3 Verstecken spielen für Profis.
【 ANTONELLA 】
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So angeberisch wie der Eine wohnte, so bescheiden war der Andere. Ich blickte durch die Frontscheibe von Fred und glaubte im ersten Moment, dass mein Navigationsgerät mich zur falschen Straße geführt hatte.
Unsicher schnappte ich mir meine Tasche und stieg aus. Die Akte hatte ich dabei und dann beschloss ich erst einmal zu schauen ob es wirklich die passende Straße war. Umgeben von Familienhäusern mit Vorgarten und Briefkasten am Zaun, Klischees ließen grüßen, suchte ich nach dem Horan-Haus.
Das schrie fast nach einer heimlichen Familie. Vielleicht hatte er schon Frau und Kinder, nur wusste niemand davon? Ich spann mir im Kopf den größten Blödsinn zusammen.
De Facto befand ich mich zumindest in der richtigen Straße. Ich musterte das Schild und dann lief ich die Häuser ab. Doch ab Nummer 19 gab es einen Sprung und dann erschien plötzlich 25. Ich musste jedoch zu Hausnummer 23. Langsam drückten auch meine Pumps, sie waren schließlich nicht dafür geeignet wahllos durch die Gegend zu spazieren.
Ein Jogger kam mir entgegen und ich sprach ihn direkt an. „Entschuldigen Sie, könnten Sie mir vielleicht helfen?"
Der junge Mann blieb stehen, er hatte sich die Kapuze seines Hoodies tief ins Gesicht gezogen. Wegen der kurzen Shorts konnte ich an seinem linken Bein zwei lange Narben erkennen, eine zog sich über das Knie, die andere seitlich an seiner Wade entlang.
„Ich muss zur Hausnummer 23, aber die Straße zweigt seltsam ab. Können Sie mir sagen in welche Richtung ich muss?"
Der Mann sah auf den Zettel und seine Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. „Immer weiter die Straße rauf, dann machen Sie nichts falsch."
Ich bedankte mich mit einem Lächeln und er lief weiter. Es dauerte genau drei Atemzüge und dann schlug ich mir die Hand ins Gesicht.
War ich total bescheuert? War ich blind? Geistig nicht mehr fit?
„Bleiben Sie sofort stehen", kreischte ich auf und drehte mich so schwungvoll um, dass jede Prima Ballerina eifersüchtig auf mich wäre.
Dieser unhöfliche Typ! Er lief einfach weiter, so als hätte er mich nicht gehört.
„Mr Horan! Bitte, geben Sie mir fünf Minuten!", brüllte ich ihm hinterher und ich nahm die Beine in die Hand. Er zeigte kein Mitleid, stattdessen beschleunigte er das Tempo und als ich zum ersten Mal mit den Fuß umknickte hielt ich inne, schnappte mir einen meiner Pumps und warf ihn im hohen Bogen durch die Luft.
Ich traf ihn am Rücken, aber er blieb nicht stehen, sondern zeigte mir nur den Mittelfinger.
Frustriert musste ich mit ansehen, wie er einfach verschwand. Wütend, mit schmerzendem Knöchel humpelte ich auf meinen Schuh zu und hob ihn auf. Dieser Ignorant, besaß der keine Höflichkeit?
Liam Payne traf man nirgends an und Niall Horan lief mir davon. Das war eine tolle Bilanz. Dachte der Typ ich würde jetzt einfach die Fliege machen? Das hätte der wohl gerne! Ich war doch kein Groupie, dass einmal kreischte und dann wieder abzog!
Entschlossen und stur suchte ich so lange nach diesem verflixten Haus bis ich es gefunden hatte und setzte mich auf die Stufen seiner Haustür. Ich konnte warten und hatte verdammt viel Geduld neben den ganzen Unterlagen im Gepäck.
Der Postbote sah mich verwirrt an als ich wie ein Vogel auf der Stange, auf der Treppe saß und ihn im ersten Moment erwartungsvoll musterte. Tief seufzend stützte ich das Kinn wieder in der Handfläche ab.
Ich ignorierte meinen schmerzenden Knöchel und tippte schließlich auf meinem iPhone herum. Eleanor erkundigte sich nach dem Stand der Dinge und ich war versucht 'Augenringe' zurück zu schreiben.
Fast eine Stunde musste ich warten, dann kreuzte der Delinquente auf. Verschwitzt zog er sich die Kapuze vom Kopf und ich musste merklich schlucken. Mir schoss sofort die Röte in die Wangen, eine Redaktion, die ich absolut nicht von mir gewöhnt war.
