Kapitel 22

„Du musst in den Heilerbau“, murmelte Blaumond neben seinem Ohr. Ihr blauer Blick war besorgt auf die tiefe Bisswunde an seiner Schulter gerichtet. Glutherz schüttelte seinen Kopf. „Das ist doch nichts. Verheilt bestimmt von ganz alleine“, brummte er und drehte sich so, dass er seiner Gefährtin gegenüber saß und sie seine Schulter kaum noch sehen konnte.

„Spinnenweben und Klettenwurzel haben bei einem Rattenbiss noch keinem geschadet“, verkündete Rottupf, die in diesem Moment hinter Blaumond erschien. Ihr Schüler Mondpfote folgte ihr dicht auf den Fersen, er trug eine scharf riechende Wurzel im Maul, sein Gesicht war vor Ekel zu einer Grimasse verzogen.

Die junge Heilerin berührte ihre Schwestern im vorbeigehen prüfend am angeschwollenen Bauch und nickte dann zufrieden. „Sie sind gesund. Mindestens zwei, würde ich sagen“, schnurrte sie, drückte ihre Schnauze an die Wange ihrer Schwester und trat dann zu Glutherz. Dieser wollte sich von ihr wegdrehen, er hatte keine Lust wegen diesem kleinen Kratzer in den Heilerbau geschickt zu werden.

„Jetzt zeig schon her, sonst dauert das ganze nur länger“, seufzte Rottupf genervt, sie rollte ihre bernsteinfarbenen Augen.

„Kann ich nicht erst auf die Jagd gehen, bevor du dir das anschaust?“, protestierte er, woraufhin Blaumond empört schnaubte. Sie wollte gerade zu einer wütenden Antwort ansetzen, als Rottupf ihr zuvorkam.

„Du verlässt das Lager nicht, bevor ich das erlaubt habe. Jetzt zeig mir deine Schulter, oder ich gehe zuerst zu den anderen, die sich nicht so mäusehirnig anstellen. Aber das Lager verlässt du dann trotzdem erst, wenn ich deine Schulter gesehen und gegebenenfalls behandelt habe“, knurrte die gescheckt-getüpfelte Heilerin genervt. Mondpfote neben ihr blickte immer wieder zwischen seiner Mentorin und Glutherz hin und her, als würde er aus ihrem Gespräch nicht schlau werden. Glutherz selbst verstand auch nicht so wirklich, wieso er ein solches Problem damit hatte, jetzt von Rottupf behandelt zu werden. Vielleicht lag es an dem Anblick von Flammensterns Rücken, aus dem sie die Knochen vor etwa eineinhalb Monden ohne große Feinfühligkeit herausgezogen hatte.

Seufzend erhob er sich und stellte sich so vor Rottupf, dass sie einen guten Blick auf seine Schulter hatte. Vorsichtig schnupperte sie daran und betrachtete ihn dann mit schiefgelegtem Kopf. „Zuerst muss die Wunde gesäubert werden. Kannst du auch gerne selbst machen, wenn du mir nicht vertraust“, miaute die junge Heilerin spitz.

Blaumond seufzte übertrieben und erhob sich schwerfällig. Mondpfote neben ihr schaute sie ehrfürchtig an, schien aber keinesfalls darüber nachzudenken, ob sie möglicherweise Hilfe benötigen könnte. Glutherz wusste, dass seine Gefährtin dieses Angebot abgelehnt hätte, weshalb der Heilerschüler ihr nicht trotzdem hatte helfen wollen, konnte er nicht verstehen.

„Ich gehe in die Kinderstube. Für sechs Königinnen ist dort bei weitem nicht genug Platz“, murmelte die blaugraue Königin und trottete, ohne sich noch einmal umzublicken, davon. Der dunkelrote Kater folgte seiner Gefährtin mit den Augen. Nun war es an ihm zu seufzen.

„Mach ruhig“, brummte er und betrachtete eingehend die umstehenden Katzen, die größtenteils auf Rottupf zu warten schienen. Lilienpfote und ihre Schwestern beschnüffelten gegenseitig ihre Wunden, während Polarlicht, Rabensturm und Laubsprenkel neben Bienenfells Körper kauerten und Staubwolke Wasserwirbel, Kieselpelz und überraschenderweise auch Düstersturm Befehle gab.

Als Rottupf sich zu ihm beugte und begann seine Schulter zu lecken, zuckte der junge Krieger zusammen, ein stechender Schmerz durchzuckte ihn wie ein Blitz, Hitze breitete sich von seiner Schulter aus in seinem Körper aus.

