Kapitel 13 - Aufbruch zur Versammlung
Der Tag der Versammlung war schneller gekommen, als es Sturmpfote recht gewesen wäre. Wie erwartet war sie am Tag nach ihrem ersten Training aufgewacht und konnte nicht auf einmal auf wundersame Weise das Gesetz der Krieger auswendig. Ab da war klar, sie hatte auf ihre eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.
Den Vormittag hatte sie damit verbracht, mit Tintenpfote das Gesetz weiter auswendig zu lernen, lediglich unterbrochen von einer Schwimmpause gegen die Mittagszeit, nur, damit es danach direkt weiter ging mit dem Lernen bei ihrem nächsten Training mit Tigerstich.
Die zweite Anführerin hatte große Mengen an Geduld gezeigt, als es darum ging, Sturmpfote das Gesetz der Krieger zu lehren. Am Ende des Tages war die silberne Schülerin erstaunt gewesen, dass kein einziges ihrer Meckern die sandfarbene Kriegerin aus der Ruhe gebracht hatte.
Damit waren es nur noch zwei Sonnenläufe bis zur großen Versammlung gewesen. Hatte Sturmpfote gedacht, sie hätte schon vorher fleißig gelernt, dann brach sie in den nächsten Tagen alle Rekorde. Netterweise wurden die anderen Schüler die verbleibenden Tage vor der Versammlung von ihrem Training freigestellt und konnten so den Freunden helfen.
Leopardenpfote war, zu keiner Überraschung, die Beste der Schüler, wenn es um das auswendig aufsagen des Gesetzes ging, aber Nebelpfote und Frostpfote waren die, die die Laune und Motivation aller Beteiligten hoch hielten mit gelegentlichen Scherzen und Pausen.
Und als es schließlich an der Zeit war, ihren Mentoren ihre Fortschritte zu zeigen, fühlte Sturmpfote sich zwar nicht rundum sicher in ihre Fähigkeiten, aber zumindest deutlich besser als noch vor diesen Tagen. Unglücklicherweise war sie die Letzte der Freunden, die dran war und die Wartezeit half ihr nicht unbedingt dabei, ruhig zu bleiben.
»Sturmpfote«, erklang Apfelschweifs gedämpfte Stimme. Sturmpfote schaute sich nach der Heilerin um, die gerade die Kräuter, die sie eben noch im Maul hatte, auf den Boden ablegte und die Schülerin anschaute. »Du siehst nervös aus, alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie nach.
»Ich bin auch nervös«, antwortete Sturmpfote ehrlich. »Nach Tintenpfote und Hagelpfote muss ich das Gesetz der Krieger aufsagen und das entscheidet, ob wir auf die Versammlung können oder nicht.«
Die fuchsbraune Heilerin nickte verstehend. »Warten ist immer am Schlimmsten«, miaute sie. Apfelschweif schaute überlegend zu Sturmpfote. »Wenn du möchtest, kannst du mir mit dem Sortieren dieser Kräuter helfen. Es wäre mir eine Hilfe und dir eine Ablenkung bis du dran bist«, schlug die Heilerin dann vor.
Sturmpfote brauchte gar nicht lange zu überlegen. »Sehr gerne.«
Im Heilerbau war es kühl und Sturmpfote fühlte sich endlich, als wäre sie das beklemmende Gefühl von ihrer Brust losgeworden und könnte nun wieder durchschnaufen.
»Wie kann ich ihr helfen?«, wandte Sturmpfote sich an die Heilerin.
Apfelschweif deutete auf eines der beiden Blätterbündel, die sie gesammelt hatte. »Da drin findest du neben Himbeerblättern, die dir ja inzwischen wohl bekannt sein dürften, auch noch Geiskraut und Wacholderbeeren.«
Sturmpfote kommentierte die im Scherz gesagte Nebenbemerkung mit einem Augenrollen und machte sich daran, die Kräuter näher zu betrachten. Neben den Himbeerblättern mit den zackigen Enden und der auffälligen Musterung, die ihr inzwischen tatsächlich vertraut waren, lagen neben der mehrstieligen Pflanze mit Blüten, die beinahe wie gelbe Gänseblümchen aussahen, auch noch blaue Beeren.