Doch die verstrubbelten blonden Haare und die überraschten blauen Augen trafen mich intensiver als ich es je für möglich gehalten hätte. Man konnte ein dummes Bild im Internet nicht vergleichen mit dem Bild, das sich mir jetzt bot.
Mein Hals wurde fürchterlich trocken und ich räusperte mich, doch bevor ich auch nur einen Ton sagen konnte, sprach er auch schon mäßig begeistert: „Nein, ich kaufe nichts und nein, ich gebe auch kein Interview."
„Wenn Sie stehen geblieben wären, dann hätte ich erklären können, dass ich keines von beiden möchte", antwortete ich bemüht höflich. Am liebsten hätte ich ihn die Spitze meines Pumps ins Gesicht gedrückt.
Doch statt mir nun zwei Minuten Zeit zu geben, spazierte Mr Horan einfach an mir vorbei und gab den Code für seine Haustür ein, dann glitt sie auf. Aber dieses Mal handelte ich schneller. So fix ich konnte schob ich einen Fuß in den Türspalt und bereute es sofort.
Ich dummes Ding hatte den sowieso schon angeknacksten Fuß genommen.
Nun jaulte ich dramatisch vor Schmerz auf und stürzte rückwärts auf den harten Steinboden. Doch statt Mitleid mit mir zu haben hielt der Kerl nur kurz inne und knallte mir dann die Tür wahrhaftig einfach so vor der Nase zu.
So brutal war ich noch nie abserviert worden. Dabei wollte ich ihm doch noch nicht einmal einen dämlichen Staubsauger andrehen!
„Fein!", rief ich laut und versuchte die Tränen zu unterdrücken. „Wissen Sie, ich mache auch nur meinen Job. Sie könnten zumindest zuhören!"
Sichtlich beleidigt versuchte ich meinen Rock zu ordnen und knallte den dicken Ordner mit den rausgesuchten Organisationen vor seine Haustür. Dann schob ich den ersten Umschlag rein und trat mit meinen gesunden Fuß zum Abschied gegen die teure Haustür.
Ich bereute das sofort.
Im Auto taten mir nun beide Füße weh. Sollte dieser nett anzusehende Bastard doch dahin verschwinden, wo der Pfeffer wuchs. Wenn Harry das Wochen, gar Monate mitgemacht hatte, dann zog ich meinen Hut vor ihm.
Irgendetwas sagte mir, dass ich bei dem letzten Mitglied, Louis Tomlinson, nicht viel mehr Glück haben würde. Ein kurzer Abstecher zu der Adresse bestätigte meine Vermutung.
Noch dazu teilten mir drei kampierende Paparazzi bereitwillig mit, dass sie Louis Tomlinson seit vier Tagen nicht mehr auf den Radar hatten.
„Er taucht nur abends und nachts auf, nach Hause ist er jedoch länger nicht mehr gekommen."
„Wir warten auf ein skandalöses Foto, aber scheinbar verlegt er seine Abenteuer wo anders hin."
„So ein Egoist. Was spricht dagegen uns einen kleinen neuen Skandal zu liefern, damit wir einen Gehaltsbonus kriegen?"
Fragte sich an dieser Stelle doch einer, wer hier der wirkliche Egoist war.
„Wo hält er sich denn sonst noch so auf?", fragte ich und die drei mitgenommenen Männer, beladen mit einer Kamera, die um ihren Hals hingen, wandten sich mir zu. Sie rochen furchtbar streng, aber scheinbar blieb das nicht aus, wenn man seit vier Tagen im Auto lebte.
Schleimspur und Kugel Nummer eins baute sich nun breit grinsen vor mir auf: „Hör mal Puppe, weitere Informationen gibt es nur gegen einen guten Dienst." Er wackelte mit den Augenbrauen und seine Kumpels grölten.
Empört verschränkte ich die Arme vor der Brust, dann fasste ich einen Plan. Wenn ich diesen Auftrag wirklich ausfüllen wollte, dann brauchte ich ein paar Verbündete und vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn ein paar Paparazzi auf meiner Seite wären.
„Sie sind ein unhöflicher Kerl", platzte es aus mir heraus und der Typ mit dem billigen Hawaii-Hemd grinste breit: „Eigentlich nicht. Privat bin ich ein reizender Mensch."
Ich stieg wieder in mein Auto und brauchte genau eine Stunde, dann kreuzte ich wieder auf und öffnete den Kofferraum von Fred. Die drei mitgenommen Paparazzi traten näher und ich drückte der Bohnenstange einen fünf Literkanister Wasser in die Arme.
