22 Eine Richtung.
【 NIALL 】
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Es war seltsam, denn wir hatten uns seit Jahren nicht mehr alle an einem Ort befunden. Schweigend sahen wir einander an. Ich wusste, dass Harry es hasste, dass Zayn hier war. Ich wusste, dass Liam immer seine Gründe hatte, warum er handelte. Ich wusste, dass Louis absolute Loyalität immer Harry gelten würde.
Und ich wusste, dass einzig ich keinen Plan hatte, wo ich gerade stand.
„Nun denn Hazza", durchbrach Louis gelassen die Stille zwischen uns. „Jetzt sind wir alle hier. Sogar die Ratte. Hast du noch irgendwelche genialen Pläne für uns?"
Ein jeder wusste, wen er mit Ratte meinte.
Harry lehnte noch immer gegen sein Auto, seine Miene war ernst und verschlossen. Schließlich hob er den Kopf und sprach: „Nur noch einen."
„Bevor ich hier noch einmal nach deiner Pfeife tanze, schaltest du verdammt noch mal mein Konto wieder frei!", wehrte sich Liam sichtlich wütend. Davon ließ Harry sich nicht beeindrucken. Er musterte Liam nur, dann sprach er: „Zieht euch sportliche Klamotten an."
„Du solltest uns aufklären", hielt Zayn dagegen und ich bemerkte, dass Harry tat, als wäre er nicht da, weshalb ich den Jüngsten unserer Band ansah: „Was, wenn wir es nicht tun?"
Erneut breitete sich zwischen uns Stille aus, Harry löste die Arme von seiner Brust und dann sprach er so ruhig, dass es mir eiskalt den Rücken herunterlief: „Ich habe in vier Stunden ein Interview mit James. Weigert ihr euch, die letzte Aufgabe mitzumachen, dann wird heute Abend live eine Bombe hochgehen, von der sich niemand mehr von euch erholen wird. Dagegen waren Zayns fünfzehn Minuten ein Kindergeburtstag."
Er hatte ein Interview bei James Corden klar gemacht? Wieso wusste niemand etwas davon!
„Du-", begann Liam, aber Harry unterbrach ihn und der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde kalt: „Weiß Andy mittlerweile, dass du seine Hochzeit sabotiert hast, Liam?"
Louis, Zayn und ich starrten Liam schockiert an, denn wir alle wussten, dass Andy auf ewig Liams bester Freund war. Vielleicht auch der einzige, den er sich abseits des Ruhms immer gehalten hatte.
„Ich denke, es würde ihn ziemlich interessieren, dass du jemanden drauf angesetzt hast, mit Abigail zu schlafen, nur, damit du sie erpressen konntest, Andy sausen zu lassen", führte Harry aus.
Völlig verdattert starrte ich Liam an und bemerkte daran, dass dieser angespannt die Lippen aufeinanderpresste, dass Harry die Wahrheit sagte. Ich drehte den Kopf und Harrys Blick traf meinen. In diesem Augenblick wusste ich, was er über mich verraten würde.
Prompt wurde mir eiskalt und ich dachte daran zurück, welches Desaster mir mit Lottie passiert war. Louis durfte das niemals erfahren und Harry wusste das auch. Von dieser einen Nacht hatte ich einen absoluten Filmriss. Lottie jedoch nicht.
Wortlos stampfte ich also an Harry vorbei, damit ich mich umziehen konnte und daran, dass es Louis und Zayn ebenso schweigend taten, erkannte ich, dass auch sie Harry einst etwas anvertraut hatten, was jetzt erschreckend viel Macht über sie hatte.
Harry war der Bindepunkt, der Fels, der uns zusammengehalten hatte – irgendwie zumindest. Er hatte jeden Skandal auf sich genommen, wenn er es gekonnt hatte. Auf ihn zählten wir. Niemand zweifelte an seiner Freundschaft.
Doch als ich mir ein graues Shirt über den Kopf zog, da fragte ich mich, ob sich die Dinge jetzt nicht doch änderten. Es fühlte sich an, als hätte Harry nun genug davon, dass wir seine Freundschaft besaßen.
Knapp eine viertel Stunde später verließ ich in Turnschuhen, Jogginhose und Shirt mein Zimmer. In der Küche packten Nella, Sophia, Eleanor und Sebastian die Spielzeugkisten aus. Der Junge musterte die Sachen mit großen Augen und kreischte vergnügt auf, als er all die Bücher, Bälle und Malstifte erkannte. Dann kehrte ich wieder nach draußen. Louis war schon da, er lehnte gegen das Geländer und ich trat zu ihm.
