2 Mr Blümchenhemd.
【 ANTONELLA 】
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Der Aufzug brachte mich in den neunten Stock und dann betrat ich die dunkle Kanzlei. Die Rezeption war unbesetzt. Natürlich, wer würde auch schon freiwillig um halb zwei nachts hier abhängen, noch dazu am Wochenende?
Ich bog gerade Richtung Konferenzräume ab, denn von dort vernahm ich Stimmen.
Im Flur begegnete mir Miss Rose, sie hatte zerzaustes Haar, den grauen Rock auf links an und an ihren Füßen konnte ich Hausschlappen erkennen.
Wen zum Teufel hatte Mr Lee denn noch aus dem Bett geklingelt? Wie wichtig konnte dieser verdammte Klient sein? Der Premierminister höchstpersönlich?
Miss Rose nickte mit den Kopf nach rechts und ich verstand. Sie folgte mir mit einem Tablett voller Tassen und einer Kanne Tee.
Nun blieb ich prompt stehen als Mr Lee mich ansah und ihm sämtliche Beherrschung bei meiner Aufmachung aus dem Gesicht fiel. „Was zum-"
„Entschuldigen Sie, aber ich hatte keine Zeit mehr mich umzuziehen", erklärte ich mein knallrotes Partykleid und zupfte an meinem gewagten Ausschnitt herum. Außerdem war er es doch, der mich in den Urlaub schickte. Dann erst entdeckte ich einen jungen Mann mit dunklen, lockigen langen Haaren.
Er drehte sich zu mir um, hatte die Finger miteinander verknotet und trug ein absolut hässliches schwarzes Hemd mit kleinen Blümchen. Freundliche grüne Augen musterten mich, schließlich verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln und gaben hinreißende Grübchen preis.
Irgendwo hatte ich den schon einmal gesehen, aber mir wollte partout nicht einfallen, woher ich sein Gesicht kannte. Seine ganze Ausstrahlung wirkte von Grund aus sympathisch und er trotz der extravaganten Kleidung merkwürdig vertraut.
„Guten Abend", sprach ich und reichte ihm die Hand. „Ich bin Miss Baker."
Er richtete sich leicht auf und erfasste meine Hand, dann schüttelte er sie mit einem festen Griff und musterte belustigt mein Partykleid. „Mein Name ist Mr Styles, sehr erfreut und verzeihen Sie die ungewöhnliche Zeit, aber ich habe es etwas eilig."
Ich setzte mich und griff dann nach dem Block, den Miss Rose mir zuschob. Noch immer wusste ich nicht, worum es hier eigentlich ging.
Erst als die Sekretärin meines Vorgesetzten den Raum verließ räusperte sich Mr Styles und fragte an meinen Vorgesetzten gewandt: „Und Sie sind sicher, dass Miss Baker dem gewachsen ist, Mr Lee?"
Verwirrt sah ich zu meinem Boss und er nickte: „Ja. Sie ist qualifiziert und fähig genug Aufträge zu bearbeiten, die heikle Angelegenheiten betreffen."
Was hatte der Typ getan, dass er so dringend einen Anwalt brauchte? Drogen geschmuggelt, Steuern im großen Stil hinterzogen? Jemanden ermordet?
Letztes war vielleicht etwas arg dramatisch vermutet. Doch, ich konnte mir ziemlich gut ein totes Herzblatt in seinem Penthouse vorstellen.
Mr Styles musterte mich, dann nickte er, lehnte sich vor und sprach: „Nun denn, würden Sie uns allein lassen, Mr Lee?"
Nun starrte ich den jungen Mann an, wie ein Ufo und damit war ich nicht alleine. Mein Boss musste mehrmals blinzeln, schließlich war er noch nie aus einem Gespräch ausgeschlossen worden. Trotzdem erhob er sich und ließ uns wissen, dass er in seinem Büro sein würde, falls wir doch seinen Rat bräuchten.
