Montag - 48.1 - Spaziergang durchs alte Berlin
Don't forget - it's fiction!
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Montag Morgen in Berlin. Neugierig machen sich die Jungs von BTS auf ins Foyer und laufen, mit Kameras und guter Laune bewaffnet, zur S-Bahn. Vor dem Bahnhof „Friedrichstraße" wartet bereits Chris auf sie und begrüßt sie gut gelaunt mit Handschlag.
„So! Heute Vormittag werdet ihr mit mir einen Ritt kreuz und quer, vor und zurück durch die Geschichte Berlins machen. Bitte anschnallen - es geht los!"
Breites Grinsen ist sein Lohn.
„Also - der Bahnhof Friedrichstraße lag grade noch so auf dem Gebiet von Ostberlin. Die SED - die einzige Partei in der DDR - hat diesen Bahnhof unterirdisch zum Grenzübergang ausgebaut. Hier kamen die 'Wessies' in den Ostteil der Stadt, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Dazu mussten sie auch Zwangsweise 25,- DM in Ostmark umtauschen. Hat der DDR schön viele Devisen eingebracht. Aber kaufen konnte man davon im Osten dann eigentlich nix. Noch heute tauchen diese Aluminium-Chips auf Flohmärkten auf. Wenn die Wessis wieder zurückfuhren, gab es oft viele Tränen, denn die DDR-Bürger durften ja nicht ausreisen. Die große Halle da unten heißt darum auch Tränenpalast. Heute ist es wieder ein ganz normaler Bahnhof."
Chris fährt mit ihnen nach unten in die „Katakomben" und zeigt ihnen die ehemaligen Grenzanlagen, die Kasse für den Zwangsumtausch und den Palast der Tränen.
Wieder oberirdisch setzen sie sich in Bewegung in Richtung Spree und kommen dabei am Admiralspalast vorbei. Die wunderschöne Art Deco-Fassade lässt Tae vor Entzücken aufseufzen. Die Kameras fangen wild an zu klicken. Auf der Weidendammer Brücke überqueren sie die Spree und bummeln dann eine Weile am Ufer entlang.
„Seht ihr den Fernsehturm da hinten?"fragt Chris. „Der mit der großen Kugel aus lauter Fassetten. Das ist der Ostberliner Fernsehturm, jeder Teil der Stadt hatte natürlich einen eigenen. Die Berliner nennen diese Kugel 'die Rache des Papstes'."
„Der Ostblock war ja angeblich ideologie- und damit auch religionsbefreit. Aber wie ihr seht, entsteht durch das Licht in diesen Fassetten der Kugel ein Kreuz. Bei jedem Wetter und aus jedem Winkel. Das war am Anfang noch viel stärker zu sehen. Und das passte den Politikern natürlich nicht. Also haben sie diese ganze Kugel in schwindelnder Höhe komplett entspiegeln lassen. Als das Gerüst weg war, hat sich gezeigt, dass sich der liebe Gott nicht so einfach vertreiben lässt. Das Kreuz war und ist immer noch sehr gut zu sehen."
Ein breites Grinsen ziert alle Gesichter, während sie abwechselnd in die Hocke gehen, um sich gegenseitig mit der Kugel und dem Kreuz darauf zu fotografieren.
Nun laufen sie die Tucholskystraße entlang.
„An dem dauernden Wechsel zwischen alten und mehr oder weniger hässlichen neuen Gebäuden könnt ihr gut ablesen, WIE kaputt Berlin nach dem 2. Weltkrieg war. Jedes neuere Haus steht für einen Bombeneinschlag. Berlin war die letzte Stadt, die fiel, noch ganz am Schluss haben sich die Deutschen auf Hitlers Befehl hin verbissen gewehrt, und die Alliierten mussten sich wirklich Haus für Haus und Straße für Straße durch die ganze Stadt kämpfen. Jedes Loch in den alten Hauswänden ist ein Einschuss von damals."
Die Jungs müssen schlucken. Irgendwie machen diese Einschusslöcher den Krieg real und die Menschen sichtbar.
Als sie die Oranienburger Straße erreichen, sehen sie etwas weiter rechts sofort die prächtige Kuppel der Neuen Synagoge, die erst nach dem Fall der Mauer aufwändig wieder restauriert wurde. Während er den Erzählungen von Chris und den Übersetzungen von Namjoon lauscht, hält Jimin seinen Blick am Boden. Da fällt ihm etwas auf.
„Du, Chris? Was sind das für goldene 'Steine' vor vielen der Häuser? Da steht was drauf!"