„Hast du eine Ahnung, was los ist?", fragte er und ich schüttelte den Kopf. Wir beobachteten beide, wie Harry auf einen Geländewagen zu ging und drei hochgewachsene und muskulöse Männer ausstiegen.
Während er mit ihnen redete, klapperte die Tür und Liam zog sich eine Beanie über die Ohren. Auf den Shirts der Männer war etwas von Marine zu lesen und mir schwante nichts Gutes.
Wollte Harry Sport mit uns machen?
Schlussendlich winkte Harry uns zu sich und als Zayn sich uns ebenfalls anschloss, bemerkte ich erneut, wie dünn er geworden war, obwohl er einen langarmigen Pullover trug. Schon während der handwerklichen Arbeit war mir seine Nachlässigkeit aufgefallen, aber ich hatte sie hartnäckig totgeschwiegen.
Harry hatte seine langen Locken mit einem Haargummi zusammengebunden und sprach: „Dies ist meine letzte Aufgabe." Ruhig sah er uns nacheinander an und ich bemerkte, dass Louis und ich uns etwas beunruhigt ansahen, nur ganz kurz.
„Besteht ihr sie nicht, werde ich mich am Montag aus dem Vertrag von One Direction freikaufen."
Nur langsam drangen Harrys Worte zu mir durch. Der erste, der reagierte, war Louis: „Was?"
„Das meinst du nicht ernst!", schloss Liam an. „Das kannst du nicht ernst meinen!"
Noch nie hatte ich Harry so kalt erlebt. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen seiner Sporthose und zuckte mit den Schultern: „Mittlerweile habe ich genug Geld beiseitegelegt, dass ich mir das erlauben kann. Mich interessieren die zusätzlichen Kröten nicht mehr. Außerdem sieht es nicht aus, als würden wir je wieder zusammen Musik machen. Wen interessiert's also?"
Ich riss den Mund auf und fühlte mich brutal vor den Kopf gestoßen, aber bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte, überließ Harry den drei unbekannten Männern das Feld. Der erste baute sich vor uns auf. Er war ein halber Schrank, sicher eins neunzig groß und hatte Oberarme, so breit wie zwei aufgeblasene Ballons. Sein kahl rasierter Schädel glänzte in der schwachen Sonne und seine Kollegen verschränkten, genauso wie er die Arme vor der breiten Brust.
Nervös verlagerte ich das Gewicht von einem Bein auf das andere.
„Mein Name ist Kommandeur Gus, meine Kollegen Vince und Big M sind für euer heutigen sportlichen Anteil eingeteilt", seine tiefe Bassstimme schallte wie ein Kanonenfeuer über unsere Köpfe. „Wir beginnen mit einem Lauf, der mit einigen Hindernissen ausgestattet ist."
Na wenn es nicht mehr war, als ein bisschen Laufen, dann würde ich das locker gewuppt bekommen. Trotzdem hielt sich meine Vorfreude in Grenzen, denn Vince und Big M sahen nicht so aus, als würden sie täglich ein wenig joggen gehen, sondern eher als räumten sie Bäume aus dem Weg.
„Wer nicht folgen kann, wird disqualifiziert, demnach vom weiteren Trainingsverlauf ausgeschlossen", bellte Kommandeur Gus und ich verstand was das hieß: Wir waren dann bei der letzten Aufgabe gescheitert.
Unsicher warfen Louis und ich uns einen Blick zu. Als dann Kommandeur Gus durch eine Trillerpfeife pfiff und meine Ohren klingelten, begriff ich, dass das hier kein Spaziergang werden würde.
„Ihr werdet Vince folgen, Big M wird den Schluss bilden und Weicheier werden zurückgelassen!", setzte uns Gus in Kenntnis. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Eleanor, Sophia, Nella und Sebastian von der Veranda aus zu uns sahen. Verwirrt, belustigt und voller Schadenfreude.
„Antreten!", bellte er und ich unterdrückte den Drang die Hacken zusammenzuschlagen. Wir reihten uns hinter Vince ein und dann begann nach einem weiteren Pfiff der Marsch.