Noch nie hatte ich Mr Lee so fügsam erlebt. Er ließ sich nicht rausschmeißen, nicht einmal aus dem Gericht. Dieser Styles musste ja mächtig viel Geld hierlassen, wenn er sich so etwas erlauben konnte.
Jetzt waren wir komplett allein und ich setzte mich so aufrecht hin, dass mir prompt der Rücken weh tat. Ich war sehr nervös und wollte diesen Auftrag unbedingt von Beginn an richtig angehen. „Nun denn, Mr Styles, wie kann ich Ihnen helfen?", fragte ich.
Statt mir sofort zu antworten goss er sich in aller Ruhe eine Tasse Tee ein und reichte mir dann ebenfalls eine: „Wie heißen Sie mit Vornamen, Miss Baker?"
„Antonella", antwortete ich verwirrt und er lächelte immer noch freundlich: „Nennen Sie mich Harry. Es würde mir seltsam vorkommen, wenn Sie mich die nächsten Monate weiter so förmlich ansprechen würden."
Moment. Monate?
Es war sehr ernst, wenn sein Vertrag so lange laufen würde. Ich schrieb mir seinen ganzen Namen auf, das Datum und dann sah ich ihn abwartend an.
Mr Styles - Pardon, Harry ließ sich dafür, dass er es eigentlich so eilig hatte, ganz schön Zeit. Zum ersten Mal bemerkte ich den fetten Reisekoffer auf seiner anderen Seite.
Aus einer eleganten Aktentasche, die danebenstand, zog er schließlich eine dicke Mappe und einen Stapel zusammen gebundener Briefe. Dann kam ein weiterer Ordner mit unzähligen Unterlagen dazu.
„So, also Antonella, ich brauche Ihre Hilfe bei einer wirklich wichtigen Herzangelegenheit."
Er legte eine Hand auf den Stapel von Unterlagen und zum ersten Mal verschwand sein Lächeln. Ernst musterte er mich und sprach: „Ich habe alles vorbereitet, aber die Umsetzung ist wirklich mangelhaft und ich mit meiner Geduld am Ende." Tief seufzte er.
Ich verstand absolut nichts von dem, was er mir da sagte, also räusperte ich mich: „Mr Styles- ich meine Harry, Sie müssen etwas konkreter werden."
Harry musterte mich mit unbewegter Miene, dann lehnte er sich etwas zurück. „Ich bin Musiker, das wissen Sie, Antonella?"
Ich nickte, obwohl ich überhaupt nichts wusste. Später würde ich ihn genau Googlen, dann war ich wieder schlauer. Allerdings schien er mir den kleinen Flunkere an der Nasenspitze anzusehen, denn er stützte das Kinn auf die Handfläche und stellte fest: „Sie haben absolut keine Ahnung, wer ich bin."
Ertappt gab ich zu: „Tut mir leid."
„Nein ist in Ordnung", meinte er freundlich und erklärte: „Ich bin Mitglied einer Band, die aus vier Mitgliedern besteht. Allerdings haben wir seit einiger Zeit eine Pause. Unsere letzte Welttour war ein großer Erfolg und eigentlich sollten wir anknüpfen, aber es ist etwas schwierig geworden."
„Sie wollen die Band verlassen?", fragte ich und er lachte laut auf: „Nein, niemals! Dafür bedeutet mir die Arbeit mit den anderen zu viel." Er lächelte, doch dann kam er zum eigentlichen Problem. „Meine Sorge betrifft uns vier zusammen, denn sie entgleiten mir. Jeder einzelne von ihnen."
Ich wollte mehr hören und legte den Block zur Seite. Harry hatte eine angenehme Stimme und ich fragte mich, wie er klang, wenn er sang.
