35) Ein wahnsinniger Plan
+++Rasten+++
Ein dumpfes, aufdringliches Geräusch schlich sich in meinen Traum und wiederholte sich, bis ich es nicht mehr ignorieren konnte. Es passte nicht zu den verschwommenen Szenen meines Unterbewusstseins und riss mich schließlich aus dem Schlaf. Die Bilder meines Traumes verblichen langsam in meinem Kopf, doch das störende Pochen begleitete mich noch immer. Langsam dämmerte mir der Ursprung des sich penetrant wiederholenden Geräusches. Jemand hämmerte unten gegen die Tür des Ladens. Was gab es denn so Wichtiges, dass es nicht warten konnte?
Selbst am Morgen nach meiner Verlobungsfeier war es mir nicht vergönnt, auszuschlafen, obwohl ich den Tag frei bekommen hatte. Ich gähnte und streckte mich. Langsam richtete ich mich auf. Mein Kopf pochte ebenfalls, eindeutig zu viel Wein.
„Ich komme schon", hörte ich Arnoldos Stimme. Mit gemächlichen Schritten polterte er die Stufen zu seinem Laden hinunter. Ich griff mein Hemd, das ich am Vortag über den Stuhl geworfen hatte und schlüpfte hinein, dann klatschte ich etwas kaltes Wasser aus einer Schüssel vom Nachttisch ins Gesicht, in der Hoffnung es würde gegen die Müdigkeit oder den Brummschädel helfen. Tat es nicht. Zu wenig Schlaf, zu viel Wein, verdammt noch mal keine gute Kombination.
Ich hörte, wie Arnoldo im unteren Stockwerk mit dem Schlüssel hantierte und kurz darauf jemand mit ihm sprach. Eine weibliche Stimme, die mir vertraut war. Was machte Celien hier?
Eilig trocknete ich mir das Gesicht ab und fuhr mit den Fingern durch meine Haare, in dem Versuch sie zu glätten. Ich befürchtete allerdings damit genau das Gegenteil erreicht zu haben. Einerlei, es war nur Celien, die ich jetzt eindeutig vernahm, wie sie mit Arnoldo die Stufen heraufkam. „Ja, es ist leider wichtig, sonst würde ich meinen Bruder nicht stören", erklärte sie meinem Gastgeber geduldig.
Arnoldo ließ mich in einem seiner freien Schlafzimmer übernachten, wobei er streng darauf achtete, dass ich Mara nicht zu nahe kam. Er fand es sinnvoll, mich in der Nähe zu haben, 'um mich besser im Auge zu behalten' wie er es nannte, und außerdem hatte mich Mara darum gebeten, das Angebot ihres Vaters anzunehmen. Wir würden nach der Hochzeit hier leben, da sie das obere Viertel nicht verlassen wollte und weil Arnoldos Haus groß genug war, um uns ein eigenes Stockwerk zu bieten. Arnoldo würde die Räume im zweiten Stock bewohnen und aus Maras Reich im dritten Stockwerk würde unsere gemeinsame Wohnung werden. Meine Verlobte plante und kaufte bereits alle möglichen Dinge, die wir brauchten oder auch nicht brauchten, sie aber unbedingt haben musste, aus irgendwelchen für mich nicht nachvollziehbaren Gründen. Arnoldo machte es glücklich, die Wünsche seiner Tochter zu erfüllen und ich war glücklich, wenn sie es war.
Die Einzige, um die ich mir Sorgen machte, war Celien. Jetzt, wo ich nicht mehr zuhause lebte, würde sie Tag und Nacht alleine sein. Das war nicht gut. Bei Mara und mir wohnen, wollte sie allerdings auch nicht. Die beste Lösung wäre, ihr einen Mann zu besorgen und sie zu verheiraten, dazu hatte mir Arnoldo auch geraten und sogar seine Hilfe angeboten, aber er kannte meine Schwester nicht und wusste nicht, wie stur sie in dieser Hinsicht war.
Also blieb mir vorerst nur hin und wieder bei ihr vorbeizuschauen und Parrik darum zu bitten, weiterhin ein Auge auf sie zu haben.
„Ist er schon wach?", fragte sie.
„Das glaube ich nicht. Wir sind sehr spät nach Hause gekommen, lange nachdem ihr Mädchen euch verabschiedet habt." Arnoldo gähnte. „Du kannst ihn wecken, wenn es so wichtig ist. Ich lege mich wieder hin", verkündete er und ich hörte wie seine schwere Gestalt davonschlurfte. Ich öffnete die Tür, gerade als Celien ihre Hand erhob um zu klopfen.
