❥ 34.

~ Scarlett ~


Die nächsten Tage zogen nur so an mir vorbei. Der Gedanke darüber, was Jackson möglicherweise über mich erzählte, ließ mich nicht los.
Ich konnte nicht mehr aufhören darüber nachzudenken, auch wenn ich wusste das er kaum die Wahrheit kennen konnte.
Sämtliche Szenarien fingen an sich in meinem Bewusstsein zu bilden und keine davon war Gut.
Er könnte grausame Lügen erfinden, die ihn in ein Gutes Licht rücken und mich damit in die Dunkelheit ziehen.
Versuchte er hinter meinem Rücken sich an mir zu rächen, weil ich mich gegen ihn gewehrt hatte?

Es war nur dieser eine Satz den Sirius sagte und plötzlich nahm ich alles anders wahr.
Jeder Blick, jede Bewegung und jede Reaktion von Schülern, an denen ich vorbeilief schien sich auf einmal gegen mich zu richten.
Als würden sie auf mich herabsehen, als würden sie glauben mein wahres Gesicht zu kennen, als würden sie meinen ich wäre nicht die die ich vorgab zu sein.
Auch wenn letzteres der Wahrheit entsprach. Ich könnte mich so sehr dagegen wehren wie ich wöllte, es würde letztendlich nichts daran ändern. Es würde das Geheimnis, welches ich hinter meiner Maske verbarg, nicht in Luft auflösen lassen.
Ich war nicht normal und würde es auch nie sein. Die Maske war mein Heiligtum, ich trug sie bei Tag und Nacht. Trug sie selbst vor meinen Freunden. Nur Lily und Remus wussten was sich dahinter verbarg.
Die eine Wahrheit, die niemand erfahren durfte, die niemals das Licht der Welt erblicken durfte.

Die Ungewissheit, die sich in mir aufbrauste, ließ mich nachts kein Auge zu drücken und tagsüber nicht im Unterricht aufpassen.

Meine Freundinnen schienen zu bemerken das mich etwas beschäftigte, aber ich konnte darüber nicht mit ihnen sprechen.
Wie sollte ich meine Bedenken teilen, ohne die eigentliche Wahrheit preiszugeben? So leid es mir tat und so sehr es mich traurig stimmte, dabei konnten sie mir nicht helfen. Nur Lily und Remus könnten das, jedoch würden sie mich mit meinem Problem zu Dumbledore schicken.
Ich musste von selbst versuchen, an die Informationen zu kommen, die ich brauchte

"Könnte ich ein Stück von deinem Pargament haben?", fragte ich bevor Alice es zusammenknüllte und wegwarf. Sie hielt inne und beäugte mich verwundert, ehe sie es mir entgegenhielt. "Hier bedien dich an meinen Rechtschreibfehlern",
"Danke", nuschelte ich und riss ein Stückchen ab, bevor ich ein neues von mir dafür verschwendete.
So unauffällig wie möglich, versuchte ich eine Nachricht drauf zu kritzeln, während Alice angestrengt versuchte die Buchstaben zu entziffern.
Ich steckte das Stückchen Pergament in meine Umhangstasche und vertiefte mich danach direkt wieder in das Buch, das vor mir lag, um Alice' Interesse zu senken.

Mittlerweile versammelten wir uns oft in der großen Halle um zu lernen, da wir dadurch mehr Platz und unsere Ruhe haben.
Ich versuchte angestrengt mir den Stoff für Astronomie einzuprägen, bis die volle Stunde mich erlöste. "Ich muss los zu Pflege magischer Geschöpfe. Wir sehen uns zu Zaubertränke okay?", sagte ich während ich meine Bücher zusammempackte. Alice tat es mir gleich "Alles Klar ich bin eh schon viel zu spät für Wahrsagen. Bis später" und dann war sie verschwunden.

Es war kalt und stürmisch als ich aus dem Schloss trat. Die Bäume des verbotenen Waldes, wankten im Sturm hin und her.
Ich lief den Rasenhang allein hinunter, da Lily krank geworden war und zu ihrem Missfallen nicht nach draußen durfte.

