❥ 22.

~Scarlett~

staunend legte das kleine Mädchen ihren Kopf in den Nacken, Gebäude die so hoch waren, dass sie deren Spitze gar nicht sehen konnte. Straßen vollgestopft mit allen möglichen Gefährten und Bürgersteigen mit riesigen Menschen-Massen. Wir befanden uns mitten in London. Mein kleines Ich steckte mich mit ihrer Faszination an, ich lief hinter ihr und beobachtete alles und versuchte es mir einzuprägen. Die kleine lief an der Hand ihrer Mutter, welche sie grob hinter sich her zog, die andere Hand hielt die ihres Bruders. Die Mutter, welche sehr genervt von ihren Kindern zu sein schien, fluchte leise und unverständlich vor sich hin. Ich beobachtete das Mädchen genauer, ihre blonden Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten worden, sie wirkte glücklich in ihrem rosa kariertem Kleid. Ich versuchte ihr mit meinem Finger über die Wange zu streichen, welche von der Wärme rosafarben waren. Ich erschrak und zog meine Hand schnell zurück, denn anders als gewohnt glitt meine Hand nicht durch sie hindurch sondern ich konnte sie berühren. Zu meinem Glück schien sie es nicht zu bemerken, ich atmete erleichtert auf. Als die Mutter sie schließlich los ließ, hüpften die Geschwister Hand in Hand nebeneinander her. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Es war eines jener Geschehnisse an die ich mich nicht mehr erinnern konnte. Hier war ich ein kleines unschuldiges Mädchen von vielleicht gerade einmal sechs Jahren. Es brach mir das Herz sie so fröhlich zu sehen und zu wissen, dass ihr Leben nun viel düsterer aussah. Ich sah noch wie die drei den tropfenden Kessel betraten, Kindergelächter dröhnte in meinen Ohren ehe es verhallte und alles in einem bläulichen Nebel verschwand.

Als ich aufwachte, spürte ich eine kalte Brise die über meine Wangen Strich. Sie waren ganz nass von den Tränen. Die anderen im Schlafsaal schliefen ganz ruhig, ich beneidete sie um ihren ruhigen und festen Schlaf. Ich seufzte, versuchte erst gar nicht wieder einzuschlafen. Jede Nacht aufs Neue raubte mir irgendetwas den Schlaf. Leise stand ich auf, schnappte mir Briefpapier und Feder aus meiner Tasche.

Mit Bedacht, niemanden zu wecken, schlich ich aus dem Schlafsaal.
Ich kuschelte mich in den Sessel vor dem Kamin, der in den letzten Tagen mein Lieblingsplatz geworden war.
Ich tunkte die Feder in die Tinte und begann einen Brief an meine Eltern zu schreiben. Kaum schrieb ich ein paar Minuten tapste Pearl auf mich zu. Ich lächelte und hob sie auf meinen Schoß, sie machte es sich bequem und schnurrte leise.

In meinem Brief erzählte ich nichts von meinen schlaflosen Nächten und der Beständigen Angst Jackson unter die Augen zu treten.
Ich hatte nicht direkt Angst vor ihm. Wenn ich es geschafft habe meinen Vater zu bezwingen, warum sollte ich es dann nicht bei ihm schaffen?
Es war viel mehr die Angst vor der Situation und deren Auswirkung. Er könnte so viel zerstören, ohne mir verbal weh zu tun. Er könnte mir so viel nehmen, mich ständig an das erinnern was ich längst vergessen wollte. Nun konnte ich nicht mehr so tun als wäre all das nicht passiert. Er ist die Person die mich ständig daran erinnern wird.
Ich war eine Gryffindor und doch fühlte ich mich so feige.

Als ich fertig war, setzte ich meine kleine Katze ab und lief zur Eulerei. Das wohl erste mal das ich bewusst eine Regel brach. Auf dem Weg hoffte ich meine Müdigkeit wieder zu finden, doch die Kälte und das zittern meines Körpers bewirkte genau das Gegenteil.