„Fangen Sie an sich zu waschen. Danach können wir verhandeln. Ich bin Nella", stellte ich mich mit einem breiten hinterhältigen Lächeln vor.
Bohnenstange zog sich am Straßenrand einfach aus und begann seine Haare zu waschen und als ich ihm ein frisches Shirt, Rasierer und Deo reichte, wusste ich, dass sein Name Joe war. Der übergewichtige Kerl mit dem Hawaii-Hemd taute auf, als auch er sich ein sauberes Hemd über den Kopf zog. „Jimmy für dich, Puppe."
Schließlich, als alle drei auf der Bordsteinkante saßen und sich mit frischen Sandwiches und heißen Kaffee vollstopften, kannte ich den Kleinsten ebenfalls mit Namen. „Eigentlich Karl, aber die meisten sagen Kalli."
Wie es aussah hatte ich die drei mit primitiven Dingen glücklich machen können. Es war sicher alles andere als großartig im eigenen abgefuckten Auto zu schlafen und in ein Pinkelgefäß zu pullern.
„Okay, ich habe hier drei Tüten voller kleinen Extras", sprach ich und nahm eine große Papiertüte aus meinem Kofferraum. „Essen, Deo, Zahnbürsten, lauter so Zeugs mit dem man noch vier Tage durch die Woche kommt. Reicht das, um zu erfahren, wo Tomlinson manchmal auftaucht?"
Jimmy grinste breit: „Sieht so aus als hättest du verstanden, wie man handelt, Puppe. Hey Joe, frag mal deinen Kontaktmann, wer heute zum Feiern aufgerufen hat. Ist schließlich Montag."
Ich hatte keine Ahnung was das hieß, aber zwanzig Minuten später hatte ich alle Informationen, die ich brauchte. Kalli klärte mich darüber auf, dass Promis sich nicht an Wochentage hielten, was Partys betraf. Sie feierten einfach. Was ein Luxus.
„Esther Heesch feiert ihren Geburtstag. Geladen sind neben Sasha Luss und Nick Grimshaw eben auch Tomlinson. Keine Chance reinzukommen, das Ganze ist definitiv pressefreie Zone. Der halbe Club wurde abgeriegelt."
„Wie heißt der Club?", wollte ich wissen und zog mein Handy hervor.
„P27", erklärte mir Joe und ich nickte. Irgendwie würde ich schon einen Weg finden, mich dort reinzuschmuggeln. Ich reichte den Männern die Tüten mit den Extras und fragte nach ihren Handynummern, so für den Fall der Fälle, wenn wir wieder einmal einen Deal gebrauchen könnten.
Zufrieden musterte Kalli die Schokoriegel, dann fragte er: „Was bist du eigentlich Nella? Ein Anfänger-Stalker?"
„Anwältin", erwiderte ich knapp und nun starrten mich alle drei überrascht an.
„Du könntest uns also auch schon mal aus dem Knast holen?", hakte Kalli nach und dann musste ich lachen: „Sicher, wenn es dringend ist."
Als ich mich von den Männern verabschiedete, war es schon recht spät und ich suchte nach der Adresse von P27. Nachdem ich meinen Wagen sicher Abseits abgestellt hatte erkannte ich jedoch die Nummer von Harry auf meinem Display und ging ran.
„'n Abend, wie läuft die Weltreise?", fragte ich und schloss Fred ab. Die Straßenlaternen gingen an und von weitem konnte ich die Musik des Clubs hören.
»Gut, gut. Wie läuft der Job, Antonella?«, ertönte Harrys warme Stimme und ich musste lächeln, dann allerdings seufzte ich: „Payne ist nicht auffindbar und seine Freundin räumt gerade sein Anwesen aus."
»Scheiße«, entwich es Harry und es klang aufrichtig frustriert. Ich allerdings gab zu: „Ich kann Miss Smith verstehen, es ist alles andere als toll, wenn man nicht weiß, wo der eigene Freund ist. Sie lässt die Unterlagen jedoch in der Küche. Falls Payne also wiederkommt, dann wird er sie finden. Ach ja, und Horan verklage ich auf Körperverletzung. Ich glaube, ich habe mir den Knöchel verstaucht. Er wollte nichts bei mir kaufen und kein Interview geben, der Kerl hat mich nicht einmal zu Wort kommen lassen."
Bislang ignorierte ich den Schmerz und auch, dass mein Fuß merkwürdig dick geworden war. Später hatte ich Zeit mich drum zu kümmern, jetzt würde ich mich erst einmal auf zu neuen Zielen machen. „Blondie habe ich den Ordner vor die Tür gelegt, vielleicht meldet er sich bald."