Zugegeben, dieser Vince schlug ein ziemlich strenges Tempo an. In den ersten Minuten, die ich hinter Vince herlief, war ich froh, dass ich regelmäßig joggen ging. Hinter mir folgte Louis, dann Harry und schließlich Liam und Zayn.
Gus trappte neben Louis her und brüllte Anweisungen. Beim ersten Mal zuckte ich erschrocken zusammen. Wenn das Arsch so weiter machte, dann blieb mir auch das zweite Herz vorzeitig stehen.
Es ging über Waldwege, einen Teil kannte ich bereits, da ich ihn am zweiten Tag der Ankunft mit Nella gegangen war. Wir wurden über die marode Brücke getrieben und schließlich die steinigen Treppen empor.
Louis stolperte und fluchte laut, dadurch brachte er die anderen aus dem Takt. Er rappelte sich jedoch schnell wieder auf und ich hörte, dass er über sein schmerzendes Knie schimpfte. Dann pfiff Gus erneut und ich kniff kurz die Augen zusammen. Hoffentlich hörte er bald auf mit diesem Scheiß.
Oben, am sogenannten Grillplatz wurde ich jedoch eines Besseren belehrt. Gus brüllte, dass er nun fünfzig Liegestützen von uns erwartete. Zuerst sah ich ihn nur verdattert an, so lange, bis er wieder mit dieser dämlichen Pfeife hantierte.
Joggen war eine Sache, aber Liegestützen eine andere. Louis machte sie mit links, Liam ebenfalls und zu meiner Schadenfreude musste Zayn immer wieder eine Pause machen. Wir waren gerade fertig, ich drückte den Rücken durch und versuchte wieder ruhig zu atmen, als Gus uns schon weitertrieb. Wir mussten die Treppen wieder runter und dieses Mal legte sich Louis richtig aufs Maul.
„Das ist der größte Schei-", begann er, doch Gus zog ihn dermaßen heftig am Kragen seines Shirts wieder auf die Beine, dass er den Rest des Satzes verschluckte. Wir liefen die Strecke weiter, gerade, als wir ein gemütliches, halbwegs vernünftiges Tempo angeschlagen hatten und ich spürte, dass mein Puls gleichmäßiger ging, bog Vince plötzlich vom Weg ab.
Wollte er jetzt wirklich mit uns durch Gestrüpp laufen?
Schien so.
Kurz darauf stand ich bis zu den Knien in Grünzeug, dass mich zwickte und von dem ich nicht wusste, was es war. Ich stolperte über Wurzeln und trat in weichen Boden. Schützend hielt ich die Arme hoch und keine fünf Minuten später hörte ich Liam so heftig fluchen, wie noch nie.
Er hatte sich im Sturz in Brennesel geworfen. Sein Arm war prompt voll mit Pusteln und an seinem Hals zog ebenfalls eine Spur entlang. „Zum Teufel noch mal!" Statt Liam eine Pause zu gönnen, pfiff dieser dämliche Gus erneut: „Abmarsch! Hier wird sich nicht ausgeruht!"
Liam sah aus als würde er ihn mit seinem Blick erwürgen, doch Big M stieß ihn voran, damit der Rest nicht den Anschluss an Vince verlor.
Eine halbe Stunde später brannte meine Lunge, ich keuchte nach Luft, Schweiß rannte mir den Rücken herunter und mein Arm schmerzte. Nach Louis und Liam war auch ich gestürzt, jedoch an einem Hügel, der fast nur aus Felsen bestand. Wer war ich, Spiderman, oder was?
Als Vince endlich anhielt und wir dazu kamen nach Luft zu schnappen, bemerkte ich, dass nur Louis hinter mir war. Er schnaufte genauso wie ich und hielt sich an einem Baumstamm fest. An seinen Fingern erkannte ich ebenfalls kleine Bläschen, scheinbar war Liam nicht alleine, was die Brennesel anging.
Vince wirkte, als wäre er gerade spazieren gegangen, während unsere Lungen nach Luft röchelten. Harry traf ein, auch er war aus der Puste und stütze sich auf sein Knie ab, einige Haarsträhnen hatten sich aus seinem Zopf gelöst. Aber keiner von ihnen schien eine so rote Birne zu haben, wie ich.
Es dauerte eine ganze Zeit, dann trafen auch Liam und Zayn in Begleitung von Gus und Big M ein. Zayn sah aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen und sich nur noch Schritt für Schritt voranzuschleppen, während Liams Pusteln widerlich mutierten.