„Ich bin wach", sagte ich. „Was gibt es so Wichtiges so früh am Morgen?"
Sie folgte mir in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Früh am Morgen?", fragte sie und zog eine Augenbraue hoch. „Es ist fast Mittag." Sie trat ans Fenster und öffnete die Verriegelung. Frische Luft strömte ins Zimmer.
„Wir sind spät nach Hause gekommen. Ich habe kaum geschlafen. Kann es nicht warten?", wollte ich wissen.
„Tut mir leid, aber es ist wichtig. Es geht um den Jungen", erklärte sie und mit einem Mal fühlte ich mich hellwach. „Was ist mit dem Jungen?", forderte ich meine Schwester auf, weiterzureden.
„Ich habe ihn gefunden. Also besser gesagt, Quenny hat ihn gefunden." Celien schaute mich vorsichtig an.
„Wo? Wann? Und wo ist er jetzt?" Meine Müdigkeit war mit einem Schlag verflogen. „Kannst du nicht einfach erzählen was Sache ist?" Ich schenkte mir etwas Wasser in eines der Gläser auf dem Serviertisch. Ich brauchte dringend einen klaren Kopf. Meine Schwester beobachtete mich aufmerksam, während ich das Glas in einem Zug leerte. „Also gut. Ich erzähle und du hörst zu", schlug sie vor.
„Guter Plan." Ich nickte, nahm auf einem der Stühle Platz und schob ihr den anderen hin. Sie setzte sich und atmete tief ein.
„Nun, wie es scheint ist Quenny dem Jungen vor ein paar Tagen im oberen Viertel begegnet. Sie hat ihn im Stroh bei Allys Pferden versteckt und mit Essen versorgt. Gestern hat sie sich von der Feier geschlichen, um ihn zu besuchen. Ich bin ihr gefolgt und habe die beiden entdeckt."
„Und wo ist er jetzt?" Langsam begann die Sache etwas mehr Sinn zu ergeben und mir fiel es leichter zu denken.
Sie schaute mich mit einem seltsamen Blick an, bevor sie zögerlich antwortete. „Versprichst du, dich nicht aufzuregen, wenn ich es dir erzähle?"
„Warum sollte ich mich aufregen?" Ich schüttelte den Kopf. „Es ist doch gut, wenn der Dieb endlich gefunden ist?"
„Es ist nicht so einfach." Sie seufzte.
„Celien!" Ich schaute meine Schwester streng an. „Raus jetzt mit der Sprache. Es ist leicht. Ich bin Hauptmann, der Junge ist ein Dieb. Wenn ich weiß, wo er ist, kann ich ihn festnehmen."
„Er ist bei mir. In deinem alten Zimmer. Quenny ist bei ihm. Er hat sich den Arm gebrochen", erklärte sie. „Rasten-"
„Gut", entgegnete ich, obwohl ich nur die Hälfte verstanden hatte und erhob mich. „Gehen wir."
„Warte!" Celien fasste meinen Arm und hielt mich zurück. „Hör mir zu!" Doch sie kam nicht mehr dazu etwas zu sagen, weil es zaghaft klopfte. Ich lief zur Tür und öffnete.
Mara stand davor, frisch frisiert und adrett in ein Morgenkleid gewandet. „Ich habe gehört, dass Celien da ist. Kann ich hereinkommen?", fragte sie. Ich trat zur Seite und ließ meine Verlobte eintreten. Bevor sie mich begrüßte, fiel sie Celien um den Hals. „Schön dich zu sehen. Warum bist du hier?" Die beiden waren sich bei den Vorbereitungen der Verlobung ziemlich nahe gekommen.
„Ich habe Neuigkeiten für Rasten. Setz dich zu uns." Sie bot Mara den Stuhl an, auf dem ich zuvor gesessen hatte und ich nahm gezwungerermaßen auf meinem ungemachten Bett Platz. „Es geht um den gesuchten Jungen. Quenny hat ihn gefunden", erklärte sie. Mara schien schneller von Begriff als ich, sie hatte auch weniger von dem teuren Wein getrunken. „Das ist gut", bemerkte sie. „Und wo ist er jetzt?" Celien wiederholte, was sie mir zuvor bereits erzählt hatte.
„Und jetzt gehen wir, und nehmen ihn fest", erinnerte ich Celien und war bereits an der Tür.
Celien zögerte. „Worauf warten wir?", fragte ich.
„Es gibt da ein kleines Problem und ich musste Quenny etwas versprechen. Hör mir bitte, zu."
