21) Ersehnte Antwort



„Harre, hoffe. Nicht vergebens

zählest du der Stunden Schlag:

Wechsel ist das Los des Lebens,

und es kommt ein andrer Tag."

Theodor Fontane (deutscher Schriftsteller, 1819 - 1898)

~ ~ ~

Silvan las den kurzen Brief zum zehnten Mal und schmunzelte.

Er erkannte die Handschrift seiner Schwester, aber die Worte, da war er sich sicher, stammten von einer anderen Person. Oft genug hatte er Abby beim Schreiben über die Schulter geschaut. Er kannte ihre Wortwahl und ihre Ausdrucksweise.

Der Junge hatte es also geschafft. Die beiden hatten es geschafft. Er lächelte voller Stolz. Hatte er etwas anderes erwartet? Nein, aber er hatte sich Sorgen gemacht. Große Sorgen, seit die ausgesandten Reiter vor einigen Tagen mit leeren Händen, aber nicht ohne Nachrichten zurückgekommen waren. Annabelle hatte mit ziemlicher Sicherheit in einer der Höhlen auf den Waldhöhen gehaust. Leider hatten sie bis auf die Reste eines Lagerfeuers und ein paar Haarsträhnen kein Lebenszeichen von ihr gefunden.

Silvan war das Herz stehengeblieben. Die Haare, die im Empfangssaal herumgereicht wurden, stammten mit Sicherheit von Annabelle. Niemand anderes besaß diese außergewöhnliche Haarfarbe, die im rechten Licht karmesinrot oder fuchsbraun schimmerte. Eckhard ließ verkünden, dass sie vermutlich einem wilden Tier zum Opfer gefallen war. Es war die Version, die dem obersten Herrn von Waldhafen am gelegensten war und die ihn im besten Licht erscheinen ließ.

Doch daran mochte Silvan einfach nicht glauben, aber er konnte die nagende Angst in seiner Brust nicht unterdrücken. Sein Neffe weilte oft in den Höhlen in den Bergen, das wusste er. Mit Sicherheit waren die beiden also dort gewesen. Aber was war passiert? Hatte es ein Unglück gegeben? Er wusste, wie schnell man vom Pferd stürzen, in eine Felsspalte fallen, oder sich einfach nur unglücklich verletzen konnte, vor allem, wenn man von Reitern mit ihren Hunden verfolgt wurde.

Am liebsten hätte sich Silvan aufgemacht und wäre sofort losgeritten. Aber er konnte Waldhafen nicht verlassen, nicht jetzt, wo so viel von seinem Vorgehen abhing. Er konnte sich nicht verdächtig machen und wo hätte er beginnen sollen zu suchen. Der Wald war riesig.

Mit zitternden Händen hatte er den Brief aus den Händen des Boten gerissen und gehofft, endlich die Nachrichten aus Nordstadt zu erhalten, nach denen sich sein Herz so sehr sehnte.

Mit Bedacht wählte er die Worte für seinen Antwortbrief. Er wusste genau, wie sehr sich sein Schützling nach Neuigkeiten verzehrte und nur zu gerne wollte er ihr welche zukommen lassen.

Aber sein Plan brauchte noch ein wenig Zeit. Sie musste Geduld haben. Eines der wenigen Dinge, die nicht zu ihren Stärken zählte. Aber sie war in Sicherheit und sie war nicht alleine. Er konnte sich auf Deina verlassen. Und das musste fürs Erste genügen.

Während er schrieb und an sie dachte, saß viele Meilen entfernt ebenfalls jemand im Garten, schrieb und dachte dabei an ihn.

Hier hatte sie ihre Ruhe, und selbst wenn sie nicht in ihrem geliebten Wald saß, so war Deinas Garten das nächstbeste, das sie kriegen konnte. Gedanken müssen gefühlt werden, hatte ihr Silvan eingeschärft. Du musst den Ort zum Nachdenken ebenso mit Bedacht wählen, wie die Zeit dafür.

Und es stimmte! Hier draußen konnte sie ihren Gedanken freien Lauf lassen, sich ihren Gefühlen - Heimweh und Schmerz - bedingungslos hingeben. Und wenn ihre Gedanken Flügel hätten, könnten sie ungehindert nach Hause, nach Waldhafen, fliegen. Annabelle gefiel der Gedanke.

