f ü n f z e h n
| Regina |
Wären mir die Menschen um mich herum nicht so suspekt, würde ich mich hier in diesem Haus auf der Stelle wohlfühlen können. Die Gegend und der gesamte Stil des Studios ist herrlich.
Vor einer Weile hat sich Harry mit mir auf einer der gepolsterten, breiten Fensterbänke niedergelassen und erzählt seitdem ungewohnt euphorisch über die letzten Tage.
Zwar verliert er kein Wort darüber, was sie hier den lieben langen Tag veranstalten, aber offensichtlich trägt es zu Harrys Schaffenskraft bei.
„Der Vibe in diesen Räumen ist unbeschreiblich", schwärmt Harry immer noch.
Seitdem er mich zuvor so charmant abgewiesen, oder besser gesagt vertröstet hat, hülle ich mich vorsichtshalber wieder in Schweigen.
„Ich bin noch nicht mal lange hier und hab mehr Ideen als in den ganzen letzten Monaten. Es geht einfach nichts über erfahrene, kreative Gesellschaft."
Gelassen liegt Harry auf den grauen Kissen, mit dem Oberkörper gegen die weiße, schallgedämmte Wand gelehnt, während mein Blick durch das große Fenster, vor dem wir sitzen, fällt.
Draußen sitzt immer noch Rick und starrt tiefenentspannt ins Leere. Er strahlt absolute Ruhe aus und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, verunsichert mich dieser Kerl.
„Übrigens", seufzt Harry, nachdem er meinen Blick verfolgt und wohl bemerkt hat, dass ich Rick mustere. „Er hat mir tausend Mal gesagt, dass ich dich bloß darauf hinweisen soll, dass von hier nichts nach Außen dringt. Also Handyverbot, keine Bilder, keine Enthüllungsberichte für die Öffentlichkeit und dass nichts von der Musik mitgeschnitten werden darf, versteht sich wohl von selbst."
Schnell hat Harry das Organisatorische dieses Aufenthalts runtergerattert und sieht mich entschuldigend an.
„Ich wollt's nur gesagt haben. Vor Rick hab' ich längst meine Hand für dich ins Feuer gelegt, aber einfach nochmal fürs Protokoll."
„Verstehe", nicke ich lächelnd.
Allein, dass ich hier sein darf, ist ein riesiger Vertrauensbeweis, den er mir erbracht hat. „Versprochen, ich werde dir keine Probleme machen."
„Daran hab' ich keine Zweifel", grinst Harry ebenfalls, ehe das Lachen wieder erstirbt und er mich nachdenklich mustert. „Was hat Grimmy eigentlich dazu gesagt, dass du hier bist? Ich gehe davon aus, er weiß es?"
Seufzend sehe ich Harry an und habe gleichzeitig den urteilenden Blick meines Kollegen vor meinem inneren Auge.
„Die Begeisterung hat sich in Grenzen gehalten, aber das ist nun mal auch wirklich nicht seine Baustelle", winke ich schließlich ab und spreche damit das aus, was Harry wohl schon vermutet hat.
„Naja", zuckt Harry schließlich mit den Schultern. „Du hast selbst gesagt, dass du alt genug bist, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Also mach dir hier einfach dein eigenes Bild, das ist wohl nur fair."
Ganz genau das habe ich in den kommenden Tagen auch vor, anstatt mir weiterhin den Kopf über Harry zu zerbrechen und mich zu fragen, weshalb er mich immer wieder vor seinem Leben warnt. Mir ebendieses durch eigene Augen anzusehen, ist die wohl einfachste Lösung.
„Leute!", schallt plötzlich eine tiefe Stimme, die nicht zu Harry gehört, durch das Haus.
Der Kerl, der mir zuvor beiläufig als Tyler vorgestellt wurde, schreitet grinsend durch den Raum und läuft zielsicher nach draußen. Auf dem Weg dorthin guckt er uns auffordernd an und schwenkt präsentierend den großen Teller auf seiner Handfläche.
