❥ 35.
~ Scarlett ~
"Scarlett, mach die Tür auf!", rief Marlene und klopfte gegen das Holz.
Ich hatte meine Hände gegen das Waschbecken geklammert und starrte ausdruckslos in mein Spiegelbild.
Jegliche Emotionen schienen aus mir gewichen zu sein, nachdem ich mich die restliche Nacht über in den Schlaf geweint hatte.
Es schmerzte zu sehr. Wenn ich die Augen schloss, sei es auch nur um zu blinzeln, sah ich Jackson vor mir. Wie er die trügerischen Worte in den Mund gelegt bekam und sie bedenkenlos aussprach.
Es schmerzte mehr als es sollte, riss die Wunden tiefer als es dürfte.
Auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen möchte, werfen mich seine Worte viel weiter zurück als gedacht. Zu weit. So etwas darf nicht mehr passieren, nicht nach all dem was diese Familie mir angetan hat.
"Bitte! Lass uns darüber reden", versuchte Alice ein wenig sanfter. Ich senkte meinen Blick. Viel zu lange hüllte ich mich in Schweigen. Aber ich konnte nicht darüber reden, nicht wenn ich mir nicht sicher war, zu zerbrechen wenn ich den Mund öffnete.
Ich hatte es versucht, mich überwunden aus dem Bett zu steigen, so zu tun als wäre alles in Ordnung.
Als ich wenige Zeit später Jackson gegenüberstand, der mich gehässig angrinste, war all meine Beherrschung dahin und ich rannte davon.
Den restlichen Schultag verbrachte ich also hier auf dem Teppich, während ich meine restlichen Tränen vergoss ehe sie versiegten.
"Scarlett, wir sind doch für dich da", ich konnte Lilys besorgten Blick förmlich durch die Türe spüren.
Eine halbe Ewigkeit versuchten sie mich aus dem Badezimmer zu bekommen, doch ich wollte nicht raus. Ich wollte mich den Blicken der Menschen nicht stellen, nicht wenn ich wusste was nun wirklich über mich dachten.
"Wenn du nicht sofort aufmachst, trete ich diese verdammte Tür ein!", rief Marlene. Ich konnte mir ein Grinsen über ihren Tatendrang nicht verkneifen. Sie war so unglaublich stur und dickköpfig und doch war sie eine so liebenswerte Person.
Ich sog scharf die Luft ein und trat zur Tür, bevor Marlene ihre Drohung in die Tat umsetzen konnte.
Meine Hände zitterten als ich die Tür entriegelte.
Alice und Lily seufzten erleichtert als sie mich sahen, während Marlene mich böse anfunkelte. Das hatte ich verdient, schließlich bin ich den drei die ganze Zeit aus dem Weg gegangen.
Eine Weile betrachteten wir uns stumm, bis mich Lily in eine Umarmung zog. Etwas besseres gab es für mich in diesem Moment nicht. Umarmungen, konnten wahrlich heilen. Alice gesellte sich ebenfalls dazu und der Schmerz schien weniger zu werden.
"Ich...", doch ich brach ab, mein Hals schmerzte. "Komm wir setzen uns", schlug Lily vor und schob mich in Richtung meines Bettes. Wir setzten uns während die anderen beiden gegenüber Platz nahmen.
Während Alice und Lily versuchten mich zu trösten, strafte mich Marlene weiterhin mit ihrem funkelnden Blick.
"Lene-"
"Nein! Ich hab es einfach satt hörst du? Jedes mal wenn es dir schlecht gehst, schottest du dich ab und redest mit keinem von uns. Du weißt ganz genau, dass du mit uns über alles reden kannst, aber du lässt dir einfach nicht helfen", sie begann sich in Rage zu reden, während ich meinen Blick schuldbewusst senkte.
"Wir sind doch deine Freunde oder nicht?", als ich in ihre Augen blickte, spiegelte sich Enttäuschung wider.
"Marlene!", rief Alice aus und warf ihr einen strengen Blick zu.
"Nein, ist schon okay! Sie hat ja recht", wieder blickte ich zu Marlene. "Natürlich seid ihr meine Freunde! I-ich weiß doch auch nicht warum...", wieder breche ich ab und blicke auf meine Hände.