Ich hob die Augenbrauen. Mein Kopf begann erneut zu pochen und ich rieb mir die Schläfe. Mara erhob sich und führte mich zurück zum Bett. Mit geschickten Fingern ordnete sie die weiche Daunendecke, breitete sie darüber aus und drückte mich darauf nieder. Ich folgte ihren sanften Berührungen. Sie setzte sich neben mich und fasste meinen Arm.
„Hör Celien erst mal zu", bat sie mich. „Dann kannst du immer noch entscheiden." Es war wie damals. Mara witterte eine interessante Geschichte und wenn sie schon zurückbleiben musste, während ich den Jungen verhaftete, wollte sie diese wenigstens hören. „Nagut", ich seufzte. Ich gönnte ihr dieses Vergnügen und vertraute Celien, dass es wichtig genug sei.
„Und der Junge ist wirklich sicher? Nicht das Quenny erneut mit ihm abhaut?"
Celien schüttelte den Kopf. „Er geht nirgendwohin. Ihm dürfte heute ziemlich schummrig sein, nach meinem Schlafmittel und dem Sturz von gestern Nacht."
„Und wieso gehen wir nicht, und bringen ihn vor den Stadtrat?" Celien erzählte, was sie von Quenny und dem Jungen erfahren hatte. Die herzergreifende Geschichte war ganz nach Maras Geschmack. Sie hatte augenblicklich Mitleid mit dem armen Jungen.
„Na gut", gab ich nach. „Wir gehen und ich werde ihn selbst befragen und mir ein Bild von ihm machen."
„Bitte gib ihm eine Chance. Ich habe es Quenny versprochen", wiederholte Celien. „Verhafte ihn nicht. Zumindest nicht gleich."
„Wir werden sehen", vertröstete ich meine Schwester. Es war meine Aufgabe als Hauptmann, Diebe dingfest zu machen und wir hatten tagelang nach dem Jungen gesucht.
„Sei nicht so hart zu ihm, er ist doch nur ein armer Junge", fiel auch meine Verlobte mit ein, „und bitte, darf ich mitkommen, wenn du zu ihm gehst? Ich würde ihn so gerne kennenlernen." Maras Neugier war geweckt und ich brachte es nicht fertig, ihr einen Wunsch abzuschlagen.
„Meinetwegen." Ich schob es auf den Wein, dass ich mich an diesem Morgen den beiden Frauen derart fügte. Wenn ich zugegen war, war Mara immerhin in Sicherheit. Und wenn es stimmte, was Celien sagte, stellte der Junge keine große Gefahr dar.
Ich band meinen Gürtel um, befestigte das Kurzschwert und gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Celien angespannt, Mara aufgeregt und ich unentschlossen, was ich von der Sache halten sollte. „Mir will einfach nicht klar werden, warum Quenny, die sonst so klug und besonnen ist, den Jungen tagelang versteckt hält, statt jemandem von ihm zu erzählen." Mara hatte sich bei mir eingehakt und wir kamen langsamer voran, als mir lieb war.
„Sie hätte zu dir gehen können, wie vor ein paar Wochen, als sie ihn das erste Mal gesehen hat oder zu Parrik, zu Ally oder Ollf oder gleich zu mir", wandte ich mich hilflos an meine Schwester.
Celien überlegte einen Moment, bevor sie antwortete. „Ich glaube, Quenny weiß es selbst nicht. Korvin hat etwas an sich. Man möchte ihm einfach glauben. Und er war ziemlich nett zu ihr. Du musst bedenken, dass Quenny sonst viel alleine ist. Sie hat nicht viel Gesellschaft. Am allerwenigstens jemanden in ihrem Alter."
"Ich verstehe es nicht. Der Junge ist ein gesuchter Dieb und Quenny hat ihm Unterschlupf gewährt. Es war allenfalls leichtsinnig und dumm von ihr."
Mir schien, als würde ich etwas an der Sache übersehen, aber mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, was es war. Ich rieb meine Stirn. Nie wieder würde ich so viel trinken, schwor ich mir.
„Ich kann Quenny verstehen. Sie ist ein liebes Mädchen, nett und hilfsbereit. Sicher wollte sie dem armen Jungen nur helfen und endlich einen Freund in ihrem Alter haben. Jemanden, den sie nur für sich hat." Maras Meinung überraschte mich. Manchmal vergaß ich, dass Mara oft alleine war und viel Zeit zum Nachdenken hatte. Aber, das würde sich jetzt für sie ändern. Sie würde bald mit mir verheiratet sein, Celien als Schwägerin und Quenny als Freundin bekommen, hoffte ich. Außerdem in absehbarer Zeit vielleicht ein paar eigene Kinder, mit denen sie sich beschäftigen und die sie verhätscheln konnte. Sie würde eine tolle Mutter werden, aber von meinen Pflichten als Hauptmann verstand sie nichts.