„Wir sollten eigentlich nach einem Zwischenfall ein neues Album aufnehmen, eine neue Tour planen und zurück auf die Bühne. Aber keiner von ihnen macht eine Anstalt, sich daran zu erinnern, dass wir Musiker sind. Sie weichen aus und haben irgendwie vergessen, dass wir ganz am Anfang unserer Karriere einmal gesagt haben, dass, wenn wir die Möglichkeit haben, unseren Status für gute Dinge nutzen würden. Aber gerade von Letztem wird nur gesprochen."
Harry hob den dicken Ordner hoch, um mir so zu verstehen zu geben, dass er seinen Teil bereits erledigt hatte. „Egal bei wem ich damit antanzte, niemand hörte mir zu oder nimmt das ernst. Gleichzeit rückte Simon an und-"
„Wer ist Simon?", unterbrach ich ihn.
„Simon Cowell. Nennen Sie ihn unseren Mentor, Meister, den Herrn über Leben und Tod", meinte Harry sarkastisch. „Was er befehlt muss befolgt werden. Eure Hoheit akzeptiert kein 'nein' und de facto wurde er etwas launisch, als ich ihm erklärte, dass ich aktuell nur noch mit dem Allerwertesten angesehen werde, wenn ich die Worte Musik, Arbeit und Tour in einem Satz verwende."
Vielleicht sollte er sie in drei Sätzen verwenden.
Innerlich fragte ich mich, was zum Teufel bei diesen überbezahlten Musikern falsch lief, dass sie sich keine Zeit nahmen, um einem Freund vernünftig zu zuhören. Ich hatte selbst nicht viele Freunde, aber die, die ich hatte, denen hörte ich immer aufmerksam zu.
Manchmal. Wenn ich nicht komatös ins Bett fiel.
„Ich bekomme sie auch nicht an einem Tisch, es ist, als hätten sie den Zugang zueinander verloren und ich weiß nicht, warum!", klagte Harry mir weiter sein Leid. „Mein letzter Ausweg ist unser Vertrag, der uns aneinanderbindet und als ich ihn in einer Nacht der Verzweiflung einmal von vorne bis hinten gelesen habe-"
Moment, las man Verträge nicht immer komplett, bevor man sie unterschrieb?
„- und festgestellt habe, dass es eine Klausel gibt, in der wir zustimmen, unser Image zu pflegen und nicht in den Dreck zu ziehen. Sprich, damit kann man doch sicher ein bisschen etwas drehen, sodass sie dem hier nachkommen?" Er tippte auf den Ordner. „Arbeit für einen guten Zweck eben."
„Das klingt für mich nach Manipulation", entwich es mir lachend. „Ich meine, tun Ihre Freunde denn etwas, was der Klausel widerspricht?"
Harry sah mich schweigend an, so als würde er gründlich darüber nachdenken, schließlich erklang ein eindeutiges: „Ja!"
„Eigentlich müsste es eine Beschwerde geben, dass die Klausel nicht eingehalten wird und eventuell der Vertrag aufgelöst wird."
„Nein!", entwich es Harry. „Ich will auf gar keinem Fall, dass er aufgelöst wird. Aber mir ist es wichtig, dass die Jungs sich wieder ein bisschen daran erinnern, wer sie eigentlich einmal waren."
Ich musterte ihn und fragte mich, was genau er eigentlich wollte und wie ich ihm überhaupt helfen konnte.
„Mr Lee sagte mir, dass die Kanzlei LG & Partner auch Betreuung anbieten", sprach Harry und trommelte dabei mit dem Finger auf den schweren Ordner herum. „Dieses Service möchte ich gerne in Anspruch nehmen und wünsche, dass Sie es sich zu Ihrer Aufgabe machen meine Freunde dazu zu bewegen für einen guten Zweck zu handeln."
Das klang jetzt nicht wie ein Ding der Unmöglichkeit und ich hörte weiter zu.
Harry gestand: „Ich bin zuversichtlich, dass sich meine Freunde durch ein bisschen Arbeit der anderen Art daran erinnern, was sie in letzter Zeit vergessen haben."
