Sonntag - 47.2 - Varieté Wintergarten
Don't forget - it's fiction!
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Abenteuerlustig ziehen die Jungs los und stürzen sich ins Berliner Getümmel. Als sie auf Höhe der alten Kommandantur aus der S-Bahn auftauchen, staunen sie über die Dimensionen der Prachtstraße "unter den Linden", die mit dem Mittelstreifen für Fußgänger zwischen zwei Reihen von alten Linden viel mehr ist als eine viel befahrene Durchgangsstraße. Sie bummeln unter den Bäumen entlang, die grade erst mit frischem Grün ausschlagen. Am anderen Ende der Allee können sie das Brandenburger Tor erkennen. Auf dem Weg dahin sehen sie einen Luftballonverkäufer, kaufen sich ein Eis, schaukeln kurz auf einem Spielplatz und bestaunen die Prachtbauten, die die 60 Meter breite Straße säumen.
Kurz vor dem Brandenburger Tor schwenken die Fahrspuren nach rechts weg, und die Straße öffnet sich zum Pariser Platz. Touristen flanieren und fotografieren, Kinder flitzen rum und spielen fangen, eine gelangweilte Urlaubergruppe hört mehr oder weniger - nicht - ihrem Führer zu. Plötzlich dringt Musik an ihre Ohren. Ihre Augen suchen die Quelle und finden sie in einem Ring von zuschauenden Menschen. Wie auf Kommando ziehen sie ihre Kapuzen tief ins Gesicht und schieben ihre Schals vor die Gesichter. Denn: was sie hören, ist „Fire".
„Abtauchen oder mitglotzen?"
Yoongi flüstert vorsichtig. Aber die Antworten variieren von „Scheiße!" und „Weg hier!" über „Weiß nich" und „Uuuups!" bis zu „Cool" und „Ich will zukucken." Und so bleiben sie erstmal unschlüssig stehen. Dann geben sie sich einen Ruck, gehen zu den Zuschauern und finden an der einen Seite noch einen Platz ganz vorne. Einige junge Erwachsene, Mädels, aber auch Jungs, haben sich vor einer Rasenfläche aufgebaut und tanzen zu K-Pop-Songs. Der Schluss von „Fire", den sie grade noch mitkriegen, sieht schon mal nicht schlecht aus! Dann folgen ein paar Songs anderer Bands, und es ist offensichtlich, dass diese Truppe regelmäßig trainiert. Die haben es echt drauf! Sie tragen einfach schwarze Hosen und ziehen immer mal andere Jacken an.
Als aus dem Ghettoblaster das charakteristische Pfeifen zu hören ist, zuckt Hobi. Aber sofort halten ihn drei Paar Hände fest und Namjoon flüstert.
"Hobi! Aus! Sitz! Mach Platz! Das hier ist nicht das Monti sondern ein Haufen sensationshungriger Touris. Reiß dich zusammen!"
Seufzend entspannt sich Hobi wieder.
„Was denn nu??? 'Sitz!' oder 'mach Platz!'?"
Frustriert knurrt er zurück. Inzwischen wird allerdings klar, dass es sich um eine Art Flashmob handeln muss, denn bei jedem Lied kommen ein paar mehr Leute dazu, und die sind alle echt gut. Die ursprünglichen Tänzer haben sich diesmal Jacken angezogen, an denen man genau erkennen kann, wer von ihnen welchen Part tanzt. Die Glitzerjacke, der Streifenpulli, Taes Kravatte, das weiße Hemd über rotem T-shirt. Alles da. Bei dem DNA-Knoten geht ein Raunen durchs Publikum.