Professor Kesselbrand wartete bereits vor einem Zeichentisch, der mit Zweigen bedeckt war.
Ich runzelte die Stirn, bis ich die Zweige definieren konnte.
"Sind alle vollzählig?", der Professor schaute in die Runde. "Nun denn, fangen wir direkt an. Wer kann mir sagen was die Dinger hier sind?"
Er deutete auf die Zweige auf dem Tisch.
Zögerlich hob ich meinen Arm, während die Zweige in die Luft sprangen und sich als kleine wichtelhafte Geschöpfe aus Holz erwiesen. Meine Vermutung bestätigte sich damit. Sie hatten knubblige braune Arme und Beine, zwei zweigartige Finger am Ende jeder Hand und einem rindenähnlichen Gesicht, in dem ein Paar käferbraune Augen glitzerten.
Professor Kesselbrand deutete auf mich "Das sind Bowtruckels" sagte ich "Sie sind Baumwächter und leben normalerweise in Zauberstabbäumen." Hagrid hatte mir von ihnen erzählt und in der Realität waren sie noch viel niedlicher als in meiner Vorstellung.
"Fünf Punkte für Gryffindor", sagte der Professor und nickte anerkennend. "Ja Sie haben Recht Miss Cale! Es sind Bowtruckels und leben in Bäumen aus denen Zauberstäbe gefertigt werden. Kann mir jemand sagen, was sie fressen?"
Remus' Hand schnellte in die Höhe
"Sie fressen Holzläuse oder auch Feeneier, aber die sind eher selten."
"Genau richtig! Wieder fünf Punkte für Gryffindor. Also wann immer Sie Holz oder Blätter brauchen, indem ein Bowtruckle haust, ist es klug, Holzläuse als Geschenk mitzubringen, um ihn zu besänftigen oder abzulenken. Sie mögen liebevoll aussehen, aber wenn man sie verärgert, werden sie versuchen einem die Augen mit den Fingern auszustechen. Wie Sie sehen, sind diese messerscharf und sollten daher nicht in die Nähe der Haut, geschweige denn des Gesichtes kommen. Wenn Sie nun bitte zu mir kommen und sich ein paar Holzläuse und einen Bowtruckle nehmen - Ich habe genug hier, je drei von Ihnen können sich einen teilen und ihn genauer untersuchen. Bis zum Ende des Unterrichts erwarte ich von allen eine Skizze, indessen alle Körperteile verzeichnet sind."

Remus, Sirius und ich teilten uns einen Bowtruckle. Er stellte sich als ziemlich anhänglich heraus, während die Jungs gröber mit ihm umgingen, kam er immer zu mir und schmiegte sich an mich. Mein tierliebes Herz schlug immer schneller.
Ich wünschte Lily wäre hier, sie würde ausflippen wenn sie erfuhr, was sie verpasste.
"Da haben sich ja zwei gefunden", meinte Remus grinsend, während Sirius verzweifelt versuchte ihn mit den Läusen zu sich zu locken.
"Ihr müsst sanfter sein", ich kicherte als das kleine Geschöpf meinen Arm hinauf kletterte. Sirius rollte mit seinen Augen und ließ die Holzläuse auf den Boden fallen. Das lenkte die Aufmerksamheit des Bowtruckles auf ihn und kletterte meinen Arm wieder hinunter.
"Ach jetzt magst du doch was zu fressen?", Sirius zog seine Augenbrauen hoch und beugte sich zu ihm herunter. Das sah so witzig aus, das ich mir das Lachen verkneifen musste.
"Wartet ich hole schnell neue Läuse!", sagte Remus und drehte sich um.
Kaum waren Sirius und ich allein, fiel mir die Nachricht in meiner Tasche ein, die ich immer noch mit mir herumtrug. Ich umfasste den Zettel mit meinen Fingern. Etwas in mir sträubte sich dagegen, ihm die Nachricht zu zu stecken. Jedoch sah ich keine andere Möglichkeit ihn zu erreichen als diese.
Ich schluckte meine Schüchternheit hinunter und steckte ihm die Nachricht in seine Tasche, als er sich dem Baumwächter zu gewandt hatte.
Natürlich hatte er das bemerkt und sah mich verwirrt an, er wollte gerade etwas sagen, als Remus zurück kam. Ich wandt mich ab und hoffte er würde meiner Nachricht folgen.
Wir arbeiteten stillschweigend weiter, während Sirius' Blick immer wieder zu mir flog.
Am Ende hatten wir nicht nur drei Skizzen angefertigt, sondern auch alle mit dem Bowtruckle Freundschaft geschlossen.