Ich zwang mich, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich konnte es kaum erwarten, mit Mara verheiratet zu sein. Aber es waren immer noch ganze drei Monate bis zur Hochzeit, die es abzuwarten galt.
„Was soll ich also deiner Meinung nach tun?", wollte ich von meiner Schwester wissen.
„Hör ihm zu", verlangte sie. „Es war nicht seine Schuld, dass er bei dieser Bande gelandet ist. Du sagst selbst, dass ihn die Kerle, die ihr geschnappt habt, eigentlich nicht leiden können. Was hätte er denn tun sollen? Sich alleine durch den Wald schlagen? Sie haben ihn zu dem Diebstahl gezwungen, ihm das Einzige was er von seiner Mutter noch hat, weggenommen und ihn damit erpresst. Er war der kleinste, flinkeste und geschickteste von ihnen. Es war eine Zweckgemeinschaft für Korvin. Eine, die er gehasst hat. Gib ihm die Chance sich zu beweisen. Er hat furchtbare Angst davor, dass du ihn in den Kerker wirfst. Und ich finde ebenfalls, dass er das nicht verdient hat. Jeder macht mal Fehler - auch Quenny. Sei ihr nicht böse. Sie hat es gut gemeint."
„Aber er ist ein gesuchter Dieb und wer sagt mir, dass er es nicht wieder tut?", argumentierte ich.
„Ich glaube ihm. Er ist seit Tagen in Waldhafen, er hätte genug Gelegenheit gehabt, aber er hat es nicht getan", versuchte Celien mich weiter zu überzeugen. „Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben?"
„Bitte", flüsterte auch Mara und nahm meine Hand. „Gib ihm eine Chance. Gib ihm wenigstens die Gelegenheit dich zu überzeugen." Celien hatte meine leichtgläubige Verlobte bereits mit ihren Worten überzeugt, wie ich sah.
Wohl oder übel musste ich mich den drei Frauen beugen. „Na gut", seufzte ich. „Er soll seine Chance bekommen." Danach würde ich ihn immer noch zur Wache bringen.
Wir hatten unser Ziel endlich erreicht. Ich folgte Celien die Stufen hinauf und führte Mara am Arm. Wie gerne hätte ich ihr mein Elternhaus unter anderen Umständen gezeigt. Ich konnte verstehen, warum sie nicht hier leben wollte. Für sie musste sich das Haus beengt und schäbig anfühlen, obwohl es mir nie so vorgekommen war und auch die Umgebung, die Werkstätten von Handwerkern und kleine Läden reihten sich aneinander, war so anders als das, was sie aus dem oberen Viertel gewohnt war. Selbst die Geräusche und Gerüche waren hier völlig andere. Alles war dreckiger, es roch nach Schweiß, Feuer und Arbeit, lauter und derber, Flüche, hastig gebrüllte Anweisungen über das Schlagen der Schmiedehämmer und das Rattern der Sägen. Mara passte nicht hierher. Ich führte sie in die bescheidene Stube.
Der Junge lag auf einem der Sessel, den rechten Arm in einer Schlinge. Quenny saß im Sessel neben ihm und sie spielten Karten. Als wir eintraten, legten sie das Spiel zur Seite und Quenny schaute mich ängstlich, der Junge besorgt an.
Sie musste wirklich Angst um ihn haben. War ich wirklich so furchterregend? Was war so besonders an diesem Kerlchen?
Eine ganze Weile unterhielten wir uns, ich stellte meine Fragen und lauschte aufmerksam seinen Antworten und versuchte herauszufinden, was es mit ihm auf sich hatte.
Zugegeben, der Junge überraschte mich. Er hatte tatsächlich etwas an sich, dem man Glauben schenken wollte. Ich wusste nicht, ob es an seinen seltsamen grauen Augen lag, die einen durchdringend mustern konnten oder daran, dass er Celiens Bericht beinahe aufs Wort genau wiedergab, als ich ihn über seine Sicht der Geschehnisse ausfragte. Er verhedderte sich nicht einmal und obwohl ich geschickt und viel fragte, verstrickte er sich nicht in einen einzigen Widerspruch. Er zögerte nicht einen Augenblick mit einer Antwort oder wich meinen Fragen aus. Entweder hatte er seine Geschichte gut einstudiert, war ein geschickter Lügner oder er sprach ganz einfach die Wahrheit. Und wenn das, was er sagte der Wahrheit entsprach, konnte man ihm wirklich keinen Vorwurf machen, so gehandelt zu haben, wie er es getan hatte.