»Wenn er Save the Children aussucht, dann können Sie es vergessen.«
„Weshalb?"
»Weil das die Organisation ist, die sich auf der ersten Seite befindet. Das würde nur zeigen, dass er sich absolut nicht damit beschäftigt hat. Denken Sie daran, es soll persönlich sein und-«
Mein Gefühl sagte mir, dass es ganz genau so kommen würde. Ich rieb mir über das Gesicht, kurz brauchte ich einen Moment, schließlich hörte ich Harry sagen: »Was tun Sie jetzt?«
„Tomlinson ist die letzten vier Tage nicht nach Hause gekommen, aber Kontakte sagten mir, dass er heute im P27 ist und ich will schauen, ob ich reinkomme", gab ich zu. Dann vernahm ich, wie Harry etwas von Geburtstag murmelte. Wahrscheinlich war er ursprünglich auch eingeladen gewesen.
»Wenn man Sie nicht reinlässt, dann gehen Sie um den Club herum. Es sollte möglich sein, sich durch das Fenster der Herrentoilette nach innen zu schmuggeln«, gab Harry mir Auskunft und ich fragte: „Wieso wissen Sie wie man sich reinschmuggelt?"
Er gestand mir, dass er das Fenster eher zur Flucht benutzt hatte. Dann verabschiedete er sich und ich machte mich daran, mich in der Schlange an Leuten einzureihen, die in den Club wollten.
Aber schon am Türsteher scheiterte ich. Ihm huschten die Augenbrauen bis zur Glatze als er meine Aufmachung sah und ließ sich weder bestechen, noch erklären, weshalb ich da war. Am Ende packte er mich an den Armen, hob mich über die Absperrung und sagte mir damit: „Du bist raus."
Jawohl, genau das, was ich wollte.
Ich beschloss das Fenster zu nehmen, von dem Harry gesprochen hatte. Allerdings hatte er wohl vergessen zu erwähnen, dass ich zuerst über einen zwei Meter hohen Maschendrahtzaun musste und es stockdunkel war.
Verzweifelt warf ich meine Schuhe und Tasche voran, dann kletterte ich. Dabei ratschte ich mir das Knie auf, merkte einmal mehr, dass mein Sprunggelenk nicht das machte, was ich wollte und zu guter Letzt saute ich mir noch den Rock ein. Humpelnd stand ich schließlich vor einem Müllcontainer, der mir helfen sollte, durch das Klofenster zu kriechen.
Hatte jemand schon einmal versucht, sich auf einen Container zu wuchten?
Nein?
Es war auf jeden Fall kein Sonntagssparziergang. Als ich endlich das Fenster erreichte, welches auf Kippe stand und ich durch eine Verrenkung schließlich zum Erfolg kam, (Fenster glitt auf, großer Applaus) fühlte ich mich um Jahre gealtert.
Ich zog mich gerade durch den Fensterrahmen, als mich ein junger Mann vollkommen verdutzt ansah. Ich konnte es ihm nicht übelnehmen.
Er schloss seine Hose, wusch sich die Hände und reichte mir dann eine Hand. „Kann ich Ihnen helfen?", fragte er verschmitzt. Dankbar nahm ich seine Hand an und schlüpfte wieder in meine Schuhe.
In meinem Kopf ratterte es, aber ich war mir nicht sicher, ob ich wahrhaftig Jake Bugg vor mir hatte. So ganz traute ich meinem Promi-Gedächtnis nämlich noch nicht.
„Ist es schon out den Vordereingang zu benutzen?", wollte er mit einem breiten Grinsen wissen und ich strich mir eine gelöste Haarsträhne hinter das Ohr: „Könnte man so sagen. Wieso es machen wie alle anderen, wenn es auch interessanter geht?"
Er lachte laut auf und ich machte mich daran möglichst schnell das Männerklo zu verlassen. Nicht, dass ich hier sonst wem begegnete und die ganze Sache noch peinlicher wurde als sowieso schon.
Der Club war laut. Unter meinen Füßen bebte der Boden, Licht zuckte und es war, obwohl die Woche begonnen hatte, proppenvoll. Hatten diese Leute alle keinen Job, oder waren tanzten sie an einem Montag, als wäre es Samstag?
Suchend schob ich mich durch die feiernde Masse. Die Technomusik dröhnte in meinen Ohren. Wie sollte ich Tomlinson hier finden, das war doch nahezu aussichtslos. Nach einer halben Stunde war ich kurz davor mir die Haare zu raufen. Es war einfach zu dunkel, außerdem machte das bunte Licht es mir schwierig.
