13. Kapitel
Nach der Jagd kehrten wir ins Lager zurück. Ich mit einer kleinen Maus, Fels mit einer Drossel, Kratzer ebenfalls mit einer Maus und du mit einem riesigen Kaninchen. Als wollte das Schicksal, dass du belohnt wurdest. Es war schwierig gewesen, überhaupt etwas zu fangen, schließlich herrschte Blattleere.
"Jedem das, was er gefangen hat", meintest du knapp und ließt dich zufrieden vor dem großen Stein für die Versammlungen nieder. Fels setzte sich neben dich und Kratzer etwas von euch entfernt, ich ließ meinen Blich wahllos über die Lichtung schweifen.
An euren Blicken sah ich, dass ihr nicht wolltet, dass ich mich neben euch setzte, also trug ich meine Beute zu einer Ecke nahe des Walls aus Brennnesseln und verspeiste sie dort. Der Ort war tatsächlich sehr gut gewählt, niemand würde in die Brennnesseln fallen wollen und die Lichtung bot auch viele Möglichkeiten für Baue und Schlafplätze.
Gedankenverloren nahm ich einen weiteren Bissen von der Maus und kaute das zarte Fleisch. Es schmeckte gut. Und blutig...
Automatisch wanderte mein Blick zu dir. Blut. Blutfänger...
Ich fragte mich, warum du diesen Namen gewählt hattest. Wolltest du den anderen zeigen, wie gefährlich du warst? Dass du Macht hattest?
Oder wolltest du einfach dir selbst beweisen, dass du nicht der ewige Verlierer warst?
Ich merkte, dass wir uns gegenseitig anstarrten und wandte den Blick verlegen ab, unwissend, ob du mich immer noch beobachtetest.
Ich fraß die Maus auf und erhob mich, um mich irgendwo hin zu setzen, wo du mich nicht anstarren konntest. Vielleicht in einen Bau? Immerhin befand sich gerade niemand im Bau der Soldaten.
Ich schlich leicht geduckt zu besagtem Bau und verschwand schließlich durch den Eingang in dem ausgehöhlten Busch. Drinnen schien es gemütlich und ich ließ mich in meinem Nest nieder, das ich gestern hergerichtet hatte. Ich wusste nicht, wie ich erklären sollte, dass ich plötzlich mitten am helllichten Tag zu schlafen schien, doch ich kümmerte mich nicht weiter darum.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie du in den Soldatenbau reinkamst. Das hatte ich erwartet. Natürlich folgtest du mir.
Doch dass deine Berührung auf meinem Rücken einen derart bleibendes Kribbeln hinterlassen würde, das hatte ich nicht erwartet. Die Wärme breitete sich in meinem ganzen Körper aus und die Schmetterlinge fingen in meinem Bauch wieder an zu flattern.
"Ja?"
"Komm mit, Lilie", befahlst du und ich erhob mich, unwissend, was du jetzt mit mir machen oder von mir verlangen würdest. Doch ich folgte dir aus dem Bau und du führtest mich durch die Kälte zu einem anderen Busch, der mir noch nie aufgefallen war, aber ich war ja auch erst wenige Sonnenaufgänge hier. Ein Loch prangte in der Wand des Baus, es war gerade groß genug, dass man hindurchschlüpfen konnte. So betraten wir die kleine Wohnhöhle und was ich sah, ließ mich erstarren.
Zwei Jungen lagen in einer Ecke, dicht an die Buschwand gedrängt. Ein kleiner, schwarz-weißer Kater und ein etwas größerer, brauner Kater. Beide hatten die Augen geschlossen und sich aneinander gekuschelt.
Das sind Pirschjunges und Schaufeljunges!, schoss mir durch den Kopf und ich starrte entsetzt die Jungen an. Wie hatte ich sie vergessen können?! Sie waren Himbeersturms Jungen! Die Jungen meiner Schwester! Die einzigen Überlebenden aus dem Wurf, Nachtjunges war ja gestorben. Und du hattest sie mitgenommen und ich hatte nicht einmal an sie gedacht, nachdem ich mich genau vor ihrer Nase an dem gleichen Ort befunden hatte! Was war nur los mit mir?
Ich merkte, wie ich unwillkürlich die Ohren anlegte und du tratst einen Schritt näher an mich heran.
"Das sind Schaufel, der Schwarz-weiße, und Pischi, der Braune. Kannst du dich um sie kümmern? Ich kenne mich nicht sonderlich mit Jungen aus."
Es klang so harmlos, was du da sagtest. Doch ich wusste, dass Pirschjunges und Schaufeljunges noch Milch brauchten - oder eher Pischi und Schaufel, wie du sie anscheinend genannt hattest. Als wären sie Dinge und Namen nicht weiter von Bedeutung.
"I-Ich... Weiß auch nicht so viel von Jungen... Aber sie brauchen Milch", stammelte ich und du nicktest.
"Wir werden jemanden holen müssen, der gerade Jungen säugt", hast du gemurmelt und mich kurz angesehen.
"Kannst du dich um sie kümmern, bis wir jemanden haben, der sie mit Milch versorgen kann?", fragtest du schließlich an mich gewandt und ich nickte vorsichtig.
"Ich kann es probieren", meinte ich zögernd und blickte zu Pischi und Schaufel.
"Gut", du nicktest zufrieden und verließt einfach so den Bau, während ich vor dem Aus- und Eingang stand und mich fragte, was ich jetzt tun sollte.
Ein wenig unsicher tappte ich auf die Jungen zu und blieb schließlich vor ihnen stehen.
Es fühlte sich so falsch an, sich um Himbeersturms Jungen zu kümmern. Ihnen andere Namen zu geben, sie aus dem Clanleben rauszureißen und einfach in ein anderes Leben zu werfen und sie anders aufzuziehen, als es eigentlich passieren sollte. Beim Clan. Inmitten von freundlichen, loyalen Katzen.
Ich hockte mich neben die kleinen Körper und ringelte meinen Schweif um sie, um sie warm zu halten. Brauchten sie nicht Milch, um zu überleben? Ich hatte keine Milch. Und es würde sicher dauern, bis du jemanden aufgetrieben hattest, der den kleinen Kätzchen welche geben konnte. Mit was sollte ich sie bis dahin füttern? Mit Wasser? Beute würden sie vermutlich noch nicht vertragen.
Plötzlich schlug eines der Jungen die Augen auf und spähte zu mir auf. Es war Pischi, der mich mit seinen strahlenden blauen Augen ansah und näher zu mir krabbelte, um sich bei mir zu wärmen. Er hatte die Augen geöffnet! Doch der kleine, braune Kater wirkte erschöpft und maunzte kläglich.
Er hat Hunger!, schoss es mir durch den Kopf und mir wurde warm ums Herz, als ich ihn genauer betrachtete. Er hatte die gleiche Fellfarbe wie Himbeersturm.
Und wie ich.
Mit noch geschlossenen Augen rutschte Schaufel ebenfalls näher an mich heran und kuschelte sich in mein Fell. Sein Atem ging regelmäßig und beide sahen so süß aus, wie sie da lagen und sich an mir wärmten.
Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, du hättest nie existiert.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top