwirrt. Staubwolke murmelte irgendetwas zustimmendes. „Unter der Jagd sagte er, dass er noch etwas erledigen müsse und ist verschwunden. Als er ewig nicht wieder aufgetaucht ist, sind Kieselpelz und ich alleine zurück zum Lager gelaufen, wo wir gerade rechtzeitig ankamen, um deine wundervolle Rede mitzuerleben.“ Die flammenrote Königin stutzte. Winterschweif war verschwunden? Sie musste das falsch verstanden haben, das konnte doch überhaupt nicht sein.

„Du hast also während deiner Patrouille einen Krieger verloren?“, stellte sie, in Erwartung einer Berichtigung, fest. Zu ihrem Bedauern nickte Staubwolke nur.

„Wo war das?“, miaute sie besorgt. Dank der Bedrohung durch die Ratten hatte sie sofort ein ungutes Gefühl im Magen, als sie an Winterschweif dachte, der alleine irgendwo im Territorium herumstreunte. „Beim Donnerweg, etwas oberhalb des Baumgesiebts“, berichtete Staubwolke. Flammenstern runzelte die Stirn. Was konnte der weiße Krieger dort wollen?

„Ich unterbreche euch beide ja nur ungern, aber ich glaube, die gehen gleich aufeinander los“, miaute Blaumond plötzlich. Sofort galt die Aufmerksamkeit der beiden Katzen wieder den Königinnen, die sich fauchend gegenüberstanden.

„Blatt war viel zu geschickt um einfach zu stolpern! Du wolltest sie loswerden! Und seither willst du auch mich loswerden!“, fauchte Herbstblatt. Apfelteich schnaubte wütend. „Das ist eine Lüge! Du bist vollkommen paranoid!“

Flammenstern wusste bei bestem Willen nicht, welche der beiden die Wahrheit sagte. Die Augen rollend erhob sie sich, sprang von der Wurzel herab und trottete zu den Schwestern, deren graue Augen im Licht der langsam untergehenden Sonne rötlich schimmerten. Apfelteich knurrte aus voller Kehle, ob dies der Anführerin oder ihrer Schwester galt, war nicht auszumachen.

„Auseinander ihr beiden!“, befahl Flammenstern und schob sich zwischen die zwei Kätzinnen, die sich daraufhin über ihren Rücken hinweg anstarrten.

„Ihr beide benehmt euch wie Junge, ist euch das klar?“, murmelte die Anführerin und rollte die Augen. Die Kätzinnen schienen sie zu ignorieren. Da kam ihr plötzlich eine Idee, wie sie die beiden wenigstens trennen konnte, sodass sie sich nicht für die nächsten sechs Monde anfeinden würden.

„Herbstblatt, du lebst von jetzt an mit mir in meinem Bau. Die Kinderstube ist sowieso zu klein für sechs Königinnen und ihre Jungen. So bin ich nicht alleine und du bist von ihr getrennt“, miaute Flammenstern, wohl wissend, was dadurch auf sie zukam.

Durch den Vorschlag ließen die zwei Schwestern plötzlich voneinander ab und blickten die Anführerin überrascht an. Herbstblatts Pelz war noch immer gesträubt, doch sie fuhr ihre Krallen ein und blinzelte, als würde sie aus einer Trance erwachen.

„Das ist eine wunderbare Idee!“, schnurrte sie mit gewohnter Freundlichkeit. Flammenstern seufzte zufrieden, Staubwolke und Blaumond nickten anerkennend.

„Ist das Gekreische endlich vorbei?“, wollte Kämpferherz wissen, dessen bernsteinfarbenes Auge funkelte belustigt. Flammenstern nickte schnurrend. Sie wusste, das das Problem zwischen den beiden Kätzinnen damit nicht dauerhaft gelöst war. Aber immerhin hatte sie nun etwas Zeit, um sich eine Lösung zu überlegen. Und um darüber nachzudenken, ob Apfelteich am Ende doch die „Falsche“ Katze war.

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