☁ | ⊱『TWO』⊰ | ☁

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{ 2/5 }
- Dienstag  -
{ ☁ }     12. Oktober      { ☁ }

┋08┋00┋Uhr
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[ Point of view: Kenma ]


Ich wachte auf, als mir jemand einen Schlappen ins Gesicht warf. Verschlafen öffnete ich meine Augen und starrte in das grelle Licht, das mein Zimmer durchflutete. In der Tür stand meine Mutter, die mich wütend anstarrte und immer wieder meinen Namen brüllte, außerdem drohte sie schon, den zweiten Schlappen auch noch auszuziehen und auf mich zu werfen.
«Aufstehen! Ich schreie mir hier schon die Stimmbänder aus! Du kommst zu spät!», schrie sie, während ich schon bereit war, eine Schutzhaltung anzunehmen. Man, ich vermisste es wirklich, in Frieden aufwachen zu dürfen. Als mein Vater noch da war... Er hatte mich immer sehr friedlich geweckt. Jetzt, wo ich meine Mutter so erlebte, verstand ich irgendwie, dass er fremd gegangen war. Nein, so durfte ich das nicht sagen. Ich liebte beide meiner Eltern, zu meinem Vater hatte ich aber eine besonderere Beziehung. Ich war auch wütend auf ihn. Aber eigentlich war ich eher verletzt, denn er hatte seit dem Vorfall keine Anstalten gemacht, mich zu kontaktieren oder generell keinen Kontaktwunsch für die Zukunft geäußert. Ich hatte ihn immer für den perfekten Vater gehalten und ihm vertraut. Ich dachte immer, dass er mich und meine Mutter auch liebte. Aber dem schien nicht so zu sein. Es war alles eine einzige, verdammte Lüge, auf der die letzten fast achtzehn Jahre mein Leben aufgebaut war. Ich wünschte mir manchmal, er wäre einfach tot. Dann könnte ich wenigstens mit ihm abschließen.
Endlich knallte sie die Tür zu und ließ mich allein.
Mein Blick wanderte langsam auf die Digitaluhr neben meinem Bett. Dieser eine Blick hatte gereicht, um mich aus meiner Verschlafenheit zu ziehen. Ich hatte verschlafen, nicht nur das, ich hatte außerdem den Bus verpasst. Ich sprang regelrecht aus dem Bett, wobei ich beinahe hinfiel. Eigentlich störte es mich nicht direkt, aber ich wollte jeden Weg vermeiden, irgendwie aufzufallen und wenn ich zu spät kam, würde ich das in jedem Falle. Also zog ich mir auf dem Weg ins Badezimmer irgendwie meine Schuluniform über, putzte mir dort dann meine Zähne und rannte dann zurück in mein Zimmer, um meine Tasche zu holen. Dann ging ich die Treppe nach unten, wo meine Mutter mir noch einen bösen Blick zuwarf. Schon verstanden, das hieß, kein Frühstück für mich. Ich traute mich nicht einmal zu fragen, ob sie mich fahren würde. Auf dem Weg zur Haustür hielt sie mich aber unsanft zurück. Dann zog sie mich an den Haaren wieder die Treppe hoch.
«Was soll das?», beschwerte ich mich lautstark bei dem Versuch, mich zu befreien.
«Mit dieser Strohmatte gehst du ganz sicher nicht zur Schule. Nur weil Kuroo das macht, heißt das nicht, dass du das machen darfst. Du verlässt das Haus ordentlich und wenn ich dir deine verfluchten Haare schon nicht abschneiden darf, dann halt sie wenigstens ordentlich und kämm sie dir. Wie oft muss ich dir das denn noch sagen?»
Mittlerweile hatte ich schon abgeschaltet. Ich kannte die Leier ja schon und wenn ich mir das weiter antat, dann hätte ich bloß wieder Stress. Also ließ ich sie meine Haare kämmen, trotzt dem dauerhaften Gefühl von Erniedrigung. Als könnte ich das nicht selbst. Als sie mich endlich los ließ, ging ich bloß wortlos die Treppe runter und durch die Haustür. Der Tag hatte jetzt schon beschissen angefangen.