Nach dem ich den Brief an die Kralle einer Eule gebunden hatte, beobachtete ich sie wie sie sich auf den Weg machte und davon flog. Orange, rote Schlieren bildeten sich am Himmel, ich begann das erste Mal darüber nachzudenken wie früh es wohl sein musste. Ich stand eine Weile so da und beobachtete das Geschehen der aufgehenden Sonne, was eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. Plötzlich flog die Tür krachend auf, mein Herz schien stehen zu bleiben und ich suchte panisch in einer kleinen Nische Schutz. "Verdammte Scheiße", hörte ich eine allzu bekannte Stimme fluchen. Ich zuckte zusammen, spürte den Zorn in seiner Stimme förmlich auf meiner Haut. Mit wehendem Umhang lief er in der Eulerei auf und ab, warf mit mir unbekannten Worten um sich. Durch den wehenden Umhang wirbelte er Staub auf und ehe ich mich versehen konnte, versuchte der dreckige Staub in meine Lungen zu gelingen. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als ich mit Mühe versuchte nicht zu Husten. Ich presste meine Hände fest auf meinen Mund. Tränen stiegen mir in die Augen, so schwer fiel mir die Unterdrückung. Zu meinem Glück bemerkte er mich nicht. Er band einen dunkelgrünen Umschlag an die Kralle einer Eule mit rabenschwarzen Gefieder, zweifellos seine eigene. Eingequetscht stand ich da und beobachtete jede einzelne Bewegung von ihm genau. Sein Blick war von Zorn und Verletzlichkeit getränkt. Diese Mischung aus Gefühlen in seinen Augen würde ich noch aus Meilenweiter Entfernung erkennen.

Wieder stand ich mitten im Geschehen meines Unglücks. Mittlerweile war es zur Gewohnheit geworden. Dieses Mal erkannte ich die Erinnerung sofort, es war der 11. Geburtstag von Jackson und mir. So klein und unschuldig wie sie damals war, traute sich das kleine Mädchen nicht aufzusehen. Ich schien ihre Tränen spüren zu können. Der Vater bleckte seine Zähne wie ein tollwütiger Hund. Er zog seinen Gürtel aus und spannte ihn in seinen Händen. "Meine eigene Tochter, eine dreckige Squib. Welch eine Schande für die Menschheit." Meine alten Narben schienen wieder aufzugehen, so fühlte es sich an. Ich konnte das nicht mit ansehen, es war noch zu früh, die Wunden noch zu frisch. Bevor ich meine Augen zu kniff, sah ich jenen Blick in Jacksons Augen. Die Geräusche verhallten, ich öffnete meine Augen vorsichtig und sah verschwommen wie die Zeit vor gespult wurde. Auf einmal saß das kleine Mädchen auf einer alten, durchgelegenen Matratze in der Abstellkammer welches nun ihr Neues Zimmer war. Das ganze Gerümpel stand nun in ihrem alten großen und hellen Zimmer. Das Mädchen weinte stumm, es war immer noch herzzerreißend, nach so vielen Malen war ich immer noch nicht daran gewöhnt. Das atmen fiel mir immer schwerer, jeder Atemzug tat weh. Wie benommen kniete ich mich nieder, saß nun genau vor ihr. Ich konnte ihre Augen nicht sehen, sie hatte ihren Blick auf den Boden gerichtet. Ihre Schmerzen standen ihr im Gesicht geschrieben. Meine Hände zitterten, sie kamen ihrem Gesicht immer näher. Als meine Hände ihre Wangen berührten liefen mir die Tränen herunter. Sie sah auf und keiner von uns erschrak. Tränen liefen ihr ununterbrochen die Wangen hinab. Sie war noch so jung doch ihre Augen waren schon so trüb und leer, dass einem ein Schauer über den Rücken lief. Sie konnte mich nicht sehen, wusste jedoch das da etwas oder jemand war. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich. Leuchtender violetter Schmerz strömte durch meine Venen. Der dunkle Raum wurde in violettes Licht getaucht, bis ich merkte dass das Leuchten von mir aus kam. Das Gesicht des Mädchens entspannte sich und ich erkannte wie ihre Schmerzen weniger wurden. Ich saß eine Weile da und nahm ihr die Schmerzen und das Leid, zog es aus ihr heraus. Irgendwann schlief sie ein und sank in meine Arme. Wir schienen das beide zu gebrauchen. Mein Herz schien leichter schlagen zu können.