„Machen wir weiter!", dröhnte Gus über unsere Köpfe hinweg. „Abmarsch, immer Vince nach."
Ich drehte mich zu Vince um und ab da rollten sich bei mir die Zehennägel hoch.
Ohne mit der Wimper zu zucken, sprang Vince in das Waldgewässer hinter sich. Es war nicht so, dass ich etwas gegen Wasser hatte, aber dieses Wasser war braun, man sah den Grund nicht. Ein Gemisch aus Erde, Suppe und Gülle.
Lebensmüde sprang ich hinterher, steckte bis zu der Hüfte drin und musste feststellen, als die Brühe durch meine Turnschuhe und meine Hose kroch: Es sah nicht nur aus wie Gülle, es roch auch so.
„Uhah, meine Fresse ist das scheiße kalt!", krähte Louis drei Meter hinter mir und reckte angestrengt den Hals nach oben, um möglichst wenig Gestank einzuatmen. Ich watete stur durch diesen Mist, solange, bis ich mir in dieser Brühe das Bein stieß, das Gleichgewicht verlor und bis zum Kinn eintauchte.
Mit zusammengekniffenen Augen richtete ich mich wieder auf und sah, dass ich aussah, als hätte ich ein Schlammbad genommen. Mir war eiskalt und ich versuchte Übelkeit zu unterdrücken.
Vince trieb uns immer weiter, am Rand eierte Gus entlang und brüllte uns an, dass wir gefälligst schneller machen sollten. Immer dabei diese dämliche Pfeife.
Zayns Schrei ließ mich herumfahren, er steckte bis zur Brust im Wasser und kreischte: „Da war was! Da ist was an meinem Bein vorbei geschwommen!"
Ich bewegte mich prompt keinen Millimeter mehr. Wasserratten, Schlangen, Fische? Hektisch blickte Louis nach Links und Rechts, aber in diesem trüben Gewässer konnte man absolut nichts erkennen.
„Pisst euch nicht ein, ihr Babys!", brüllte Gus und nur mit viel Überwindung setzte ich mich wieder in Bewegung, dieses Mal hatte ich die Arme zum Körper gezogen und rechnete jeden Moment damit, dass irgendetwas an mir vorbei schwamm.
Plötzlich nach zwanzig Metern durch diesen Schlamm, blieb Vince stehen und tauchte ab. Völlig entsetzt sahen wir ihm dabei zu, wie er unter einem Baumstamm hindurch tauchte, der quer über unsere persönliche Hölle umgestürzt war. Sekunden später tauchte Vince rabenschwarz wieder auf.
„Da drunter her!", verlangte Gus sadomasochistisch veranlagt und pfiff brutal. Ich dagegen stotterte: „I-Im Ernst, da drunter her?"
Kein Scherz.
Und da ich der erste hinter Vince war, wurde mir diese zweifelhafte Ehre zugeteilt, das erste Opfer zu werden. Widerwillig und mit viel Überwindung tauchte ich schließlich unter, jedoch nicht ohne vorher noch einmal angeekelt auf die Suppe zu blicken.
Ich tat das hier für Harry und das er heute Abend nicht bei James auf der Couch saß und die Welt wissen ließ, was für ein beschissener Freund ich war.
Es war so wahnsinnig eklig, dass ich fast im Tauchgang gekotzt hätte. Als ich erneut auftauchte, keine Sekunde zu früh, schnappte ich hektisch nach Luft. Meine Augen brannten und ich prustete angewidert.
„Nicht einpennen!", grölte dieser beschissene Kommandeur Gus und ich hätte am liebsten irgendetwas nach ihm geworfen, aber ich brauchte beide Hände, um mir Dreck von den Augen zu wischen.
Als ich mich umdrehte, sah Louis mich entsetzt an. Wahrscheinlich hatte ich statt mit einem irischen Kobold jetzt mehr Ähnlichkeit mit einem Schlammkobold. Ab jetzt fiel es mir unheimlich schwer etwas richtig zu sehen, deshalb stürzte ich nur so hinter Vince her. Hinter mir brüllte Louis gequält auf, als er den Baumstamm im Tauchgang hinter sich gebracht hatte.
Von Harry kam kein Mucks, während Liam röchelte und sich schüttelte. Von Zayn hörte ich nur ein Japsen und etwas, was ich für ein Wimmern gehalten hatte.
