Kapitel 15
„Laubsprenkel, hol Dämmerjunges da runter. Ahornblatt, würdest du Traumjunges‘ Körper bitte in den Heilerbau bringen?“, miaute die flammenfarbene Anführerin. Sie konnte ihre Augen nicht von dem Jungen abwenden, das dort, kaum ein paar Schwanzlängen von ihr entfernt, am Boden lag. Als ihre Tochter zu dem leblosen Körper eilte um ihn von den geschockten Katzen wegzubringen, ertönte plötzlich eine Stimme.
„Lass ihn da liegen. Er ist nicht tot. Nicht, so lange ein Heiler das nicht bestätigt hat!“, knurrte eine Junge Stimme hinter Flammenstern, die sich überrascht umdrehte. Es dauerte einen Moment, bis sie den Sprecher ausmachen konnte, der da zwischen den Brombeerzweigen, die die Kinderstube bildeten, stand. Es war ein Junges. Das Junge, das sie in den letzten Tagen häufig gesehen hatte. Mondjunges, der zukünftige Heilerschüler des FeuerClans.
Das grau-weiße Fell des jungen Katers glänzte im Mondlicht, er ließ seinen blauen Blick herausfordernd über die Lichtung schweifen.
Ahornblatt stand nun etwas verwirrt neben dem leblosen Jungen und blickte fragend zu ihrer Mutter, die ihren Blick jedoch überhaupt nicht bemerkte. Sie starrte nur nachdenklich auf das Junge, das sein Kinn trotzig vorgeschoben hatte.
„Nun gut, Mondjunges. Dann geh zu ihm und sag uns, ob er tot oder lebendig ist!“, miaute Flammenstern freundlich. Sie war sich fast sicher, dass Traumjunges nicht mehr lebte, wollte dem Jungen jedoch die Chance geben, es selbst zu verstehen. Auch wenn das bedeutete, dass sie einem Jungen eine sehr schwere Aufgabe übergab. Festzustellen ob eine Katze noch lebte, konnte eine schwere Bürde sein. Denn sollte er falsch entscheiden und die vermeintlich tote Katze würde lebendig begraben, so würde diese es der Entscheidenden wohl ewig nachtragen.
Mondjunges tappte zitternd zwischen den umstehenden Katzen hindurch, an Flammenstern vorbei bis zu Ahornblatt, die noch immer zögernd vor dem Leichnam stand. Mit gerunzelter Stirn blickte die hellorangene Kätzin zu ihr, woraufhin die flammenfarbene Anführerin nickte. Schnaubend trat Ahornblatt zur Seite und betrachtete Mondjunges argwöhnisch. Dieser ließ sich jedoch nicht von der Kriegerin beirren und lief an ihr vorbei zu seinem toten Bruder.
„Flammenstern! Er ist noch ein Junges, du kannst doch nicht…!“, miaute Lahmpelz von der umgestürzten Eiche, die den Ältestenbau bildete, aus herüber. Düstersturm, der neben ihm stand, nickte zustimmend, auch wenn er nicht sah, was überhaupt geschah. Nun ja, aber das hätte er wohl auch nicht, wenn er nicht blind gewesen wäre, schließlich war es stockdunkel.
„Er wird der nächste FeuerClan-Heiler. Lasst ihn“, antwortete die Anführerin unberührt. Wenn Mondjunges das hier nicht schaffte ohne zusammenzubrechen oder ähnliches, dann war er nicht zum Heiler gemacht. Sie wusste, dass es Blattsee genauso ergangen war. Ein Heiler durfte keine Angst vor dem Tod seiner Clangefährten haben, musste aber alles in seiner Macht stehende tun um ihn zu verhindern.
Mondjunges kauerte sich nun neben Traumjunges, seine blauen Augen waren zu Schlitzen verengt. Er murmelte etwas, das keine der Katzen verstehen konnte. Währenddessen kletterte Laubsprenkel zu Dämmerjunges die Eiche hinauf, weshalb es über ihnen raschelte. Der kalte Wind fuhr ebenfalls durch die Senke, die Pelze aller Katzen waren gesträubt. Dabei hatten sie diesbezüglich ja sogar Glück, denn die Senke war größtenteils windgeschützt im Gegensatz zu vielen anderen Teilen des Waldes.