Und zu meinem eigenen, großen Erstaunen glaubte ich ihm, was er sagte. Ungewöhnlich schnell und bereitwillig für meine Verhältnisse. Das Schicksal hatte ihm übel mitgespielt und ihn zur falschen Zeit an den falschen Ort und zu den falschen Leuten gebracht. Sollte er für diesen Umstand wirklich sein gesamtes Leben büßen?
„Ich glaube dir", hörte ich mich schließlich sagen. „Aber ich muss dich vor den Stadtrat und den Kommandanten bringen. Sie werden dir sicher auch Glauben schenken und zu deinen Gunsten entscheiden." Korvin zuckte zusammen. Quenny griff nach seiner Hand, Celien hielt die Luft an und in Maras Augen schimmerte es.
„Bitte nicht, Rasten", flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Es muss doch eine andere Möglichkeit geben?", fragte Celien. Quenny schaute mich mit stummem Blick an. Aber schließlich war es etwas, dass der Junge gesagt hatte, das mich überzeugte. Ich würde einen Weg finden. Zugegeben, es war außergewöhnlich, riskant und konnte mir große Probleme einhandeln. Aber in meinem verkarterten Kopf formte sich eine vage Idee, wie diese Situation sich für mich nützlich erweisen konnte. Ich musste in Ruhe darüber nachdenken. Im Verlies brachte er mir gar nichts.
Ein Punkt an Korvins Aussage hatte mich aufhorchen lassen. Wir hegten schon länger den Verdacht, dass sich Schmuggler an der nördlichen Küste herumtrieben. Aber bisher war den ausgesandten Wachschiffen keine Festnahme gelungen. Vielleicht konnte ich von dem Jungen wichtige Hinweise erhalten und etwas über das Versteck und Vorgehen der Hintermänner der Diebesbande erfahren.
Es könnte mir eine Beförderung oder meine Entlassung einbringen, je nachdem ob mein waghalsiger, flüchtig entworfener Plan Erfolg hatte oder schiefging. Ich hoffte inständig, dass Ersteres der Fall sein würde. Es wäre riskant, aber es konnte klappen.
„Na gut", gestand ich schließlich ein. „Er bleibt vorerst hier. Aber niemand, wirklich niemand darf davon erfahren." Celien, Quenny und Mara versprachen mir, mit niemanden auch nur ein Sterbenswörtchen zu verlieren und Korvin versicherte hoch und heilig, zu bleiben wo er war.
Auch dieses Versprechen glaubte ich ihm. Im Gegenzug versprach ich ihm, ihm eine bessere Verhandlungsposition vor dem Kommandanten zu verschaffen, was mit handfesten Hinweisen zur Ergreifung der Schmugglerbande sicherlich zu bewerkstelligen sein würde.
„Es ist nur für ein paar Tage", kündigte ich an. „Du wirst dich stellen müssen, wenn du dich nicht für immer verstecken oder erneut auf die falschen Leute treffen willst." Er nickte und auch Celien verstand mein Argument. Selbst Mara und Quenny wie es schien.
Aber auch wenn der Junge keinen schlechten Eindruck machte, bereitete mir die Situation immer noch Bauchschmerzen. Jetzt hatte Celien einen dahergelaufenen Dieb unterm Dach, um den sie sich kümmern musste und mit dem ich sie alleine ließ. Quenny vertraute ihm und Celiens Menschenkenntnis schien er auch überzeugt zu haben. Es war verrückt und konnte mich Kopf und Kragen kosten.
Ich würde Parrik einweihen müssen und ihn bitten, jeden Abend bei meiner Schwester nach dem Rechten zu sehen. Ich selbst konnte unmöglich jeden Tag herkommen. Sicher würden auch Mara und ich des Öfteren einen Ausflug hierher machen. Mara schien dem Jungen ebenfalls sehr zugetan zu sein und sie ließ sich keine Gelegenheit entgehen, aus dem Haus zu kommen, in welchem sie einen Großteil ihres bisherigen Lebens zugebracht hatte, auch wenn es noch so riesig war.
Diese Sache musste einfach funktionieren. Aber erst einmal musste ich schlafen. Und anschließend noch einmal gründlich darüber nachdenken. Mir war bewusst, dass der Wein mein Urteilsvermögen empfindlich beeinträchtigte. Es war grenzte an Wahnsinn, was ich hier tat.
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