17) Guter Rat


+++Parrik+++

Auf dem Rückweg konnte ich nicht aufhören, an Mara zu denken. Zum Glück war auch Celien nicht zu Gesprächen aufgelegt, so dass ich ungestört meinen Gedanken nachhängen konnte.

Ihr Zuspruch hatte mir gut getan. Celien war nicht nur eine Heilerin für kranke Körper, sondern auch Balsam für meine verletzliche Seele. Vielleicht sollte ich wirklich aufhören, mich hinter meinen Haaren zu verstecken und anfangen zu dem zu stehen, was ich war. Einfach sein, wer ich war. Vielleicht würde sich dann ein Mädchen wie Mara in mich verlieben können. Ich malte mir aus, wie es sein würde, sie an meiner Seite zu haben und stellte fest, dass mir diese Vorstellung gefiel.

Aber ich wusste nicht, wie ich es anstellen konnte. Was Mädchen anging, hatte ich einfach keine Ahnung und wurde nicht schlau aus ihnen. Und wenn dann auch noch meine Unsicherheit hinzukam, brachte ich kein Wort mehr heraus.

Mir kam nur eine Person in den Sinn, mit der ich darüber reden konnte und ich beschloss, sie gleich am nächsten Abend aufzusuchen.

Meine Begegnung mit der wunderschönen Tochter des Gewürzhändlers verfolgte mich bis in den Schlaf. Ich glaubte, in dieser Nacht träumte ich sogar von ihr. Sie war es, ein Mädchen mit blonden, langen Zöpfen, die in meinem Traum neben meinem Bett stand und meine Wunden versorgte. Und nicht wie sonst üblich, das Mädchen mit den braunen Haaren.


Viel gab es am nächsten Tag in der Schmiede nicht zu tun. Das Übliche, hier und da ein Werkzeug erneuern für einen der Handwerker von Waldhafen und wenn Zeit blieb, arbeitete ich an einem Übungsstück weiter, das wir später zum Verkauf anbieten würden.

Ollf zeigte sich mit meiner Arbeit zufrieden, obwohl ich kaum bei der Sache war. Ein blondes Wesen mit eisblauen Augen beherrschte meine Gedanken. Ich musste sie wiedersehen, irgendwie. Und bald.

Immer wieder wanderte mein Blick durch das Fenster nach drüben, zu Celiens Apotheke. Gab es noch irgendetwas, das sie aus dem oberen Viertel brauchte und ich konnte sie begleiten? Vielleicht hatten auch Ally oder Quenny noch etwas zu besorgen? Frauen brauchten doch schließlich immer irgendwelchen Krimskrams. Ich würde sie später fragen. Sonst fiel mir keine Möglichkeit ein, Mara wiederzutreffen.

Gegen Mittag verließ Celien ihre Apotheke. Kurz erwägte ich, ebenfalls nach draußen zu laufen und sie direkt zu fragen, aber dann erschien es mir lächerlich. Wir waren erst gestern dort gewesen. Reiß dich zusammen, befahl ich mir.

Sie lief zur Bäckerei, wie fast jeden Tag und verschwand im Inneren. Mein Blick fiel immer wieder zur Tür des Ladens und ich wartete darauf, dass sie wieder erschien.

Doch dieses Mal blieb sie ziemlich lange in der Bäckerei. Fast wäre ich ebenfalls losgegangen, um nach ihr zu sehen, aber ich hielt mich zurück. Ich wollte mich wirklich nicht lächerlich machen. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte ihre kleine, mädchenhafte Figur mit den braunen Locken wieder auf und sie lief mit einem Lächeln im Gesicht und einem gefüllten Beutel in der Hand zurück. Schnell machte ich mich wieder an meine Arbeit, bevor sie merkte, dass ich sie beobachtet hatte.

War der Geselle des Bäckers etwa der Grund für ihr Lächeln? Ich fragte mich, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag und sie ein Auge auf ihn geworfen hatte. Der Kerl war nichts Besonderes, nicht hübsch oder hässlich. Ich fand ihn einfach nur unauffällig und langweilig. Er war freundlich, wenn man Brot einkaufte, aber mehr auch nicht. Vielleicht stand Celien ja auf Jungen wie ihn. Schließlich war es mir ja gleichgültig, wen sie gut fand.

Der Tag zog sich in die Länge wie Schafswolle und fast schien es mir, er wolle gar nicht enden.

Doch dann entließ mich Ollf und ich verabschiedete mich für einen kurzen Besuch bei Verenne im rauchigen Kessel.

