Epilog - Ein alter Freund kehrt zurück.
【 NIALL 】
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„Und dann hat Ben gesagt, er findet Spiderman doof, aber ich habe gesagt, dass er toll ist und dann schrie er so laut, dass ich doch keine Ahnung hätte! Er hat aber selbst keine Ahnung! Und wenn er sie hätte, dann würde er so etwas nicht über Peter sagen!"
Mein Blick glitt zu Liam, er hob nur abwehrend die Hand und rollte mit den Augen. Ich musste mich immer noch daran gewöhnen, dass Sebastian von Peter Parker redete, als würde er ihn per du persönlich kennen. Mit Barry, Clark und Bruce hielt es sich genauso.
Zu dritt schlenderten wir durch die Passage der Londoner Innenstadt. Tief hatten Liam und ich unsere Snapbacks ins Gesicht gezogen und mieden Augenkontakt zu den Leuten. Sebastian fiel dank seiner Kapuze, des grünen Anoraks nicht auf. Immer wieder schob er sich das Stück Stoff zurück, weil es ihm vor die Augen rutschte.
Es war eiskalt, es roch nach Schnee und in zwei Wochen war Weihnachten. Doch aktuell schien niemand, außer Sebastian in Weihnachtsstimmung zu sein. Der Hosenpupser turnte an Liams und meiner Hand herum und plapperte, als wäre er auf einer Zuckerdroge.
„Und deshalb hat Ben unrecht!", schloss Sebastian atemlos.
Ich schüttelte den Kopf: „Wenn du dich in ferner Zukunft für Kriminelle genauso einsetzt, wie für Superhelden, dann wirst du mal ein super Anwalt."
„Nein", Sebastian sah mich empört an. „Ich will Feuerwehrmann werden."
Gerade ging mein Blick wieder zu Liam, als mein bester Freund sprach: „Kein Wort. Ich will kein Wort von dir hören, Niall!"
Wofür war eigentlich damals dieser dämliche Vaterschaftstest? Heraus geschmissenes Geld – in diesem Punkt hatte Louis einfach recht.
Louis.
Er war sowieso eine Nummer für sich. Als Nella ihm die beiden Fotos gegeben hatte, da waren Harry, Liam und Zayn in Begeisterung ausgebrochen. Louis dagegen hatte nichts dazu gesagt, sondern sie sich nur sehr, sehr lange angesehen.
Am selben Abend hörte ich, wie er draußen von der Veranda in Kenwood Park Eleanor anrief. Warum, weshalb und was sie miteinander besprachen, dass er fuhr ich nie. Und als hätte Liam meine Gedanken gelesen, sagte er: „Man hat Lou letzten Donnerstag mit einer reizenden Dame beim Essen fotografiert."
„Ich weiß. Das Fandom ist völlig ausgetickt, als sie Eleanor erkannten", ich musste grinsen. „Aber noch haben sie nichts bestätigt und als ich Lou gefragt habe, da meinte er, es sei nur ein Essen gewesen."
„Es gab Käsekuchen zum Nachtisch", beteiligte sich Sebastian naiv. Ich schmunzelte und dachte an Kenwood Park.
Am ersten September waren die ersten Familien in das Camp gereist. Das Projekt war ein voller Erfolg. Leben herrschte in den Räumen des Haupthauses und ein paar Familien nutzen die Cottages. Nächstes Jahr im Frühling würden wir die Cottages ausbauen lassen, zu denen Eleanor und Louis gewandert waren.
Bis dahin würde sich das Camp verfestigt haben, denn die Buchungen waren jetzt schon restlos überlaufen. Im Februar würde die erste Klasse anreisen und bis dahin musste noch einiges getan werden.
Harry hatte mittlerweile so viele prominente Unterstützer mit an Bord geholt, dass Nella in hysterisches Gekicher ausgebrochen war, als sie von einem Buchmacher mit den schwarzen Zahlen kam. („Damit könntet ihr noch drei solcher Camps bauen.")
Vielleicht wurden wir irgendwann erneut von Harry erpresst, denn aktuell schien er sich sehr zu langweilen.
Der Einzige, der komplett emotional positiv ausgelastet zu sein schien, war Zayn.
Er half in Kenwood Park aus und schien den Ort nicht mehr verlassen zu wollen. Eines der Cottages hatte er fest bezogen, genoss es zu malen, zu arbeiten und von Menschen umgeben zu sein. Er wirkte vollauf zufrieden. Die Leute in Carlton's Mills mochten ihn, für ihn schien das ein Neustart zu sein und niemand von uns hatte etwas dagegen, dass er der Mann vor Ort blieb.