Die Theorie klang einleuchtend und plötzlich schob Harry mir sämtliche Unterlagen zu, dann erklärte er mir: „In diesem dicken Ordner ist eine Auswahl an Projekten, die noch ausgearbeitet oder ausgewählt werden können. Und ich habe hier, in den Briefen durchnummeriert, welcher zuerst kommt. Darin befinden sich ihre Aufgaben. Die Gelben sind für Sie gedacht, Antonella. Dort steht alles drin, was Sie bitte tun sollten."
Erstaunt nahm ich den Stapel in die Hand und bemerkte, dass sich die Anzahl der gelben Umschläge in Grenzen hielt.
„Die Blauen sind für Niall Horan, die Grünen für Liam Payne und die Roten für Louis Tomlinson, meine Bandkollegen."
Schnell schrieb ich mir die Farben auf und nickte. Ein gutes System, wie ich fand. Ich sah kurz durch den dicken Ordner und erkannte, dass Harry sehr viele Soziale-, Umwelt-, Medizinische Projekte rausgesucht hatte. Zahlreiche Organisatoren stellten ihre Arbeit vor und wiesen auf Bereiche hin, in denen sie Unterstützung forderten.
„In dieser Mappe-", er hob die dünnere Unterlage hoch. „-ist ein Bruchteil der Summe verzeichnet, die ich zur Verfügung stelle. Sobald die Arbeiten für ein geeignetes Projekt anfangen, werde ich dafür sorgen, dass noch genau sechs Mal so viel in die Kasse fließt."
Ich nahm sie an und meine Augen huschten über die Tabellen, bis ich den Betrag gefunden hatte, den er meinte. Prompt bekam ich einen trockenen Mund und starrte ihn an.
Das... war unglaublich viel. Damit könnte er sicher gut die Hälfte aller Organisatoren fördern, die sich im Ordner befanden.
Harry nickte knapp und blickte mich an, schließlich seufzte er erneut und sprach: „Ich kann mir denken, dass Sie finden, dass wir doch einfach das Geld in die jeweiligen Stiftungen fließen lassen sollten, einfach in einem Interview dies und das erwähnen. Aber Tatsache ist, es gibt keine Interviews mit den anderen Jungs. Nicht zusammen und nicht einzeln. Vielleicht ist es etwas egoistisch, aber ich möchte, dass sie gemeinsam etwas auf die Beine stellen."
Langsam begann ich seine Denkweise zu verstehen. Gutes tun sollte den Zusammenhalt neu aufleben lassen.
„Das hier ist meine Nummer falls Sie in Schwierigkeiten sind. Ich bitte Sie allerdings, dass Sie mich wirklich nur anrufen. Ab und an möchte ich mich nach dem Stand der Dinge erkundigen."
Ich nickte, sah auf das Papier wo er seine Nummer hinkritzelte und dann stand Harry auf und schulterte seine Tasche. Bevor er zum großen Koffer griff sprach er: „Nun denn Antonella, ich wünsche Ihnen viel Glück. Sie werden es brauchen."
Moment, sollte das etwa heißen, er würde jetzt verschwinden?
„Wollen Sie mir nicht dabei helfen?", fragte ich verdattert und sah, wie Harry an der Tür innehielt.
„Nein. Ich verschwinde jetzt ein bisschen von der Bildfläche."
Wie bitte?
Verwirrt folgte ich ihm in den Flur: „Was soll ich Ihren Bandkollegen sagen, wo Sie sind, wenn sie mich danach fragen?"
Kurz schien er nachzudenken, dann zuckte er mit den Schultern. „Denken Sie sich etwas aus. Ihnen wird schon das Passende einfallen."
„Das Passende einfallen? Erfinden?"
„Ich könnte im Drogenentzug sein. Das würde Ihnen zumindest die Presse abkaufen."
