♬ so we should jump right into the personal facts, i wanna get to know you like that ♬

"Hey Charlie", kurz lasse ich mir ihren Namen auf der Zunge zergehen "dann ist es schön, dich sozusagen zweimal kennenzulernen."

"Finde ich auch", sagt sie und pustet sich eine Locke aus der Stirn, die allerdings direkt wieder an ihren Platz zurückfällt. Ich sehe ihr versonnen dabei zu. " Aber darf ich auch deinen Namen erfahren, mysteriöses, hübsches Mädchen, das ich gerne näher kennenlernen würde?"

Sie will mich kennenlernen? Holy mother of god! Und - wait a second - hübsch?! Mysteriös?!

"Uhm.. hä? Ich meine: was? Nein, wait.. ähm, wie bitte?", stammele ich vollkommen geflasht vor mich hin.

"Wie du heißt, Love", wiederholt sie schmunzelnd. Mit warm werdenden Wangen schenke ich ihr ein verlegenes Grinsen.
"Ähm.. ich.. ich heiße Willow"

"Wow", ruft Charlie begeistert aus. "Deine Eltern haben einen guten Job gemacht! Du siehst auch richtig so wie eine Willow aus." Ich ignoriere den Part mit den schöpferischen Eltern und ziehe irritiert eine Augenbraue hoch.

"Na ja, Willow ist ja ein Baum, eine Weide um genau zu sein. Und du wirkst auf mich - zumindest auf den ersten Eindruck - wie ein Baum. Was echt bewundernswert ist, ich bin nämlich leider keiner."

Stimmt, du bist eher ein schwankendes Blatt im Wind.

"Danke, denke ich?" Meine Augenbraue weilt immer noch über meinem linken Auge.

"Das ist echt keine Beleidigung", versichert sie mir. " Ich bewundere Bäume, sie sind stark, ruhig, können bei einem Sturm aber auch richtig aufbrausen. Aber besonders Respekt zolle ich ihnen, wenn sie eine Augenbraue hochziehen können."

"Stimmt, ich glaube, das können nicht viele Bäume. Vor allem, da sie selten Augenbrauen haben", antworte ich, irgendwie sicherer geworden.

"Ach was", winkt sie ab. "Du musst nur richtig hingucken, meine Weidenprinzessin. Besonders Weidenbäume sind für ihre schön geschwungenen Augenbrauen und ihre großen, tiefen, grauen Augen bekannt."

War das - hat sie mich gerade wirklich ihre Weidenprinzessin genannt?! Jesus, wie toll ist sie bitte? Was soll ich denn jetzt darauf antworten!?

"Dann hast du aber auch ein bisschen Weidengene in dir. Nur die Augenfarbe passt bei dir nicht ganz. Du hast total schöne Augen" Innerlich holt mein Verstand aus und klatscht meinem vorlauten Herzen eine. "Und natürlich Augenbrauen", beeile ich mich noch hintendran zu hängen.

Na toll, danke. Das hat's jetzt nicht unbedingt besser gemacht.

"Aw, danke, das ist süß, Willow", demonstriert sie mir, wie man Komplimente - egal wie peinlich gemacht - am besten und würdevollsten annimmt und taucht gleichzeitig mit dieser Aussage meine Wangen in einen pinken Farbeimer, so warm fühlen sie sich zumindest an.

"Wenn du kein Baum bist - was bist du dann?", lenke ich vom Thema weg, damit ich mich nicht noch ungeschickter anstellen kann als eh schon.

"Uff.. ", nachdenklich tippt sis sich mehrmals ans Kinn. "Willow.. Du stellst vielleicht Fragen.
Vielleicht bin ich ein Ventilator? Oder ein Jojo?"
"Oder eine Discokugel?", bringe ich eine neue Idee ein.
"Maybe- eine Biene" Sie wackelt mit den Augenbrauen.

"Ich glaube,", sage ich nach kurzem Nachdenken, "du bist eine Zwiebel."
"Warum das denn?", fragt Charlie feixend. "Weil ich dich zum Heulen bringe?"
Kurz auflachend verdrehe ich die Augen. "Ich hoffe doch mal nicht."
"Ich auch nicht", erwidert sie nüchtern.

"Cool, danke", sage ich hoffentlich lässig. " Aber nein, du wärst eine Zwiebel, weil die vielschichtig sind. Genau wie du.
Gerade bist du total selbstbewusst, cool, reagierst auf alles locker und lustig. Aber du hast ja sicher auch andere Seiten und Schichten - niemand ist durchgängig gut gelaunt und selbstsicher."

Beeindruckt nickt Charlie. "Das kommt hin. Studierst du irgendwie Philosophie, Psychologie oder so?"
"Ähm.. nein. Eigentlich nicht, obwohl das schon extrem cool wäre. Mir kam der Gedanke nur, weil Charlie sich anhört wie diese Zwiebelsorte..", gebe ich zu.