Sie schloss die Augen und legte so viel Kraft und Liebe in ihre Gedanken wie sie konnte, ehe sie sie in ihrer Vorstellung Richtung Waldhafen schickte. Sie seufzte und griff nach dem Federkiel und dem aufgeschlagenen Buch in ihrem Schoß. Zeit ihr Gedanken zu ordnen und zu Papier zu bringen, damit ihr Kopf leerer werden konnte.

Unser Körper ist der Spiegel unserer Seele. Sie schrieb sorgfältig und langsam.

Ich habe mich sehr verändert, seit ich Waldhafen verlassen habe, und mir sind einige Dinge bewusst geworden.

Sie spürte mehr, als dass sie es bemerkte, dass sie nicht mehr alleine war. Als sie vorsichtig ihren Blick hob und über ihre Umgebung schweifen ließ, bemerkte sie die beiden Nachbarsfrauen, die zögernd vor dem Hühnerstall stehengeblieben waren und sie offen und mit unverhohlener Neugier musterten.

„Guten Tag", grüßte sie die beiden Frauen, mit denen Deina sich hin und wieder unterhielt, weil es die nachbarschaftlichen Gepflogenheiten erforderten und weniger, weil sie unbedingt wollte. Man hielt Abby nach wie vor für einen Jungen, und verstohlen überprüfte das Mädchen den Sitz ihres Hemdes, Kendriks alten Hemdes. Alles saß, wie es sollte. Ihre Brust war straff eingespannt und das Hemd flatterte locker und weit über ihren zierlichen, mädchenhaften Körper.

Ihr plötzliches Auftauchen hatte die Nachbarn misstrauisch gemacht und für Gesprächsstoff gesorgt, so viel hatte Abby mitbekommen. Deina hatte sie als Nillas Neffen ausgegeben, der eine Weile zu Besuch war, weil es ihrer Schwester nicht gut ging. Nillas Schwester hatte tatsächlich einen Sohn, aber dass dieser bereits einige Jahre älter war als Abby, wussten sie nicht. Es reichte, wenn sie wussten, dass Nilla eine Schwester hatte und diese krank war. Eine Lüge, in der ein Körnchen Wahrheit steckt, ist schwerer zu durchschauen, als eine reine Lüge, pflegte Silvan zu sagen. Deina schien genau dieselben weisen Sprüche zu kennen und zu beherzigen wie ihr Bruder. Weisheiten blieben oftmals in der Familie und wurden weitergegeben wie so manch streng gehütetes Familienerbstück.

Jedenfalls hatten die Nachbarn diese Lüge abgekauft. Deina brauchte nicht noch mehr Gerede über Kendrik und ein weiterer, geheimnisvoller Hausgast tat seinem Ruf in Nordstadt nicht gerade gut. Sie wusste, was die Nachbarn sich über ihren Sohn erzählten, wenn sie meinten, dass sie es nicht hörte. Deina war froh gewesen, einen plausiblen Grund für Abbys Anwesenheit gefunden zu haben, zumal ihr Eintreffen zeitlich mit dem Suchbefehl der Reiter aus Waldhafen zusammenfiel. Kaum einer der Nordstädter war nicht nach der Belohnung aus. Aber Abby ganz zu verstecken, würde ihr Besuch nur noch verdächtiger machen und so hatte Deina ihr die Haare mit Umbra gefärbt und ihr empfohlen, sich sichtbar für alle draußen im Garten aufzuhalten.

Hastig klappte Abby jetzt ihr Notizbuch zu und erhob sich. „Guten Tag. Deina ist in der Küche. Soll ich sie holen?", fragte sie unsicher.

Die beiden Frauen nickten, ihr prüfender Blick streng auf das Mädchen gerichtet. Sie eilte, um ihrem Blickfeld zu entkommen. Bestimmt hatten sie ihre Lüge längst durchschaut und ahnten, dass etwas daran nicht stimmte.

„Deina!", rief sie schon von weitem. „Unten stehen die beiden Nachbarinnen und wollen dich sprechen!" Ihr Herz klopfte.

„Schon gut, ich komme." Deina seufzte und erhob sich von ihrer Küchenarbeit. Sie wischte sich die mehligen Hände an einem Tuch ab, ehe sie die kleine Küche verließ.

Nilla, die alte Hausmagd, knetete einen großen Klumpen Teig.