„Halt still“, befahl sie, ihre raue Zunge fuhr immer wieder über den Rattenbiss, wo sein Fell in Fetzen hing und mit Blut verkrustet war. Bei jedem einzelnen Strich ihrer Zunge wäre er am liebsten davongerannt, fühlte sich aber bei weitem zu beobachtet um so zu handeln.  Außerdem wollte er nicht, dass Rottupf ihn für ein komplettes Mäusehirn hielt. Die Zähne zusammenbeißend hielt er still.

„Hast du die Klettenwurzel gut gekaut?“, wollte die gescheckt-getüpfelte Heilerin plötzlich von ihrem Schüler wissen und ließ von seiner Schulter ab. Erleichtert atmete er aus.

„Ja! Und die Spinnenweben habe ich auch schon nach Spinnen durchsucht. Drei Mal. Habe nur eine gefunden und die gleich vernichtet“, verkündete der weiß-graue Kater voller Eifer, auch wenn seine Schnauze vor Ekel gegenüber der Klettenwurzelpaste hochgezogen war. Seine Mentorin nickte anerkennend.

„Sehr schön. Dann kannst du die Paste gleich auf Glutherz‘ Schulter streichen. Pack dann noch gut Spinnenweben darauf, brauchst auch nicht sparen. Danach kommst du zu der nächsten Katze, die ich behandle. In Ordnung?“, miaute Rottupf und trottete, sobald ihr Schüler eifrig genickt hatte, davon.

„Und Glutherz“, miaute sie ihm über die Schulter zu, als sie Fliederpfote und die beiden anderen Schülerinnen schon fast erreicht hatte. „Manche Dinge sollte man seiner Anführerin erzählen. Wie willst du allein jemals herausfinden, was es mit Eichenherz‘ Worten auf sich hat?“

Vollkommen überrumpelt starrte er der Heilerin, die sich so verhielt, als hätte sie kein Wort gesagt und Lavendelpfotes Nacken untersuchte, hinterher. Eichenherz‘ Worte? Sprach sie von der Prophezeiung? Woher wusste sie davon? Hatte der rotbraune Kater sie etwa auch besucht? Wenn er länger darüber nachdachte, ergäbe dies sogar Sinn, schließlich war Rottupf die Heilerin des FeuerClans, … aber wieso hatte Eichenherz‘ es nicht gleich von Anfang an ihr erzählt, statt ihm. Das ganze schien in keinem logischen Zusammenhang zu stehen. Vielleicht hatte Rottupf nur etwas bei einem Besuch im SternenClan aufgeschnappt. Das konnte sein! Auf jeden Fall sollte er wohl wirklich mit Flammenstern reden. Denn: …ein Fehlschlag und er muss sein Blut in den Tode wiegen. Und darauf war er wirklich überhaupt nicht erpicht. Flammenstern, Regenpelz, seine Geschwister, seine bald geborenen Jungen, ja, sogar Staubwolke und seine Jungen, sie alle waren von seinem Blut. Und jeder von ihnen könnte gemeint sein.

„Das wird jetzt etwas brennen“, miaute plötzlich Mondpfote neben Glutherz und der rote Kater zuckte überrascht zusammen. Er hatte die Anwesenheit des Heilerschülers schon wieder vergessen… oder eher ausgeblendet. Noch bevor er sich jedoch auf das erneute Stechen vorbereiten konnte, strich der junge Kater ihm die scharf riechende Paste auf die Schulter. Zuerst spürte er nichts weiter, doch dann kam das Brennen so plötzlich wie ein listiger Fuchs aus einer Höhle geschossen. Flammen schienen in seiner Schulter zu zügeln und zum ersten Mal konnte Glutherz erahnen, welch unfassbare Schmerzen seine Mutter durchlebt haben musste. Dies war nur ein kleiner Biss, doch bei ihr war ihr gesamter Rücken mit dieser Masse eingesalbt worden. Sie musste Höllenqualen gelitten haben.

Die Zähne ein weiteres Mal zusammenbeißend kniff der junge Krieger die Augen zusammen und wartete darauf, dass der Schmerz sich legen würde. Als dies dann auch geschah und Mondpfote mehrere Lagen Spinnenweben auf seine Wunde legte, seufzte der rote Kater erleichtert.