„Kommt, es wird Zeit für etwas Magie."
Während ich nicht das Geringste verstehe und überlege ihn einfach zu ignorieren, um zumindest etwas Zweisamkeit mit Harry zu genießen, springt dieser direkt begeistert auf die Beine.
Mit funkelnden Augen sieht er mich an. „Komm."
„Was? Wohin denn, welche Magie?", will ich verständnislos wissen, rapple mich aber langsam ebenfalls auf die Beine.
Vielleicht wollen die Jungs zur Tat schreiten, vielleicht ein paar Texte oder Melodien schreiben. Die Musik ist Harrys Magie, wie er mir so oft klargemacht hat.
„Magie, von der du Grimmy wohl besser nichts erzählen solltest", lacht Harry trocken auf. „Komm mit und sieh's dir selbst an, jetzt wird gearbeitet."
Zögerlich folge ich Harry nach draußen.
Tyler hat seinen Teller auf dem Tisch der kleinen, weißgestrichenen Sitzgruppe vor der Terrasse abgestellt und sich zu Rick gesellt.
Mit Harry und mir kommt auch Sammy langsam im Garten des Studios an.
„Sind das Pilze?", frage ich direkt heraus, als ich langsam erkenne, was dort auf dem weißen Tisch liegt.
„Natürlich", nickt Tyler. „Nicht irgendwelche Pilze. Magische Pilze."
Nachdem Tyler mir wohl keine vernünftige Antwort geben will, macht mir Harry lachend und mit einer abfälligen Handbewegung in dessen Richtung klar, dass ich nicht länger auf das Gerede hören soll.
„Magic mushrooms, schon mal gehört? Halluzinogene Pilze", versucht er mir stattdessen zu erklären, doch beruhigender sind diese Worte auch nicht.
„Psilocybinhaltige Pilze, wenn du's ganz genau wissen willst", schaltet sich nun auch noch dieser Sammy ein, der offenbar nicht nur ein Händchen für den Mixer und Margaritas, sondern auch für halluzinogene Mittelchen hat.
Ich wage es kaum, überhaupt noch eine Frage zu stellen. Die Gefahr, mich wieder als weltfremdes Mauerblümchen zu outen, ist allgegenwärtig, aber die Situation, in der ich mich hier gerade befinde, ist mir so fremd und schwer einzuschätzen, dass ich nicht anders kann.
„Und.. was macht ihr damit?"
„Naja, essen eben", lacht Harry laut. „Die Welt aus anderen Perspektiven, in anderen Farben wahrzunehmen und auch sich selbst mal in 'ner ganz anderen Intensität zu spüren, schadet nie."
„Schon gar nicht, wenn man die richtige Musik dabei hört. Da kommen die Ideen schneller, als wir aufnehmen können!", platzt dieses Mal Mitch in die Runde und platziert ein paar Boxen im Rasen.
Langsam realisiere ich, wo ich hier gelandet bin und dass kreative Künstler ihre ganz eigenen Methoden haben, zu arbeiten.
Harry hat mich gewarnt und all das, was ich durch ihn bislang kennenlernen durfte, ist mir völlig fremd, aber bislang schafft es nichts davon, mich abzuschrecken.
Zuhause hätte ich mit Sicherheit längst die Flucht ergriffen, wenn mir ein Kerl halluzinogene Pilze serviert hätte, aber Harry bin ich bereits so sehr verfallen, dass ich bereit bin sämtliche Abstriche zu machen und meine Grenzen für ihn nach und nach neu zu ziehen.
„Regina, du musst keine nehmen, ja?", sucht Harry plötzlich hektisch meinen Blick, als hätte er auf einmal das Gefühl gehabt, mich zu etwas zu drängen. „Du bist hier, um zu beobachten und alles kennenzulernen, aber denk nicht, dass du mitziehen musst."
Dankbar lächle ich ihn an.