„Ich helfe dir", verkündete Abby. Sie brauchte etwas zu tun und Krik war nicht da, um ihr Gesellschaft zu leisten und sie abzulenken. Er war irgendwo in der Stadt unterwegs, aber sie fand sich nach wie vor nicht in der Stimmung ihn zu begleiten. Nordstadt mit seinen unbekannten Gerüchen und ungewohnten Geräuschen kam ihr noch immer fremd vor. Das Städtchen stimmte sie niedergeschlagen und schürte ihr Heimweh nur weiter an und es war zu riskant, sich blicken zu lassen. Sie seufzte und fing Nillas mitleidigen Blick auf.

Abby wickelte die Ärmel des weiten Hemdes zurück und griff beherzt zu. Vielleicht konnte sie ihre Niedergeschlagenheit beim Kneten des Brotteiges loswerden und ihre trübsinnigen Gedanken noch gleich mit. Nilla war eine großartige Bäckerin und sie wusste lustige Geschichten zu erzählen oder lange Lieder zu singen.

Und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis sie Abby mit einer lustigen Geschichte über einen tollpatschigen Unglücksraben, dem allerlei komische Dinge passierten, zum Lachen brachte.

Die Brote waren zu kleinen Laiben geformt und warteten darauf, in den Ofen geschoben zu werden, als Deina schließlich wieder hereinkam. Dass sie einen Moment in der Tür stehenblieb und den beiden Frauen - eine alt und eine jung - zusah, bemerkte keine der beiden. Es tat gut, Abby lächeln zu sehen. Viel zu selten, hatte sie diesen Klang gehört. Das Mädchen litt unter furchtbarem Heimweh und Deina wusste, wie unglücklich sie war.

Lange würde sie es nicht mehr in ihrem Exil aushalten, so viel war ihr klar. Sie hoffte nur, dass ihr Bruder einen Weg finden würde. Oder Kendrik... - Sie wagte nicht einmal diesen Gedanken zu Ende zu denken, die leise Hoffnung in ihrem Herzen zu nähren, um sich vor einer allzu großen Enttäuschung zu schützen.

Deina seufzte erneut und machte sich bemerkbar. „Gut, ihr seid schon fertig. Dann können wir die Brote backen."

Nilla, deren Geschichte beendet war, begann den Ofen zu befeuern. „Was wollten die Frauen?"

„Dasselbe wie immer. Meine Meinung und den neuesten Tratsch des Städtchens verbreiten." Sie schüttelte den Kopf. Es gab Wichtigeres, als das Gerede der Frauen am Dorfbrunnen. Aber Deinas Rat war bei vielen Dingen gefragt, nicht nur bei Krankheiten und Wehwehchen konnte sie die richtige Behandlung empfehlen, sondern auch bei Sorgen und Nöten wusste sie zu helfen. Sie war beliebt und hatte bei Vielen etwas gut. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Hilfsbereitschaft nicht zu weit ging und sie öfters einmal nein sagen sollte, wenn man sie um ihre Meinung bat.

Eins nach dem anderen schoben sie die Brote in den kleinen Ofen und buken sie, bis sie goldbraun waren. Ein köstlicher Duft nach frischem Brot lag in der Luft, als ein weiterer Besucher das bescheidene Zuhause betrat.

Abbys Herz machte einen Satz, als sie den blonden Mann mit den Sommersprossen im Gesicht erkannte. Endlich, sie hatte so sehr auf Nachrichten gewartet und sich mit jedem Tag schrecklichere Dinge ausgemalt. Pollo wedelte mit einem zusammengerollten Papier. Ein Brief von Silvan, mit Nachrichten von ihrem Vater, ihrer Mutter. Sie hielt die Luft an, während Deina den gerollten Brief entgegen nahm und sich förmlich bei ihm bedankte. Auch ihr juckte es in den Fingern, das Siegel aufzubrechen, den Brief aufzurollen und augenblicklich zu lesen, aber sie zwang sich zur Ruhe und legte das Schriftstück zur Seite.