„Das sind sogenannte 'Stolpersteine'. In diesem Viertel haben sehr viele Juden gelebt vor dem Krieg. Wegen ihrer religiösen Gesetze haben sie immer versucht, möglichst nahe an einer Synagoge zu wohnen. Und jeder dieser Messing'steine' steht für einen jüdischen Menschen, der in dem entsprechenden Haus gelebt hat, bis die Nazis ihn, sie, die ganze Familie abgeholt, in ein Konzentrationslager gebracht und ermordet haben."
Sofort bleiben alle stehen und versuchen, die Namen zu lesen.
„Wisst ihr, was die Konzentrationslager waren?"
Namjoon nickt beklommen. Das ungute Gefühl ist sofort wieder ganz präsent.
„Wir waren in Am*dam im Anne-Frank-Haus. Das hat uns ziemlich mitgenommen."
Jimin kniet nieder und fährt vorsichtig mit der Hand über einen Stolperstein.
„Es ist gut, dass diese Dinger hier liegen. So bekommen diese ungewollten, ungeliebten Menschen wieder einen Namen und ihre Würde zurück!"
Tae entdeckt vor dem nächsten Hauseingang schon wieder solche Steine. Er schaut genauer hin und erschrickt.
„Schaut mal. Dieser Mensch ist nur 13 Jahre alt geworden. Das ist so schrecklich!"
Mit etwas gedämpfter Stimmung überqueren sie die Straße und stehen nun direkt vor der hohen Fassade. Die Synagoge ist von beiden Seiten von Häusern eingeklemmt, und die goldverzierten Kuppeln leuchten in der Sonne. Chris fragt vorsichtig nach.
„Ich denke, wir gehen da jetzt nicht rein, oder? Das ist interessant, braucht aber Zeit. Und ihr habt offensichtlich euren Schock schon gehabt , ..."
Die Jungs nicken nur und gehen weiter. Aber die vielen, vielen Stolpersteine, die anscheinend vor jedem Haus hier liegen, ziehen ihre Blicke magisch an. Es fällt ihnen echt schwer, den Blick wieder zu heben. Chris wechselt wieder die Straßenseite, so dass sie nun am Montbijoupark entlang gehen. Kurz danach biegt er wiederum auf der anderen Seite in ein völlig privat aussehendes Hoftor ein. Dahinter öffnet sich der Innenhof zu einem kleinen, privaten Park. Chris lädt sie ein, sich auf ein paar Bänke zu setzen, und fängt an zu erzählen.
„Achtung, ein bisschen europäische Geschichte. Im 19. Jahrhundert begann in Deutschland die Industrialisierung. Gleichzeitig gab es in den Ländern Osteuropas unendliche viele arme Menschen und ganz besonders viele verarmte Juden, die in den meisten Fällen auch unter Verfolgung leiden mussten. Als in Deutschland Arbeiter gesucht wurden, machten sich all diese Menschen auf den Weg und landeten in den Ballungszentren hier im Westen, um Arbeit zu suchen. Alle Familienmitglieder mussten hart arbeiten, auch die Kinder. Und diese Menschen mussten irgendwo wohnen. Also baute man Häuser an Häuser. Ganze große Areale zwischen den Straßenzügen wurden vollgebaut. Und Zugang zu den Häusern gab es nur über solche Hofeinfahrten wie die, durch die wir grade gegangen sind. Bevor das alles im Krieg zerstört wurde, gab es ganze Stadtviertel, die aus solchen ineinander geschachtelten Häusern bestanden. Auch dieser Park war ursprünglich voll mit diesen Häusern und nur kleinen Höfen dazwischen. Da drüben könnt ihr in so einen nun offenen Hof reinsehen, weil das Haus davor weg ist. Wenn wir also gleich zu den 'Hackeschen Höfen' kommen, werden wir eintauchen in diese Welt. Wir werden durch irgendein Hoftor reingehen und völlig wo anders wieder rauskommen, ohne dazwischen eine Straße gesehen zu haben. Aber dafür haben wir dann zig Häuser und noch mehr Hauseingänge gesehen, die alle innen an diesen Höfen liegen. Die Höfe sind eng, die Häuser hoch. Und früher waren die natürlich auch nicht begrünt. Es war dunkel, stickig, die Wäsche von hunderten von Menschen flatterten aus den Fenstern, der Müll stapelte sich, Kinder spielten unbeaufsichtigt, denn ihre Eltern arbeiteten beide von früh bis spät in den Fabriken. Die Kohleöfen verpesteten die Luft. Aber diese Menschen hatten ein Dach über dem Kopf und Arbeit. Darum waren sie hier."
Chris erhebt sich, und sie gehen zurück zur Straße.