Ich versuchte, ein wenig zu joggen, auch wenn ich das wirklich abgrundtief hasste. Mittlerweile hatte es außerdem zu regnen begonnen und die Welt sah an diesem Tag für mich aus, als hätte man einen Schwarz-Weiß-Filter drüber gelegt. Wirklich alles kostete mich jetzt schon unfassbar viel Energie und ich hielt es für ein Wunder, dass ich mich nicht einfach auf den Boden geworfen hatte.
Selbst der Weg zur Schule war mittlerweile eine einzige Tortur. Ich hätte es niemals laut ausgesprochen, aber Kuroo und seine Versuche, mir schon morgens auf den Geist zu gehen, fehlten mir. Mir fehlte genauso der Spaß, den ich bei so ziemlich allem hatte. Mein Vater fehlte mir. Mein altes Leben fehlte mir. Aber alles davon war fort. Es würde nie wieder so sein wie früher. Ich wollte mit diesem Kapitel abschließen, aber ich konnte nicht. Weil ich wusste, dass ich es schon mal hatte, wusste ich, dass es nicht unmöglich war, es noch einmal zu haben. Das ließ mich noch immer daran fest halten, dass es vielleicht noch einmal so sein konnte. Aber ich wusste auch, dass es zur gleichen Zeit unmöglich war. Meine eigenen Gedanken waren so paradox, dass ich von mir selbst verwirrt war. Aber nichts denken konnte ich heute einfach nicht.
Mittlerweile war ich in der Nähe der Innenstadt. Wenn ich jetzt noch eine halbe Stunde joggen würde, dann wäre ich gerade noch so pünktlich in der Schule. Aber ich konnte einfach nicht mehr. Also musste ich wohl oder übel langsamer werden. Das Problem an der Sache war nur, dass ich unachtsam wurde. Ich konnte nicht mehr, musste aber gleichzeitig schnell in der Schule sein. Diese Kombination brachte mir natürlich nur Ärger ein. Ich ging mit schnellen Schritten in Richtung Innenstadt, konzentrierte mich dabei lediglich auf meine Atmung und darauf, nicht hinzufallen, also sah ich gar nicht erst in die Straßen rechts und links, da es ja morgens war, heißt, die Straßen waren unbefahren und zweitens befand ich mich noch immer am Stadtrand. Aber das zu denken war ein dummer Fehler, den ich mit Sicherheit hätte vermeiden können.
Ich lief über eine Straße, übersah dabei, dass ein LKW gerade mit 60 kmh aus derselben fuhr. Der Fahrer selbst schien etwas müde zu sein, also übersah er mich auch. Ich hatte den LKW in letzter Minute im Augenwinkel kommen sehen, hatte den Schock meines Lebens, doch bevor ich zurück springen konnte, erwischte mich der LKW in der Seite. Als wäre der Tag nicht schon pechbringend genug, knallte ich mit meinem Kopf erst gegen die frontale Seite des LKWs und schlug dann auf dem Boden auf. Natürlich konnte der LKW nicht sofort stoppen, fuhr noch einmal schön über mich drüber und drückte mir so für einen Moment die gesamte Luft weg.
Meine Sinne hörten sofort auf, zu funktionieren, das letzte, das ich hörte und spürte, waren meine knackenden Knochen, als die Reifen über meinen Körper rollten. Ich reagierte einfach nicht mehr, blendete alles aus, merkte nur noch, wie meine Haare von hinten klebrig und feucht wurden. Kopfwunde vermutlich. Aber gleichzeitig spürte ich auch meinen Körper nicht mehr. Mein Inneres versuchte mir dauerhaft zu sagen, dass ich nie wieder laufen werden könnte und vielleicht auch schlimmeres, den Rest meines Körpers sah und spürte ich ja nicht. Aber ich war mir sicher, dass es einige Knochenbrüche geben würde, so schwer, wie der LKW war.
Ich bekam auch nicht mehr wirklich mit, was geschah, bis ich im Krankenhaus landete, da ich ohnmächtig wurde. Aber was ich mit Sicherheit sagen konnte, war, dass ich danach nie wieder aufwachte.

