8. Kapitel
Ich stapfte missmutig zu dem Ältestenbau, nachdem ich die Amsel aufgefressen hatte und Sorge keimte in mir auf. Ich konnte das nicht. Ich würde alles falsch machen. Die Trauer würde mich unfähig machen, zu reagieren, wenn du fliehen wolltest... Außerdem war ich doch gerade erst Kriegerin geworden. Wenn du mich von hinten attackiertest, würde ich keine Chance haben, denn du konntest kämpfen, da war ich mir sicher.
Ich nickte Fichtenfuß, einem ein paar Monde älterem Krieger, nur zu und stellte mich wortlos an die Stelle, wo er eben noch Wache gehalten hatte. Wie kam Rillenschweif eigentlich auf die bescheuerte Idee, mich den Ältestenbau bewachen zu lassen? Warum dachte er überhaupt, dass ich damit klar kam? Bitterkeit stieg in mir auf und ich wagte einen kurzen Blick ins Innere des Baus.
Und da hast du damals gesessen, mir direkt in die Augen gesehen und nichts gesagt. Wie erstarrt habe ich dich angeblickt und konnte mich nicht von dir losreißen, als hätte man unsere Blicke zusammen geklebt.
Eine Spur Gerissenheit huschte plötzlich über dein Gesicht und der Zauber deiner bernsteinfarbenen Augen fiel einfach von mir ab, als wäre er nie dagewesen.
Ich wandte mich hastig ab und betrachtete die untergehende Sonne, die den Himmel schon blutrot färbte, um mich abzulenken. Was natürlich nicht klappte, denn bei diesem Farbton musste ich sofort wieder an dich denken. Drehte sich denn mein ganzes Leben nur um dich?
Ein tiefes Seufzten entwich mir und es fühlte sich so an, als wäre jede Sekunde eine ganze Minute. Ich beobachtete die Katzen und ließ meine Gedanken einfach kreisen. War das Wache halten? Sicher nicht. Aber was wusste ich denn schon davon?
Meine Gedanken kehrten zu Himbeersturm zurück. Würde sie überleben? Wahrscheinlich, immerhin war der Blutfluss gestoppt, die Wunde gereinigt und auch noch versorgt worden, wie es sich gehörte. Wenn alles gut lief, würde nur eine Narbe bleiben, wo du deine Krallen in die Haut meiner Schwester gerammt hattest...
Unbeteiligt sah ich schließlich zu, wie immer mehr Katzen in ihren Bauen verschwanden und die auf der Lichtung immer weniger wurden. Schließlich fiel mein Blick auf Minzbart, der leise zum Frischbeutehaufen tapste und sich die Maus raussuchte, die ich gefangen hatte, sein kurzes, schwarzes Fell bewegte sich dabei leicht im Wind. Der junge Heiler schnupperte kurz an dem Beutestück, sah lächelnd zu mir und zwinkerte mir dann noch zu, bevor er wieder die Lichtung überquerte und im Heilerbau verschwand. Die Maus würde er vermutlich Himbeersturm geben.
Erneut fand ein Seufzer seinen Weg aus meinem Maul und ich spähte zum Sternenhimmel hinauf, der den Sonnenuntergang bereits ersetzt hatte. Ob der SternenClan noch immer über mich wachte? War es nicht ein Verbrechen, in einen Streuner wie dich verliebt zu sein, dazu noch in einen Gefangenen? Man durfte ja auch keine Liebschaften zwischen den Clans haben, weil das Gesetz der Krieger es uns so vorschrieb. War das nicht eigentlich unfair? Wir suchten uns unsere Liebe ja nicht aus.
Plötzlich wurde mir trockenes, staubiges Moos über Maul und Nase gedrückt, sodass meine Atemwege versperrt wurden und mein erstickter Schrei nicht mehr war, als ein dumpfes Keuchen in das alte Nestmaterial hinein. Mein Kopf wurde von dem heftigen Schlag auf meinen Hinterkopf zur Seite geschleudert und das letzte, was ich wahrnahm, war dein Geruch, der mich umhüllte, bevor alles schwarz wurde.
[...]
Was mich weckte, war vermutlich der Schmerz. Alles tat mir weh, mein Kopf pochte wie wild und es fühlte sich so an, als würde man mir jede Sekunde aufs Neue einmal auf den Kopf schlagen.
Mein Verstand brauchte ein wenig, um zu verstehen, was geschehen war. Langsam klärten sich auch meine Sinne und der Nebel, in dem sich mein Gehirn zu befinden schien, schwand allmählich, während ich benommen den Kopf hob, ein ersticktes Wimmern meine Kehle verließ und ich versuchte, mich zu orientieren.
Wenn ich mich nicht täuschte, befand ich mich noch im Lager. Die Lichtung war immer noch da, genau wie die Baue und der Laubhaufen, der Baum, der Regensterns Bau darstellte, ebenso. Doch was war passiert? Ich versuchte, mich zu erinnern und tatsächlich kehrten meine Erinnerungen allmählich zurück.
Rillenschweif hatte mich dazu aufgefordert, den Ältestenbau zu bewachen. Dich zu bewachen. Und dann warst du plötzlich dagewesen, ich hatte nicht mehr atmen können und dann war alles schwarz geworden... Wahrscheinlich habe ich das Bewusstsein verloren, vermutete ich und keuchte. Da war etwas in meinem Maul. Etwas Weiches. Dem Geschmack nach zu urteilen, Moos...?
Ich spuckte das Moosbündel aus und blieb einfach liegen, während ich ruhig atmete, um mich zu beruhigen und mich ein wenig zu erholen. Du warst geflohen. Hattest du Kratzer mitgenommen? Bestimmt. Und wenn ich Pech hatte, brachtest du gerade irgendwen um und mir wurde dann die Schuld gegeben...
Nein. Nicht so gleichgültig!, sagte ich streng zu mir und die Gerüche begannen, auf mich einzuströmen, während mein Verstand gerade alle Puzzleteile zusammensetzte.
Die Schlehdornzweige, die den Lagerwall bildeten, dufteten und ich roch die kühle Nachtluft, die Erde unter meinen Pfoten. Was tatst du jetzt? Warst du schon weit weg, geflohen, ohne weiteren Schaden anzurichten? Vielleicht.
Ich besann mich auf das, was passiert war, und schloss kurz meine Augen.
Du musstest mich von hinten niedergeschlagen und bewusstlos gemacht haben. Dann hattest du mich vermutlich unter dem Heckenwall versteckt und mir Moos ins Maul gestopft, damit ich keinen Laut von mir gab. Und dann warst du abgehauen, wahrscheinlich zusammen mit Kratzer und vielleicht gab es schon wieder Tote...
Allein der Gedanke ließ Übelkeit in mir hochkommen und ich versuchte, meine Beine zu strecken und aufzustehen. Nach einigen Herzschlägen stand ich wackelig auf vier Beinen und wankte los, während sich die Welt schon wieder zu drehen schien. Doch ich ignorierte diese Tatsache und machte ein paar weitere Schritte. Vor mir waren einige Katzen, die sich aufgebracht zu besprechen schienen und plötzlich wurde mir wieder schwindelig. Ich versuchte, das Gleichgewicht zu halten, doch die Welt verschwamm wieder vor meinen Augen und ich sackte zu Boden.
Du hättest mich töten können, hättest du es gewollt.
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