»Ich denke, den Lagerort von Beeren aller Art, kennst du noch, neben dem Eingang rechts. Das Geiskraut lagere ich etwas unter den Himbeerblättern ganz links, gemeinsam mit den anderen Kräutern, die bei einer Geburt helfen können.«
Sturmpfote nickte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie Apfelschweif ihr zum ersten Mal Himbeeren gebracht hatte und nebenbei etwas über die Wirkung von Himbeerblättern erzählt hatte, die sie aus dem natürlichen Höhlenregal gegenüber dem Eingang geholt hatte.
Stumm machten sich die beiden Kätzinnen an die Arbeit. Sturmpfote nahm zuerst die Himbeerblättern vorsichtig ins Maul, um sie in den Kräutervorrat einzuordnen. Sie musste ein wenig suchen, bis sie die bereits gelagerten Blätter fand und auf der Suche fand sie auch direkt den Aufbewahrungsort des Geiskraut's.
Dieses ordnete sie als Nächstes ein und mit nur noch den Wacholderbeeren übrig, nahm sie das ganze Blätterbündel und trug so die Beeren sicher zu der Felsspalte neben dem Eingang, wo alle Beeren gelagert wurden.
Wie Sturmpfote schnell bemerkte, waren von den Wacholderbeeren nur noch eine vertrocknete, einzelne Beere übrig und die Auffüllung war dringend nötig. Kurz darauf waren auch die Beeren sicher verstaut und die Schülerin war fertig.
Sie wollte gerade das Blatt, in dem die Kräuter transportiert worden waren, ebenfalls ordentlich verstauen, als Frostpfote durch den Eingang in den Heilerbau kam.
»Hier bist du ja, Sturmpfote«, miaute er. »Komm schnell mit, Tigerstich überprüft dich jetzt.« Der weiße Schüler bedeutete ihr, mit ihm mitzukommen und augenblicklich überkam sie wieder die Nervosität.
»Danke«, miaute sie zu Apfelschweif zu. Du hattest Recht. Es ist eine großartige Ablenkung gewesen.
Die Heilerkätzin nickte ihr zu. »Viel Erfolg«, wünschte sie Sturmpfote, was diese mit einem Schwanzschnippen zur Kenntnis nahm und Frostpfote hinterher eilte.
»... fünfzehntes Gesetz: Ein Bestandteil der Kriegerprüfung ist das auswendige Aufsagen des Gesetz der Krieger. Zudem müssen Clan-spezifische Fähigkeiten vorgewiesen werden«, beendete Sturmpfote mit trockenem Mund ihre Aufzählung und schaute gespannt zu ihrer Mentorin. Habe ich es geschafft?
Tigerstich sagte zwar nichts, aber ihr Blick sagte dafür alles. Es war einer dieser Ich-wusste-du-würdest-es-schaffen-Blicke und füllte Sturmpfote mit mehr Zufriedenheit, als Worte es je gekonnt hätten.
Die zweite Anführerin tauschte einen Blick mit Heideschatten und Forellenblatt aus, die bereits zuvor Hagelpfote und Tintenpfote überprüft hatten. Dann wandte sie sich an die drei Freunde mit einem Nicken. »Ihr könnt mit auf die Versammlung.«
Yes! Innerlich jubilierend tauschte Sturmpfote einen Wir-haben-es-geschafft-Blick mit ihren Freunden aus, die nicht minder zufrieden aussahen.