Vorsichtig trat Flammenstern zu dem Jungen, als es sich eine ganze Weile nicht bewegt hatte. Die umstehenden Katzen geben keinen Ton von sich. Laubsprenkel hatte Dämmerjunges inzwischen erreicht und die beiden waren auf dem Weg nach unten, doch die flammenrote Kätzin hatte nun keine Zeit um nach Dämmerjunges zu sehen. Sie vertraute darauf, dass Laubsprenkel und die anderen Katzen sich um es kümmern würden.
„Bitte wach auf!“, flüsterte Mondjunges zitternd neben seinem leblosen Wurfgefährten. Eine Pfote hatte er auf dessen Schulter gelegt und stupste ihn immer wieder an. Flammenstern seufzte. „Er ist tot, nicht wahr?“, miaute sie traurig. Das Junge nickte niedergeschlagen.
„Ich hatte so gehofft ihm helfen zu können!“, wimmerte Mondjunges, sein Kopf war gesenkt. Sie nickte nur voller Verständnis.
„Das ist leider der Lauf des Lebens. Mondjunges, du musst verstehen, dass nicht alle Katzen gerettet werden können. Der Tod ist unvermeidlich. Doch als Heiler wirst du die Pflicht haben, deinen Clangefährten zu helfen, ihre Krankheiten und Wunden zu heilen. Du wirst nicht alle retten können, doch du wirst immer dein Möglichstes tun“, erklärte Flammenstern und stupste das Junge aufmunternd mit der Nase an. Sie konnte nur hoffen, die richtigen Worte gefunden zu haben um dem Jungen verständlich zu machen, was es wirklich hieß, Heiler zu sein.
„Ich weiß. Aber ihm konnte ich gar nicht helfen“, antwortete Mondjunges und trat einen Schritt von seinem Bruder weg. Flammenstern blickte mit einem tiefen Seufzer zu ihm herab. „Er wird Freunde im SternenClan finden. Und er wird über dich und deine Geschwister wachen, das kannst du mir glauben“, antwortete Flammenstern und warf einen letzten Blick auf den Körper des dunkelbraunen Jungen mit den bunten Flecken. Der Anblick erinnerte sie an Tüpfeljunges und Tulpenjunges Tode, auch wenn beide noch viel kleiner gewesen waren, als sie sich dem SternenClan anschlossen. Und trotzdem hatten alle drei eines gemeinsam: Sie starben zu früh. Viel zu früh.
„Fischschweif! Nimm Herbstblatts Junge mit in die Kinderstube, sie stehen alle unter Schock. Rottupf wird sich um sie kümmern, sobald sie wieder da sind. Ahornblatt, tu, was ich dir gesagt habe“, befahl die Anführerin ohne einen weiteren Blick auf eine der Katzen zu werfen und lief zu ihrem Bau, in dem sie schon eine ganze Weile nicht mehr geschlafen hatte. Dort ließ sie sich auf der Wurzel nieder, auf der Staubwolke normalerweise immer saß, während sie zum Clan sprach. Ihr Rücken schmerzte bei jeder Bewegung, während sie lief, doch sie erlaubte sich kein Zeichen der Schwäche. Ihr leicht gewölbter Bauch machte es ihr schwer zu klettern, aber sie ließ sich nicht beirren. Aufmerksam ließ sie ihren Blick über das nächtliche Lager schweifen. Fischschweif hatte Dämmerjunges, Mondjunges und Morgenjunges in die Kinderstube gescheucht, während Laubsprenkel sich als Wachposten vor deren Eingang postiert hatte. Der für sein Alter recht kleine Schüler Kieselpfote warf seinem Mentor einen Fragenden Blick zu und huschte dann zum Eingang des Lagers, wo er sich unter die Weidenzweige setzte um Wache zu halten. Ahornblatt kehrte gerade aus dem Heilerbau zurück, in den Bienenfell und Fliederpfote schon wieder verschwunden waren.
Düstersturm und Lahmpelz saßen diskutierend nebeneinander vor dem Ältestenbau. Beide schienen sich über irgendetwas aufzuregen, Flammenstern fing jedoch nur Fetzen ihrer Unterhaltung auf. „…herkamen, keine Eulen…“, erklang es von Rennpelz, der von Düstersturm unterbrochen wurde: „Aber… Hunde!“
Flammenstern brauchte nicht viel um zu verstehen, was das Problem der für den Ältestenbau viel zu jungen Kater war. Bevor sie jedoch aufspringen konnte um sich mit ihnen zu unterhalten, kam ihr ihr Gefährte Regenpelz zuvor, der sich bereits zu ihnen gesellt hatte. Auch wenn es noch immer dunkel war, konnte sie erkennen, dass der dunkelgraue Kater eindringlich den Kopf schüttelte und ihnen etwas erzählte. Sie wandte den Blick ab. Regenpelz würde das klären, darauf konnte sie sich verlassen.