Ich hastete hinunter ins Hafenviertel, ohne auf den Weg zu achten. Es war noch früh am Abend und der Kessel noch nicht gefüllt. Siro grüßte mich beim Betreten und ich fragte ihn nach Neuigkeiten.

„Alles beim Alten!" Er schob mir einen Krug Starkbier zu. „Schiffe legen an, Schiffe legen ab. Die Matrosen haben Durst." Er grinste. „Und die Schmiedeburschen auch." Ich trank einen kräftigen Schluck. Ich war wirklich durstig nach dem Tag in der Schmiede.

Die Trunkenbolde, die Verenne verletzt hatten, hatten sich aus dem Staub gemacht, ohne dass Siro und die Stadtwache sie ergreifen konnten. So etwas komme vor, sagte er mir und zuckte vielsagend mit den Schultern.

„Wie geht es Verenne? Kann ich sie sehen?", fragte ich ihn nach dem Grund meines Besuches. Er reagierte ungehalten. „Sie arbeitet noch nicht wieder. Sie braucht noch Ruhe."

Ich konnte gerade noch verhindern, mich an meinem Bier zu verschlucken. „Nein, nein", brachte ich hastig hervor, „Ich soll nur nach ihr sehen. Celien schafft es heute nicht selbst und sie schickt mich", log ich. Ich konnte ihm ja schlecht erzählen, dass ich mit ihr über Mädchen oder Gefühle sprechen wollte. Über meine Gefühle für ein bestimmtes Mädchen, um genau zu sein.

„Wenn es so ist. Schade, ich hoffe du bringst deine kleine Freundin bald wieder mit." Er grinste mich an und fügte hinzu, „Du weißt ja wo du Verenne findest." Er deutete mit einem Zwinkern zur Treppe.

Ich stellte den Krug ab und stand auf.

„Herein!" Nach dem dritten Klopfen hörte ich Verennes Stimme. Ich öffnete langsam die Tür. Sie trug ein dünnes Nachthemd und lag auf ihrem Bett. Höflich entschuldigte ich mich für die Störung, aber sie lachte bloß und gab mir zu verstehen, dass ich reinkommen und mich zu ihr aufs Bett setzen sollte. Ich kam ihrer Aufforderung nach. Fast hatte ich den Eindruck, als sei ich nicht in der Lage, die Aufforderungen von Mädchen abzulehnen. Wenn sie mich jetzt bitten würde, das Hemd auszuziehen, ich würde es ohne Nachdenken machen. Aber das tat sie natürlich nicht.

Und so schaute sie mich auch nur fragend an und sagte schließlich: „Was führt dich her? Wo ist Celien?" War ich denn so oft mit Celien zusammen unterwegs, dass mich jeder nach ihr fragte? Ich beantwortete mir meine Frage selbst: Ja, in letzter Zeit war ich das wohl. Aber nur, weil ich Rasten damit einen Gefallen tat.

„Ich würde gerne mit dir über etwas reden", murmelte ich, „und außerdem will Celien bestimmt wissen, wie es dir geht."

Sie ging zuerst auf den letzten Teil meiner Antwort ein. „Gut, ich glaube Celien kann die Fäden bald entfernen. Es ist zwar schön, frei zu haben und sich auszuruhen, aber mir wird fast schon langweilig." Sie lachte. „Unkraut vergeht nicht."

„Schön zu hören. Ich richte es ihr aus."

„Worüber wolltest du denn mit mir reden?" Sie schaute mich neugierig an und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe.

Ich suchte nach Worten. „Also..." Sie wartete und zog die Augenbrauen noch weiter nach oben. „Also was?"

„Also...", setzte ich erneut an. „Celien und ich waren bei Arnoldo dem Gewürzhändler und ich glaube, ich habe mich in seine Tochter verliebt." Erleichtert atmete ich aus. Es war gesagt.

„Oh! Und Celien?" Sie wirkte überrascht. Was sollte mit Celien sein?

„Celien geht es gut", sagte ich. „Ich glaube, sie ist ebenfalls verliebt", fügte ich hinzu, weil mich Verenne seltsam anschaute.

Ich konnte ihren Blick nicht deuten. „Ja, das ist sie wohl", murmelte sie schließlich.

Ich wollte jetzt nicht über Celien sprechen. Ich hatte sowieso schon das Gefühl, dass ich über nichts anderes mehr sprach. Deswegen war ich nicht hier.

„Kannst du mir helfen?", fragte ich Verenne. Wenn jemand wusste, was ich jetzt tun sollte, dann sie.

„Lass mich mal überlegen", meinte sie. „Du hast das Mädchen gestern zum ersten Mal gesehen und jetzt bist du verliebt?" Ihre Stimme klang ungläubig und erstaunt.