„Wie wirken die denn? Ich meine.. wie Alkohol?", frage ich vorsichtig, während sich Rick, Sammy und Tyler mitsamt den Pilzen bereits zu Mitch in den Rasen gesellt haben.
„Nein, eher wie LSD", antwortet Harry trocken, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
„Darunter kann ich mir jetzt auch nicht gerade was vorstellen", erwidere ich raunend, was Harry wiederum herzhaft zum Lachen bringt.
„Wie gesagt, alles wird sehr viel intensiver und – anders. Es ist schwer zu beschreiben, ich kann es noch nicht einmal wirklich auf der Skala einordnen. Es ist wirklich magisch, fast schon transzendent. Und vorallem ist es Gold wert, wenn man Ideen braucht oder sich inspirieren lassen muss."
Ehe er sich zu seinen Kollegen oder Freuden – was immer ihn mit den Menschen hier verbindet – gesellt, lächelt mich Harry doch nochmal sanft an
„Bleib hier, geh' nach drinnen und entspann dich oder gesell dich zu uns. Was immer du willst, du sollst nur wissen, dass ich hier keine Geheimnisse vor dir habe. Du wolltest wissen, was ich so mache und das zeig' ich."
So gern ich Harry bewiesen hätte, wie offen und experimentierfreudig ist bin – was nicht der Fall ist -, ist mein Limit für heute allein mit der Ankunft in dieser neuen Welt hier erreicht. Nun auch noch irgendwelche Pilze zu essen, hätte meinen Rahmen definitiv gesprengt und ausnahmsweise meldet sich selbst in Harrys Nähe endlich wieder mein Verstand, der das obligatorische „Ja" zu Neuem zurückhält.
Stattdessen bleibe ich bei der Sitzgruppe zurück und beobachte die Männer, wie sie ohne zu zögern zu den Pilzen greifen, sich ins Gras fallen lassen und die Lautsprecher auf volle Lautstärke aufdrehen.
Mitch lässt diverse alte Klassiker laufen, während sie sich noch unterhalten, zusammen lachen und Sammy routiniert Essen, Getränke und Instrumente im Gras platziert. Sogar flüssige Schokolade bringt er nach draußen und übergießt die Pilze damit.
Langsam beschleicht mich das Gefühl, in einem schlechten Hippie-Film aus den 60er Jahren gelandet zu sein, so klischeehaft sind die Szenen, die sich gerade im Rasen abspielen. Das ist es, was Harry also unter Arbeit versteht und wenn ich ihn mir so ansehe, liegt er hier nicht zum ersten Mal.
Ich für meinen Teil weiß noch nicht, was ich von dem Ganzen halten soll.
Nach etwa einer halben Stunde scheinen die Pilze ihre Wirkung zu zeigen, denn die Gespräche der Jungs stellen sich langsam ein, dafür wird das Gelächter umso lauter.
Insbesondere Harrys Lachen dringt immer wieder durch. Er liegt flach auf dem Rücken, den Blick in den Himmel gerichtet und fängt schließlich aus vollem Hals an, Elvis' Jailhouse Rock mitzusingen.
Beeindruckt davon, wie er selbst in dieser Position und in diesem Zustand Musik so leben kann, höre ich ihm zu und lehne mich im Gartenstuhl zurück. Womöglich kann er das insbesondere aus ebendiesem Grund noch ein ganzes Stück intensiver.
Gerade frage ich mich, wie lange ich mir dieses Spektakel noch mitansehen soll, als sich Harry plötzlich aufsetzt und anfängt unkontrolliert zu husten.
Es ist erstaunlich, wie er es schafft, trotz dessen noch halbwegs zu singen, ohne zu ersticken.
Besorgt richte ich mich auf, um Harry genauer ins Auge zu fassen. Ich weiß weder um die Gefahren, noch um die Risiken beim Konsum solcher Pilze, aber dass die anderen Kerle, die hier high im Rasen liegen im Ernstfall wenig hilfreich sind, ist selbst mir bewusst.