Auf einmal wurde Marlenes Blick wieder weicher und ich spürte wie sich eine Spur von Erleichterung in mir ausbreitete. "Wir wollen dir doch nur helfen", sagte sie nun.
Alice nickte zustimmend "Alles mit sich selbst auszumachen bringt nämlich nichts", sie lächelte mir ermutigend zu.
Während mich alle mich besorgt, mitfühlend und erwartungsvoll anblickten, fragte ich mich nur wie ich die drei verdient hatte. Sie waren bisher immer für mich da, auch wenn ich mich manchmal so schrecklich allein fühlte. Niemand kannte mich so sehr wie sie es taten. Auch wenn nur ein Drittel die Wahrheit über mich wussten, wussten sie dennoch so viel um die wahre Scarlett zu kennen.
Ich atmete tief ein uns aus, dann erzählte ich ihnen von Jackson, auch wenn ich Sirius dabei nicht erwähnte. Das war wie eine Art Geheimnis, das ich für mich bewahren wollte.
Kaum hatte ich den letzten Satz ausgesprochen, ballte Marlene ihre Hände zu Fäusten und sprang auf "Den werd' ich mir mal vorknöpfen! Niemand tut sowas meinen Freunden an!"
"Marlene! Das hilft jetzt niemanden, also setz dich wieder", herrschte Alice sie an, sie hatte sich mittlerweile neben mich gesetzt und strich mir beruhigend über den Rücken.
"Er hat kein Recht dazu solche Lügen zu erzählen", schimpfte sie, schloss aber trotzdem die Tür wieder.
"Nein das hat er nicht", murmle ich.
Nach all dem, hat er nicht das Recht, mein Leben weiterhin zu zerstören.
Meine Augen fingen an zu brennen, während die Erinnerungen immer wieder in mein Bewusstsein traten. Tränen kamen jedoch nicht, sie waren immer noch aufgebraucht.
"Habe ich mir viel Ärger eingehandelt. Weil ich... Weil ich den Unterricht verpasst habe?", ich hoffte inständig das wir das Thema wechseln können.
Lily neben mir seufzte "McGonagall war nicht begeistert davon, aber da sie weiß, dass du eine fleißige Schülerin bist, hat sie ein Auge zugedrückt", sie blickte mich beinahe warnend an "Aber du solltest dir das in nächster Zeit nicht mehr leisten."
Ich zwang mich zu einem kleinen Lächeln "Das wird nicht mehr vorkommen. Nur noch heute."
Lily schnappte nach Luft "Das kommt nicht infrage, du hast heute noch nichts gegessen!", die anderen beiden nickten zustimmend.
Ein nervöses Kribbeln breitete sich in meinem Magen aus. "Lily, du brauchst mich nicht zu bemuttern, ich komme klar."
"Du scheinst aber genau das gerade zu brauchen. Das ist ganz und gar nicht gesund",
bemängelte sie. Ich ließ mich entrüstet nach hinten fallen, ich will nun wirklich nicht in diesem Zustand in die große Halle zum Essen.
"Du wirst auf jeden Fall mit uns Abendessen gehen!", sagte Alice mit gerunzelter Stirn, als schien sie sich nicht zu sein ob ich es ernst meinte.
Ich stützte mich auf die Ellenbogen
"Aber-", doch meine Freundinnen brachten mich zum Schweigen.
"Versuch nicht gegen uns anzukämpfen, du würdest ohnehin nicht gewinnen", sagte Marlene und grinste dabei.
Beim Abendessen setzte ich mich mit dem Rücken zum Slytherin-Tisch. Jacksons Blick erneut zu ertragen wäre zu viel für diesen Tag.
Wieder schien sich jeder Schiefe Blick von Schülern gegen mich zu richten, doch dieses mal war es keine Einbildung, da war ich mir sicher.
Zu intensiv sahen sie zu mir herüber, zu lange blickten sie mich an, als könnten sie aus mir lesen.
Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte ihnen gesagt, wie unhöflich es ist Menschen so anzustarren. Doch ich blieb sitzen und mein Mund geschlossen.
Mir blieb keine andere Wahl als das über mich ergehen zu lassen, die echte Wahreit konnte ich nicht preisgeben.
Nach dem ich mich gezwungen habe wenigstens ein bisschen meinen Teller zu leeren, eilte ich so schnell es ging aus der großen Halle.