»Kieselwächter wird gleich alle verkünden, die mit auf die Versammlung gehen.« Die sandfarben getigerte zweite Anführerin deutete auf den sich versammelnden Clan in der Mitte des Lagers. »Gesellt euch doch dazu.«
So schnell schon? Das traf Sturmpfote unvorbereitet, aber wenn sie etwas darüber nachdachte, ergab es durchaus Sinn. Bis Sonnenuntergang würde es nicht mehr lange dauern. Der Himmel färbte sich bereits rötlich.
Sturmpfote suchte sich einen Platz zwischen Hagelpfote und Leopardenpfote. Die Tochter der zweiten Anführerin begrüßte sie mit einem Nicken, wohingegen Nebelpfote unruhig darauf wartete, dass auch Tintenpfote sich gesetzt hatte. »Und?«, platzte die hellgraue Schülerin schließlich heraus. »Wie ist es gelaufen? Sicherlich gut, sonst wärt ihr nicht so entspannt, habe ich Recht?«
Sturmpfote überlegte, Nebelpfote noch etwas zappeln zu lassen. »Nun...«
Allerdings hatte Tintenpfote andere Pläne. »Ja, wir haben es geschafft«, verkündete die schwarze Schülerin stolz. Ihre weißen Ohrenspitzen zuckten. »Und wir dürfen mit auf die Versammlung!«
»Das ist großartig!« Nebelpfote warf einen Blick zur Baumhöhle, die den Bau des Anführers darstellte. »Wir wissen erst, ob wir mitkönnen, sobald Kieselwächter es verkündet hat.« Sie schaute wieder in die Runde. »Aber ich hoffe es.«
Stille kehrte zwischen den Schülern ein und Sturmpfote beobachtete wie ihre Mentorin Kieselwächter in seinem Bau aufsuchte. Vermutlich bespricht sie mit ihm, wer mitkommen darf, überlegte sie bei sich. Und nicht lange darauf, nahm Kieselwächter seinen üblichen Platz ein, wenn er zu dem Clan sprach. Jegliches Getuschel, das bis dahin noch ausgetauscht wurde, verstummte.
»Wir sind knapp dran und die Versammlung wird bald beginnen, deshalb fasse ich mich kurz«, begann Kieselwächter klar und deutlich. »Mit auf die Versammlung kommen Heideschatten, Schwalbentau, Windschleier, Krallenfluss, Aalschatten, Morgenschleier, Hasenwurzel, Forellenblatt, Heringsee, Nachtschleier, Hagelpfote, Sturmpfote und Tintenpfote.«
Nebelpfote sah enttäuscht aus, als der Anführer sich abwandte und die genannten Katzen anfingen, sich am Clan-Ausgang zu versammeln. Unsicher legte Sturmpfote die Ohren an und tauschte einen fragenden Blick mit Hagelpfote aus, der jedoch ebenso planlos aussah wie sie selbst.
»Macht euch nichts draus«, munterte Leopardenpfote die Freunde auf. »Es ist nicht unüblich, dass die Schüler nicht sofort bei ihrer ersten Versammlung ausgewählt werden. Unsere Chance wird noch kommen.«
Je besser Sturmpfote die sandfarbene Schülerin kennenlernte, desto mehr ähnelte diese ihrer Mutter und Sturmpfote bewunderte sie für ihre ruhige und besonnene Art. In Momenten wie diesen war das genau das, was gebraucht war.
»Ich hatte mich schon darauf gefreut«, gab Nebelpfote zu und verdrehte damit die Tatsache, dass sie am meisten aufgeregt gewesen war, auf diese Versammlung zu gehen. »Aber genießt den Abend!«
Die Freunde nickten und wünschten den zurückbleibenden Schülern einen entspannten Abend.
»Wir werden wach bleiben und euren Bericht erwarten«, mahnte Leopardenpfote mit einem Hauch von Belustigung.. »Schaut also zu, dass ihr etwas spannendes erlebt!«
Gemeinsam mit Tintenpfote und Hagelpfote spähte Sturmpfote über den Fluss hinweg auf die Versammlungsebene. Der Hang auf der anderen Seite des Flusses versperrte ein wenig die ansonsten perfekte Sicht auf die sich dort versammelnden Katzen.