Ich war ihm schließlich noch nie begegnet und kannte sein Gesicht nur aus dem Internet. Was, wenn sich Joes Kontaktmann vertan hatte und Tomlinson gar nicht hier war, dann lief ich hier umsonst herum und suchte jeden Zentimeter ab. Mir entging dabei jedoch nicht, dass die Mehrzahl der Leute orangene Leuchtbänder um ihr Handgelenk trug.
Mist, Mist, Mist. Sobald jemanden auffiel, dass ich kein Band hatte würde man mich sicher rauschmeißen. Mir rannte die Zeit davon. Jemand, mit einem blauen Band kreuzte meinen Blick und ganz langsam begriff ich, dass die blauen Bände für einen anderen Bereich galten.
Ich suchte nun also danach und am Ende stand ich an einer Glastreppe, die in eine V.I.P Lounge führte. Angestrengt sah ich auf das obere Gelände, wo sich mehrere Leute gegen lehnten und dann machte mein Herz einen Hüpfer.
Das war er, ganz sicher!
Er stand neben einer weißblonden jungen Frau, sie war furchtbar dürre und lehnte sich immer wieder provokant reizend zu ihm vor. Sah ganz danach aus als würde sie versuchen ihn anzumachen.
Ich wollte die Treppe hochgehen, doch ein Schrank von einem Mann stellte sich mir in den Weg, sein Blick blieb auf meinem Handgelenk haften.
„Ich muss da rein, bitte", versuchte ich es, aber er schüttelte den Kopf. Wenn ich mich an ihm vorbei schieben würde, dann bekäme ich sicher noch eine gebrochene Rippe. „Bitte Sir, ich bin Anwältin und muss unbedingt zu Mr Tomlinson. Es ist wichtig."
„Könnt' ja jeder sagen."
„Nein wirklich. Ich bin von seinem Bandkollegen Mr Styles beauftragt worden und-"
Der Schrank brach in schallendes Gelächter aus, dann hob er die Hand und winkte jemanden heran. Ein Security-Mitarbeiter kam zu und nun krallte ich mich am Shirt des Schrankes fest: „Bitte, ich brauche nur fünf Minuten und dann bin ich weg. Wirklich!"
Keine Chance.
Der Security-Mitarbeiter wollte mich am Arm wegführen, doch ich blieb standhaft und versuchte mich zu wehren. Am Ende führte das jedoch nur dazu, dass mich der Typ hochhob und über seine Schulter war. Ich trommelte ihm auf den Rücken: „Sir, Sie verstehen nicht! Es ist wirklich wichtig!"
„Ja, Lady, mein Job isses jedoch auch", bekam ich von ihm nur die sarkastische Antwort. Ich strampelte mit den Beinen und schließlich gab ich erschöpft auf. Draußen setzte er mich ab und sprach: „Keine Faxen, erwischt man Sie noch mal drin, ruf ich die Bullen, kapische?"
Empört stemmte ich die Hände in die Hüfte: „Ist das eine Drohung?"
„Nein, ein Versprechen."
Im Prinzip dasselbe.
Wütend und unzivilisiert stampfte ich mit dem Fuß auf dem Boden auf und biss mir heftig auf die Unterlippe. Stechender Schmerz jagte durch meinen Knöchel. Ich hatte die Faxen so dick!
Auf der anderen Straßenseite wartete ich auf einer Parkbank. Irgendwann würde dieser Promi-Arsch den Club doch auch mal verlassen müssen. So lange harrte ich hier aus und wenn es Tage dauern würde!
In den folgenden vier Stunden wurde ich von einem Obdachlosen angesprochen, dem ich Geld für heißen Tee gab, bemerkte die Paparazzi, die sich vor dem Club scharrten und fror mir fast die Finger ab.
Wenn ich mich ins Auto setzte, war die Wahrscheinlichkeit jedoch hoch, dass ich einschlief und Tomlinsons Abgang verpasste. Ich wünschte mir, ich hätte bequemere Schuhe angezogen. Ich wünschte, ich hätte eine Jeanshose an. Ich wünschte, ich könnte einfach nach Hause fahren und ich wünschte, diese Selbstmordmission wäre nicht mein erster Auftrag.
Mit einen einzigen Bandkollegen von Harry wollte ich richtig sprechen. War es denn zu viel verlangt, ein kleines bisschen Erfolg zu haben?