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- Dienstag  -
{ ☁ }     12. Oktober      { ☁ }
┋12┋30┋ Uhr
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[ Point of view: Hinata ]


Die Glocke klingelte laut. In etwa dreißig Schüler klappten ihre Bücher zu, packten ein und begannen, sich zu unterhalten und sich auf den Weg nach draußen zu machen. Es war mittlerweile Mittagspause, ich hatte bereits unglaublich Hunger und freute mich, endlich etwas essen zu dürfen. Als ich auch meinen Kram eingepackt hatte und mir die Tasche überwarf, gab es eine Durchsage vom Sekreteriat. Ich ignorierte sie, vermutlich ging es um den Ausfall eines Clubs, in dem ich selbst nicht einmal war. Aber als dann plötzlich mein Name fiel, erschrak ich kurz.
«...Ich wiederhole, ich bitte Shoyo Hinata umgehend ins Sekreteriat.»
Ich schluckte. Was könnte der Grund dafür sein? Ich hatte wirklich keinen Mist gebaut, meine schulischen Leistungen waren auch sogar fast über meinem Durchschnitt und ich war auch kein Klassensprecher, es gab keinen Grund, ins Sekretariat zu gehen. Alle, die noch in der Klasse waren, starrten mich an, als hätte ich sonst was verbrochen. Mit zusammen gebissenen Zähnen verließ ich dann das Klassenzimmer und trottete den Flur entlang, überlegte immer wieder, was denn zur Hölle los war. Als ich dann vor der Tür ankam, atmete ich ein letztes Mal tief ein und aus. Man wurde nie aus guten Gründen ins Sekretariat gerufen. Die meisten die im Unterricht aufgerufen wurden, kamen nicht mehr wieder.
Ich klopfte schließlich zweimal und trat dann ein.

«Shoyo Hinata?», fragte die dürre, alte Frau mit der Brille, die wir gerne mit einer Heuschrecke verglichen und sah mich argwöhnisch an.
Ich nickte und stellte meine Sachen auf dem Boden ab.
«Kannst du das beweisen? Sonst darf ich dir das Telefon nicht geben.»
Moment... Ein Anruf? Für mich? Aber warum dann nicht über mein Handy? Es musste jemand sein, der meine Nummer nicht hatte. Als ich dann meinen Schülerausweis aus der Tasche zog und ihn der Frau hinhielt, fiel mir ein, dass es bestimmt meine Mutter war, die wieder mal mit ihrem Handy nicht klar kam. Obwohl ich dann gerne wüsste, was so wichtig war, dass sie mich über die Schule anrief.
Die Frau verglich gefühlt einunddreißig mal das Gesicht auf dem Pass mit meinem jetzigen, bis sie mir den Hörer in die Hand gab.