Flammenstern konzentrierte sich auf den Himmel über ihr, der mit Nebel verhangen war. Was, wenn die Eule zurück kam, um ihre Beute zu holen? Nur zu gern würde sie den Uhu in der Luft zerfetzen. Traumjunges Tod war unnötig! Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich, in den nächsten Tagen hätte er zum Schüler ernannt werden sollen! Sie schnaubte wütend. So viele Katzen waren zu ihrem Schutz dageblieben und trotzdem hatte niemand das Junge retten können! Wieso hatte niemand Alarm geschlagen, als der Vogel über das Lager hinwegflog? Dann wäre das alles nicht geschehen. Verärgert seufzte sie. Bei Sonnenaufgang würde sie wieder die Führung über ihren Clan übernehmen, egal was Rottupf dazu sagen würde. Staubwolke mochte ein guter Stellvertreter und ihr Bruder sein, doch er war noch lange nicht bereit ihren Platz einzunehmen, auch wenn er sich größte Mühe gab. Klarere Anweisungen hätten möglicherweise geholfen. Doch sie wollte und konnte ihrem Bruder nicht die Schuld geben. Denn das wäre nicht fair gewesen. Woher auch hätte er wissen sollen, das gerade in dieser Nacht eine Eule Jagd auf die Jungen machen würde? Viel mehr hatten sie alle mit einem Rattenangriff gerechnet. Und dort lag ihr Fehler.
Sie sahen nur noch die Ratten als ihren Feind, hatten alles andere vergessen. Doch das würde sich ändern. Bei Sonnenaufgang würde sie dafür sorgen, dass ihr Clan ab sofort sicher sein würde. Sicher vor Eulen, Ratten, Zweibeinern, WolkenClan-Kriegern, Füchsen, Dachsen, Unwetter und… der Blattleere. Denn diese würde nicht mehr lange warten, bis sie Einzug halten würde, das spürte sie in der Narbe, die ihre fehlende Schwanzspitze hinterlassen hatte. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
Flammensterns Augen waren kurz davor zuzufallen, ihr Blick war fest auf den langsam heller werdenden Himmel gerichtet. In der gefühlten Ewigkeit, in der sie nun hier saß, war kaum ein Vogel vorbeigeflogen, geschweige denn eine Eule. Regenpelz war ihre einzige Gesellschaft gewesen, die restlichen Wache haltenden Katzen hatten keinen Mucks von sich gegeben. Der dunkelgraue Kater lag fest schlafend neben der Wurzel auf der sie saß und schnarchte schon fast. Flammenstern war froh, dass ihr Gefährte etwas Ruhe gefunden hatte. Vor ein paar Tagen hatte sie sich von Rottupf anhören müssen, dass er besorgniserregend wenig schlief, seit sie so stark verletzt worden war.
Plötzlich raschelten die Heidelbeer- und Holundersträucher des Lagereingangs und auch die Weidenzweige bebten. Flammenstern senkte den Blick auf den Eingang. Ihr Nacken schmerzte und war ganz steif, weil sie so lange in dieselbe Richtung geschaut hatte. Kieselpfote und Ahornblatt, die neben dem Eingang saßen, schreckten aus ihrem Halbschlaf auf und sprangen mit gesträubten Pelzen ein paar Schwanzlängen zurück, bevor sie sich drohend den erwarteten Gegnern gegenüber aufstellten. Laubsprenkel schloss sich ihnen an, nachdem er seinen Posten vor der Kinderstube verlassen hatte. Die flammenrote Anführerin schüttelte nur missbilligend den Kopf. Manchmal fragte sie sich wirklich, wofür diese Katzen ausgebildet worden waren. Immer zuerst die Luft prüfen! Das war fast das erste was eine Katze lernte.
„Laubsprenkel, Ahornblatt, Kieselpfote! Kommt her, eure Clangefährten werden euch für verrückt erklären, wenn ihr sie angreift!“, miaute Flammenstern und rollte die Augen, als die drei jungen Katzen überrascht zu ihr blickten, bevor sie prüfend schnüffelten. Beschämt glättete sich ihr Fell und sie drehten sich zu ihr um, gerade als Staubwolke, gefolgt von ihren Clangefährten, das Lager betrat.