Zaubertränke verging meinem Empfinden nach viel zu langsam. Ich mochte den Unterricht bei Professor Slughorn, jedoch flogen meine Gedanken immer wieder zu Sirius.
Was dachte er darüber? Würde er kommen oder es einfach ignorieren und so tun als hätte es die Nachricht nicht gegeben?
Ich war bereits aufgeregt, obwohl es noch Stunden dauern würde, wenn er überhaupt kommen würde.
Ich wollte nur die Wahrheit erfahren und sie gleichzeitig auch nie kennenlernen wollen.

Als es endlich zum Unterrichtsende klingelte, atmete ich erleichtert aus. Es war ein langer Tag, zumal ich in der Nacht kaum Schlaf gefunden hatte.
Gryffindors und Slytherins stürmten aus dem Raum, alle wollten sie ihre Ruhe.
Ich folgte meinen Hauskamaraden und freute mich Lily von Pflege magischer Geschöpfe zu erzählen.
Angekommen im Gemeinschaftsraum, lief ich direkt die Treppen zum Schlafsaal empor.

Lily saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, vor ihr lagen mehrere Bücher in denen sie sich vertieft hatte. Sie hatte mich immer noch nicht bemerkt
Ich grinste "Das ist meine Lily! Selbst am lernen wenn sie krank ist", ich schüttelte den Kopf. Ihr Kopf schnellte in die Höhe und blickte mich erst verwirrt, dann erfreut an. "Irgendwie muss ich den Tag ja sinnvoll nutzen", sagte sie schulterzuckend.
Ich schaufelte mir einen Platz frei und setzte mich zu ihr aufs Bett.
"Wie geht's dir?", fragte ich besorgt.
"Schon viel besser! Ich muss nur jede Stunde einen Schluck von dem glibbrigen Zeug nehmen", sie hielt ein braunes Fläschchen hoch "Morgen kann ich wieder am Unterricht teilnehmen, meinte Madame Pomfrey!", sie lächelte dabei leicht.
"Aber jetzt erzähl, was hab ich verpasst?", sie sah mich neugierig an.

Ich erzählte ihr alles, das mit Sirius ausgenommen und als ich ihr von den Bowtruckels erzählte, sah sie sehr enttäuscht aus. "Hagrid wird sie uns bestimmt liebend gerne noch einmal zeigen", sagte ich sanft. Das schien sie zu besänftigen, denn sie nickte zustimmend.
Anschließend half ich ihr bei dem Stoff den sie nachholen musste.

Der restliche Abend verlief gegenüber dem langen Tag, erstaunlich schnell.
Und so kam jene Stunde immer näher und meine Nervosität wurde immer stärker.
Während die anderen bereits schliefen, lag ich wach und wartete.
Ich hatte Angst. Nicht etwa davor, mit Sirius zu sprechen. Sondern eher vor dem was er zu sagen hatte.
Ich wollte die Wahrheit wissen, aber ob ich sie auch ertragen konnte, war die andere Sache.

Kurz vor Mitternacht schlug ich meine Decke beiseite. Die anderen schliefen tief und fest.
Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, meinen Rock auszuziehen, trug anstelle meiner Bluse ein weißes langes Oberteil.
Leise versuchte ich mich rauszuschleichen, bevor ich die Tür erreichte, grummelte Marlene irgendetwas und setzte sich auf.
Erstarrt blieb ich stehen und sog scharf die Luft ein. Die Dunkelheit gab mir den Schutz den ich brauchte. Ich durfte nicht auffliegen, denn die Fragen die man mir dann stellte, wollte ich vermeiden.
Zu meinem Glück legte sie sich wieder hin und schlief nach wenigen Minuten wieder ein.
Ich ergriff meine Chance und stahl mich aus dem Schlafsaal.