Nun riss ich die Augen auf. „Sie haben ein Drogenproblem?", fragte ich trottelig, denn so sah er überhaupt nicht aus. Innerlich schlug ich mir die Hand gegen die Stirn, denn erst jetzt erinnerte ich mich daran, weshalb er mir so bekannt vorgekommen war. Die Bilder in diesem Käseblatt, der abgestürzte Promi, das war Mr Styles.
„Ein Entzug ist schon etwas Feines für ein Alibi. Sechs bis neun Monate eine Erklärung für ein Verschwinden und für alle ist es logisch, wenn man frisch und fit wieder auf der Bildfläche erscheint."
Jetzt verarschte er mich, denn das breite zufriedene Grinsen auf seinen Lippen als er vor dem Aufzug stand, passte nicht zu dem, was er sagte. Niemand würde mit Vorfreude in einen Entzug gehen. Viel eher wurde geheult, gekreischt und mit Füßen getreten. Zumindest waren das die Reaktionen, die ich mitbekommen hatte, wenn steinreiche Eltern ihre Sprösslinge in die Ecke drängten.
„Wohin verschwinden Sie wirklich?", hakte ich nach und Harry betrat den Fahrstuhl, dann winkte er mit zwei Fingern zum Abschied: „Das habe ich doch schon gesagt. Ich bin dort, wo Sie mich hin versetzen. So lange, wie man es Ihnen eben glaubt."
Er lächelte ein hinreißendes Grübchenlächeln und dann sprach er aus, was mir eine Vorhersage hätte sein müssen. „Viel Erfolg!"
Die Aufzugtür glitt zu.
Weg war Mr Harry Styles und ich starrte auf die geschlossene Tür. Das war alles so unwirklich. Innerhalb von einer Stunde hatte ich mitten in der Nacht meinen ersten richtigen Fall bekommen.
Natürlich musste ich direkt danach Mr Lee Rede und Antwort stehen, aber da ich an das Anwaltsgeheimnis gebunden war biss mein Vorgesetzter auf Granit. Doch am Ende, als es schon fast vier Uhr war, gab er sich geschlagen.
„Fein. Von mir aus. Mr Styles soll kriegen was er will. Sie sorgen dafür, dass alles zu seiner Zufriedenheit verläuft. Enttäuschen Sie mich nicht."
Damit wurde ich entlassen und sichtlich müde gönne ich mir zum zweiten Mal an diesem frühen Tag ein Taxi. Ich sollte das nicht zur Gewohnheit werden lassen und endlich anfangen mein eigenes Auto wieder mehr zu nutzen. Es vergammelte noch am Straßenrand und wurde Teil der Natur.
Mit müden Gliedern erreichte ich um vier Uhr morgens meine kleine, aufgeräumte Wohnung und bemerkte noch im Taxi, dass Eleanor sich erkundigt hatte, ob alles gut gelaufen sei.
Ich antwortete ihr knapp, dass ich endlich einen richtigen Auftrag hatte und fiel dann fast in meinem roten Partykleid ins Bett. Eher ungeschickt pellte ich mich aus dem roten Stoff und sobald ich die Augen schloss war ich weg. Im Reich der Träume.
Erst um zehn Uhr schlurfte ich in einem verwaschenen Shirt und Slip durch meine Wohnung. Ein starker Tee oder Kaffee wäre nicht schlecht. Im Halbschlaf stellte ich jedoch fest, dass ich kein schwarzes Gold mehr da hatte. Egal. Ich biss in eine nackte Scheibe Brot und wollte mich den Unterlagen widmen, die mir Harry in der Nacht gegeben hatte. Dieser Mann war einfach unglaublich.
„Erzählen Sie was Sie wollen. Vielleicht ein hübscher kleiner Entzug?", machte ich ihn mehr schlecht als recht nach. „Wieso posaune ich nicht gleich herum, dass er auf der Suche nach seiner inneren Göttin ist und sein Guru ihn begleitet?"