Suchend ließ die Anführerin ihren Blick über die überraschend wenigen Katzen schweifen. Sie musste Herbstblatt unbedingt zu sich rufen, bevor sie mit einer Katze, die während des Unglücks im Lager gewesen war, traf oder gar die Kinderstube betrat.
„Erklärt Rottupf, was geschehen ist“, miaute sie Kieselpfote und dessen Mentor zu, bevor sie zu der dunkelbraun-weiß gescheckten Kätzin rannte, die sich gerade mit Staubwolke über etwas unterhielt.
„Herbstblatt! Staubwolke! Geht bitte in meinen Bau“, miaute sie ohne irgendetwas zu erklären. Die beiden Katzen blickten überrascht zu ihr auf.
„Flammenstern! Ich muss dir von der Großen Versammlung erzählen, es war…“, die feuerfarbene Kätzin unterbrach ihn. „Dafür ist später noch Zeit. In meinen Bau. Sofort!“, befahl sie ernst. Staubwolke und Herbstblatt tauschten einen überraschten Blick.
„Na gut, lass mich nur schnell nach meinen Jungen sehen“, bat Herbstblatt, doch Flammenstern schüttelte nur stickt den Kopf.
„Bitte, geht einfach in meinen Bau“, murmelte sie und bedeutete ihnen mit einem Schwanzschnippen, wie ungeduldig sie war. Die beiden tauschten einen weiteren Blick, taten dann aber wie ihnen geheißen.
Gerade als sie die Eiche erreichten, unter deren Wurzeln Flammensterns Bau lag und wo auch schon Regenpelz auf sie wartete, tauchte Fischschweif hinter ihnen auf und jaulte: „Herbstblatt! Da bist du ja! Es tut…“ Die Anführerin warf der Kätzin einen Blick zu, die diese augenblicklich zum Verstummen brachte.
„Das kannst du ihr später erzählen“, knurrte Flammenstern verärgert und bedeutete ihren Wurfgefährten und dessen Gefährtin endlich in ihren Bau zu gehen.
Als alle vier Katzen sich in dem nun recht klein wirkenden Bau befanden, seufzte Flammenstern: „Setzt euch. Das was ich euch zu erzählen habe, wird euch nicht gefallen.“ Auch sie selbst setzte sich, Regenpelz kauerte sich neben sie. Er wirkte, auch wenn er bereits geschlafen hatte, noch recht müde.
„Das was ich zu erzählen habe ist wohl noch unschöner. Kekspfote ist weggerannt“, miaute Staubwolke eintönig. In dem Bau war es so dunkel, das Flammenstern nicht einmal ihre eigenen Schnurrhaare sehen konnte. Dass Kekspfote davongelaufen war, erreichte sie nicht. Mit ihren Gedanken war sie nur bei Traumjunges und dem Schmerz, den sie auf Herbstblatts und Staubwolkes Gesichtern sehen würde.
„Das klären wir später, Staubwolke“, murmelte sie zögernd. Sie wusste nicht wirklich, wie sie beginnen sollte. Nach einigen Herzschlängen wurde sie von Regenpelz aufmunternd in die Seite gestoßen. Sie holte tief Luft.
„Traumjunges ist tot“, berichtete sie monoton. Es folgte Schweigen. Zwei ungläubige Augenpaare blickten ihr entgegen. Zwei Herzschläge, und sie begannen zu begreifen. „Was?“, war alles, was Staubwolke noch miaute, bevor er nur immer wieder den Kopf schüttelte. Herbstblatt neben ihm begann unter seelischen Schmerzen zu Jaulen. Und der Schmerz und die Trauer, die in Flammensterns Bau Einzug gehalten hatte, wollten sie nicht mehr verlassen. Denn ein Junges war tot. Viel zu früh von ihnen genommen.
Ich hab Ferien, also kommen ausnahmsweise endlich mal wieder Kapitel unter der Woche ♥
Okay, mal wieder ein kleines Quizz: Wer weiß noch, wer Lahmpelz Bruder ist/war und wie sein Vater heißt/hieß. ICh habe das beides mal erwähnt, aber naja, das ist schon ewig her ;) Dem, der es als erstes weiß, wird das Kapitel gewidmet. Bitte nicht mehr als zwei Antworten(also zwei Mal Vater, zweimal Bruder) pro Person
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top