Montag - 34.7 - Begin
Don't forget - it's fiction!
....................................................................................................................
Markus köpft ein paar Flaschen Wein, Bier wandert aus dem Keller rauf, ein bisschen Soju von unserem Abschiedsfest ist noch da. Der Abend plätschert dahin, hier und da ergeben sich gute Gespräche, wir lachen sehr viel über Insider aus der gemeinsamen Zeit und die Stimmung ist wunderbar entspannt. PD und Sung-Deuk sind vollständig integriert und fühlen sich offensichtlich wohl. Das hätte ich heute vor zwei Wochen niemals für möglich gehalten. Meine Familie sitzt mittendrin, es ist voll und manchmal laut und unglaublich gemütlich. Ich lehne mich innerlich einen Moment zurück und betrachte das Treiben. Dass es Jimin so schlecht ging, dass er herkommen musste, hat ja niemand gewollt. Aber was für ihn daraus gewachsen ist, ist wunderbar. Und auch nur deshalb sitzen wir hier jetzt so beieinander. In London werden wir diese Gelegenheit nicht nochmal haben. Dieser Abend ist ein Geschenk!
Hobi steht auf, geht in den Flur und kommt mit einem in Zeitung eingeschlagenen Gegenstand wieder.
„Tina? Ich ... das hier habe ich in Moskau gefunden. Die hatten kein schönes Geschenkpapier."
Mit diesen Worten reicht er mir das kleine Zeitungspaket. Ich wickele es vorsichtig aus und – bin einfach sprachlos!
Es ist eine kleine Glasfigur zweier sich im Tanz drehender Menschen, stilisiert und doch wunderbar erkennbar.
„Das ist für mich?"
Hobi nickt.
„Wir waren in so einem Megakaufhaus in Moskau. Und ... die tanzen. Ich dachte, es ist vielleicht eine kleine Erinnerung an mich ..."
Einfach nur glücklich nehme ich Hobi in die Arme. Aber wenn ich mir eingebildet habe, dass ich damit durch bin, habe ich mich getäuscht. Denn nun greift Namjoon in seine Hosentasche und zieht ein ganz kleines Stoffbeutelchen heraus.
„Das MUSSTE ich einfach für dich mitnehmen. Ich ... hab auch eins für mich ..."
Aus dem Stoffbeutel kommt ein kleiner Anhänger aus Bernstein in der Form eines Engels zum Vorschein.
„Bernstein scheint DAS Material des Ostens zu sein. Da waren überall Shops mit Bernsteingegenständen und Schmuck."
Ganz verzaubert starre ich auf den kleinen Engel in meiner Hand, und mein Herz will überlaufen vor Glück über das Symbol hinter diesem Geschenk. Derweil holt Guk eine kleine Schachtel aus seiner Jackentasche.
„Wenn jetzt alle auspacken, mache ich mal weiter. Ich habe nämlich auch was aus Bernstein, aber für Jimin, weil er ja nicht dabei sein konnte."
Nun greift Jimin zu, und er findet in der kleinen Schachtel einen aus einem einzigen großen Bernstein geschnittenen Hasen, einen Tokki, wie er in Korea heißt.
Während Jimin strahlend Guk um den Hals fällt und dann die feine Schnitzerei und das Leuchten des Bernsteins bewundert, erklärt Kwon uns schnell die Bedeutung.
"Das Kaninchen ist in der koreanischen Mythologie das Symbol für Glück, ein langes Leben, aber auch für Selbstlosigkeit. Menschen mit Sternzeichen Hasen sind sehr sensibel, haben Humor und hervorragendes Talent im künstlerischen Bereich."
Allmählich ahne ich etwas. Jetzt fehlen nur noch Tae, Yoongi und ... Jin erhebt sich, kommt zu mir und streckt mir seine Hand entgegen. Was er mir schenkt, ist noch so ein zauberhaftes Kleinod! Es ist ein winziger, aus einem Rosenquarz geschnittener Elefant. Ich könnte heulen vor Freude.
Korrigiere – ich bin inzwischen so berührt von all den lieben Gesten – ich heule.
„Jin, das ist so unglaublich schön! Ich danke dir so sehr!"
Versonnen stelle ich den Engel und den Elefanten auf meinen Gebetsteller, und als ich mich wieder zum Tisch drehe, sehe ich Namjoon und Jin strahlen vor Freude.