Als ich wieder zu mir kam, war Jackson immer noch da. Er schien so vertieft, dass ich nicht lange nachdachte und meine Chance ergriff. Langsam und behutsam schlich ich aus dem Raum. Als ich außer Sichtweite war begann ich zu rennen. Mein Kopf tat weh, alles drehte sich. Diese Visionen brachten mich noch um den Verstand. Ich sah auf meine Unterarme. Hatte ich ihr wirklich die Schmerzen genommen? Verwirrung und Schock stauten sich in mir auf. War das gerade wirklich passiert?

*

Ich hatte niemanden davon erzählt, sie würden mich alle für Verrückt halten. Dann wäre ich wahrscheinlich wieder die Irre. Ich musste irre sein, wer sonst kann schon sich selbst in der Vergangenheit sehen geschweige denn ihm die Schmerzen zu nehmen? Es machte mir Angst, allerdings versuchte ich es zu unterdrücken. Vielleicht war das auch alles nur Einbildung. Anders konnte es doch gar nicht sein oder?

Ich war so Beschäftigt mit den Gedanken an letzter Nacht, dass ich ganz vergas nervös wegen der bevor stehenden Stunde mit den Slytherins zu sein. Meine Freundinnen redeten auf mich ein, doch ich lächelte nur und nickte hin und wieder. Musste immer etwas nicht mit mir stimmen? Ich war so benommen das ich gar nicht merkte, wie mich Marlene bestimmend packte und mich mit sich zog. Sie rüttelte an meiner Schulter, jedoch fand ich den Weg in die Realität nicht wieder zurück. Im Augenwinkel sah ich nur wie sich Jackson in weiter Entfernung von mir setzte.

Die Stunde verging, mein Kopf brummte und ich lief einfach nur davon, wusste nicht wohin meine Beine mich trugen. So ging es die nächsten Tage weiter. Ich war nicht mehr ich selbst. Meine Freunde versuchten mir zu helfen, doch nichts funktionierte sie schienen an mir zu verzweifeln. Ich wollte zurück, ich wollte es wirklich.

*

Es war spät am Abend und ich lief wieder im Schloss umher. Ich wusste nicht mehr wie mir zu helfen war. Das Laufen fühlte sich immerhin normal an und nicht wie eine verfälschte Realität. Die Visionen hatten ebenfalls schlagartig aufgehört.

Ein lautes Schnaufen ertönte auf einmal aus allen Richtungen. Ich blieb stehen. Alles um mich herum wurde kalt, ich wusste wer hinter mir stand. "Dachtest du wirklich du könntest dich ewig vor mir verstecken Scarlett?", ich dachte erst es wäre eine Vision aber es war real. Es war verdammt real. Ich drehte mich um und sah in Jacksons bösartig grinsendes Gesicht. "Dachtest du wirklich, ich hätte dich in der Eulerei nicht gesehen, hätte nicht gemerkt wie du mich angestarrt hast?" Ich wollte etwas sagen, aber meine Lippen blieben versiegelt. Er kam näher auf mich zu. Erst jetzt merkte ich das er mich mittlerweile um einen Kopf überragte. Markante Züge zierten sein Gesicht. Er sah seinem Vater gefährlich ähnlich. "Hör auf ein Spiel zu spielen, dessen Regeln du nicht kennen solltest."


-1666 Wörter-

Ein fettes Sorry an alle die solange auf das Kapitel warten mussten und ein riesen Dankeschön an alle Leser die dazu gekommen sind. Aber ihr könnt euch freuen, ich bin schon mitten im nächsten Kapitel.

Ich wünsche euch noch einen wunderschönen Sonntag Abend. Eure Jule <3



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