„Schmerzempfindlich bist du gar nicht, oder?“, war die trockene Feststellung des jungen Schülers, bevor er mit erhobenem Schweif zu seiner Mentorin stolzierte. Glutherz runzelte die Stirn, dachte aber nicht weiter über die recht unverschämten Worte des Schülers nach, die ihn eigentlich dazu gebracht hätten, verlegen und etwas verwirrt eine unlogische Rechtfertigung von sich zu geben.

Langsam stand er auf, seine Schulter und die damit verbundene Pfote konnte er überraschenderweise relativ gut bewegen. Ohne großartig zu humpeln machte er sich auf den Weg zu seiner Mutter, die er zuvor in ihren Bau hatte gehen sehen. Wahrscheinlich würde sie nicht so erfreut sein, mit einer Prophezeiung konfrontiert zu werden, wo sie gerade erst ihre Aufgaben als Anführerin für die nächsten Monde an ihren Stellvertreter abgegeben hatte. Konnte gut sein, dass sie sich etwas mehr Ruhe erhofft hatte, auch wenn er es kaum glaubte. Er kannte Flammenstern. Sie tat alles, damit es ihrem Clan gut ging. Und auch wenn das nicht selten auf Kosten der Aufmerksamkeit, die sie ihrer Familie geben sollte, geschah, wusste er doch, dass sie ihm immer helfen würde. Und dass sie sich wohlmöglich sogar freuen würde, dass ihr Aufenthalt in der Kinderstube etwas interessanter werden würde.

Vorsichtig, um seine Schulter nicht unabsichtlich gegen eine der Wurzeln zu rammen, wandte er sich zwischen den vielen Stolperfallen hindurch, die die Eiche, die in der Mitte das Lager wuchs, umgaben. Das herabgefallene Laub unter seinen Pfoten knisterte verräterisch. Bestimmt wusste Flammenstern bereits, dass er auf dem Weg zu ihr war, was ihn aber nicht weiter störte.

„Flammenstern?“, jaulte er, als er die Efeuranken erreichte, die den Eingang zum Bau seiner Mutter umwuchsen. Die Ranken raschelten im kalten Wind und schwangen hin und her.

„Herein!“, erschallte die müde wirkende Antwort und Glutherz schob seinen Kopf durch die Efeuranken. Langsam betrat er den dämmrigen Anführerbau. Warme, fast stickige Luft kam ihm entgegen. Die Ranken streiften seine Schulter, er zuckte zusammen.

Flammenstern lag nah an einer der Wände in ihrem Nest. Sie hatte ihren Kopf auf ihre Pfoten gebettet, ihre smaragdgrünen Augen waren geschlossen. Nachdenklich betrachtete der dunkelrote Kater die Kätzin. Sie wirkte anders als normalerweise, strahlte nicht diesen Stolz und diese Wildheit aus, die er von seiner Mutter gewohnt war. Ihr runder Bauch ließ sie wie eine alte Königin wirken, auch wenn sie überhaupt nicht alt war. Dies lag wohl an dem recht zufrieden wirkenden Gesichtsausdruck und den erfahrenen Gesichtszügen, die wirkten, als könnten sie nichts mehr überraschen.

„Was gibt es?“, seufzte die flammenfarbene Königin und öffnete ihre funkelnden Augen. Ihr Blick suchte den ihres Sohnes, die fast gleichen Grüntöne trafen sich. Glutherz räusperte sich verlegen.

„Ich muss dir etwas erzählen, es hat mit den Ratten zu tun“, setzte er an. Mit einem Schnurren unterbrach sie ihn, ihre Smaragdaugen blitzten auf. „Hat eine mit dir gesprochen?“, fragte sie sarkastisch, ein ungewöhnlich herausfordernder Tonfall schwang in ihrer hellen Stimme mit. Glutherz blinzelte überrascht, es jagte ihm einen Schauer über den Rücken, als er sich an den Kampf erinnerte. Als er sich an die sprechende Ratte erinnerte. Wie konnte Flammenstern von ihr wissen? Wir haben dich gewarnt. Waren das nicht die Worte der Ratte? Hatte sie ihn etwa mit seiner Mutter verwechselt und hatte eine Ratte mit ihr gesprochen? Konnte das überhaupt sein? Er wusste, dass er seiner Mutter ähnlich sah, doch er hatte nicht erwartet, dass irgendjemand ihn mit ihr verwechseln könnte, schließlich war er ein Kater!

Während er sie wie erstarrt anstarrte, blinzelte Flammenstern überrascht. Ungläubig öffnete sie das Maul, schloss es gleich darauf wieder, als wüsste sie nicht, was sie sagen sollte. Schwerfällig rappelte sie sich auf, ihr zerzaustes Fell wirkte im Dämmerlicht wie die Stacheln eines Igels. Langsam stand sie auf, tat einen Schritt auf ihren Sohn zu und blieb dann unschlüssig stehen.