Ich wusste nicht, wie oder wann es passiert war, aber irgendwann gehörte er wieder dazu, so als wäre nie etwas passiert. Ich hatte ihm verziehen.
Bei Harry schien es etwas gedauert zu haben, doch mittlerweile schien die Wut und die Enttäuschung zu schwinden.
Harry war viel in der Welt unterwegs und trotz alldem ruhelos. Manchmal machte ich mir Sorgen, doch Louis nahm sie mir, indem er darauf hinwies, dass ich Harry vertrauen musste.
Ich tat es, denn nach seinem Geständnis, in welches Loch er abgerutscht war, war mir klar, dass Harry Styles einer der stärksten und großzügigsten Menschen war, die ich kannte. Mochte sein, dass die Öffentlichkeit ihn für einen Playboy und oberflächlichen Popstar hielt. Doch ich wusste, dass er so viel mehr war als das.
Liam öffnete eine Ladentür und Sebastian schlüpfte unter seinen Arm hindurch. Er war noch immer zu klein für sein Alter, aber vielleicht würde er als Teenager einen gewaltigen Schuss nach oben machen.
Eine angenehme Wärme begrüßte uns und wir zogen unsere Jacken aus. Mr Cassidy, der rundliche Besitzer des Ladens kam erfreut auf uns zu. Er hatte sein Geschäft für heute nur für uns eröffnet, damit wir uns in Ruhe umsehen konnten.
Der Musikladen von Mr Cassidy war ein kleines Schmuckstück und für jeden Geldbeutel hatte er eine Auswahl.
Höflich hingen wir unsere Mäntel auf und ich sah Sebastian durch den Laden flitzen.
„Fass nichts an, wenn nicht einer von uns dabei ist!", rief Liam ihm hinterher und wickelte sich aus seinem Schal.
„Tue ich nicht!", hörten wir Sebastian antworten, auch wenn wir ihn nicht sahen. Dann hörten wir, wie er auf Klaviertasten herumklimperte.
„Basti, was habe ich dir gesagt!" Liam seufzte angestrengt und murmelte etwas von: „Sophia hätte das hier machen sollen, er treibt mich noch vor Mittag in den Wahnsinn."
Ich gluckste und nahm die Worte nicht ernst, denn ich wusste schließlich, dass Liam sich seit einer Woche darüber freute, mit Sebastian nach einem Musikinstrument zu suchen, dass er spielen lernen konnte.
Bislang hatte ich mit Nella gewettet, dass er sich für das Klavier entschied. Sie hielt dagegen, weil Sophia versucht hatte den Jungen mit der Geige zu manipulieren.
Nach Weihnachten würden Nella und ich überlegen, wie wir mein Haus umgestalten konnten, denn sie würde zu mir ziehen. Es war ein wichtiger Schritt, vor allem nachdem ich mich ihrer Familie gestellt hatte.
Obwohl Nella ihre Brüder beschrieb, als wären sie Höhlenmenschen aus einer vergessenen Zeit, so mochte ich sie alle drei gerne. Nicholas war witzig, Will hatte einen interessanten Musikgeschmack und Adam mochte verstaubt sein, doch er erinnerte mich manchmal an Nella.
Ihre Mutter war eine entzückende, nette Frau. Vielleicht etwas snobistisch, aber überaus charmant. Ihr Vater dagegen trocken und sarkastisch. An ihre Granny kam jedoch niemand heran. Ich besuchte sie unglaublich gerne und konnte es kaum erwarten sie wieder schimpfen zu hören.
Meine Familie war Nella gegenüber zuerst unsicher gewesen. Anwälte hatten bei ihnen keinen besonders guten Ruf und als sie hörten, aus welchem Kreis Nella kam, hatte meine Mutter geglaubt sie beeindrucken zu müssen. Der ganze Abend war denkbar angespannt verlaufen.
Wie genau sich das änderte, konnte ich im Nachhinein nicht sagen. Aber als ich meinem Vater dabei geholfen hatte, die Garage vom Schnee frei zu kriegen, da hatten meine Mutter und Nella beide über Kochbücher gebeugt in der Küche gesessen. Zugegeben, Nella konnte immer noch nicht besonders gut kochen, aber sie besserte sich.
„Hm... nein, ich finde die Geige doof", sprach Sebastian direkt. „Das ist was für Mädchen."
„Blödsinn", hielt Liam dagegen. „Jeder kann Geige spielen, egal ob Junge oder Mädchen."
„Dann spiele du sie doch, Papa."
Ein weiterer Seufzer wehte zu mir herüber.
Als Sebastian Liam zum ersten Mal so nannte, da hatte er zuerst nicht reagiert. Liam hatte ihm vom Kindergarten abgeholt und dabei erfahren, dass Sebastian sich geprügelt hatte. Er war so wütend und enttäuscht von ihm gewesen, dass Sebastian den gesamten Heimweg lang geheult hatte.