Noch hatte Sturmpfote keine Katze entdeckt, die ihr bekannt vorkam, was sie nicht weiter verwunderte bei der geringen Anzahl an Katzen die sie außerhalb des FlutClans kannte. Viele Katzen waren bereits auf der Ebene versammelt, dennoch bezweifelte Sturmpfote, dass schon alle Clans eingetroffen waren. Wenn jeder der fünf Clans mit einer ähnlich großen Patrouille wie der FlutClan kam, würde die Anzahl an Katzen hoch sein.
»Aufregend, nicht wahr?« Forellenblatt war neben die Schüler getreten und schaute mir ihnen über den Fluss. »Ich erinnere mich noch gut an meine erste Versammlung«, miaute der hellgraue Kater, die Ohren aufgestellt.
Tintenpfote schaute zu ihrem Mentor auf. »Hast du irgendwelche Tipps für uns? Sachen, die wir auf jeden Fall vermeiden sollten?«
Forellenblatt schüttelte unverständlich den Kopf. »Genießt den Abend.« Sturmpfote grinste in sich hinein. Das haben wir heute schon öfter gehört. Das war nicht, was Tintenpfote hatte hören wollen, stellte die silberne Schülerin fest.
Auch Forellenblatt hatte das bemerkt. »Mach dir nicht zu viele Gedanken darüber. Ich bin mir sicher, Kieselwächter wird noch etwas dazu sagen.« Er legte seiner Schülerin beruhigend den Schwanz auf die Schulter. Sein Blick wanderte zurück zur Ebene.
Kieselwächter stand nicht unweit von den Schülern an der Böschung zum Fluss und gab letzte Anweisungen an die Krieger. Neben ihm ein kleiner Haufen Frischbeute, der von ihm persönlich auserlesen war, um mit auf die Versammlung zu nehmen.
Von Tigerstich wusste Sturmpfote, dass die Menge der Frischbeutestücke entscheidend war. Brachte ein Clan zu wenige Stücke, galt er als geizig oder ihm wurde eine gewisse Schwäche und damit Angreifbarkeit zugeschrieben. War der Haufen zu groß, grenzte es an Angeberei vor den anderen Clans.
Ganz verstanden hatte Sturmpfote den Hintergrund nicht, aber diese Tradition schien wohl in Zeiten des Beutemangels eingeführt worden zu sein und hatte seitdem Bestand gehalten. Aus dieser Zeit stammte auch das Gesetz, Eindringlinge seien bei Grenzüberschreitung zu töten. Obwohl längst überholt, wurde es nicht wieder geändert und stattdessen hatte jeder Clan seine eigenen, persönlichen Änderungen in den Clan-eigenen Gesetzen festgelegt. Der Sinn dahinter hatte, schon als sie davon gehört hatte und auch jetzt noch, ihr nicht einleuchten wollen.
»Schaut!« Forellenblatt deutete nach links, hinter die Flussgabelung zum Moor, wo in der Ferne die MoorClan Patrouille deutlich wurde. »Der MoorClan kommt zur Versammlung.« Ihre Figuren warfen lange Schatten und sie näherten sich rasch. »Seht ihr die große, braun-weiß gefleckte Kätzin an der Spitze?«, fragte der Krieger die Schüler. »Das ist Lilienwächter, Anführerin des MoorClans.«
In die FlutClan Krieger hinter den Schülern kam Bewegung. Die Frischbeute wurde zwischen den Kriegern verteilt und nach einem Schnipsen mit dem Schwanz von Kieselwächter, machte sich der FlutClan an die Überquerung des Flusses.