«Shoyo Hinata, mit wem spreche ich?»
«Hallo Hinata, hier ist Kuroo. Von der Nekoma, erinnerst du dich?»
Mein Herz setzte einen Moment aus. Wieso sollte er mich in der Schulzeit anrufen? Er hatte meine Nummer nicht, also musste er sich die Mühe gemacht haben, die Nummer von Karasunos Sekreteriat herauszufinden. Er hatte sicherlich nicht angerufen, um über fünf Ecken Smalltalk mit mir zu führen. Wenn ich daran dachte, was passiert war, als er mich gestern angerufen hatte, lief es mir eiskalt den Rücken runter. Was, wenn es wieder passiert war? Was sollte ich machen, wenn ich diesmal nicht zurück in die Zeit konnte? Ich hatte es natürlich seit gestern immer wieder versucht, aber ich konnte nicht eigenständig durch meinen Willen in die Zeit zurück, wenn Kenma nichts passiert war.
Ich fand endlich meine Stimme wieder, als mir bewusst wurde, dass er ja noch gar nichts gesagt hatte. Sonst war es auch nicht meine Art, sofort so eine Panik zu schieben.
«J-ja klar. Was ist denn los?»
«Ehm... Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Also erkläre ich es dir einfach von Anfang an.»
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich hatte unfassbare Angst.
«Kenma hat heute Morgen verschlafen und den Bus verpasst und ist zu Fuß zur Schule gegangen. Ein noch zu müder LKW-Fahrer hat ihn übersehen. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, aber ein Anfänger hat seine Operation durchgeführt. Er hat es vermasselt. Er ist gestorben, Hinata.»
Meinen Namen schluchzte er nur noch.
Es durfte nicht wahr sein. Es konnte nicht. Es war schon wieder passiert.
Heiße Tränen liefen mir über die Wangen und ich nahm den besorgten Blick der Sekretärin nur noch verschwommen wahr.
Warum schon wieder? Ich verstand es einfach nicht. Ich hatte ihn schonmal verloren und heute geschah es schon wieder? Aber was, wenn ich ihn diesmal nicht retten konnte? Wenn er für immer fort war? Was sollte ich dann tun? Ich will zurück. Alles woran ich denken konnte, war dieser Satz, mit dem ich bereits gestern durch die Zeit reisen konnte.
«Junger Mann, was ist denn los?», fragte die Sekretärin und stand auf, doch gerade, als ich einen Schritt zurück treten wollte, geschah es wieder. Mein Magen drehte sich um, mir wurde fast übel, der Satz der Sekretärin war nun irgendein Gauderwelsch, das ich nicht verstand, sie setzte sich wieder hin, alles wurde noch schneller zurückgesetzt, bis die Sekretärin rückwärts aus dem Sekreteriat lief, die Jalousien sich wieder schlossen und ich wenige Momente später, beziehungsweise früher, wieder im Büro stand. Es war stockfinster.
Aber mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich war wieder zurück in der Zeit gereist.
Mit zitternden Fingern suchte ich noch nach dem Lichtschalter, um das Licht anzumachen. Als ich diesen nach einer gefühlten Ewigkeit fand und Licht das kleine, stickige Büro durchflutete, fiel mein Blick sofort auf die Uhr, die über dem Schreibtisch hing. Es war vier Uhr morgens. Achteinhalb Stunden vor dem Anruf. Ich suchte sofort panisch nach einem Schlüssel. Ich musste hier raus, mein Handy lag zuhause, ich musste es irgendwie schaffen, Kenma zu warnen, aber ich steckte in diesem verfluchtem Schulgebäude fest. Als mir einfiel, dass der Rest der Türen im Gebäude ebenfalls abgeschlossen war, kam mir die Idee, dass ich einfach durch das Fenser raus konnte. Sonst müsste ich zig Schlüssel suchen und ich wollte in diesem Augenblick wirklich nur ungern fünfzig Schlüssel mitnehmen und auf gut Glück versuchen, den Richtigen für drei Türen zu finden. Also ließ ich die Jalousien hoch, öffnete das Fenster und sprang dann raus. Einmal in meinem Leben war ich froh, dass unsere Schule im 19. Jahrhundert feststeckte und noch keine Alarmanlagen im Fenster waren. Verdammt, ich musste den ganzen verfluchten Weg von der Schule bis nach Hause rennen und ich konnte nicht anders, als den verfluchten Berg wieder und wieder zu verfluchen. Ich sprintete und kletterte über den Zaun, wobei ich mir zwei lange Kratzer an den Beinen und einen zerfledderten T-Shirtärmel zuzog, weil ein Stacheldraht darüber gespannt war. Dann rannte ich los. Ich hatte einen langen Weg vor mir. Erst durch die Stadt, dann über den Hügel und zuletzt noch bis zu mir nach Hause. Und dort musste ich noch einen Weg finden, in mein eigenes Haus einzubrechen, ohne jemanden zu wecken.