Erleichtert stellte ich fest, dass Vince aus diesem Gewässer rauskletterte, doch ich hatte mich zu früh gefreut. Denn nach fünf Metern sprang er in das nächste Drecksloch in flüssiger Form.
„Es stinkt, als hätte jemand einen fahren gelassen!", beschwerte ich mich und versuchte diese nervtötende Trillerpfeife von Gus zu ignorieren.
Louis platzte vor mir der Kragen: „Hör verdammt noch mal auf dieses Ding zu benutzt!" Er warf etwas nach Gus, dass aussah wie ein in Schlamm getränkter Wollknäuel. Leider traf er nicht richtig.
Big M, der ebenfalls am Rand mit uns lief, statt in diesem Sumpf, bedachte uns mit einem schadenfrohen Lächeln.
„Das ist doch kein Wasser hier!", empörte sich Liam, den ich nur anhand seiner Stimme erkannte. Wir waren alle dermaßen mit einer Schlammschicht überzogen, dass wir aussahen wie Schaumkuss-Männchen. Nur unsere Augen stachen gruselig hervor.
Wenige Minuten später zog ich mich an Gestrüpp entlang, damit ich überhaupt durch diesen Schlamassel kam. Mittlerweile glaubte ich, dass ich irgendetwas zwischen den Arschbacken sitzen hatte, denn es juckte fürchterlich. Verbissen hielt ich durch.
Für Harry.
Für meine Freundschaft zu Louis.
Für One Direction.
Für - verdammte Scheiße, das war ja wohl nicht das, was ich glaubte, was es sein würde!
Ohne inne zu halten, tauchte Vince unter einer Brücke hindurch, die knapp über dem Wasser ragte und knapp ein ganzer Meter breit war.
„Runter mit dir, Milchbubi!", dröhnte Gus mich an. Ich wollte da nicht drunter lang tauchen, dass würde ich kaum packen, dafür ekelte ich mich viel zu sehr.
„Oder wirst du zum Hasenfuß? Das Weichei, der ganzen Truppe?", höhnte Gus brutal und ich wusste nicht, warum, ohne nachzudenken tauchte ich tatsächlich ab.
Und bereute es auch prompt.
Zuerst stieß ich mir am maroden Holz den Schädel, weil ich fluchen wollte, öffnete ich den Mund und fraß buchstäblich Scheiße. Blind, zum Kotzen bereit, mit eiskaltem Körper und stinkend wie ein Haufen Mist tauchte ich auf der anderen Seite der Brücke wieder auf. Wie aus weiter Ferne hörte ich Kommandeur Gus wie einen Todesengel verkünden: „Das war die Aufwärmphase"
In diesem Moment reichte es mir.
Ich hatte genug von diesem Affentheater. Wütend, spukend und nahezu kochend kämpfte ich mich an den Rand und kletterte aus der Suppe raus, leider verlor ich einmal das Gleichgewicht und stürzte noch einmal in die flüssige Gülle.
„Das war's! Genug ist genug!", rief ich wütend und nicht einmal die dämliche Trillerpfeife von Gus konnte mir noch etwas anhaben. Kochend stand er vor mir, pfiff in dieses Höllending.
„Zurück! SOFORT!", jaulte er mich an, wie eine kaputte Sirene. „JETZT! Wenn nicht, dann-"
Mit einem gezielten Stoß sorgte ich dafür, dass er selbst in das Schlammloch stürzte. Dann schüttelte ich meinen Kopf und sah, dass ich unterwegs durch diesen Wahnsinn einen Schuh verloren hatte.
„Leck mich doch am Arsch!", brüllte ich Kommandeur Gus an und sah dann auf die Jungs, die regungslos bis zur Brust in der Scheiße standen. „Und ihr könnt euch anschließen!", wies ich sie laut drauf hin. „Es ist mir scheiß egal, ob wir jetzt durch die letzte Aufgabe fallen, oder nicht!"
„Niall", begann Louis, doch ich zog den anderen Turnschuh aus und warf ihn nach ihm. Noch immer lief Dreck über meine Augen: „Nein! Ich sagte SCHEIß EGAL! Ja, du hast richtig gehört!"
Zum ersten Mal seit langer Zeit platzte ich, und zwar gewaltig.