Der FlutClan war der dritte Clan, der auf die Ebene kam. SonnenClan und LuftClan waren bereits versammelt. Es fiel Sturmpfote ungewöhnlich leicht den Geruch vom SonnenClan zu erkennen. Im Gegensatz zu dem erdig-muffigen und nach Kräuter und Gewächs riechender durchtränkter Geruch vom MoorClan und den nach Wald und Harz riechenden LuftClan Katzen, zeugte der Geruch des SonnenClans von einer ungewohnten Frische. Auch sie rochen nach Wald, aber der Duft lag leichter in der Luft und Sturmpfote meinte, Blüten und Pollen-Duft darin zu erkennen.
»Sieh mal.« Tintenpfote stupste Sturmpfote in die Seite. Sie deutete zu den ankommenden MoorClan Katzen, die sich am Ufer die Pelze trocken schüttelten. »Der Schüler dort hat ebenso große Pfoten wie du«, neckte Tintenpfote ihre Freundin.
Sturmpfote rollte die Augen, musterte den Schüler, den Tintenpfote gemeint hatte, aber dennoch. Er war hellgrau und dunkelbraun gestromt und stach mit seinen spitz zulaufenden Augen und Ohren aus der Menge. Nach einem zweiten Blick erhaschte Sturmpfote auch einen Blick auf seine Pfoten, die tatsächlich größer als typisch für eine Jungkatze waren.
Sturmpfote wandte sich wieder ab. Sie wollte nicht starren und als unhöflich rüberkommen. »Das ist Natterpfote«, erklärte sie. »Ich bin ihm einmal an der Grenze begegnet. Er und seine Wurfgefährten sind auch erst seit kurzem Schüler«, teilte Sturmpfote der schwarzen Schülerin ihr spärliches Wissen über den MoorClan Schüler mit.
Tintenpfote nickte verstehend. »Warum gehst du nicht Hallo sagen?« Verwirrt drehte sich Sturmpfote zu ihrer Freundin. »Jetzt schau mich nicht so an«. Tintenpfote lachte. »Das ist deine Gelegenheit, echte Moor-Katzen zu treffen!« Die schwarze Schülerin senkte ihre Stimme zu einem Wispern. »Tu nicht so, als wüsste ich nicht, wie fasziniert du vom Moor bist.«
Die MoorClan Patrouille trottete an den FlutClan Katzen vorbei, geradewegs zu den Frischbeutehaufen, keinen Steinwurf entfernt. Einen neuen Frischbeutehaufen eröffnend, legten die Krieger ihre Beute ab und ergänzten so den fast fertigen Halbkreis aus Beutestücken.
»Die Frischbeutehaufen sind erst offen nach den Verkündungen.« Kieselwächters Stimme erklang hinter Sturmpfote, die sich ein wenig erschrak und zu ihrem Anführer umdrehte. Sie wollte protestieren, sagen, dass sie sich nicht für die Frischbeute interessierte, aber sein ernster Blick verstummte alle aufkommenden Worte.
»Es steht euch frei bereits vor den Verkündungen mit den anderen Clans in den Austausch zu gehen und ich würde euch raten, diese Zeit zu nutzen.« Kieselwächter deutete wage mit dem Schwanz auf die Katzengruppen, die sich gebildet hatten. »Lernt eure Feinde kennen und schließt keine engen Freundschaften. Tauscht euch aus, aber verratet keine Clan-Geheimnisse.«
Tintenpfote nickte ernst und Sturmpfote wurde sich darüber bewusst, dass das genau die Art von Information war, die ihre beste Freundin hatte wissen wollen. Die Forellenblatt ihr allerdings nicht hatte geben können.
»Wäre es von Vorteil sich bei den Katzen umzuhören, mit denen es in letzter Zeit Konflikte gegeben hat?«
Kieselwächter warf Tintenpfote einen anerkennenden Blick zu. »Deine Denkweise gefällt mir«, miaute er. »Wenn du das tun möchtest, hör dich beim LuftClan um. Windwächter würde keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um nicht zu versuchen, uns schlecht darstellen zu lassen.«
Dann nickte der Anführer den Schülern zu und verschwand in der Menge.