Vier Stunden später verließ Tomlinson den Club in Begleitung und ich stürzte mich auf ihn. Leider zwanzig weitere Paparazzi ebenfalls.
Ich bekam einen Ellenbogen ins Gesicht, konnte seinen Namen kreischen, wie ich wollte, er hörte mich nicht und setzte seinen Weg samt Bodyguard und Weibchen zum Auto fort.
Am Ende lag ich am Boden, hielt mir die Stirn und beschloss: Für heute war Feierabend!
Geschlagen humpelte ich zu meinem Auto, versuchte gegen meinen pochenden Schädel anzukämpfen und rief trotzdem noch einmal Jimmy an, ob er mir Bescheid sagen könnte, wenn Tomlinson sein Haus aufsuchte. Gegen einen frischen Burger hatte ich den Deal.
Wie ein geschlagener Boxer zog ich mich um drei Uhr nachts die Treppen zu meiner Wohnung hoch und fiel k.o in meinen Flur. Das war der zweitschlimmste Tag meines Lebens. Am liebsten würde ich einfach im Flur liegen bleiben und eine Runde im Mitleid versinken.
Ein letztes bisschen Stolz in mir raffte sich jedoch auf. Erst zu einer Dusche und dann suchte ich Eis für meinen Knöchel und der Beule über meinem Auge. Schlafen tat ich wie eine Tote, zumindest bis halb sieben. Dann ging mein Handy und Jimmy teilte mir mit, dass Tomlinson erneut nicht nach Hause gekommen war. Für mich hieß das drei Burger zu spendieren.
Müde, erschöpft und sichtlich angeschlagen zog ich im Bett meinen Laptop zu mir und googelte One Direction noch einmal. Ich wühlte mich zuerst durch die Fakten, die ich über Harry fand. Er war scheinbar als Womanizer der Truppe bekannt.
Die Frauen hatten sich lange bei ihm die Klinke in die Hand gegeben, aber seit sieben Monate war es etwas ruhiger um ihn. Komisch, er wirkte überhaupt nicht wie ein oberflächlicher Frauenausnutzer. Charmant, das war er wohl, aber jemand, der oberflächlich war würde sich doch nicht so um seine Freunde kümmern.
Liam Payne war eigentlich der Vernünftige der Gruppe und davon merkte ich überhaupt nichts. Ewig schon mit Miss Smith zusammen und die Leute nannten ihn sehr zuverlässig. Die restlichen Informationen drehten sich um die Werbung, die er machte. In einer Boxershorts von Calvin Klein konnte er sich durchaus sehen lassen.
Schließlich suchte ich mich durch den Klatsch über Niall Horan. Den unhöflichen Kerl! Leider musste ich feststellen, dass die Fans ihn episch liebten. Mir glitt glatt eine Augenbraue bis zum Haaransatz. Ich sah mir Videos von Konzerten an und bemerkte nicht, dass ich unweigerlich die Luft anhielt.
Er wirkte so frei, glücklich und anziehend, dass er mir wie ein völlig anderer Mensch vorkam. Vor fast zwei Jahren hatte er einen heftigen Unfall gehabt, von dem er sich laut Presse gut erholt hatte. Daher also auch die Narben am Bein. Mehr war über den Unfall nicht bekannt. Man wusste lediglich, dass One Direction genau ein Jahr Pause gemacht hatte.
Ich klickte die Videos der letzten Tour an die fast sechs Monate her war. Die Stimmung der Fans war unglaublich und es war komisch die Männer als eine Einheit zu sehen. Das passte alles nicht zu Harrys Schwierigkeiten.
Irgendetwas war anders. Ich konnte nicht sagen was es war.
Statt mich lange mit diesem Gedanken aufzuhalten begann ich Louis Tomlinson zu Googlen.
Ganze zehn Minuten später kreischte ich wütend auf.
Das durfte doch nicht wahr sein!
Plötzlich hatte ich meine Energie zurück. Ich kleidete mich halbwegs passable und suchte vergleichsweise flaches Schuhwerk. Dann schnappte ich mir alles was ich brauchte und fuhr zu LG & Partner. Die Beule über meinem Auge hatte ich notdürftig mit Make-up abgedeckt.
An der Rezeption wurde ich freundlich begrüßt, aber ich erwiderte es nicht, stattdessen sah ich erst in das Vorzimmer der Mädchen-für-alles. Doch weit und breit keine Eleanor. Ihre Kollegin teilte mir mit, dass sie im Kopierraum zu finden war. Dort humpelte ich so majestätisch es ging hin.