„Ja, ich kann nicht aufhören, an sie zu denken. Sie ist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe", gestand ich ihr.

Verenne zog eine Schnute und setzte eine empörte Miene auf. „Jetzt bin ich aber beleidigt." Sie spielte die Gekränkte und schürzte ihre Unterlippe.

„Ach komm schon", entgegnete ich. „Kannst du mir helfen?" Verenne schüttelte lachend den Kopf. „Du bist unmöglich Parrik. Weißt du das?" Ich meinte, eine Spur von Tadel in ihrer Stimme erkennen zu können.

„Bin ich nicht", widersprach ich deshalb. „Kannst du mir sagen, was ich jetzt machen soll?" Ich schaute sie erwartungsvoll an.

„Das kostet aber extra." Sie grinste und ihre weißen Zähne blitzen in ihrem Mund auf.

„Schon gut. Wenn du mir helfen kannst, bezahle ich dir sogar eine Belohnung oben drauf." Ich hatte einiges Geld angespart und ich brauchte einfach ihre Hilfe.

„War bloß ein Scherz." Sie grinste mich immer noch kopfschüttelnd an. „Parrik, hör mir mal zu. Ich glaube es gibt viele Mädchen, die gerne mit dir zusammen wären."

Und wo hielten die sich versteckt? Ich hatte noch keine getroffen. Und warum klang sie dabei so ernst? Ich entgegnete ihr, dass ich ihr nicht glaubte.

„Parrik!" Ihre sanfte Stimme klang jetzt eindringlich. „Findest du wirklich, dass ein reiches, verwöhntes Gör aus dem oberen Viertel zu dir passt? Würde sie dich wirklich glücklich machen? Und was würde sie mit dir anfangen? Du bist ein Schmied. Sie die Tochter eines reichen Vaters."

Ich wusste es nicht, glaubte schon, dass sie mich glücklich machen würde und nickte bestätigend. Woraufhin Verenne ihren Kopf schüttelte.

„Ich glaube, du bist geblendet von ihrem Aussehen. Du kannst doch noch gar nicht wissen, ob sie zu dir passt. Weißt du, was für ein Mensch sie ist?" Verennes Frage war nicht unberechtigt. Ihr Aussehen hatte mich umgeworfen. Mara war bestimmt eine tolle Person.

„Ich will sie kennenlernen", versicherte ich Verenne. „Sie ist sicher in Ordnung."

„Sei vorsichtig, Parrik. Verwechsle nicht Schwärmerei mit Liebe", warnte sie mich. „Ich finde, ein nettes Mädchen aus deiner Nachbarschaft passt bestimmt besser zu dir. Du hast es verdient, glücklich verliebt zu sein." Sie legte eine Hand auf meinen Arm.

„Hast du eine Idee, wie ich sie näher kennenlernen kann?", wollte ich wissen. „Dann werde ich es schon herausfinden." Etwas anderes wollte ich doch gar nicht.

„Woher soll ich das wissen?" Verenne wirkte beleidigt. Hatte ich etwas Falsches gesagt?

„Weil du sonst auch immer alles weißt", sagte ich. „Und weil ich nicht weiß, mit wem ich sonst darüber reden könnte."

„Danke, sehr freundlich, dass du an mich gedacht hast", sie lachte wieder. Ihre Hand lag noch immer auf meinem Arm. „Lass mich mal überlegen. Du könntest vorgeben, irgendwelche Gewürze für deine Mutter einkaufen zu müssen. Dann triffst du sie oder fragst ihren Vater nach ihr. Kommst mit ihr ins Gespräch und alles Weitere ergibt sich schon." Verenne wirkte nachdenklich. Sie öffnete ihren Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder.

„Das wäre eine gute Möglichkeit", gestand ich. Warum war ich nicht selbst auf diese Idee gekommen? So würde ich es machen. „Danke!" Ich drückte das schlaue blonde Mädchen stürmisch an mich.

„Vorsichtig", kicherte sie. „Nicht so fest, ich bin noch nicht ganz wieder hergestellt und du willst doch nicht, dass ich dir das in Rechnung stelle." Sie schob mich mit einem Zwinkern von sich und ihre Miene wurde schlagartig ernst. „Aber im Ernst, Parrik. Du bist ein toller Mensch. Du hast es verdient, mit einem klugen und liebevollen Mädchen zusammen zu sein. Ich glaube bloß nicht, dass sie es ist."

„Wir werden sehen", sagte ich und verabschiedete mich von ihr. Ich wusste jetzt, was ich zu tun hatte.



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