Als ich endlich beim Berg ankam, entschied ich mich, nicht die Straße hoch zu laufen, sondern querfeldein und gerade durch den bewaldeten Teil hoch zu laufen statt im Kreis rumzulaufen aber letztendlich nur 5 Meter höher zu kommen, da das weitaus schneller ging und mich weniger Energie kostete. Es zählte für mich gerade nur eines und das war Kenmas Leben. Also war es mir auch egal, dass ich, als ich zuhause ankam, aussah wie der letzte Mensch. Zerfledderte, schmutzige, verschwitzte Kleidung, vom Regen durchnässt, blutige Kratzer vom Gestrüpp überall und soviel Dreck in meinem vom Wind zerzausten, vom Schweiß nassem Haar, dass man meinen könnte, ich hatte bei den Hungergames mitgespielt.
Als ich dann endlich vor der Tür war, fiel ich geschafft erstmal schön auf die Knie, die ich mir dabei noch aufschürfte und damit meine Hose entgültig Lebewohl sagen ließ. Ich war gerade so viel gerannt wie noch nie. Ich rang nach Luft und hatte das Gefühl, dass ich gerade am Ersticken war, aber ich musste da jetzt durch. Es ging um ein Menschenleben. Um das Leben meines Freundes.
Als ich endlich wieder dazu kam, zu atmen, suchte ich erstmal nach dem Haustürschlüssel. Blöderweise lag der natürlich gerade heute nicht unter der Fußmatte. Auch nicht unter dem Blumentopf oder im Aschenbecher. Also musste ich mir etwas anderes überlegen. Ich hatte eigentlich kein Problem damit, Sturm zu klingeln, aber erkläre mal deiner Mutter, wieso du um sechs Uhr Morgens aussiehst, als würdest du seit sechs Monaten auf der Straße leben und draußen sturmklingelst. Das ging nicht, also musste ich einen Weg rein finden. Die Türen waren zu und die Fenster konnte ich nicht einschlagen. Da fiel mir etwas ein. Wenn ich die Mülltonne zum Balkon schob, konnte ich vielleicht von dort hoch und über den Balkon in mein Zimmer. Denn diese Tür war nie abgeschlossen. Also zog ich, so leise wie ich konnte, die Mülltonne hinter mir her, stellte sie an die Hauswand knapp unter dem Balkon und kletterte dann mithilfe eines Gartenstuhls darauf. Von dort aus war es zwar eine schwere Geburt, mich mit letzter Kraft auf den Balkon zu ziehen, aber ich hatte es geschafft.
Glücklich öffnete ich nun die Tür zu meinem Zimmer und sprintete zum Bett, als mir einfiel, dass ich mein Handy heute gar nicht mit in der Schule hatte, beziehungsweise haben würde, weil ich es über Nacht nicht aufgeladen hatte. Sofort schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Ich musste das Handy jetzt aufladen und warten, bis es drei Prozent hatte, aber es war mittlerweile halb sieben, wie ich an der Digitaluhr festmachte. Es wurde immer knapper. Und da merkte ich, dass ich ja nicht einmal einen Plan hatte. Was sollte ich ihm sagen?
Ich wusste ja nicht, wo er angefahren worden war, also konnte ich ihn nicht vor dieser Straße warnen. Wenn ich weiter in die Zukunft dachte, schien es mir auch aussichtslos, im Krankenhaus anzurufen und jemandem den Zukunftspatienten wegzunehmen, vorallem weil ich nicht wusste, in welchem der Krankenhäuser Tokios Kenma unterkommen wird. Was zur Hölle sollte ich denn machen? Ich konnte ihm ja schlecht sagen, er soll einfach einen anderen Weg gehen, als er sonst gehen würde. Da fiel endlich der Groschen. Kenma musste gar nicht erst laufen, wenn er den Bus nicht verpassen würde! Ich erinnerte mich an Kuroos Worte. Er hatte verschlafen und den Bus verpasst. Es würde reichen, wenn ich ihn einfach wecken würde. Ich wünschte manchmal, ich wäre schlauer.
Mit einem Blick auf die Uhr wurde ich immer ängstlicher. Die Zeit wurde knapp und mein verfluchtes Handy ging erst bei 3% an. Es war aber erst bei 2% und ich begann langsam, aus Nervosität die Kruste an meinen blutigen Knien aufzuknibbeln. Ich sah wirklich übel aus... Aber es war aus gutem Grund und ich würde es wieder und wieder tun.
Endlich ging mein Handy an. Das Logo leuchtete einmal und ich musste noch die gefühlten dreißig Passwörter eingeben, bis ich endlich Kenmas Kontakt öffnen und ihn anrufen konnte. Ich konnte nur hoffen, dass sein Handy nicht auf lautlos gestellt war.