»Und jetzt?«, hakte Sturmpfote nach.
»Jetzt«, meinte Tintenpfote, die Augen vorfreudig glänzend, »werde ich ein paar Katzen aushorchen gehen.«
»Willst du das wirkl...«, fing Sturmpfote an und brach dann ab. Die zierliche Schülerin, die sie ihre beste Freundin nannte, war schon aufgestanden und hatte sich durch die Katzenmenge geschlüpft, ihr Ziel die LuftClan Katzen, von denen die meisten etwas näher am Wald waren, wie ihr Geruch verriet. »wirklich machen«, beendete Sturmpfote seufzend den Satz und wandte sich zu Hagelpfote. »Scheint, als würde sie es ernst meinen.«
»Nimm es ihr nicht übel.« Hagelpfote zuckte abwinkend mit den Ohren. »So kennen wir sie doch. Es hätte mich mehr verwundert, wäre sie friedlich irgendwo sitzen geblieben.« Seine Schnurrhaare zuckten amüsiert.
Sturmpfote stieß einen Lacher aus. »Stimmt.« Die Schülerin schaute sich um. »Dann lass uns ihrem Vorbild nachgehen und ein paar neue Freundschaften schließen«, meinte Sturmpfote mit beinahe so etwas wie Spott in ihrem Ton.
Die beiden Schüler waren kaum ein paar Schritte gegangen, als sich Sturmpfote dem groß gebauten zweiten Anführer des MoorClans gegenüber wiederfand.
»Wie schön dich wiederzusehen, Sturmpfote«, begrüßte Wolfsbiss sie.
Beinah wäre Sturmpfote ein Das selbe kann ich nicht für mich sagen, herausgerutscht, aber sie konnte sich gerade noch so davon abhalten. »Ebenfalls, Wolfsbiss«, miaute sie bemüht höflich und neigte knapp den Kopf.
Sein Blick aus stechend hellgrünen Augen war durchleuchtend auf sie gerichtet, als könne er ihr so all ihre Geheimnisse entlocken, ehe er zu Hagelpfote flackerte. »Möchtest du mir nicht deinen Begleiter vorstellen?«
Sturmpfote tauschte einen Blick mit ihrem Freund aus. »Das ist Hagelpfote«, stellte sie ihn widerwillig vor.
»Es ist eine Ehre«, miaute dieser und neigte den Kopf. Als er ihn wieder hob, konnte Sturmpfote für einen Moment einen merkwürdigen Ausdruck in seinen Augen sehen. Als hätte er eine Entscheidung getroffen, von der er nicht wusste, sie treffen zu müssen.
»Ich hatte gehofft, dich zu treffen.« Wovon redet Hagelpfote denn da? »Wie ich mitbekommen habe, bist du erst seit kurzem der zweite Anführer des MoorClans. Die Clans rätseln darüber was mit deinem Vorgänger, Schilfwurzel, passiert ist.« Die Stimme des grau getigerten Schülers war leicht und unschuldig, wie ein Junges, das nicht wusste, wann es besser schwieg. »Es gehen Gerüchte um.«
Wenn Wolfsbiss sich unter Hagelpfotes Fragerei unwohl fühlen sollte, ließ er sich nichts davon anmerken. Er sah noch immer so unbeweglich und unleserlich aus wie zuvor. »Gerüchte?« Die Ohren des Kriegers zuckten abwinkend. »Nun, ich hoffe doch, dass man dir beigebracht hat, Gerüchten keinen Glauben zu schenken.«
»Aber sicher doch!«, meinte Hagelpfote, ganz in seiner Rolle aus aufgeregter Schüler mit gespitzten Ohren, freudig aufgestelltem Schwanz und glänzenden Augen. »Ich hätte aber ohnehin nicht geglaubt, dass der großartige ehemalige zweite Anführer von grünem Husten dahingerafft wäre oder von so etwas banalem wie einem Tier. Da mussten schon andere Katzen die Ursache gewesen sein, die ebenso große Krieger wie er es selbst waren!« Hagelpfote machte sich groß und plusterte das Fell auf.