Ich dachte an all das Geld, dass er für einen guten Zweck zur Verfügung stellte. Eins musste man ihm lassen, geizig war er nicht. Es war nur traurig, dass er es nicht schaffte seine Interessen bei seinen Freunden durchzusetzen. Was waren das bitte für schlechte Freunde? Sollte er sich einfach neue suchen.
Gerade schlug ich die dünne Akte noch einmal auf und blickte auf die Adressen und Telefonnummern, die mir Harry zukommen ließ damit ich seine Kollegen erreichte als es klingelte. Wer wollte denn jetzt am Sonntagvormittag etwas von mir? War der verehrte Mr Styles schon aus seinem angeblichen Entzug zurück?
Statt einem verwirrten Mr Styles strahlte Eleanor mich an. Sie hielt Kaffeebecher in XL-Format vor meine Nase und eine Tüte mit schrecklich gut duftenden Brötchen.
„Lieferdienst mit Bonus", begrüßte sie mich heiter und schlüpfte einfach an mir vorbei in meine Wohnung. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass Eleanor meine einzige Freundin war, mit der ich wirklich regelmäßig Kontakt hielt.
Was wohl auch zum größten Teil daran lag, dass wir uns schon auf der Arbeit ständig über den Weg liefen. Ich war eine miese Freundin, wenn es darum ging, Kontakt zu halten.
Eleanor hatte leichte Schatten unter den Augen, wahrscheinlich war sie nicht viel eher als ich ins Bett gekommen. Sie legte die Sachen auf meinem Küchentisch ab und räumte einfach meinen Kühlschrank aus damit wir zusammen frühstücken konnten.
Sie pflanzte sich auf meine Eckbank und nahm den Deckel von ihrem Kaffeebecher, dann verkündete sie: „Übrigens Mr Lee hat mich vor zwei Stunden angerufen, ich darf dir helfen was deinen neuen Klienten angeht. Somit bin ich dein persönlicher Laufbursche und dachte mir ich fange an mit Kaffee holen."
Der kleine Seitenhieb sorgte dafür, dass ich die Augen verdrehte. „Glaub mir, ich werde dich niemals zum Kaffeekochen nötigen."
„Ich werde dich dran erinnern, Nella. Also, was ist der Auftrag?"
„Drei verwöhnte Promis dazu überreden ihren Hintern hochzukriegen damit sie etwas Gutes tun und nebenbei wieder zueinanderfinden", fasste ich knapp zusammen. Eleanor brach in lautes Gelächter aus: „Klingt nach Streitschlichterarbeit."
„So halb ist es das auch und weißt du was das Beste ist? Der Kerl, der das Ganze anzettelt, will, dass ich seinen Kumpels erzähle wonach mir die Nase geht", ich schüttelte wieder den Kopf. „Aber eins muss ich Mr Styles lassen, er blecht ganz schön damit er seinen Willen kriegt."
„S-Styles?", fragte Eleanor plötzlich mit ernster Miene. „Du meinst Harry Styles, ein Mitglied von One Direction?" Sie ließ das Brötchen mit Marmelade sinken und ich runzelte die Stirn, dann ging mir ein Licht auf. Natürlich One Direction, die kannte selbst ich.
Immerhin hatte ich mich damals nur so von dem Song 'Story of my life' beschallen lassen dürfen. Wer hätte gedacht, dass es sie immer noch gab. „Ja, Locken, Grübchen und er trägt ständig so hässliche Hemden."
Eleanor musterte mich, sie biss sich auf die Unterlippe und meinte: „Vielleicht wäre es besser, wenn Jennifer dir hilft."
„Wieso, ich meine, hast du Angst, dass du zum Fangirl wirst?", witzelte ich und Eleanor schenkte mir ein mattes Lächeln: „N-Nein... ich meine also..."
„Spinne nicht rum, Eleanor. Was soll Jennifer können, was du nicht kannst?" Ich trank einen großen Schluck Kaffee. „Wer weiß, vielleicht kannst du später sogar auf Kontakte zurückgreifen und kommst in ein paar coole Clubs rein", versuchte ich sie zu locken, doch sie blieb merkwürdig angespannt.