Tae ist derweil in der Garderobe verschwunden. Nun kommt er mit einem flachen Gegenstand wieder, flüstert kurz mit Kwon, lauscht angestrengt und streckt mir dann – ein kleines quadratisches Bild entgegen. Dazu sagt er nur ein Wort, auf Deutsch. "Freundschaft!"
Das wundervolle Bild trägt natürlich nicht grade dazu bei, dass meine Freudentränen irgendwann aufhören zu kullern. Auch Tae kriegt eine dicke Umarmung.
Das nächste kann ich mir nun nicht verkneifen. Mit einem provozierenden Grinsen schaue ich Yoongi an. Doch der lässt sich nicht schocken, auch nicht, als alle Blicke im Raum zu ihm wandern. Gelassen geht er zu seiner großen Tasche, aus der er vorhin Laptop und Tastatur gezaubert hatte – und holt ein richtiges Paket heraus. Dann beginnt er, sehr gemütlich, lauter ganz ähnliche, wunderschön bunte große Kaffeetassen daraus auszuwickeln.
Schließlich stehen acht Stück auf dem Tisch.
„Ihr habt hier so viele, schöne große Kaffeepötte. Als ich DIE sah, musste ich sofort an unsere gemütlichen Frühstücke denken. Und dann dachte ich, ich nehme Jimin auch eine mit. Und dann wurden es irgendwie acht. So haben wir jeder eine Erinnerung an diese Momente."
Mit viel „Ah!" und „Oh!" werden die farbenfrohen Muster und Ornamente bestaunt, und alle freuen sich wie Bolle. Ich finde einfach die Idee mal wieder total Yoongi-like.
„Außerdem muss ich die jetzt nicht mehr schleppen. Die tragt ihr jetzt schön alle selbst!"
Yooooooongiiii ... Wie typisch!
Nach dieser ausgiebigen Geschenkerunde entstehen wieder verschiedene Privatgespräche an den Ecken des Tisches, und der Abend plätschert weiter vor sich hin. Ich selbst lande irgendwann in einem Sessel und genieße einfach den Anblick. Jeongguk setzt sich irgendwann neben mich, und ich spüre, dass er etwas sagen oder fragen will. Aber er rückt nicht raus mit der Sprache. Also komme ich ihm entgegen.
„Wie geht es dir inzwischen, Jeongguk? Hast du was auf dem Herzen? Es hat sich einiges in dir bewegt in den letzten Wochen, stimmts?"
Er nickt. Stöhnt. Fährt sich unruhig mit den Fingern durch die Haare.
„Ich ... Du ... hast mir geschrieben, dass ich versuchen soll, die Gefühle meines dreizehnjährigen Ich's wieder zu finden. Ich ... Ich hab es ja vorhin schon gesagt: ich war oft einfach nur zu müde, um nach meiner Mutter zu weinen, und dann habe ich meine Gefühle einfach abgeschnitten. Genau das, was du vermutet hast. Und es war gut und wichtig, dass ich das jetzt eeeeendlich zum ersten Mal so aussprechen konnte. Aber als Jimin dann 'Lie' getanzt hat, ..."
Ich beiße mir auf die Zunge und warte ab, was kommt. Ich habe das geahnt nach Mauris Aktion.
Nicht vorgreifen, Übermutter. Es ist SEIN Weg!
„Ich habe plötzlich vor meinem inneren Auge gesehen, wie ich 'Begin' singe und tanze. Wie eine Maschine! ... War das Lied deshalb nicht in deiner Aufzählung deiner Lieblingssongs?"
Ehrlich sein? ... Ehrlich sein.
„Ganz genau. Du bist ein unglaublich guter Tänzer. Aber 'Begin' war für mich immer ... leer? Mechanisch? Es war so 'kuckt mal, was ich Dank euch alles gelernt habe!' und nicht 'Schaut her, wer ich durch euch geworden bin!' Verstehst du den Unterschied?"
Er lauscht meinen Worten nach, wie in sich geklappt. Dann schaut er mich an.
„Hmm, genau das ist es. Es ging wohl ums Beweisen, nicht ums Sein. Ich wollte den anderen meine Liebe und Dankbarkeit ausdrücken. Und all die unterdrückten Gefühle stecken ja auch in den Worten, die ich singe. Aber sie können nicht lebendig werden, so lange ich es nicht zulasse. Ich sage: ihr seid mein Anfang, ihr habt mich geformt. Aber indem ich sage, dass ich es nicht aushalte, wenn sie weinen ... – es klingt für mich auf einmal, als ob ich nur durch die anderen fühlen konnte, weil ich meine eigenen Gefühle so abgeschnitten hatte.