„Heute sind die letzten Hinterhöfe, die den Krieg überlebt haben, sehr begehrte Wohnviertel. Schicke Boutiquen und Kneipen, Kinos und Künstlerateliers sind hier zu finden. Ich bin gespannt, wie es euch gefällt."
Mit neuem Schwung folgen die Jungs Chris zur Kreuzung „Hackescher Markt". Dort tauchen sie durch so eine Hofeinfahrt ein in eine völlig andere Welt. Gleich in der Einfahrt machen sie allerdings eine Vollbremsung.
Sie werden förmlich erschlagen von einer Unmenge an Briefkästen. Alt und neu, sauber und beklebt, vollgesprayed und verbeult. Hunderte hängen zu beiden Seiten an den Wänden. Plakate dazwischen. Die ganzen Wände sind voll.
„Ähm. Wer kriegt denn diese ganze Post???"
Jeongguk starrt die volle Wand an.
Chris muss grinsen.
„Ich hab ja gesagt. Hier ist das Tor, und dahinter ist eine ganze Welt. Der Briefträger geht da nicht bis hinten durch. Das heißt: alle, die irgendwo da drin wohnen, haben in einem der Eingangstore ihren Briefkasten."
Nun schlendern sie in den ersten Hof und sind verblüfft. Eine wunderschöne Jugendstilfassade thront über Cafétischen, die zum Verweilen einladen. Überall stehen Blumenkübel, und kleine Geschäfte locken mit schönen Auslagen.
„Schaut mal hoch."
Chris bleibt stehen und zeigt nach oben.
Der nächste Hof ist ganz anders, viel familiärer. Und die Fassaden sind begrünt.
Sie kommen an einem Kino vorbei. Dann folgt ein ziemlich abgewrackter Hof. Aber zwischen den Häusern sind bunte Wimpel gespannt. Die Menschen scheinen sich hier wohlzufühlen. Erst nach einer ganzen Weile „spucken" sie die Hackeschen Höfe wieder aus.
„Lasst uns hier kurz in das Treppenhaus schauen."
Chris geht auf eine Haustür zu. Wieder sind die Jungs total verblüfft. Sie schauen hoch in ein spiralförmiges Treppenhaus, das ein einziges, zauberhaftes Kunstwerk ist.
„Ähhh, sagtest du nicht was von Arbeitern und bettelarm und so?"
Irritiert kratzt Namjoon sich am Kopf.
„Jaaa, hinten drin schon. Aber die Fassaden hier zu den großen Straßen, die waren schon immer viel schöner, denn in diesen Vorderhäusern wohnten durchaus betuchte Leute. Das waren schicke Stadthäuser. Und da passt natürlich so ein repräsentatives Treppenhaus sehr gut dazu."
„So Jungs. Wenn ihr um 13:00 in der Halle sein wollt, müsst ihr euch allmählich wieder zurück zum Hotel begeben. Berlin hat noch unendlich viel mehr zu bieten, aber ich hoffe, für heute habe ich euren Geschmack getroffen. Das hier ist ein echtes Stück Urberlin."
Die Jungs bedanken sich sehr bei Chris, denn in der Tat hat es ihnen total gefallen, einfach mit einem Einheimischen durch die Stadt zu bummeln.
„Was kriegst du denn für die Privatführung?"
Namjoon schaut ihn fragend an. Doch Chris zeigt ihm einen Vogel.
„'Nischt!' heißt das auf Berlinerisch. Es hat mir riesig Spaß gemacht. Schickt mir hinterher ein paar Fotos."
Namjoon denkt sich seinen Teil und fragt nur harmlos weiter.
"Sehen wir dich nochmal?"
„Klar! Ich hab morgen Frühdienst. Wenn ihr mal unten frühstückt, kriegt ihr den Extra-Chris-Service. Es wird mir eine Ehre sein! Gibt es etwas, was ihr besonders mögt zum Frühstück?"
Yoongi holt tief Luft, doch Jin kommt ihm zuvor.
„Sags nicht!"
Chris wird hellhörig, und so fragt er Yoongi direkt.
"Was hättest du gerne?"
Also bleibt Namjoon nichts anderes übrig, als unter Jins Schnauben, Yoongis Strahlen und dem Gelächter der anderen zu verraten, dass Yoongi Milchreis liebt.
„O.K. Kommt, ich bring euch noch zum Hackeschen Markt, da könnt ihr in die S-Bahn steigen. Die Jungs staunen ziemlich, wie lange es dauert, um den ganzen Gebäudekomplex drumrum zu laufen, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Mitten durch ging eindeutig schneller! Am Bahnhof verabschieden sie sich für heute von Chris und fahren mit der S-Bahn zurück zum Hotel.
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24.3.2019 - 11.6.2019 - 4.11.2019
27.4.2020
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