"Ah ja, die! Die heißen doch", nach dem Begriff suchend schnipst sie mehrmals neben ihrem Ohr " Schalotten, oder nicht?"
Um meine Zustimmung auszudrücken, tippe ich mir einmal lächelnd auf die Nasenspitze.

"Was studierst du denn dann, wenn nicht Philo oder Psycho?", fragt Charlie. "Scheint ja so, als wärst du hier mit Lernen beschäftigt."

"Uhm.. ehrlich gesagt gehe ich noch zur Schule, zum liceo", gebe ich zu, verwundert, dass Charlie mich als Studentin einschätzt. "Lerne gerade für meine Prüfung in Mathe, in zwei Monaten bin ich aber leider schon aus der Schule raus." Ich werde meine Klasse so verdammt vermissen, das spüre ich jetzt schon.

"Dass jemand sagt, man sei leider mit der Schule fertig, hab ich auch selten gehört", grinst Charlie. " Bist du so eine Streberin?"

"Nope, du siehst ja, wie konzentriert ich Mathe lernen kann", antworte ich. "Leider, weil meine Klasse seit fünf Jahren die beste im gesamten Sonnensystem ist und ich sie verflucht nochmal riesig vermissen werde." Selbst ich kann raushören, wie meine Stimme tieftraurig wird.

Charlie seufzt und nickt langsam. "Das ergibt Sinn. Aber ihr seht euch sicherlich auf Klassentreffen und sowas. Und es gehen doch safe nicht alle weg."

"Zum Glück nicht" Fuck - wie hält man nochmal Small Talk mit einer umwerfenden Frau? Ich hätte den Flirtratgeber, den mir Oma zum Geburtstag geschenkt hat, vielleicht nicht direkt im Antiquariat abgeben sollen. "Und.. uhm.. was machst du?", frage ich holperig.

"Ich studiere hier an der Uni im ersten Semester Film und Regie. Es gibt für mich nichts Schöneres, als sich Geschichten auszudenken und diesen Traum dann umzusetzen" Charlies Augen spiegeln ihr versonnenes Lächeln wieder und sie seufzt weltentrückt auf. "Oft laufe ich einfach ziellos durch Verona und beobachte Menschen, die gleißenden Reflexionen der Sonne auf dem Fluss, die tiefrot leuchtenden Herbstblätter, die verschneiten Sternenhimmel, verzierte Stuckfassaden und latsche durch die engen Gassen mit den vielen Blumenkästen bis mir ein riesiges zusammenhängendes Märchengebilde in den Kopf kommt, das danach schreit, verfilmt zu werden.
Das wäre mein größter Wunsch: Einen Film von mir auf einer großen Leinwand zu sehen. Ich verzehre mich förmlich danach", schwärmt Charlie und blickt mich verträumt an, aber mit vor Leidenschaft glühenden Wangen an.

"Das hört sich wunderschön" flüstere ich. Charlie nickt langsam, immer noch in ihrer Traumwelt versunken. "Ich wünsche mir wirklich, dass du das schaffst. Mach deine Träume zur Realität. So eine Leidenschaft wie deine trifft man nicht jeden Tag."

Charlie blinzelt und scheint wieder aufgetaucht zu sein. "Es wäre aber wirklich schön, wenn du öfter auf meine Leidenschaft treffen würdest. Am besten mit mir im Gepäck"

Ich nicke langsam und beiße mir auf die Wangeninnenseite, um nicht zu breit lächelnd meine in Glückseligkeit schwelgenden Gefühle zu offenbaren. "Das wäre toll"
Nicht nur ein Voicecrack ließ meine Stimme holpern, sie hat sich auch deutlich kratziger angehört, als normalerweise. Doch komischerweise stört es mich in Charlies Gegenwart gar nicht. Die anderen Cafégäste sind ohnehin nur noch ein leise blubbernder Nebel im Off.

Charlies Blick hält den meinen gefangen und ihre Augen fesseln meine, halten sie in schokoladenfarbenen Sternen fest, doch ich will gar nicht loslassen, entfliehen. Ich könnte mir keinen schöneren, freieren, wärmeren, intensiveren, wilderen Farbton vorstellen, denn der Mensch, der hinter der Iris strahlt, scheint so verbunden mit sich selbst und allem mit sich herum zu sein, dass alles passt.

"Sag mal, Willow", bricht sie das Schweigen und blickt mich aufmerksam mit schiefgelegtem Kopf unverhohlener Neugier an.
Ich glaube, es gibt nichts Schöneres, als den sanften Klang meines Namens, der über Charlies Lippen schwebt.
"Ich will wirklich nicht aufdringlich sein - obwohl eigentlich schon -, aber wenn ich dir einen Papierflieger zuflattern lassen würde, du ihn auffalten würdest und darauf die Frage Welcher Sexualität und romantischer Orientierung würdest du dich zuordnen? stände; was würdest du mir antworten?"