„Harry?", rufe ich ihm unruhig zu, aber außer noch lauteres Husten reagiert er nicht auf mich.
Erst als ich mich schnell auf meine Beine hieve, bemerke ich, dass Blut über Harrys Kinn fließt.
„Was zum –"
Sofort renne ich zu ihm und halte ihn davon ab, sich wieder nach hinten ins Gras fallen zu lassen.
„Bleib sitzen!"
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, gehe ich in die Hocke und halte Harry im Arm. Dieses Mal finde ich mich in seiner Gegenwart in einer völlig neuen Rolle wieder. Ich bin die Vernünftige, Fürsorgliche, während Harry die Kontrolle vollkommen abgegeben hat.
Wie ein Kleinkind sitzt er im Gras, wischt sich ignorant das Blut aus dem Gesicht und versucht weiter seine Lieder zu singen, obwohl es immer weiter aus seinem Mund sprudelt.
„Was zur Hölle hast du denn gemacht?", versuche ich vielleicht doch eine vernünftige Antwort aus Harry herauszubekommen.
„Nichts", sagt er und sieht mir direkt in die Augen.
Da sind sie wieder, diese verklärten Augen, durch die mich nicht Harry selbst ansieht. Mit geweiteten Pupillen, wie er sie damals in diesem Club hatte, guckt er mich an und fängt plötzlich mit blutigem Mund an zu lachen.
Innerhalb etwa einer Stunde ist aus dem klischeehaften Hippie-Film ein regelrechter Horrorstreifen geworden. Als wäre er genau einem solchen entsprungen, sieht Harry mit seinem blutverschmierten Mund und den irren Augen auch aus, während er in hysterisches, unkontrolliertes Gelächter ausbricht.
„Lass ihn mal los, der übersteht das schon", höre ich plötzlich Sammys Stimme.
Der liegt entspannt etwas entfernt neben Harry und hat die Augen geschlossen. Erst als ich ihn eine Weile skeptisch mustere, öffnet er sie wieder.
Auch Sammys Pupillen sind geweitet, ansonsten macht er jedoch einen überraschend nüchternen Eindruck.
„Er hat sich wahrscheinlich nur in die Zunge oder so gebissen. Nichts, woran er sterben wird."
„Wenn er sich hinlegt schon", kontere ich harsch.
Tipps von einem benebelten Musiker zu bekommen, wie ich Harry zu behandeln habe, ist wohl das Letzte, was ich nun brauche.
„So viel Reflex hat er noch, dass er nicht liegenbleibt", ist sich Sammy sicher und setzt sich nun langsam auf.
Sein weißes T-Shirt ist voller Grasflecken, was ihn aber nicht weiter zu stören scheint.
„Und 'nen Schluckreflex hat er auch noch."
„Na, du musst es ja wissen", raune ich genervt und wende mich von Sammy ab, um mich wieder um Harry zu kümmern.
Allerdings weiß ich nicht recht, was ich im Moment für ihn tun kann.
„Ich meins ernst, der kommt schon klar", wiederholt sich Sammy währenddessen. „Ich hab' nicht viel genommen, ich hab' das hier schon im Griff."
„Willst du mich verarschen?", knurre ich und werfe ihm nun doch nochmal einen finsteren Blick zu. „Alles im Griff? Du liegst hier die ganze Zeit völlig abwesend."
„Ja, es lebt ja auch noch jeder. Komm' mal wieder runter, nimm dir vielleicht auch mal 'nen Pilz."
Bevor ich Sammy etwas entgegensetzen kann, spuckt Harry eine ganze Ladung Blut aus.
„Es ist wirklich alles gut", sagt er dann undeutlich und trommelt mit seinen Händen im Takt zur Musik, während Mitch inzwischen zur Gitarre gegriffen hat.
Es ist ein Irrenhaus, in dem ich vollkommen fehl am Platz bin. Das wird mir spätestens dann klar, als sich selbst Harry meiner Nähe entzieht und weiterhin versucht zu singen.