„Es hat wirklich eine Ratte mit dir geredet?“, miaute sie ohne eine Antwort zu erwarten. Sie schluckte hörbar. Glutherz nickte.

„Sie meinte, sie hätte mich gewarnt. Und dass es meine Schuld sei, dass der Clan untergehen würde“, berichtete er monoton, sein Fell war bei der Erinnerung gesträubt. „Sie hat mich mit dir verwechselt, oder?“

Flammenstern nickte, ihre Stirn war in Falten gelegt. „Tut mir leid, dass du das erleben musstest“, raunte die Kätzin, ihre Stimme war erstickt, Sorge schwang in ihren Worten mit. Glutherz schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wichtig, die Ratte ist tot.“ Er hatte gesehen, wie Blut aus ihrem Körper schoss. Als die Ratten ihn von ihr wegzerrten war es für sie schon zu spät gewesen, da war er sich sicher.

Die Königin seufzte, blickte ihrem Sohn zögernd in die Augen. „Die Ratte, die mit mir gesprochen hat ist auch tot. Ihre Knochen sind in meinem Rücken gesteckt.“

Glutherz brauchte einen Augenblick um die Worte seiner Mutter zu verstehen. Es hatte mehr als eine Ratte gegeben, die der Sprache mächtig war. Und wo zwei waren, da waren noch mehr. Es war nicht vorbei. Die Drohung war mehr als eine Drohung gewesen. Sie war ein Versprechen.

„Lass uns nicht länger darüber nachdenken. Wir werden mit den Ratten schon fertig. Erzähl mir das, was dir wirklich auf der Seele liegt“, miaute Flammenstern, die bei dem Gedanken an die Ratten ebenfalls erschauderte. Glutherz betrachtete seine Mutter unsicher, nickte dann aber. Es brachte nichts, sich nun über etwas aufzuregen, was sowieso unaufhaltsam näher kam. Viel wichtiger war nun die Prophezeiung, denn diese konnte noch abgewendet werden.

„An dem Morgen, nachdem ich zum Krieger ernannt worden bin, hatte ich einen Traum“, begann Glutherz zu erzählen. Flammenstern hob den Schweif, um ihn zu unterbrechen. „Setzt dich erst einmal. Ich habe so das Gefühl, dass das eine längere Geschichte wird“, brummte die flammenfarbene Anführerin, drehte sich mehrmals um sich selbst und ließ sich wieder in ihr Nest fallen, wobei mehrere Federn aufschwebten. Glutherz tat wie ihm geheißen und setzte sich. Das Moos, das den ganzen Bau polsterte, war angenehm trocken.

Kurz schloss der rote Kater seine Augen und sammelte sich, dann begann er zu berichten: „In diesem Traum traf ich Eichenherz. Es hat etwas gedauert, bevor ich verstanden habe, dass es ein Traum vom SternenClan war. Eichenherz, der mir irgendwie bekannt vorkam, hat mir etwas erzählt…“ Flammenstern, die an diesem Tag wohl wirklich gern unterbrach, schnaubte: „Dieses Mäusehirn! Was hat er dir erzählt?“

Glutherz runzelte verwirrt die Stirn. „Das Vermächtnis des Feuers im Herzen der Glut bekämpft tapfer der falschen Katze Wut. Die dunklen Monster er allein kann besiegen, ein Fehlschlag und er muss sein Blut in den Tode wiegen.“ Flammensterns Augen verengten sich zu Schlitzen, ihr Pelz sträubte sich. „Eine Prophezeiung“, stellte sie äußerst intelligent fest. Glutherz nickte nur.

„Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll“, fügte er hinzu, sein Pelz prickelte vor Verlegenheit. Seine Mutter nickte nachdenklich. „Es ist deine Prophezeiung. Die dritte für meinen Clan in kurzer Zeit. Wie verstehst du sie?“

Überrascht, dass sie ihm nicht erzählte, was sie selbst davon hielt, miaute er: „Nun ja… ich weiß es nicht wirklich. Die Ratten werden Angreifen, ich kann sie besiegen. Oder etwas an mir. Und wenn ich das nicht schaffe, wird jemand, den ich liebe, sterben.“

Flammenstern nickte wieder, ihre Smaragdaugen blitzten zufrieden.