Wir klärten ein paar Fakten, nämlich das ich mich zuerst mit den anderen Bandmitgliedern kurzschließen würde und sie in Kenntnis über Harrys Forderung setzte und ich Eleanor anrief, wenn ich Unterstützung beim Papierkram brauchte. Dann wechselte sie verdächtig schnell das Thema.
Am Montag machte ich mich motiviert daran, das erste Mitglied von One Direction zu erreichen. Zur Sicherheit googelte ich sie noch einmal, damit ich wusste, wie sie jetzt aussahen.
Um halb elf vormittags musste ich jedoch feststellen, dass keiner der drei jungen Männer ans Telefon ging. Unter keiner Nummer, die Harry mir in der dünnen Mappe hatte zukommen lassen, waren sie zu erreichen. Kurzerhand machte ich mich fertig und beschloss die Adressen aufzusuchen.
Ich schlüpfte in den knallblauen Rock, knöpfte mir die weiße Bluse zu, band mir ein farbenfrohes Halstuch um und steckte meine dunklen Haare zu einem seitlichen Dutt zusammen. Der erste Eindruck zählte immer doppelt, eine Lektion, die ich nie vergessen hatte. Ich wollte nicht noch einmal ein rotes Partykleid anhaben, wenn ich einem Klienten begegnete.
Draußen zog ich den Schlüssel für meinen guten alten VW Käfer, den ich liebevoll in Gedanken Fred, ganz nach Fred Astaire nannte, hervor. Mein Vater war ausgeflippt als ich ihm gesagt hatte, dass er den Protzschlitten wieder mitnehmen konnte, den er mir zum Studium hatte schenken wollen. Lediglich meine leicht senile Granny hatte mein Handeln verstanden und mir kurzerhand ihren Käfer überlassen.
(„Aber nur, wenn du mir auf Fred gut Acht gibst, Mädchen.")
Prompt musste ich lächeln und dachte an das letzte Telefonat. Dieses Mal war mein schlechtes Gewissen echt, denn sie war der Teil Familie, den ich nicht regelmäßig besuchte, obwohl sie niemals anstrengend war.
Mein erster Weg führte mich in ein nobles Bonzenviertel. Einst war so eine Gegend meine Heimat gewesen, aber jetzt fühlten sich die geschützten, noblen übermodernen Häuser komplett fremd an. Alles war so schrecklich eingezäunt oder von Mauern umgeben. Seltsame Skulpturen standen im Vorgarten, Kieswege, die unter Autoreifen knirschten und unzählige nicht genutzte Hektar Land.
Es dauerte, bis ich die richtige Hausnummer fand und überrascht stellte ich fest, dass das große Tor zum Grundstück weit offenstand. Ich parkte Fred am Straßenrand und schnappte mir meine Handtasche mit den vorbereiteten Unterlagen für einen gewissen Mr Liam Payne.
Der Rasen am Rand der Einfahrt war perfekt gestutzt, Kameras beobachteten mein Eintreten und ich runzelte die Stirn als ich einen schwarzen Hyundai mit geöffnetem Kofferraum entdeckte, beladen mit Kisten.
Eine junge Frau mit langen braunen Haaren, in Jeans und grauer Strickjacke kam aus dem Haus und zog einen Rollkoffer hinter sich her. Um ihre Beine sprang ein Hund, der als er mich bemerkte sofort Alarm schlug. Prompt blieb ich vorsichtig stehen, doch der Hund tat nicht mehr als zweimal zu bellen und dann zu schnuppern.
„Entschuldigen Sie", begann ich das Gespräch. „Bin ich hier richtig, wenn ich zu Liam Payne möchte?"