Annabelle gelang es kaum, den Blick loszureißen von dem Stückchen Papier, mit den sehnsüchtig erwarteten Nachrichten aus Waldhafen, der achtlos auf dem Tisch lag. Aber sie konnte nichts tun, außer ruhig weiterzuatmen und zu warten, bis der Besucher gegangen war. Welchen Grund hatte sie schließlich auf einen Brief von Deinas Bruder zu warten? Sie zwang sich den Blick auf die backenden Brote im Ofen zu richten, ruhig zu bleiben und unverdächtig zu wirken, während ihr beinahe das Herz in der Brust zersprang.

Pollo hielt sie für einen Jungen, der zufällig bei Deina zu Besuch war und sie durfte die Maske nicht ablegen oder Verdacht erregen, sicher hatte er in Waldhafen von der Suche nach ihr gehört. Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen.

„Vielen Dank!" Deina strahlte den Boten an. „Ich warte schon lange auf die Antwort meines Bruders. Wie geht es ihm?"

„Deinem Bruder geht es gut. Bestimmt schreibt er dir alles Weitere in dem Brief." Es war nicht der erste Brief, den Pollo für Deina abgegeben oder ihr gebracht hatte. Ihre Freude darüber war jedes Mal die gleiche.

„Setz dich doch und erzähle von deinem Besuch in Waldhafen", bat sie den Gast. „Du kommst gerade richtig. Wir backen gerade frisches Brot." Deina griff nach einem Messer und schnitt großzügig eine Scheibe von dem noch warmen, köstlich duftenden Brot für Pollo, für Abby, Nilla und sich selbst ab.

Warm und frisch aus dem Ofen schmeckte es ohnehin am besten.

Das ließ sich der Händler nicht zwei Mal sagen und nahm dankend Deinas Angebot an. Es war nicht das erste Mal, dass er mit einer köstlichen Mahlzeit für ein paar freundliche Worte über die Lage in Waldhafen belohnt wurde. Ein weiterer Grund, weswegen er sich gefreut hatte, als er ihren Sohn vor einigen Tagen auf dem Marktplatz erspäht hatte.

Pollo berichtete von seinen guten Geschäften, darüber wie sehr sich Silvan über den Brief gefreut hatte. Wie gesund dieser aussah, was man so über den neuen Herren von Waldhafen hörte und noch einiges mehr, das ihm unterwegs zu Ohren gekommen war. Annabelle biss sich auf die Zunge, ihr brannten so viele Fragen auf dem Herzen, dass sie sich kaum zurückhalten konnte sie zu stellen. Deinas Fragen waren allesamt die falschen. Aber wahrscheinlich konnte er ihr nichts über ihre Eltern sagen. Woher sollte er etwas über den abgesetzten, alten Herrscher von Waldhafen wissen? Warum sollte es sie überhaupt interessieren?

Die ersehnten Antworten würden hoffentlich in Silvans Brief stehen. Ungeduldig trappelte sie mit ihren Füßen nervöse Rhythmen auf den Holzdielen des Fußbodens. Wie lange wollte er noch bleiben? Sie hielt es keine Sekunde länger aus.

Wenn du eine Situation ändern willst, dann ändere deine Haltung. Sie hatte eine Weile gebraucht, bis sie verstanden hatte, was Silvan damit meinte. Sie schob den Teller von sich. Das Brot darauf hatte sie kaum angerührt. „Ich füttere die Hühner und versorge die Ponys." Sie stand auf.

Kendrik hatte sich bereits am Morgen um die Tiere gekümmert, aber sie hielt es nicht länger in der engen Küche aus. Wenn etwas passieren sollte, musste einer den Anfang machen. Wenn einer ging, folgte der nächste bald nach. Eine Theorie, die sie in Waldhafen unzählige Male ausprobiert und verifiziert hatte. Es gelang fast immer. Pollo hatte seine Brotscheibe längst aufgegessen und keinen Grund mehr, länger zu bleiben.

Sie hatte kaum den Garten im Hinterhof betreten, als er auch schon aus der Eingangstüre trat und sich mit knappen Worten von ihr verabschiedete. Es hatte also auch dieses Mal geklappt.

Er war kaum durch den schmalen Torbogen auf der Gasse verschwunden, als sie schon wieder in der Küche stand. Deina hatte den Brief in der Hand und den Inhalt bereits überflogen.

Ohne etwas zu sagen, reichte sie ihn an Annabelle weiter.

Meine liebe Schwester, lieber Neffe,

ich freue mich von Kendriks wohlbehaltener Rückkehr zu erfahren. Nichts anderes habe ich erwartet.