Jetzt könnte ich hingehen und versuchen, mit Hilfe dieses Songs meine eigenen Tränen, meine eigenen Ängste und Schmerzen und Verluste zu entdecken. Aber ich muss gestehen, ... Ich habe ein bisschen Angst, diese Büchse der Pandora zu öffnen. Wer weiß, was da alles zum Vorschein kommt?"
Sein Blick geht auf seine knibbelnden Finger. Ich ziehe seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
„Das kann dir niemand sagen, so lange du es nicht ausprobierst. Es kann sein, dass es jetzt noch nicht dran ist, weil du für die Tour, Billboard und das Comeback stabil sein willst oder solltest. Aber ewig wird sich dein Inneres Kind nicht mehr unterdrücken lassen. Es hat sich offensichtlich in den letzten Wochen bereits auf den Weg nach draußen gemacht."
Ich halte seine gepflegten Hände, damit er sich nicht vor Nervosität die Finger abreißt. Ich streiche mit dem Daumen über seine Hand und frage leise nach.
"Was brauchst du jetzt? Grade jetzt, ganz spontan?"
Jeongguk seufzt.
„Grade jetzt? Möchte ich wie Jimin sein und einfach kuscheln können, um mir eine Portion mütterliche Sicherheit abzuholen. ... Aber ich kann nicht."
Auwei, jetzt muss ich vorsichtig sein!
„Wer von dir kann nicht?"
Kwon sieht mich irritiert an. Kein Wunder – grammatikalisch war das grade ziemlicher Unsinn ... Ich erkläre es ihm.
„Ich glaube, dass da grade der beherrschte 20-Jährige mit dem einsamen 13-Jährigen kämpft. Versuch, es genau so zu übersetzen!"
Und das tut er dann auch. Nun schaut Jeongguk irritiert.
„Wer von ... oh!"
Das Wechselbad der Gefühle in seinem Gesicht spricht Bände. Ich hatte Recht, und er muss sich jetzt entscheiden.
Er schaut sich um. Als wollte er feststellen, ob er beobachtet wird. Oder sich von jemand die Erlaubnis holen. Oder hoffen, dass jemand für ihn die Antwort an die Zimmerdecke gepinselt hat.
„Jeongguk?"
Seine Augen finden wieder Halt bei mir.
„Glaubst du, dass irgend jemand hier dich auslachen wird? Oder schlecht von dir denken wird?"
Kopfschütteln.
„Wehrst du dich gegen dich selbst, weil du immer so verzweifelt versucht hast, es den Älteren gleich zu tun?"
Zögerliches Nicken. Ich breite – nur ein bisschen – die Arme aus.
"Du hast die Wahl."
Mit einem tiefen Aufseufzen lässt er sich fallen – in meine Arme und in seine unterdrückten Gefühle. Stumm kullern seine Tränen. Ich sehe ihm an, dass das ungewohnt für ihn ist und er sich an die Situation selbst erst gewöhnen muss. Aber er hat ja alle Zeit der Welt.
Ich schaue mich um und breche mal wieder in unendliche Liebe zu den Jungs und zu meiner Familie aus. Alle haben gemerkt, dass bei uns beiden aus dem Smalltalk ein sehr tiefes und wichtiges Gespräch geworden ist. Alle wollen natürlich wissen, wie es ihrem Bruder und Freund geht. Und alle verhalten sich mustergültig diskret, lassen sich exakt NICHTS anmerken, unterhalten sich weiter leise und geben Guk den Raum, sich ungestört bei mir zu holen, was er grade braucht. Auch Markus gibt mir mit einem Nicken sein O.K. Sie sind einfach alle wunderbar.
Es dauert einige Minuten, bis Jeongguk sich so weit entspannen und die Situation annehmen kann, dass er sich tatsächlich an mich kuscheln kann. Ganz vorsichtig, als traue er sich selbst nicht. Ich rufe mir sein Gesicht bei seinem Casting und beim Debut vor Augen - „das Kind" sage ich immer, wenn ich Bilder aus der Zeit sehe. Weil er so furchtbar jung war und es gradezu grotesk aussieht, wie er dann auf älter gestylt wurde. Dieses einsame, viel zu früh entwurzelte Kind bricht sich hier grade Bahn, um sich mit seinem erwachsenen Wesen zu vereinen. Ich glaube, Jeongguk hat gar keine Wahl mehr, die Zeit ist da. Ich halte ihn einfach fest und gebe ihm den Raum zu spüren, was da ist.