Er scheint routiniert in seiner Situation, was für mich Grund genug ist, mir dieses Theater hier nicht länger mit anzusehen.
Von Harrys Leben habe ich definitiv einen Eindruck bekommen. Er hat nie erwähnt, dass ich es mögen würde, denn das ist im Moment auch keineswegs der Fall.
Ohne ein weiteres Wort hieve ich mich wieder zurück in einen aufrechten Stand.
Wenn eine zugedröhnte Gruppe Männer im Garten liegt, ist selbst Harrys Anwesenheit kein Grund mehr, länger Teil davon zu sein.
Kommentarlos gehe ich nach drinnen, obwohl die Sorge um Harry immer noch allgegenwärtig ist.
Dazu gesellt sich inzwischen jedoch auch Wut darüber, dass er nicht einfach wie jeder normale Mensch seine Musik schreiben kann.
Aber vielleicht sind seine Methoden ja sogar die Norm in dieser Branche. Was weiß ein Landei wie ich schon darüber, wie Künstler und Weltstars ticken.
Was ich jedoch weiß, ist wo Sammy die Frozen Margaritas gelagert hat. Zielsicher gehe ich also in die Küche und öffne dort den Kühlschrank, um die Karaffe Alkohol an mich zu nehmen.
Mein Margarita-Glas habe ich irgendwo im Haus stehen lassen, also greife ich stattdessen zu dem großen, leeren Krug auf der Anrichte.
Alles an diesem Tag erinnert mich an die Nacht im Club, als ich mich aus Frust wegen Harrys Abweisung sinnlos betrunken habe. Mich aus dem Leben zu schießen, ist immer noch nicht meine Art, aber Harrys Art und Weise lässt mir manchmal keine andere Wahl.
„Da hast du dir ja was vorgenommen", höre ich schon wieder Sammys lachende Stimme hinter mir, als er mein volles, viel zu großes Glas sieht.
Auch ihm gilt die Wut in meinem Bauch zu einem Großteil.
„Hast du die da draußen jetzt doch allein gelassen?", frage ich ohne mich umzudrehen.
„Schon wieder so besorgt?", lacht Sammy direkt amüsiert. „Die sind das gewöhnt, Rick allen voran. Die haben alles im Griff. Ich glaube nicht, dass dich Harry hergeholt hat, damit du ihn umsorgst."
Nun wende ich mich ihm doch zu und gucke ihn ungläubig an.
Weder kennen wir einander, noch habe ich Sammy irgendetwas getan, um ihn dazu zu veranlassen, so herablassend mit mir zu sprechen. Er erinnert mich verdammt an den Harry, den ich zu Anfang kennengelernt habe.
„Bist du jetzt extra reingekommen, um mir das zu sagen?", rolle ich genervt mit den Augen und lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Anrichte. „Leg dich doch einfach wieder dazu."
„Nee, für mich wird das heute kein ordentlicher Trip mehr. Ich hab auch gar keinen Bock drauf. Wir hingegen könnten uns mal unterhalten. Ich weiß ganz gerne, mit wem ich hier unter einem Dach lebe."
Skeptisch runzle ich die Stirn. Sammys Augen, die großteils aus Pupillen bestehen, beunruhigen mich, aber seine Stimme klingt vernünftig, beinahe nüchtern. Es kann nicht schaden, die Menschen hier etwas kennenzulernen und zu wissen, wer die Leute sind, mit denen sich Harry umgibt.
Auch wenn Sammy mit seinem Auftreten nicht gerade der sympathischste Zeitgenosse ist.
„Das wüsste ich auch gerne. Ich bin ganz Ohr", erwidere ich trocken und mustere Sammy kritisch.
Genauso überlegen wie Harry sonst, grinst nun auch Sammy vor sich hin und fährt sich durch die kinnlangen, dunkelblonden Haare.