Aber der Flashmob geht noch weiter, etwas ungewöhnlich allerdings. Denn auf einmal ziehen die Tänzer sich Leute aus dem Publikum dazu und animieren sie, mitzutanzen. Und tatsächlich hat es auch Jimin und Jeongguk erwischt. Da stehen sie nun vorne und haben nicht mal die Gelegenheit, sich abzusprechen, ob sie sich doof stellen oder loslegen. Sie können grade noch ihre Schals über den Kapuzen fest um ihre Hälse und Münder wickeln, damit nicht aus Versehen die Kapuzen runter rutschen. Es ertönt „Dope", und ihre Reflexe sind stärker als die Vernunft. Während es bei den anderen Zuschauern doch sehr viel Gelächter gibt, weil sie einfach nicht hinterher kommen, müssen sich die beiden echt zusammenreißen und ein paar absichtliche Fehler und Verzögerungen einbauen. Nach ein paar weiteren Songs von anderen Bands machen die Tänzer eine Pause, und Hobi seufzt nochmal.
„Oh Mann! Das war fast fehlerfrei. Ich würde am liebsten ein bisschen mit denen üben."
Namjoon schaut recht nachdenklich.
„Mich würde viel eher interessieren, warum die alle jetzt schon hier sind. Die Konzerte sind doch erst Dienstag und Mittwoch. Und die meisten müssten doch Schule haben bis dahin!"
Jimin und Guk stoßen wieder zu ihnen, und die Menge verläuft sich. Leider achten sie nicht darauf, dass sie am Ende als Gruppe aus sieben vermummten Menschen alleine dort stehen, weil alle anderen gegangen sind. Und schon sind sie von den grinsenden Tänzern umringt. Das Mädel, das vorhin die Glitzerjacke getragen hat, geht direkt auf Jimin zu und fragt einfach.
„You are the real Jimin, am I right?"
Namjoon schaltet sofort, bittet die Tänzer, ihre Privatsphäre zu wahren und sich unauffällig zu verhalten. Und dann bestätigt er, was die jungen Leute schon wussten. Jimin selbst ist total veblüfft.
„Woher weißt du, dass ich das bin?!"
Er lässt Namjoon übersetzen.
„Wenn man sich das Trainingsvideo so oft anschaut, dass man das nachtanzen kann, dann hat man jede kleinste Bewegung hundertmal gekuckt und kennt jede noch so kleine typische Bewegungsart seines Charakters. Du hättest noch hundert Fehler einbauen oder in einem Müllsack stecken können. Ich hätte dich immer und überall erkannt! Und ich mag deine Art zu tanzen total gerne. - Und- ja! - du darfst das Kompliment annehmen. Hör auf, dich zu verstecken."
Jimin strahlt hinter seinem Schal vor sich hin.
Hobi ist neugierig.
„Wie lange trainiert ihr das schon? Ihr seid echt gut. Wir hätten uns auch ohne die Jacken problemlos wieder erkannt. Und dein Taemin", er zeigt auf einen der Typen mit Locken und Spitzbubengrinsen, „der war auch sofort zu erkennen. Ihr tanzt das nicht nur, ihr fühlt euch richtig in die einzelnen Tänzer rein!"
Jetzt strahlen die jungen Leute.
„Wir sind die Abschlussklasse der Berliner Artistenschule, und wir tanzen diese K-Pop-Choreos, um Beweglichkeit, Koordination und Synchronisation zu trainieren."
Jin fragt nach.
„Was ist denn die Artistenschule?"
Sofort schauen die jungen Leute stolz.
„Das ist ein Gymnasium, wo man neben der normalen Schullaufbahn auch noch eine richtige Artistenausbildung macht. Wir trainieren Akrobatik, Hochseil, Jonglage, lernen Bühnenpräsenz, choreografieren - alles Mögliche. Und haben dann mit dem Abitur gleich auch noch eine Ausbildung in der Tasche."
Ein ziemlich muskulöser Typ und die Jimin-Frau nicken sich kurz zu, und schon steht die Frau auf seinen Schultern, macht einen Handstand auf seinen hochgereckten Händen, wickelt sich an ihm runter, steht auf ihren Füßen und wirbelt gleich wieder durch die Luft. Den sieben Koreanern fällt die Kinnlade runter. Das Mädel kommt wieder auf ihre Füße und schwärmt sofort los.