»Ich denke nicht, dass die MoorClan-Belange dich etwas angehen«, miaute der zweite Anführer und wandte sich an Sturmpfote. Er nickte ihr und Hagelpfote zum Abschied zu. »Wenn ihr mich nun entschuldigt, es wird nicht mehr lange dauern bis zum Beginn der Verkündungen.« Damit sprang er in Richtung des großen Felsens davon, auf dem Sturmpfote die Anführerin des MoorClans, Lilienwächter, erkennen konnte. Neben ihr Kieselwächter.
»Was war das denn?« Sturmpfote wandte sich an den grau getigerten Schüler. Dieser hatte sein Fell inzwischen wieder angelegt und glättete sich das Brustfell mit der Zunge.
»Das«, meinte er zufrieden, »nennt man andere Krieger aushorchen.«
Sturmpfote verdrehte amüsiert die Augen und stupste Hagelpfote in die Seite. »Viel hast du ja nicht herausgefunden. Aber mich würde schon interessieren, woher du das alles weißt.« Neugierig legte die silberne Schülerin den Kopf schief.
»Man bekommt viel mit, wenn man nur aufmerksam ist und zuzuhören weiß«, entgegnete Hagelpfote. »Einige der älteren Krieger haben sich darüber ausgetauscht und da ich gerade in der Nähe war, habe ich davon mitbekommen.«
Bevor Sturmpfote etwas erwidern konnte, lauschte sie auf. Ein Blickaustausch mit Hagelpfote bestätigte ihr, dass er das selbe hörte wie sie. Es kamen noch mehr Katzen an. Sich durch die Menge bahnend, suchten die beiden Schüler sich einen Punkt, von wo aus sie die ankommenden Katzen gut sehen konnten.
Von Flussaufwärts, aus der gegenüberliegenden Richtung aus der der MoorClan gekommen war, kam der MondClan und mit ihm der Geruch nach Regen, Nacht und frostigen Gipfeln. Die MondClan Katzen mischten sich ohne Zögern unter die bereits versammelten vier Clans und ein dunkelgrauer Kater mit einem weißen, mondförmigen Fleck auf der Stirn, gesellte sich zu den Anführern beim Felsen dazu.
»Das muss Mondwächter sein«, meinte Hagelpfote neben ihr. »Der einzige Anführer nach Wildpfote mit der gleichen Vorsilbe wie der Clan-Name.« Sturmpfote konnte nur stumm über sein Wissen staunen. Er warf ihr einen wissenden Blick zu. »Von ihr erzähle ich dir ein andermal. Sie war die Gründerin des allerersten Clans.«
Ein Rufen erstickte jedes weitere Gespräch im Keim.
»Clans, versammelt euch!« Neben Mondwächter war Windwächter die Letzte der Anführer, die auf den Felsen gesprungen war. Mehrstimmig riefen sie nun zum Start der Verkündungen auf.
Gemeinsam mit Hagelpfote setzte Sturmpfote sich mit gutem Blick auf die Anführer zwischen die Katzenmenge. Der Geruch nach SonnenClan stieg ihr in die Nase.
Auf der Ebene wurde es still. Sturmpfote blickte zum Himmel. Die untergehende Sonne hatte den Himmel feurig rot und orange gefärbt und die wenigen Wolken am Himmel strahlten in einem hellen Gelb. Der Rest des Himmels hatte begonnen seine hellblaue Hülle gegen die dunkelblaue der Nacht einzutauschen.
Und mit Sonnenuntergang begann auch die Versammlung.
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