Ich sah Harry wütend an. „Meinetwegen kannst du heute Abend sonst was bei James erzählen! Was soll's, erfährt die Welt eben, was für ein beschissener Freund ich bin, ich meine, allzu viele habe ich ja scheinbar doch nicht mehr davon!"
Ich sah Louis an, damit ich gleich Nägel mit Köpfen machen konnte: „Lou, ich bin vor zwei Jahren neben deiner Schwester Lottie aufgewacht, ohne Klamotten, aber mit einem astreinen Filmriss. Ich habe kein Plan was da gelaufen ist!"
Louis riss den Mund auf, doch ich sah wieder zu Harry: „So, es ist raus und weißt du was? Lass dir was anderes einfallen, was die Welt noch nicht weiß. Das ich mit Selena geschlafen habe, das hat Zayn ja schon ans Licht gebracht."
Daraufhin waren Justin, Demi und Cody mit mir fertig gewesen. Das Ende unserer kleinen Allianz, die sich zweimal im Jahr zum Barbecue traf. Sie alle hielten zu Justin und ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Ihm auch nicht, dass er drauf und dran gewesen war mich zu erschießen. Egal ob mit einer Paintballpistole oder einer Echten.
„Beruhige dich, Niall", sprach Liam und ich sah weiter rot. Tobend brüllte ich: „Ich soll mich beruhigen? Mach du mal besser deine Augen auf! Du hast selbst genug Probleme!" Ich zeigte mit dem Finger in die Richtung, aus der wir gekommen waren: „Im Haupthaus sitzt ein fünfjähriger Junge und wir wissen alle das du sein Vater bist!"
Meine Stimme donnerte nur so durch den Wald. „Sieh ihn dir an, Liam! Selbst ein Greis mit grauen Starr würde checken, dass Sebastian dein Sohn ist! Hör auf dich vor deiner Verantwortung zu drücken und alles nur wegen einem verdammten DNA-Test hinauszuzögern!"
Auch wenn ich Sophia am Anfang gesagt hatte, dass ich nicht dran glaubte, dass Liam ein Kind in die Welt gesetzt hatte, so konnte ich das nach wenigen Tagen einfach nicht mehr leugnen.
Dieser schüchterne, liebe Junge, der eine niedliche Begeisterung für Superhelden hatte, hatte mich mit jedem weiteren Tag an Liam selbst erinnert. Sebastian sah Liam so ähnlich, dass man es im ersten Moment überhaupt nicht sehen konnte, weil es so brutal war.
„Noch dazu hast du da eine Frau sitzen, die du liebst und was tust du Intelligenz Legastheniker? Richtig, Jackpot! Gar nichts tust du!"
Gott tat das gut, all diesen Mist, der sich angestaut hatte, rauszulassen. Ich zog mir die Socken aus und warf sie angeekelt weg. Wütend zog ich mir das völlig verdreckte Shirt über den Kopf und dann klatschte es ins Gras.
Zayn stütze sich an Liam ab, ehe er sich zögerlich in Bewegung setzte: „Niall, hör mal-"
„Nein!", fauchte ich. „Jetzt hörst DU MIR mal zu!"
Ich war so dreckig, dass ich mir überhaupt keinen Schlamm aus dem Gesicht wischen konnte. „Du hast unsere Freundschaft mit Füßen getreten, dich für etwas Besseres gehalten und uns vor aller Welt in die Scheiße geritten! Jetzt kreuzt du hier auf, siehst aus wie dein eigener Tod und glaubst, dass wir Mitleid mit dir haben, nur weil du dich bankrott gekokst hast!"
Sichtlich geschockt starrte Zayn mich an, aber das war mir egal. Ich spukte zu Boden, weil ich noch immer diesen furchtbaren Geschmack auf der Zunge hatte. „Fang an dich zu entschuldigen! Dann überlege ich mir, ob ich dich mit was anderen als meinem Arsch ansehe! Aber vorher kannst du mich mal Kreuzweise!"
Noch mal schüttelte ich den Kopf und hatte mir den Finger in das rechte Ohr gesteckt. „Scheiße, scheiße, scheiße, ich habe Dünnschiss in den Ohren!"
Mir war zum Kotzen zu mute.
„Leute", begann Louis schließlich. „Vielleicht sollten wir alle erst einmal Luft holen und Niall-"
„Niall muss gar nichts!", raunzte ich und nahm den Finger aus meinem Ohr. Es war sowieso hoffnungslos. „DU musst erst einmal deinen Arsch in der Hose wiederfinden und dich bei Eleanor entschuldigen!"