Ich wollte stark sein und darüber stehen. Ich werde auch stark sein, Lügen wie diese werden mich nicht mehr in die Knie zwingen.
Nur noch nicht heute, dachte ich als ich die erste Treppenstufe erklomm.
"Na Schwesterchen", er sprach die Worte aus als wären sie Gift.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten.
"Verschwinde Jackson", giftete ich zurück. Er stand einfach nur da und sah mich an, ehe er abscheulich anfing zu lachen. Sein Lachen drang durch die Halle, während meine Wut sich immer mehr aufstaute.
Alle Sinne schrien danach zu verschwinden, doch ich blieb stehen. Zu wütend war ich, ich würde nicht mehr wegrennen. Nicht mehr vor ihm.
"Bist du jetzt zufrieden?", fragte ich mit verschränkten Armen vor der Brust.
Sein Lachen verwandelte sich in ein gehässiges Grinsen.
"Noch lange nicht." Er baute sich vor mir auf und versuchte bedrohlich zu wirken. Er konnte mich immer noch verletzten, viel zu sehr in kürzester Zeit. Aber Angst hatte ich keine mehr vor ihm.
Ich lachte kalt auf "Dir scheint das zu gefallen oder nicht?", meine Stimme zitterte vor Zorn.
"Ja, schließlich hast du es nicht anders verdient", er lachte und deutete auf seinen Kopf, wie Sirius es gestern getan hatte.
"Jackson verschwinde, bevor du es bereust", zischte ich, denn ich wusste wirklich nicht wohin mit meinem ganzen Zorn.
"Drohst du mir etwa?", er grinste teuflisch.
"Das würde ich besser nicht tun!", er fixierte mich mit seinem Blick "Du kannst mir nichts tun, du bist nur eine wertlose Squib, ein Nichts-"
Weiter kam er nicht. Mein Geduldsfaden war nun endgültig gerissen. Ich stürtzte mich schreiend auf ihn und schlug ihm mit geballter Faust ins Gesicht, seine Nase knackste. Er stolperte ein wenig zurück, doch ich schlug wieder zu. Es verlieh mir eine Genugtuung, die ich noch nie zu vor verspürt hatte. Blut spritzte aus seiner Nase.
Ich holte erneut aus, bis jemand mein Handgelenk festhielt. Ich wehrte mich, kaum konnte ich mich befreien und erneut auf Jackson zu stürmen, schlang sich ein Arm um meine Taille und hob mich hoch. Ich strampelte und schrie "Ich bin noch nicht fertig! Lass mich los", doch es war zwecklos, ich war zu schwach.
Erst als wir hinter einer Ecke waren wurde ich runter gelassen und blickte in Sirius' graue Augen. "Was sollte das? Warum hast du das getan?",
"Weil ich dich aufhalten wollte bevor du etwas tust, dass du später bereuen wirst. Außerdem war das eben nicht die Scarlett die ich kenne", sagte er ruhig.
"Als ob du noch nie zugeschlagen hättest!", fuhr ich ihn an.
Er ging nicht drauf ein, sondern legte stattdessen seine Hände auf meine Schultern.
Hinter uns ertönten Stimmen, Slytherins die sich um meinen Bruder sammelten. Ich wollte zurück und das beenden was ich begonnen hatte, doch Sirius hielt mich fest in seinem Griff. "Kümmere dich nicht um die anderen, wir beruhigen uns jetzt erst mal. Sieh mich an", befahl er und als ich nicht reagierte, drückte er mit seiner Hand mein Kinn in die Höhe, sodass ich gezwungen war ihm in die Augen zu sehen.
"Atme tief ein und aus. Tief ein und aus atmen", sagte er und ich gehorchte. Tatsächlich verpuffte meine Wut sehr schnell. Die Atmung zwang mein Herz wieder in seinen natürlichen Rhythmus.
Nach dem mein Verstand wieder einsetzte und ich klare Gedanken fassen konnte, dämmerte es mir allmählich was ich gerade getan hatte.
"Habe ich das gerade wirklich getan?"
Sirius lachte leicht "Ja und der Schlag hat gesessen."
Eine Weile schwiegen wir uns an.
"Warum tust du das für mich?", fragte ich mit gerunzelter Stirn
"Weil das alles meine Schuld ist. Ich hätte dir das nicht erzählen sollen."