Während ich ihn anrief, begann mein Herz auf einmal, unfassbar schnell zu schlagen.
Es dauerte nicht lange, bis Kenma tatsächlich abnahm.
«Shoyo...?», murmelte er verschlafen und gähnte.
«Guten Morgen, Zeit zum Aufstehen!», entgegnete ich fröhlich, um meine endlose Erleichterung zu überspielen. Er lebte. Wieder. Ich hatte ihn noch einmal gerettet. Erst jetzt spürte ich meine Erschöpfung so richtig.
«Oh, danke Shoyo. Schon so spät. Ich hätte den Bus verpasst. Danke für's Wecken, schätze ich. Auch, wenn ich nicht aufstehen will. Besser, als zu spät zu kommen.»
«Ja. Oder schlimmeres.», murmelte ich, als ich daran dachte, dass er nicht einmal angekommen wäre.
«Egal. Ich muss jetzt dringend weg. Pass auf dich auf, ja?»
«K-klar. Du auch.»
Dann legte ich auf. Ich musste dringend Duschen, die Wunden verarzten und meine Ersatz-Schuluniform suchen.
Ich hoffte einfach, dass ich Kenma wieder gerettet hatte. Aber ich war viel zu fertig, um jetzt noch großartig darüber nachzudenken. In Anbetracht der Tatsache, dass ich so fertig war wie nach einem Marathon, den ich ja eigentlich auch gelaufen war, und mein Körper voller kleiner Wunden war, beschloss ich, dass ich heute definitiv das Training ausfallen lassen musste, denn ich hatte an diesem Tag schon den normalen Unterricht kaum überlebt. Meine Energie kehrte erst wieder, als ich am Abend wieder mit Kenma telefoniert hatte.
Und wieder war er tatsächlich unversehrt. Wieder hatte ich es tatsächlich geschafft und ihm sein Leben gerettet.

«Shoyo?»
Als ich seine Stimme hörte, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
«Ja, Kenma?»
«Ich möchte mich bei dir bedanken, für gestern und heute. Ehrlich.»
Und dann kam etwas, das er so lange rumdruckste, dass ich wusste, dass ihm diese Sätze wirklich schwer fielen.
«Also... Es ist irgendwie schöner, wenn du mich morgens weckst, als wenn ein nerviger Wecker es tut. Du bist auch deutlich zuverlässiger, also... Würde es dir was ausmachen... Also... Wenn du mich weiterhin morgens weckst?»
«Natürlich nicht!», sagte ich und lächelte breit. Es freute mich ungemein, dass Kenma mich das fragte. Dann würde ich gerne die nächsten Tage für ihn Wecker spielen.
Denn so wusste ich, dass so etwas wie heute niemals wieder passieren würde.

- - - ☁ end of chapter 2/5 ☁ - - -

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