„Tina?"
Ich sehe ihn an.
„Hm?"
Er schluckt, wieder nervös, richtet sich langsam auf. Der Moment ist vorbei.
„Wieviel Zeit hat Heike morgen?"
Pokerface!!!
„Genug, um mit dir und Jimin zusammen 'Begin' durchzubuchstabieren und zu tanzen. Wenn du das willst ..."
Langsam steht er auf, drückt noch einmal meine Hand und seufzt von ganz tief drinnen.
„Ich überlegs mir bis morgen ..."
Dann geht er auf die Terrasse und schaut lange in den sternenklaren Nachthimmel.
Guter Gott, bewahre sein Herz!
Bald werde ich in das nächste Gespräch gezogen, und als Jeongguk wieder reinkommt, gelingt es auch ihm, sich wieder zu integrieren. Irgendwann trifft mich dann der sehnsüchtige Blick von Namjoon, und ich spüre sofort das selbe in mir. Also fange ich an, die restliche Zeit zu organisieren.
„Jungs, habt ihr eigentlich schon im Hotel eingecheckt?"
Alle nicken.
„Auch wenn ich Jimin glühend beneide, dass er als einziger nochmal hier schlafen darf."
In einer Mischung aus viel Sehnsucht und einem klitzekleinen bisschen Eifersucht erklingt dieser Stoßseufzer von Jin.
„Na, dann kannst du dich um so mehr auf ein echtes Exil-Frühstück freuen."
Jin lächelt.
Und „Milchreis!" schießt Yoongi zufrieden dazwischen.
„Ganz genau!"
Ich muss grinsen.
„Heike wird noch mal herkommen gegen 10:00. Wollt ihr also um 9:00 zum Frühstück wieder hier sein?"
Tae überlegt.
„Lieber etwas eher, damit wir um 9:00 wirklich anfangen können zu essen."
Kwon rechnet weiter.
„Und wann müsst ihr mittags weg? Wegen Jimins Koffer ..."
PD mischt sich ein.
„Ich denke, wir machen das wie letzten Dienstag in Rom. Sung-Deuk und ich werden mit Jimins Koffer vorweg fahren. Dann könnt ihr jede Minute hier auskosten."
Spontan führen Hobi und die Maknaes ein Freudentänzchen auf.
„Aber jetzt würde ich doch gerne aufbrechen. Wir sind heute früh aufgestanden."
Auch Kwon verkündet, dass er nun endlich mal das Semester beginnen will, und verabschiedet sich von uns allen bis London. Wie auf Kommando fangen alle an zu singen. Die Jungs schließen die Augen und horchen in sich hinein. All die Gefühle der letzten Wochen sind in ihren Stimmen zu hören. Der wundervolle Klang unseres „Ruhet von des Tages Müh" ist aus dem Abendritual nicht mehr weg zu denken. Brav erheben sich dann alle, Tae nimmt nochmal Jimin in die Arme und flüstert ihm ins Ohr.
"Isst du jetzt immer so viel? Das war ja eine ganz normale Mahlzeit! Haben wir tatsächlich unseren alten Jimin wieder?"
Der grinst nur und nickt. Als alle schon los marschieren wollen, schaut PD zurück und sieht irritiert, dass Namjoon einfach gelassen vom Tisch zum Sofa geschlendert ist.
„Und du???"
Wir schauen uns an.
„Den gebe ich noch nicht her!"
Namjoon erklärt das dann, mit einem glücklichen Glitzern in den Augen.
„In dieser Zeit hier haben Tina und ich uns jeden Abend auf dem Sofa getroffen, den Tag reflektiert, mögliche und tatsächliche Probleme durchgesprochen, den nächsten Tag geplant - und ab und zu auch etwas philosophiert. Das gehört einfach dazu und muss deshalb auch heute sein!"
PD schüttelt lächelnd den Kopf.
„Na dann ... viel Spaß beim Lösen der Probleme dieser Welt!"
Und damit sagen alle anderen gute Nacht und lassen uns allein.
................................................................
17.2.2019 - 30.8.2019 - 1.11.2019
11.4.2020
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top