"Und wir haben Karten für Mittwoch und freuen uns einen Wolf darauf, euch live zu erleben."
Namjoon zögert kurz, dann springt er über seinen Schatten.
"Wir machen normalerweise keine Selfies, aber wenn ihr wollt ..."
Das lassen sie sich nicht zweimal sagen. Sie stellen sich zusammen mit ihren jeweiligen „Rollen" - was ziemlich lustig aussieht, weil die Deutschen durch die Bank viel größer sind als ihre Vorbilder - und machen eine Reihe von Bildern. Ohne Schals vor den Gesichtern natürlich. Am Schluss gibt Namjoon ihnen noch eine Telefonnummer und nennt als Codewort „Artistenschule".
"Wenn ihr zu der Tür geht, die am allermeisten links ist, und von dort aus das Stichwort an diese Nummer schreibt, dann kommt jemand und holt euch ab. Dazu müsst ihr aber schon um 14:00 Uhr dort sein. Ihr könnt dann den Nachmittag mit uns mit laufen. Lust drauf?"
Heftiges Nicken und strahlende Augen sind die Antwort. Dann verabschieden sie sich, um zum Brandenburger Tor zu gehen, und lassen sieben glückliche, quietschende und hopsende junge Leute zurück.
Den Rest des Nachmittags bummeln sie durch das Brandenburger Tor und zum Reichstag, schießen viele Fotos und genießen die Stimmung. Dann fahren sie mit der S-Bahn zurück zum Hotel, duschen und stylen sich alle und ziehen die schicken Klamotten an, die ihnen bereit gelegt wurden. Chris empfängt sie mit einem anerkennenden Pfiff im Foyer. Tae steckt ihm schnell noch einen Zettel zu.
„Da sind wir 2014 aufgetreten, als uns noch keiner kannte. Kannst du irgendwie organisieren, dass wir da einfach mal rein können? Vielleicht Dienstag oder Donnerstag Morgen? Wir würden einfach gerne nochmal ein paar Fotos auf dieser Bühne machen."
Chris verspricht, sich darum zu kümmern, und geleitet sie zu den wartenden Taxis.
„Habt ganz viel Spaß heute Abend!"
Bald schon tauchen die Jungs ein in das edle Ambiente des Wintergartens. Dunkles Holz, roter Samt, spiegelnde Vitrinen mit Plakaten und Roben seit den 20er Jahren, glitzernde Kristalllüster und jede Menge edel gekleideter Menschen empfangen sie und lassen sofort ein ganz besonderes Gefühl aufkommen. Von einem Angestellten in Livrée werden sie zu einem Tisch im Saal geleitet, ein Kellner bringt ihnen die Speisenkarte und empfiehlt ihnen Weine und andere Getränke zu ihren Menus. Und - sehr angenehm - niemand kennt sie. Sie dürfen sich ganz ungezwungen bewegen und alles genießen.
Während sie die Delikatessen genießen, gebinnt die Show „Let's twist again!" Zu den Klängen von Rockabilly, Rhythm &Blues und Twist, aber auch moderneren Sachen wie den Blues Brothers und sogar Amy Winehouse explodiert ein Feuerwerk der Artistik. Sie sehen kunstvolle Roller-Skater auf einem beunruhigend kleinen, runden Podest, ...
... HoolaHoop-Reifen, Handstandartistik und Basketball-Jonglage.
Mal schwingen sich die Künstler am Trapez über ihre Köpfe, mal verbinden drei Frauen ganz spielerisch Tanz und Akrobatik, ...
mal albert sich der Conférencier pantomimisch durch die ersten Reihen des Publikums oder singt in Frack und Zylinder mit näselnder Stimme 20er-Jahre-Schlager.