„Du hast das schon ziemlich gut erkannt, denke ich. Aber ich schätze, dass du da nicht alleine durchmusst. Lass nicht zu, dass alle Verantwortung auf deinen Schultern ruht. Die falsche Katze… ich wurde auch schon vor ihr gewarnt. Es ist einer unserer Clangefährten, er wird uns hintergehen. Aber ich glaube, du kannst das alles gut schaffen“, erklärte die flammenfarbene Anführerin. Glutherz blinzelte verwirrt. Er hatte auf einen weisen Rat oder ähnliches gehofft, doch Flammenstern schien genauso wenig zu wissen wie er, was er angesichts der drohenden Gefahr tun sollte.

„Sorg dafür, dass du nicht alleine bist, wenn die Prophezeiung sich erfüllt“, miaute Flammenstern und bettete ihren Kopf wieder auf ihren Pfoten. Es schien, als wäre das Gespräch für sie beendet. Niedergeschlagen erhob Glutherz sich. „In Ordnung“, brummte er, während er durch die Efeuranken hindurchschritt. Seine Schulter brannte.

Draußen dämmerte es bereits etwas, die Sonne war ihrem unaufhaltsamen Untergang näher gerückt. Kalter Wind blies durch das Lager. Vorsichtig trottete er an den Wurzeln vorbei und machte sich auf den Weg zum Frischbeutehaufen. Unweit von der Stelle entfernt, wo Kaninchen und Mäuse aufeinander gehäuft waren, hatten sich einige Katzen um Polarlicht versammelt. Staubwolke stand etwas von den Kriegern entfernt und beobachtete die Kriegerin, die seine Aufgabe übernahm und Patrouillen einteilte.

„Glutherz! Du kommst mir gerade recht!“, miaute die schneeweiße Kätzin mit überraschend fröhlicher Stimme. Sie schien den Tod ihrer Schwester gut zu verdrängen. „Wenn Winterschweif sich schon nicht finden lässt, kannst wenigstens du mit Regenpelz, Ahornblatt, Laubsprenkel, Streifenfluss und Morgenpfote auf die Jagd gehen!“

Glutherz runzelte die Stirn. Winterschweif ließ sich nicht finden? Was sollte das denn bedeuten? Ihm fiel auf, dass er seinen Bruder an diesem Tag noch nicht gesehen hatte. War er etwa verschwunden?

„Ja, ja in Ordnung“, stotterte der junge Kater und schloss sich seinem Vater an, der gerade dabei war, das Lager zu verlassen. Sie hatten die Weidenzweige noch nicht erreicht, da war bereits Streifenfluss neben ihm erschienen. Die grünen Augen seines Freundes waren vor Sorge getrübt und auch in Glutherz‘ Magen machte sich langsam ein ungutes Gefühl breit.

„Hast du ihn gesehen?“, wollte der hellbraun getigerte Krieger wissen. Glutherz schüttelte nur den Kopf. Die Weidenzweige streiften an seinem Kopf entlang, glücklicherweise waren sie nicht lang genug, um seine Schultern zu berühren. Dies übernahmen dummerweise aber die Holundersträucher, die auf einer Seite des Lagereingangs wuchsen. Er seufzte, als das Brennen verstärkt wurde. Seine Schulter schien in Flammen zu stehen.

Ahornblatt, die neben Laubsprenkel vor ihnen lief miaute Laubsprenkel etwas zu, der nur niedergeschlagen den Kopf hängen ließ. Die hellorangene Kriegerin  schien auf eine Reaktion zu warten, die aber nicht eintrat. Sie schnaubte.

Regenpelz führte die Katzen in Richtung Donnerweg und Baumgesiebt. Er lief schnell, die Pfoten der Katzen donnerten über den trockenen Waldboden. Der graue Kater hatte sie angewiesen auch auf eine Spur von Winterschweif zu achten. Doch Glutherz wusste, dass es keine Spuren geben würde, der Wind hatte sie alle schon weggeweht. Wenn Winterschweif nicht von Ratten angegriffen worden war, was man auch bei diesem Wind noch gut hätte riechen können, dann würden sie ihn nicht finden, wenn er nicht gefunden werden wollte. Aber weder Glutherz noch Streifenfluss wussten einen Grund, aus dem ihr Freund einfach so von der Bildfläche verschwinden sollte. Und dies ließ sie das schlimmste erwarten.