Er schaute mich schuldbewusst an, ein Blick den man von Sirius Black nicht kannte.
"Das war es nicht", wimmelte ich ab "Wenn du es mir nicht gesagt hättest, hätte ich es von jemanden anderen erfahren oder von Jackson selbst."
Sirius nickte, wirkte aber wenig überzeugt.
"Muss ich dich wieder festhalten oder schaffst du es an deinem Bruder vorbei zu gehen, ohne ihn zu verprügeln?", scherzte er, auch wenn sich Ernst in seinen Augen spiegelte. Ich verdrehte die Augen, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen.
"Ich werde mich zusammenreißen", ich seufzte und trat von der Ecke hervor, dicht gefolgt von Sirius.
Jackson stand immer noch da, umzingelt von seinen Freunden, ich konnte ihn bis hier jammern hören.
Als er mich erblickte, drückte er sich durch die Gruppe
"Das bekommst du zurück", rief er und kam auf mich zu, doch Sirius kam ihm zu vor und stieß ihn von mir zurück "Halte dich bloß fern von ihr!", drohte er. Erst jetzt sah ich wie schmächtig Jackson gegenüber Sirius wirkte.
Er wich zurück, anscheinend wollte er es nicht noch mal riskieren, einen Schlag abzubekommen.
Im Augenwinkel sah ich Marlene, Alice und Lily näher kommen. Als sie Jacksons blutverschmiertes Gesicht, meine Faust die was von seinem Blut abbekommen hatte und Sirius sahen rissen sie die Augen auf.
Sie liefen auf mich zu und ich machte mich auf einen Vortrag von Lily bereit.
"Sag mir bitte, dass du das nicht warst", sie sah zwischen Sirius und mir hin und her.
"Naja irgendwie schon", nuschelte ich.
"Scarlett!", rief Lily erschrocken aus.
"Ich lass euch dann mal allein, jetzt bist du ja nicht mehr allein und kannst niemanden umbringen", er zwinkerte mir spielerisch zu und verschwand. Na vielen Dank.
"Es tut mir leid, ich weiß es war falsch, aber ich konnte nicht anders", erklärte ich als wir den zum Gryffindor Turm liefen.
Wir beließen das Thema dabei und ich war unendlich dankbar, dass Lily nicht noch weiter bohrte.
Es tat unglaublich gut, viel zu gut, meinen Zorn rauszulassen. Ich darf nicht noch einmal zulassen, dass meine Emotionen die Macht über mich gewinnen.
Vor dem Porträt, wartete Remus und seine Miene hellte sich auf als er mich sah. Ich lächelte und sagte den anderen das ich nachkommen würde.
"Wie lange wartest du denn schon auf mich?"
Er zuckte mit den Schultern "Ein bisschen, ich wollte mit dir reden."
"Warum wollen denn plötzlich alle mit mir reden? Mir geht es gut!", versicherte ich ihm während wir durch die Gänge liefen. Es war die Wahrheit, nachdem ich Jackson geschlagen hatte, ging es mir viel besser. Es war der falsche Weg, ja, aber es linderte meinen eigenen Schmerz.
"Ich mach mir Sorgen, Sirius meinte ich sollte mit dir sprechen."
Es rührte mich, dass Remus mit mir sprechen wollte und sich um mich sorgte. Also erzählte ich ihm, von letzten zwei Tagen und er hörte aufmerksam zu.
"Ich habe mir damit wohl einigen Ärger eingehandelt", atmete ich aus als ich die Erzählungen beendet hatte.
Remus schmunzelte "Oh das glaube ich nicht."
Fragend blickte ich zu ihm auf
"Nun er ist ein stolzer Mensch, er würde sich niemals eingestehen dass ein Mädchen, dazu noch seine Schwester ihn verprügelt hat."
Das gab mir zu denken, ich hatte schon fest damit gerechnet sämtliche Hauspunkte zu verlieren und wochenlang Nachsitzen zu müssen.
Doch Remus behielt recht, Jackson hatte mich niemals wegen dieses Vorfall verraten.
~♡~
Wow, das Kapitel ist länger geworden als ich vermutet habe. Ich hoffe euch hat das lesen genauso Spaß gemacht, wie mir das schreiben.
Ansonsten wünsche euch noch eine wunderschöne restliche Woche, mit viel Sonnenschein.
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