Als sein Onkel und Mentor, weiß ich, dass er wohl in der Lage ist, gut auf sich aufzupassen. Und um dich kümmert er sich hoffentlich auch gut! Zumindest habe ich es ihm aufgetragen.

Es liegt in unserer Natur, uns Sorgen um diejenigen zu machen, die nicht bei uns sind. Aber auch in der Ferne ist es nicht gefährlicher als zuhause. Mir geht es gut. In Waldhafen nehmen die Dinge ihren Lauf wie bisher auch. Es wird gehandelt und verkauft. Die Menschen gehen ihren Besorgungen nach und ich den meinen.

Es gibt keine großartigen Neuigkeiten, die es wert wären Erwähnung zu finden, aber keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten, liebe Schwester.

Vorerst habe ich keine Aufträge für den Jungen. Es gibt also keinen Grund, wieso ich ihn in Waldhafen bräuchte. Wenn sich etwas daran ändert, lasse ich es euch wissen. Ich hoffe in Bälde auf ein paar neue Aufträge, zu denen ich ihn und seine Fähigkeiten brauche. Aber bis dahin ist es noch eine Weile hin. Nur Geduld. Gut Ding braucht Weile und ich bin bereits mit den ersten erfolgreichen Vorbereitungen beschäftigt.

Vorerst soll er sich um seine Mutter kümmern. Ich bin sicher bei euch in Nordstadt gibt es genug Arbeit für ihn und genug Dinge, bei denen er sich nützlich erweisen kann.

Sag ihm, dass ich stolz auf ihn bin und er mir fehlt. Gerne hätte ich euch öfter und länger bei mir.

Ich hoffe, euch bald Bescheid geben zu können, dass ich ihn für meine Besorgungen benötige und ich hoffe, bald wieder mit guten Neuigkeiten von euch zu hören.

Ihr fehlt mir.

Silvan

Abby las den Brief wieder und wieder. Keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten. Hieß das, dass es ihren Eltern gut ging? Sie konnte noch nicht zurückkommen, soviel stand fest. Aber Silvan arbeitete daran, dies zu ändern, wenn sie seine Zeilen richtig verstand. Es machte ihr Hoffnung seine Worte zu lesen.

Lange würde sie es nicht mehr in Nordstadt aushalten, egal wie liebevoll sich Deina und Nilla um sie kümmerten und versuchten sie abzulenken.

Kendrik war in den letzten Tagen immer öfter unterwegs. Zuhause fiel ihm die Decke auf den Kopf, und Abby konnte dieses Gefühl gut nachempfinden. Wenn es nicht Deinas kleinen Garten gäbe, um den sie sich kümmern und in dem sie sich mit Gartenarbeit ablenken konnte, sie wäre längst schon durchgedreht. Und das kleine Büchlein, das sie von Krik bekommen hatte. Obwohl sie frei und in Sicherheit war, kam ihr Nordstadt schlimmer vor, als der goldene Käfig, in dem sie die Tage ihrer Kindheit verbracht hatte.

So war es weder für Deina noch für Nilla eine große Überraschung, als Krik und Abelle eines schönen Tages einige Wochen später, verkündeten, dass sie erneut aufbrechen wollten. Deina sollte Silvan einen Brief zukommen lassen, in dem sie ihn darüber informierte, dass sein Neffe und seine Schülerin im Wald ganz in der Nähe von Waldhafen weilten, falls sich etwas an der Lage änderte, wovon sie wissen müssten.

Deina seufzte, wusste aber, dass es keinen Sinn hatte, ihren Sohn oder das Mädchen umzustimmen. Keiner der beiden war dafür gemacht, abzuwarten oder auszuharren. Beide waren es gewohnt frei zu sein und ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Ihre Fehler selbst zu machen und mit den Konsequenzen zu leben.

Sie war nicht gänzlich unglücklich darüber, schließlich war Abby wie eine Tochter für sie geworden. Wie die Tochter, die sie nie gehabt hatte. Auch wenn sie hoffte, dass ihr Sohn mehr als nur eine Schwester in ihr sah, oder vielleicht eines Tages sehen würde. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schaute sie den beiden nach, wie sie auf der langen Straße immer kleiner wurden und schließlich ganz verschwanden und hoffte, dass ihr Sohn die richtige Entscheidung treffen würde.



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