Wütend betrat ich den kleinen Raum und knallte die Tür hinter mir zu. Erschrocken fuhr Eleanor herum. „Meine Güte Nella, ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen!"
„Den hatte ich heute Morgen auch!", fuhr ich sie an, doch statt sich von mir einschüchtern zu lassen, musterte sie mich besorgt: „Was hast du denn über deinem Auge gemacht?"
„Du Verräterin!", rief ich erschüttert. „Komm mir nicht so!"
Ich schlug ihre Hand weg, die sich die Beule genauer ansehen wollte. „Du warst verdammte drei Jahre mit Louis Tomlinson zusammen?" Meine Stimme hatte einen hysterischen Klang erreicht. Ich fluchte selten, aber jetzt war mir danach in jeden Satz mindestens vier Tabuwörter reinzuknallen.
„Wann hattest du vor, mir das zu sagen? Meinst du nicht, ich hätte ein bisschen Hilfe von dir gebrauchen können? Weißt du wie viel Ärger ich mir hätte ersparen können!" Ich knallte meine Tasche auf den Kopierer und humpelte vor ihr herum.
„Ich habe mir die Nacht um die Ohren geschlagen, mir den Knöcheln angeknackst, einen Ellenbogen ins Gesicht bekommen, mich durch ein Klofenster gezogen, mich aus einem Club schmeißen lassen und einer Fremden dabei zugesehen, wie sie die Bude ihres Kerls ausräumt! Verflucht El! Du bist die Exfreundin von einem dieser Egoisten! Das hättest du mir sagen müssen!"
Eleanor lehnte sich gelassen gegen einen Kopierer.
Wütend schnaubte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann musterte ich sie. Die Fotos waren ein absoluter Schock gewesen. Zuerst hatte ich geglaubt, dass eine andere Eleanor Calder gemeint war, aber dann hatten die Bilder jeden Zweifel ausgeräumt.
„Es ist ewig her", war das Erste was sie sagte. „Außerdem tut das nichts zur Sache."
„Nichts zur Sache?", echote ich. „Du weißt wahrscheinlich Dinge über ihn, die mir sehr hätten helfen können. Abgesehen davon, dass du doch sicher auch den anderen begegnet sein müsstest und jemanden mit den Namen Sophia Smith kennen musst."
„Ja, sie ist eine alte Freundin", gab sie ungeniert zu und ich hob die Hände zum Himmel: „El, hilf mir. Du und ein Popstar? Das toppt meine kühnsten Träume. Ich hätte nie gedacht, dass du mal...", mir fehlten die Worte und Eleanor half mir bereitwillig aus: „Das Betthäschen eines abgehobenen Promis warst?"
Sie nickte bedächtig vor sich hin. „Ich war jung, naiv und habe geglaubt ich wäre verliebt."
„El, du musst mir helfen!", fehlte ich. „Ich kriege nicht einen dieser Kerle dazu, mir zu zuhören. Vielleicht könntest du zu Tomlinson gehen und-"
„Niemals!", entfuhr es ihr ungewöhnlich heftig. „Ich werde mit diesem verdammten Mistkerl nie, nie, nie wieder ein Wort sprechen! Ich weigere mich dieselbe Luft einzuatmen!"
Sie klang wirklich wütend. Die waren sicher alles andere als freundschaftlich auseinandergegangen.
Großartig.
Ich strich mir durch das Haar und fragte: „Wenn er nicht nach Hause kommt, wüsstest du einen Ort, wo man ihn finden könnte?"
„Du meinst, außer in den Betten von anderen Weibern?", sprach sie sarkastisch und schnappte sich ihre Kopien. „Wie wäre es mit dem Grund einer Kloschüssel?"
Ich humpelte hinter Eleanor her und als sie sich an ihrem Schreibtisch im Vorzimmer nieder ließ, konnte ich nachvollziehen, wie sie an einen Popstar geraten konnte. Sie war hübsch, verstand es sich zu kleiden und der Ausflug ins Nachtleben ließ erahnen, dass man mit ihr wirklich viel Spaß haben konnte.
Bittend sah ich Eleanor an und schließlich seufzte sie und dachte nach.
„Er hatte ein Penthaus in London, das auf den Namen seines Stiefvaters lief, damit niemand wusste, dass es ihm gehörte. Aber ich weiß nicht ob er die Bude noch hat", gab sie gnädig zu. Ich ließ mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch sinken: „Hast du die Adresse noch im Kopf?"
