ღ guilt ღ
Kapitel 5
Angespannt saß Seokjin auf der großen, weißen Couch in Namjoons Wohnzimmer. Seine gefalteten Hände zwischen seinen Oberschenkeln eingeklemmt, sah er sich neugierig um.
Keine Bilder hingen an den Wänden.
Alles war penibel aufgeräumt und in schwarz und weiß Tönen gehalten.
Nichts deutete auf eine Frau hin. Es wirkte beinahe so, als würde Namjoon hier überhaupt nicht wirklich wohnen.
„Ist Cola in Ordnung? Ansonsten kann ich dir nur Leitungswasser anbieten", sagte der Besitzer des Cafés, der gerade das Wohnzimmer betrat. In der Hand hielt er eine Flasche und zwei Gläser, die er behutsam auf den gläsernen Tisch vor Seokjin stellte.
„Cola ist gut", murmelte dieser und verlor sich in der eingehenden Musterung seines Gegenübers. Namjoon hatte sich umgezogen und anstatt der engen Jeanshose trug er eine weite, bequeme Hose und einen Rollkragenpullover. Offensichtlich war er nervös und fühlte sich unwohl.
„Du musst es mir nicht erklären", sagte Seokjin – natürlich nicht ohne Hintergedanken.
„Doch, doch. Ich habe nur noch nie so wirklich mit jemandem darüber gesprochen. Aber ich denke... es wird langsam Zeit", antwortete er und setzte sich zu Seokjin auf die Couch. Mit gebührendem Abstand.
Gedankenverloren drehte Namjoon den goldenen Ring an seinem Finger, bevor er leise seufzte.
„Ich bin nicht verheiratet oder geschieden. Das sind die Verlobungsringe meiner Ex-Freundin und mir", begann er und zog eine Kette unter dem Kragen des Pullovers hervor. Daran baumelte ein identischer goldener Ring. Ein erstickter Laut verließ Seokjins Kehle, als Namjoon den Verschluss der Kette öffnete und beide Ringe mit den Fingern umschloss.
„Ich wusste nicht-", stammelte Seokjin und verstummte, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
Wehmütig lächelnd zog Namjoon die Knie an die Brust.
„Wir waren ziemlich jung, als wir zusammen gekommen sind. Vermutlich waren wir auch ein wenig dumm", begann er leise zu erzählen. „Wir glaubten uns zu lieben und haben viele Entscheidungen überstürzt. Sie wollte Kinder haben. Ich wollte erst mein Leben genießen, mich beruflich weiterentwickeln."
Schweigend hörte Seokjin zu.
„Irgendwann haben wir uns auseinandergelebt", sprach Namjoon weiter und rutschte zum Rand der Couch, als wolle er jeden Moment aufspringen. Stattdessen fuhr er sich mit den Fingern durch das kurze, dunkle Haar.
„Habt ihr euch deswegen getrennt?", hakte Seokjin vorsichtig nach und spielte nervös mit seinen Fingern.
„Nicht direkt", antwortete Namjoon leise. „Ich habe meine sexuelle Neigung nie wirklich verheimlicht und ich bin immer davon ausgegangen, dass sie es wusste. Irgendwann hat sie aber angefangen sich darüber aufzuregen und mir zu unterstellen, dass ich fremdgehe."
Seokjin konnte nur erahnen was gerade in ihm vorging und wie er sich nach solch einer Anschuldigung gefühlt haben musste. Angestrengt suchte er nach Worten, wollte sich entschuldigen und sein Mitgefühl ausdrücken. Doch ihm wollte nichts einfallen. Stattdessen rutschte er näher an Namjoon heran und griff nach seiner Hand, die die Ringe fest umklammert hielt.
„Ich danke dir", murmelte er, woraufhin ihm Namjoon ein ehrliches und dankbares Lächeln zeigte.
„Dann kam der große Streit", erzählte er nach einiger Zeit weiter. „Der dazu geführt hat, dass sie ihre Sachen gepackt hat und gegangen ist. Sie hat vermutlich nur nach einem Grund gesucht sich von mir zu trennen."
„Warum, äh, erzählst du mir das alles?" Seokjin wagte kaum diese Frage zu stellen. Glücklicherweise schien Namjoon ihm nicht böse zu sein. Sachte schob er Seokjins Hand zur Seite und betrachtete einen Moment lang die beiden Ringe. Mit einem Klimpern fielen sie auf den Tisch.
„Lange Zeit habe ich mir die Schuld an der Trennung gegeben. Ich habe die Ringe nie abgelegt und sie sozusagen als Strafe getragen. Nie wieder wollte ich mich verlieben."
„Ich-" Kopfschüttelnd hob Namjoon die Hand und unterbrach Seokjin damit.
„Bis du eines Tages in meinem Café aufgetaucht bist. Dann hat sich plötzlich alles geändert." Ein leichter Rotschimmer überzog Namjoons Wangen und er wich verlegen Seokjins erstauntem Blick aus. „Anfangs habe ich mich noch gegen meine Gefühle gewehrt, aber jetzt? Ich möchte mich nicht mehr dagegen wehren, sondern etwas wagen."
„Etwas wagen?", fragte Seokjin heiser und räusperte sich mehrmals.
„Ja." Entschlossenheit zeichnete sich auf Namjoons Gesicht ab. „Würdest du mit mir auf ein Date gehen?"
Es dauerte einen Moment, bis Seokjin seine Worte verarbeitet hatte. Er brauchte aber nur eine Sekunde, um eine Entscheidung zu treffen.
„Sehr gerne. Aber nur, wenn du dich damit wohlfühlst. Falls du noch Zeit brauchst ist das völlig in Ordnung."
Statt etwas darauf zu erwidern, stand Namjoon ruckartig auf. Mit einem gemurmelten „Bin gleich wieder da", nahm er die Ringe und verließ hastig den Raum.
Sprachlos und perplex blieb Seokjin zurück und fragte sich, was in Namjoon gefahren war. Angespannt horchte er auf irgendwelche Geräusche, während er unruhig mit einem Bein wackelte.
Die Minuten vergingen und langsam begann er, sich Sorgen zu machen. Er zögert einen Moment, bevor er aufstand und in den Flur trat.
„Namjoon?" Nichts war zu hören, bis plötzlich eine Tür am Ende des Flurs aufgerissen wurde. Namjoon hatte einen Schuhkarton in der Hand und als er mit festen Schritten auf Seokjin zuging, wich dieser unwillkürlich zurück.
„Uhm, ich möchte dir etwas zeigen", sagte Namjoon verunsichert und suchte den Blick seines Gegenübers. Ein warmes Gefühl breitete sich in Seokjins Körper aus, während er versuchte, seine rasenden Gedanken zu sortieren.
„Was denn?"
„Komm mit", bat Namjoon ihn und betrat die Küche. Zögernd folgte Seokjin ihm, blieb aber auf der Türschwelle stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„In diesem Karton befindet sich meine gesamte Vergangenheit mit meiner... Ex-Freundin. Es wird Zeit ein neues Kapitel in meinem Leben anzufangen. Mit dir." Erstaunt ließ Seokjin die Arme sinken und beobachtete, wie Namjoon den Karton ohne zu Zögern in den Mülleimer warf.
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