Sirius saß bereits im Gemeinschaftsraum als ich die Treppen hinunter kam. Erleichterung machte sich in mir breit, er hatte meine Nachricht nicht ignoriert.
Ich schluckte meine Aufregung runter, wischte meine feuchten Hände an meinem Rock ab und trat ins Licht. "Du bist tatsächlich gekommen", sagte ich leise. Er blickte zu mir "Natürlich! Du hast schließlich geschrieben du müsstest dringend mit mir sprechen." Er saß wie bei jedem bisherigen Treffen in dem rechten Sessel vor dem Kamin.
"Und genau deswegen bist du gekommen?", ich zog meine Augenbrauen hoch.
Er grinste "Sagen wir einfach, ich war neugierig."
Ich setzte mich schließlich auf den anderen übrigen Sessel. Er rutschte ein wenig vor "Also worüber willst du mit mir sprechen, dass es mitten in der Nacht sein muss?"
Ich biss mir auf die Lippe "Ich möchte wissen, was Jackson über mich erzählt", platzte es aus mir heraus.
"Das ist es was du unbedingt wissen möchtest?", nun zog Sirius seine Augenbrauen hoch.
"Würdest du es nicht auch wissen wollen, wenn Regulus über dich Lügen erzählen würde?", ich verschränkte seufzend meine Arme vor der Brust.
Sirius lachte "Oh! Das würde er sich erst gar nicht trauen."
"Ich meine es ernst Sirius."
Er nickte und zögerte, als wolle er es nicht sagen. Sein amüsierter Gesichtsausdruck wurde ernst
"Sirius?", fragte ich nach einem Moment der Stille.
Er sah mir direkt in die Augen. "Ich glaube nicht, dass du es wissen möchtest."
Das machte es nur noch schlimmer, denn nun wollte ich es umso mehr wissen. Mein Herz hämmerte wild gegen meine Brust. Es waren nur Lügen was könnte daran so schlimm sein?
"Schlimmer als die Wahrheit kann es nicht sein", nuschelte ich und war mir sicher das Sirius es dennoch gehört hatte.
"Es wird dir nicht gefallen!"
"Nun sag schon!", ungeduldig ließ ich meine Schultern hängen.
Sirius seufzte "Na schön, aber sag später nicht ich hätte dich nicht gewarnt."
Er legte eine kurze Pause an, suchte nach einer letzten Bestätigung in meinem Blick "Er hat erzählt du wärst krank gewesen. Hier", er deutete dabei auf seinen Kopf "Deine Familie hätte nur dein Bestes gewollt, bis du deinen Vater letztes Jahr aus dem Nichts angegriffen hättest."
"Aus dem Nichts", wiederholte ich leise.
Ich ballte meine Hände zu einer Faust. Ich hätte es wissen müssen. Eine solche Geschichte, war einfacher und glaubwürdiger als die Wahrheit, sie war wirksamer um mich ins schlechte Licht zu stellen.
Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, ein eiskalter Schauer lief mir dabei über den Rücken. Ich konnte förmlich die Genugtuung spüren, die Jackson fühlen musste als diese Lügen ihm über die Lippen kamen.
Ich wollte wütend sein, zornig und voller Hass. Aber Ich konnte es nicht, zu erstarrt war ich.
Der Kloß in meinem Hals schnürte mir die Kehle zu.
Die Lügen fühlten sich an wie Messerstiche. Messerstiche die sich die Narben bohrten, die mein Vater mir verpasste. Lügen, die all seine Taten überdeckten. Ich schmeckte den bitteren Geschmack von Verachtung auf der Zunge. Warum musste das Böse immer siegen?

Sirius' Blick ruhte auf mir, schien mich einzufangen. Als könnte er damit verhindern, das ich wie Glas zersprang. Ich hätte es wissen müssen, warum zeigte also mein Körper diese Reaktion?
"Scarlett." Sirius trat einen kleinen Schritt näher zu mir.
"Muss ich Jackson wehtun? Ich hätte kein Problem damit."
Ich schüttelte den Kopf, zu mehr war ich nicht im Stande.
"Bist du dir sicher?", fragte er und blickte mich besorgt an.
"Ja", brachte ich hervor "Mir geht es gut, du wirst niemanden wehtun", sagte ich, doch meine Stimme brach.
Ich konnte die heißen Tränen, die mir in die Augen stiegen nicht mehr zurückhalten.
Wieder zögerte Sirius, als überlege er ob er mich in den Arm nehmen sollte.
Noch bevor er sich dazu entscheiden konnte, drehte ich mich um und rannte in den Schlafsaal.

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