„Was willst du denn wissen? Ich bin Sammy, ein guter Freund von Harry und ein Meister des Toningeneurwesens", berichtet er selbstsicher. „Heißt ich bin mehr mit der Technik und der Akustik vertraut, weniger mit dem Schreiben an sich. Vielleicht ist meine Kreativität deshalb gerade nicht so gefragt und ich lieg' aus dem Grund gerade nicht da draußen. Momentan brauch ich keinen Kick."
Sammys Offenheit überrascht mich. Ich weiß selbst nicht, was genau ich von ihm wissen will, aber anscheinend ist er gewillt, mir Einiges zu berichten.
„Okay und.. Woher kennst du Harry?", frage ich das Erste, das mir in den Sinn kommt.
„Wir haben uns während seines ersten Albums kennengelernt und können ganz gut miteinander", antwortet Sammy ohne Umschweife und mustert mich abwartend.
„Und seitdem liegt ihr regelmäßig zugedröhnt im Garten?"
„Nicht nur das", lacht er amüsiert und greift zu meiner Überraschung zu einer der Wasserflaschen in der Küche. „Hin und wieder sitzen wir auch in Clubs. Oder am Strand."
Ich kann nicht anders als seufzend mit den Augen zu rollen. Was die Jungs hier veranstalten, sollte mich zwar nicht überraschen, aber nachvollziehbar ist es für mich trotzdem keineswegs.
„Warum bist du eigentlich hier?", ist es nun Sammy, der eine Frage stellt und mich neugierig ansieht. „Du siehst nicht so aus, als würdest du hier eine gute Zeit verbringen wollen."
„Eine gute Zeit?", wiederhole ich spöttisch seine Worte.
Ich will Zeit mit Harry verbringen, aber das wird in diesem Rahmen wohl kaum möglich sein.
„Natürlich hätte ich die gern, aber nicht so", antworte ich dann ehrlich.
Mit erhobenen Augenbrauen mustert mich Sammy und scheint einen Moment nachzudenken.
„Dann würd' ich dir raten entweder wieder nach Hause zu fliegen – und das mein ich nicht mal böse – oder den Stock aus deinem Arsch zu ziehen", lautet schließlich seine Meinung dazu. „Harry veranstaltet hier noch ganz andere Dinge. Wenn du also schon bei ein paar Pilzen die Krise kriegst und denkst ihn bemuttern zu müssen, dann will ich nicht wissen, was du bei all den anderen Sachen machst."
Gerade noch wollte ich mich über Sammys Formulierung ärgern und ihm seine Dreistigkeit vorhalten, als etwas anderes meine Neugierde noch viel mehr auf sich zieht.
„Welche anderen Sachen?"
„Das musst du schon selbst rausfinden", hebt Sammy dieses Mal unwissend seine Arme. „Jedenfalls scheinst du Harry noch nicht allzu lange zu kennen und nicht zu wissen, worauf du dich da eingelassen hast. Bestimmt magst du mich nicht besonders, aber glaub mir trotzdem, wenn ich dir sage, dass du noch ordentlich auf die Schnauze fallen wirst, wenn du deine Einstellung nicht änderst. Im Gegensatz zu dir hab' ich eine hervorragende Menschenkenntnis und bei dir schrillen all meine Alarmglocken. Du bist für das hier und für Harry nicht gemacht."
Mit diesen Worten, ehe ich überhaupt verarbeiten kann, was er mir eben an den Kopf geworfen hat, schraubt Sammy die Wasserflasche wieder zu, macht auf dem Hacken kehrt und schlägt in Seelenruhe wieder den Weg nach draußen ein.
Ich hingegen bleibe wie angewurzelt in der Küche stehen.
Neben Grimmy und Harry kann ich nun also auch noch Sammy auf die Liste derer setzen, die mich Harrys Leben nicht gewachsen sehen.
Und sie alle scheinen dieses Leben um Einiges besser verstehen zu können als ich selbst. Denn was genau Harry hier treibt, kann ich nach diesem Tag noch viel weniger einschätzen als zuvor.
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