Immer wieder wurde Glutherz an die Prophezeiung erinnert. Winterschweif war von seinem Blut. Ein Fehlschlag… Aber es hatte keinen Fehlschlag gegeben! Ja, der Kampf war für Bienenfell tödlich verlaufen, doch das hatte nichts mit Glutherz zu tun gehabt. Sie hatten die Ratten besiegt!

Während die Katzen allen ihren eigenen wirren Gedanken hinterherhingen, schnüffelte Morgenpfote eifrig an jedem Baum und jedem Strauch an dem sie vorbeikamen. Laubsprenkel und Ahornblatt liefen Pelz an Pelz nebeneinander her, miauten aber nicht miteinander. Zwischen ihnen schien dicke Luft zu herrschen. Regenpelz war von ihnen allen am gesprächigsten. Immer wieder versuchte er es mit aufheiternden Worten, fing mehrere Mäuse, die ihren Weg kreuzten. Doch auch ihm war die Sorge um seinen Sohn anzusehen.

„Lasst uns hierbleiben und in der Nähe jagen“, schlug er nach einiger Zeit vor, als sie das Baumgesiebt fast erreicht hatten. Die Katzen nickten nur. Glutherz ließ Streifenfluss mit seinem Schüler allein und trottete noch näher ans Baumgesiebt heran. Er befand sich auf der Seite der Klippe. Ein Eichhörnchen hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gelockt. Das Tier knabberte träge an einer Eichel, sein buschiger, grauer Schweif zuckte im Wind.

Gerade, als sich der junge Krieger ins Jagdkauern fallen ließ, erklang ein wütendes Jaulen, unweit von ihm entfernt.

„Und wenn du sie geliebt hast und nicht mich, dann sagst du es mir bitte ins Gesicht, statt einfach nur ihre Leiche anzustarren! Hör auf zu schweigen, sondern sprich mit mir, erklär es mir. Ich dachte, du würdest mich lieben. Ich dachte, wir würden Gefährten werden!“, fauchte Ahornblatt vollkommen aufgelöst. Glutherz fuhr herum und sah seine Schwester, die einem ziemlich überrumpelt wirkenden Laubsprenkel gegenüberstand. Die hellorangene Kriegerin hatte ihre Krallen tief in die Erde gebohrt, ihr Fell war gesträubt, ihr dunkelroter Schweif wirkte wie eine Flamme hinter ihr. Ihre blauen Augen sprühten Eiskristalle, sie schien kurz davor zu sein, sich auf den hilflosen hellbraun getigerten Kater zu stürzen.

Die beiden hatten ihn wohl nicht bemerkt. Und falls doch, schien es Ahornblatt egal zu sein. Ihr feuriges Temperament ging wohl mal wieder mit ihr durch. Glutherz war froh nicht in Laubsprenkels Fell zu stecken.

Er drehte sich wieder weg. Das Eichhörnchen war wie zu erwarten verschwunden. Er seufzte theatralisch, tat mehrere Schritte auf das Baumgesiebt zu um seiner Schwester etwas Privatsphäre zu gönnen. Müde blickte er über die Kante der Klippe, die eine Seite des Baumgesiebts bildete herab. Die sieben riesigen uralten Eichen ragten wie Warnungen um ihn herum in die Luft. Sie knarzten und bogen sich unter dem eisigen Wind.

Das war der Moment, in dem er das weiße Fell sah. Erst war es nur eine Irritation in seinem Augenwinkel, doch dann war er sich sicher. Winterschweif! Blinzelnd blickte er noch einmal hinunter in die Senke, er musste Acht geben, damit er nicht vom Wind davongerissen wurde.

Im Baumgesiebt stand Winterschweif. Er wirkte wie erstarrt, als er seinen Blick zur felsigen Seite der Senke hob, wo sein Bruder stand. Sein weißes Fell stach unverkennbar zwischen dem grünen Gras hervor. Das Ganze wäre kein sonderlich interessanter Anblick gewesen – wäre Winterschweif alleine gewesen. Doch das war er nicht. Denn neben ihm stand eine hübsche, kleine Kriegerin mit leuchtend rotem Fell. In dem Licht der untergehenden Sonne wirkte sie wie Winterschweifs ganz eigenes Feuer.

Feuersonne. Blattsterns Tochter. Und sie stand bei weitem zu nahe bei Winterschweif, als dass man es als eine zufällige Begegnung hätte abstreiten können.

 Entschuldigt, dass letzte Woche kein Update kam. Ich war krank, genauer gesagt, bin ich das noch immer. War deswegen auch eine ganze Woche lang nicht in der Schule... nun ja, jetzt ist das Update ja da. Und es ist richtig lang ;) 

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