Eleanor legte den Kopf schief. „Ganz ehrlich Nella? Ich glaube nicht, dass es dir etwas bringen wird. Erst einmal kommt man an der Rezeption nicht vorbei und braucht eine Schlüsselkarte für den Aufzug. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Louis wirklich mit dir spricht. Er neigt zur Unvernunft. Du würdest höchstens seine neue Tussi eifersüchtig machen."
Plötzlich musste ich lachen bei dem Gedanken. Ich erinnerte mich an die weißblonde Frau, die es gestern Abend bei ihm versucht hatte. Mittlerweile wusste ich, dass es sich dabei um langbeinige Model Sasha Luss handelte.
„Ah, Nella, gut, dass ich dich hier treffe", hörte ich plötzlich die Stimme von Eleanors Kollegin. Sie reichte mir einen Umschlag und sprach: „Ist gerade von einem Kurier reingekommen."
Überrascht öffnete ich ihn und sah auf den Absender.
Niall Horan.
Vielleicht hatte ich doch jemanden mit meinem Schlachtgesang erreicht. Zuversichtlich zog ich die Unterlagen hervor und musste der Wahrheit ins Gesicht sehen.
Pustekuchen.
Er hatte die Organisation Save the Children rausgesucht, ganz wie Harry gesagt hatte, die Erste auf dem Stapel.
„Okay das reicht. Ich brauche einen besseren Plan!", ich vergrub die Hände in meinen Haaren und dachte nach. Eleanor kannte das von mir und tätschelte mir die Schulter: „Ich mache dir erst einmal einen Kaffee."
So konnte das nicht weiter gehen.
Ich konnte nicht die nächsten Wochen damit verbringen diesen Spinnern hinterher zu rennen. Das würde mein Knöchel nicht verkraften und ich selbst auch nicht. Am Ende nahm man mich noch wegen Belästigung fest oder noch besser, Stalking.
Der gemeinsame Nenner war Harry und damit musste ich arbeiten.
Ganze zwanzig Minuten hatte ich einen gewagten und provokanten Plan. Wenn sich daraufhin auch nur ein einziger von ihnen regte, dann hatte ich schon einmal eine Schlacht erfolgreich gewonnen.
Ich bestellte einen Kurier, ließ Tomlinson die Unterlagen und meine Karte zukommen. Dann rief ich Harry an und bat ihn um etwas. Zuerst lachte er mich aus, schließlich stimmte er zu und zwei Stunden später hatte ich, was ich wollte.
Dann telefonierte ich mit Jimmy und fragte, ob er vorbeikommen könnte. Knapp eine weitere Stunde später watschelte er durch die Gänge von LG & Partner.
„Yo Puppe, ist ja ein edler Schuppen hier", begrüßte er mich und ich bat ihn in einen leeren Konferenzraum. Dort ließ er sich auf einen Stuhl fallen und ich fragte: „Sag mal, Jimmy, wie schnell können deine Kumpels und du ein Gerücht verbreiten?"
Er lachte und öffnete eine kleine Wasserflasche, die auf dem Tisch stand. Statt ein Glas zu benutzen, trank er direkt aus der Flasche. „Gerüchte sind kein Problem. Man braucht nur einen passenden Beweis."
„Was, wenn ich dich um ein Gerücht bitte und du vier Tage später derjenige bist, der einen Beweis dafür hat, dass dieses Gerücht wahr ist?" Gespannt sah ich ihn an und dann betrat Eleanor den Raum.
Sie reichte mir den Stick, auf den sie die Bilder gezogen hatte, die Harry mir schickte. Jimmy musterte Eleanor verwirrt. Wahrscheinlich kam sie ihm bekannt vor und er konnte sie nicht zuordnen.
Ich hielt ihm den Stick hin. „Hier die angebliche Wahrheit. Verbreitet erst das Gerücht. Du wirst wissen welches. Aber heizt erst ordentlich ein und dann geh' dahin, wo du mächtig Kohle hierfür kriegst."
Er wollte mir den Stick abnehmen, aber ich hielt inne. „Damit wären wir allerdings quitt und der Burger fällt flach."
Jimmy brach in Gelächter aus, dann nickte er: „Einverstanden."
Als er sich verabschiedete und zum Aufzug schlenderte sahen Eleanor und ich ihm nach.
„Okay, was genau hast du vor?", fragte sie und ich lächelte: „Ich werde jetzt erst mal einen Kaffee trinken, meinen Fuß hochlegen und abwarten."
Eins war sicher, jetzt würde One Direction zu mir kommen. Zumindest dann, wenn sie wirklich solch gute Freunde waren, wie sie der Welt verkauften.
⸙ ● ⸙ ● ⸙
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