So etwas haben die Jungs noch nie erlebt. Wieder ist es ihnen gelungen, mit Hilfe von Chris, etwas Außergewöhnliches zu finden. Und bis auf den Sänger können sie auch alles verstehen, denn Artistik kennt keine Sprache außer der des Körpers. Und DAS verstehen sie selbst zu gut. Mitreißende Musik, fantastisches Essen, ausgelassene Stimmung, hohe Kunst der Artistik. Es ist ein wunderbarer Abend.
Bei einer Überleitung zwischen zwei Nummern will der Conférancier ein paar Zaubertricks zeigen und braucht dafür Hilfe aus dem Publikum. Noch ehe Namjoon ganz verstanden hat, worum es geht, und irgendwas übersetzen kann, steht der Mann im Frack schon vor Jin und zieht ihn von seinem Stuhl. Uuuups, jetzt wird's spannend ...
Andererseits - hei, Moderation ist doch eine seiner leichtesten Übungen. Er muss sich nur konzentrieren, damit er kapiert, worum es geht. Also flüstert er dem Mann auf dem Weg zurück zur Bühne zu:"A little bit English, no German." Der zögert einen Moment, sagt dann aber:"No problem!" und zieht ganz professionell seine kompletten Zaubertricks pantomimisch durch. Jin ist in seinem Element. Er assistiert bei ein paar Tricks, zieht hier eine Karte aus einem Stapel, lässt sich dort eine Münze aus seinem Ohr ziehen und versprüht einfach die ganze Zeit seinen reichlich vorhandenen Charme. Am Schluss bekommt er einen donnernden Applaus, vor allem von seinem eigenen Tisch, und kann es nicht lassen.
Mit toternster Miene wirft er seine berühmten Kusshände ins Publikum und die Rose aus seinem Knopfloch gleich hinterher. Begeistertes „oooohhhhhh" und „aaaahhhhhh" ist sein Lohn dafür, während er grinsend zurück zu seinen Freunden geht, die sich dezent über ihn schlapplachen.
Nach der Show bleiben sie wie viele andere noch eine Weile sitzen und trinken in Ruhe ihre Getränke aus, während die Musiker noch einige dezente Chansons spielen.
„Na, siehst du, Tae. Wir haben doch eine ganze Menge von Berlin. Heute war schon mal super. Was wir hier zu sehen bekommen haben, habe ich echt noch nie gesehen. Und morgen wird Chris sicher eine Tonne interessanter Stories für uns haben. Ich bin grade einfach müde und glücklich!"
Jin schwärmt und ist sehr zufrieden mit sich.
„Ich denke allerdings, dass ich ab jetzt so beschäftigt sein werde, dass ich den Manager-Job gerne wieder zurück an den Staff geben will. Ich hab einfach den Kopf nicht mehr frei für endloses Googeln, Lesen und Entscheidungen treffen."
Tae freut sich ehrlich über das Kompliment.
„Das ist doch völlig in Ordnung!"
Namjoon beruhigt ihn gleich.
„Du hast uns jetzt mehrere Wochen lang unter erheblichem Zeitaufwand durch halb Europa geführt. Wir hatten unglaublich viel Spaß, Überraschungen und beglückende Momente. Du hast mit traumwandlerischer Sicherheit immer gefunden, was uns allen gefallen hat. Danke! Und jetzt gibst du den Staffelstab einfach weiter, weil auch du dich auf London, Billboard und das Comeback konzentrieren willst und musst."
Die anderen applaudieren ihm, und Tae strahlt erleichtert.
„Apropos Stress - Jungs, wir sollten zusehen, dass wir ins Bett kommen. Wir müssen jetzt auf ausreichend Schlaf achten. Ich würde gerne aufbrechen."
Yoongi gähnt demonstrativ hinter vorgehaltener Hand. Der letzte Schluck Wein wird getrunken, und dann begeben sie sich zum Ausgang, heuern zwei Taxis und sind bald darauf im Hotel und in ihren Betten.
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23.3.2019 - 8.6.2019 - 4.11.2019
27.4.2020
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