Mir war sofort die Hutschnur hochgegangen als ich Sebastian mit der Schramme an der Stirn gesehen hatte und den blauen Flecken an den Armen. Am liebsten hätte ich dem anderen Kind einen saftigen Hinterntritt gegeben und dabei hatte ich vollkommen übersehen, was eigentlich wichtig war.
Nämlich das Sebastian verstehen musste, dass Gewalt keine Lösung war.
Trotz seiner Enttäuschung hatte sich Sebastian weiterhin auf Liam verlassen können und Abends, als sie beim Ritual zusammen gelesen hatte, war es schließlich passiert. Plötzlich war Liam nicht mehr nur Schweigsamer Adler, oder nur 'Liam' sondern Papa.
Und seitdem hatte sich nichts mehr daran geändert.
Louis, Harry, Zayn und ich hatten Liam dermaßen gespannt angesehen, als Sebastian ihn das erste Mal in unserer Gegenwart so nannte, dass er uns hartnäckig ignorierte. In einem waren wir uns jedoch alle einig. Niemand von uns verdiente es mehr so genannt zu werden als Liam.
Ich schritt an den Flöten vorbei und während Liam mit Mr Cassidy sprach, sah ich Sebastian bei den Gitarren stehen. Er musterte sie schweigend und ich trat zu ihm.
„Papa hat gesagt du kannst sie spielen?", fragte er und ich nickte: „Ja, ich denke schon."
Sebastian sah zu mir hoch. „Kannst du es mir mal zeigen?" Ich besah mir die Instrumente, dann griff ich vorsichtig nach einer Gibson Les Paul. Das Baby mochte über dreitausend Pfund wert sein, aber das hatten gute E-Gitarren schließlich an sich.
Wir verzogen uns in eine Ecke und Sebastian setzte sich auf einem Hocker, während ich den Stuhl nahm. „Erwarte nicht zu viel."
Ich positionierte sie richtig und versuchte mit meinen steifen Fingern korrekt zu greifen.
Es war lange her, seit ich zum letzten Mal eine Les Paul in den Händen gehabt hatte und aus einem unerklärlichen Grund musste ich lächeln. Denn es fühlte sich gut und vertraut an.
So wie...
... früher.
Zuerst hielt ich es für Einbildung, doch als ich die ersten Töne spielte, da runzelte ich mehr und mehr die Stirn. Ich zupfte an den Saiten und lauschte den Klängen. Sebastian sagte nichts, er hörte einfach nur zu.
Schweigend saßen wir beieinander und ich genoss den Moment, lauschten den Klängen. So lange, bis mir bewusst wurde, dass etwas nicht stimmte.
Ich war entspannt und ausgeglichen. Normalerweise war ich das in solch einer Situation nicht.
Doch jetzt, da breitete sich ein Gefühl in meinem Körper aus das ich längst vergessen hatte. Die Wirkung war erschreckend.
Warm, berauschend, mein Herz raste.
Nach einer Weile ließ ich die Les Pauls langsam sinken und sah auf. Ich atmete laut durch, mein Blick ging zu Liam, der am Regal stand. Er sah mich verwirrt an und dann verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln.
„Du musst Harry anrufen, Liam", sprach ich belegt.
Er runzelte die Stirn: „Wie bitte?"
Ich sah auf die Gitarre. „Sag ihm... dass wir uns mal wieder zusammen setzten sollen. Ein bisschen... wie früher."
Liam blinzelte, die Erkenntnis schien nur langsam in seinen Verstand vorzudringen. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und mit einem Schmunzeln wandte er sich ab, während er nach Harrys Nummer suchte. Doch bevor er hinter einem Regal verschwand, rief er: „Treibe keine Scherze mit mir!"
„Das würde sie nie tun."
„Harry wird dir die Hölle heiß machen, wenn du ihn auf den Arm nimmst."
Darauf reagierte ich nicht, sondern strich noch einmal über die Saiten. Und ganz plötzlich brach ich in lautes Gelächter aus.
Es war so unglaublich befreiend und wohltuend.
So, als hätte ich einen alten Freund wiedergefunden. Ein alter Freund, der sich lange vor mir versteckte und nach Hause gekommen war.
Ich dachte an all die Konzerte, lebendigen Momente und die unglaubliche Erfahrung. Ich hörte die Musik, das Kreischen der Fans und spürte den Bass unter meinen Füßen. Es war so wunderbar leicht, daran zu denken und sich die Millionen Einzelheiten wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Denn Es war wieder da.
Ende.
⸙ ● ⸙ ● ⸙
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