Die unbekannte Frau ließ den Koffer stehen und seufzte: „Ja. Wenn Sie ihn aber persönlich antreffen wollen, dann sollten Sie jemanden engagieren der ihn findet. Vielleicht haben Sie auf St. Tropez mehr Glück. Darf ich fragen, wer Sie sind?"
Sie stemmte die Hände in die Hüfte und musterte mich feindselig. So als würde sie mich für seine zweite Geliebte halten. Ich räusperte mich und erklärte: „Baker ist mein Name, ich komme von der Kanzlei LG & Partner. Ich müsste dringend mit Mr Payne über ein Projekt bezüglich eines wohltätigen Zwecks sprechen."
Sie brach in hysterisches Gelächter aus und ich fragte mich, was daran so komisch war. Es dauerte, bis sie sich beruhigt hatte und nach Luft schnappte.
„Entschuldigen Sie, aber es ist nur so dämlich", sie schüttelte den Kopf und sah auf den Hund, der um ihre Beine strich. „Eigentlich bin ich Mr Paynes Lebensgefährtin und sollte wissen, wie man ihn erreicht und wo er ist. Sie sind schließlich nicht die Erste, die ihn sucht. Produzenten, Freunde und was weiß ich nicht alles, geben sich in letzter Zeit die Klinke in die Hand."
Was war denn das bitte für eine Beziehung, wenn sie keinen Plan hatte, wo ihr Freund sich gerade befand? Unsicher blickte ich auf die Kisten und dann verstand ich was hier eigentlich los war.
Sie hatte genug von ihrem Kerl und war dabei auszuziehen. Ich erkannte einen traurigen Zug um ihre Mundwinkel und sprach: „Tut mir leid, dass ich zu so einer ungünstigen Zeit komme. Brauchen Sie Hilfe beim Einpacken?"
Erst blickte sie mich erstaunt an, dann schüttelte sie den Kopf: „Nein. Ich werde sowieso das Gröbste erst einmal mitnehmen. Wahrscheinlich fällt es Mister perfekt Payne nicht einmal auf, dass ich weg bin." Ihre Stimme klang bitter und ich bekam Mitleid mit ihr.
„Falls Sie trotzdem vielleicht auf Mr Payne stoßen, könnten Sie ihm diese Unterlagen geben und sagen, dass er sich bei mir melden soll. Es ist dringend. Meine Nummer steht drin", ich reichte ihr eine schmale Unterlage und sie nahm diese an: „Ich werde sie ihm in die Küche legen, aber erwarten Sie besser keine Wunder."
Die junge Frau hörte sich sarkastisch, wütend und nicht sehr zuversichtlich an.
„Danke", sprach ich trotzdem und wollte gehen, doch dann fiel mir noch etwas ein. „Bevor ich verschwinde, wie heißen Sie? Nur für den Fall, dass ich bei der Polizei angeben muss, wen ich beim Ausräumen des Hauses angetroffen habe."
Ich lächelte und kurz erwiderte sie es. Sie hob ächzend den Koffer hoch und verstaute ihn auf dem Rücksitz des Wagens. „Sagen Sie, es war die rachsüchtige Exfreundin, die einen Schweinekopf im Schlafzimmer als Andenken zurückgelassen hat."
Das... meinte sie doch wohl hoffentlich scherzhaft.
„Aber bevor Sie zu einem psychologischen Gutachten gezwungen werden, geben Sie Sophia Smith als Attentäterin an."
Mit einem lauten Knall warf sie die Autotür zu und ich wollte nun wirklich gehen als sie mir hinterher rief: „Und nur für den Fall, dass Sie ihn vor mir treffen, geben Sie den ach so tollen Mr Payne einen fetten Tritt in den Hintern und sagen sie ihm, er soll sich zum Teufel scheren und dort vergammeln!"
Eine Trennung mit Feuerwerk und als ich die Einfahrt entlang zurück zu meinem Auto lief, fasste ich mir an die Stirn.
Das fing ja richtig gut an.
⸙ ● ⸙ ● ⸙
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