Vor den Kopf gestoßen, sahen mich Louis' blaue Augen an und ich lachte höhnisch auf: „Alter, du hast mit ihrer besten Freundin geschlafen und da wunderst du dich, dass sie dir das Geld aus den Taschen zerrt?"
Der Schock stand meinen Freunden ins Gesicht geschrieben, sie alle drehten sich nun zu Louis um und er stotterte: „W-Wie zum-"
„Ich habe Nella und Eleanor reden gehört, nachdem ihr von eurem kleinen Ausflug zurückgekommen seid", unterbrach ich ihn unwirsch. „Was ist mit deinem Hirn passiert, dass du mit der besten Freundin vögelst? Aber weißt du was? Ich hätte mehr getan, als dich um 35.000 Pfund zu erleichtern!"
Zuerst hatte ich es selbst kaum glauben können, doch der Klang in Eleanors Stimme hatte mich wissen lassen, dass sie nichts als die Wahrheit sagte. „Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich dich in den Ruin getrieben!"
Langsam fror ich mir den Arsch ab. Der Gestank des haftenden Schlamms brachte mich halb um. Ich blickte zu Harry und sprach zynisch: „Du wirst heute Abend so, oder so nicht bei James auspacken. Das würdest du niemals tun!" Ich musste erst Scheiße fressen, damit mir dieses Detail klar wurde.
Arrogant reckte Harry das Kinn und fragte mit kühler Stimme: „Was macht dich da so sicher?"
„Du würdest nie deinem besten Freund schaden wollen", entwich es mir, dann zeigte ich auf Louis: „Nun denn, da steht er und Louis ist ein Teil von One Direction. Du könntest nicht über uns auspacken, ohne über ihn auch etwas Dreckiges zu erzählen. Und das, Harry, dass würdest du niemals bringen, egal wie wütend du gerade auf uns bist."
Ich zog mir irgendeinen Schlammklumpen aus den Haaren und atmete tief durch. „Wenn du dich aus deinem Vertrag freikaufen willst – nur zu."
„WAS!", fauchte Liam wütend und Louis brüllte: „Hast du den Verstand verloren?"
„Nein!", hielt ich dagegen. „Ich sehe zum ersten Mal richtig klar. Die Wahrheit ist, dass Harry wieder auf die Bühne will. Mit mir wird das nicht funktionieren."
„Aber-", begann Louis ratlos und ich sah ihn schief grinsend an: „Nichts aber, ich meine Louis, sieh mich mal an. Ich habe seit Monaten keine Gitarre mehr angerührt, keine Musik gehört. Ich weiß nicht einmal, was in den Charts zurzeit los ist und wer die letzten Grammys gewonnen hat."
Es war nichts Neues, was ich ihnen sagte, aber ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass sie auch wirklich hörten, was ich von mir gab. Kurz schloss ich die Augen und spürte, dass das fremde Herz in mir raste. Ein einziger Satz fehlte, ich hatte jetzt die Chance die volle Wahrheit zu sagen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Ich hasse es auf der Bühne und ich habe keine Ahnung, ob sich das je wieder ändern wird."
Es war raus und in diesem Moment war es wie ein gewaltiger Befreiungsschlag. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich in die sichtlich entsetzten Gesichter meiner Freunde und erst als sich neben mir etwas regte, schaffte ich es den Blick von ihnen zu nehmen.
Mir tat es weh sie so geschockt zu erleben, aber vielleicht nahmen sie es endlich einmal ernst.
Harry zog sich ebenfalls aus dem Schlammloch und als er neben mir stand, sich einen kleinen Ast aus den Haaren zog, da fixierten mich seine stechenden grünen Augen. Ich hielt unweigerlich die Luft an. Würde er mir jetzt eine reinhauen? Mir sagen, wie enttäuscht er von mir war?
Zu meiner Überraschung tat Harry nichts von alldem. Er sah mich eine ganze Weile nur schweigend an.
Und dann sagte er etwas, was in mir eine Mauer zusammenstürzen ließ, so als wäre sie ein einfaches Kartenhaus und kein Werk aus Zement. Mit drei kleinen Worten sorgte Harry dafür, dass ich mich bei meinen Freunden wieder fühlte wie früher und nicht wie ein Fremder.
„Ich weiß, Niall."
⸙ ● ⸙ ● ⸙
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