Mittwoch - 36.1 - eine kleine Melodie
Don't forget - it's fiction!
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Joengguk hat mehrfach in dieser Nacht geweint und sich an Hoseok geklammert. Die geweckten Gefühle fangen an zu arbeiten. Namjoon ist mitten in der Nacht mit einer dicken Jacke auf den Balkon geschlichen, hat das Mondlicht auf dem Mälaren bewundert und lange mit Yuiko telefoniert, die die Hilfe beim Lernen für ihre Klausuren willkommen geheißen hat. Jimin hat, fest schlafend, immerzu diese kleine Melodie vor sich hingesummt und damit Tae in den Wahnsinn getrieben, weil der ihn einfach nicht wach gekriegt hat. Yoongi hat seine routierenden Gedanken in dem kleinen Büro zu Liedtexten und Rhythmen verbaut und ist erst ins Bett gewankt, als Jin grade viel zu früh aufgewacht ist und nun in die Küche schleicht, um sich einen Tee zu kochen. So richtig wach, fit und bei der Sache sind sie also alle nicht, als Sung-Deuk beim Frühstück nach den Plänen für den Tag fragt.
"Und? Wo dürfen wir euch heute suchen, falls es brennt?"
Tae schaut sich müde in der Runde um und fragt zurück.
"Wollt ihr heute überhaupt irgendwo gesucht werden? Oder geht ihr lieber alle gleich wieder ins Bett???"
Daraufhin heben auch die anderen zum ersten Mal den Blick, schauen sich richtig gegenseitig an – und fangen schallend an zu lachen.
„Mann, sehen WIR alle fertig aus!"
Hobi bringt es auf den Punkt.
„Na dann", wendet sich Tae wieder an Sung-Deuk, „Dann findet ihr uns wohl ziemlich treffsicher im Bett! Es sollte also vielleicht nicht grade hier brennen."
Und, an die anderen gewandt schiebt er noch was hinterher.
"Wie wärs, wenn wir dann erst heute Nachmittag gemeinsam losziehen und einfach diesen Stadtteil erkunden? Wir sind hier nämlich am Rande von 'SoFo', dem schwedischen Gegenstück zum Monti in Rom. Das ist ein Szeneviertel, in dem man wohl sehr entspannt bummeln, shoppen und schlemmen kann. Und dann habe ich für heute Abend eine Überraschung, die wahrscheinlich ziemlich cool ist!"
„Das klingt nach einem Plan."
Yoongi klingt völlig emotionslos, kippt den Rest seines Kaffees runter und begibt sich auf dem direkten Weg ins Bett. An der Tür macht er nochmal kehrt.
„Ach – und, Jimin?"
„Hm?"
„Summen verboten!!!"
Mit diesen Worten verschwindet Yoongi in die andere Suite. Jimin wird ein bisschen rot, denn Tae hat ihm natürlich inzwischen sein Leid geklagt über die zer-summte Nacht.
Nun wird Namjoon hellhörig.
„Was hat er denn gesummt?"
Jimin zuckt mit den Schultern. Tae seufzt und trällert die Töne, die er inzwischen in und auswendig kann. Namjoon zieht die Augenbrauen hoch. Diese Töne erkennt er sofort.
„Jimin, das hast du schon gestern tagsüber dauernd gesummt. Woher kommen diese Töne?"
Der schaut ziemlich verdutzt.
„Keine Ahnung. Wenn ich ehrlich bin, höre ich die grade selbst zum ersten Mal."
Tae verschluckt sich an seinem Tee.
„Wie bitte???"
„Ja, sorry! Ich weiß das echt nicht! Wann habe ich die denn gesummt?"
Tae dreht die Augen zur Decke.
„Das erste Mal, als wir im Bus zum Flughafen gesessen haben. Ich habe dich und Yoongi umarmt, du warst in Gedanken und hast vor dich hin gesummt."
Jin mischt sich ein.
„Das zweite Mal, als wir am Gate gewartet haben. Du hast Tagebuch geschrieben, du warst sehr konzentriert in dein Büchlein vertieft."
Und Namjoon ergänzt das.
„Ganz genau. Im Flieger hast du auch wieder geschrieben. Weißt du noch? Nach unserem Gespräch mit PD. Es ist faszinierend, wie weit weg du dann immer bist. Und da hast du wieder gesummt. Diese Töne. - Die gefallen mir."
Jimin schließt seine Augen und denkt an diese drei Momente. Er schlägt sein Tagebuch auf und schaut, was er da geschrieben hat.
„Also. Beim ersten Mal im Auto habe ich nach dem aufwühlenden Vormittag und dem Abschied von Heike, Mauri und Tina einfach eine Runde mit meinem Inneren Kind auf der Schaukel verbracht, um mich zu erden."
Die anderen lächeln, weil es einfach zauberhaft ist, wie konkret das für Jimin ist, und wie gut es ihm tut.
„Beim zweiten Mal am Gate habe ich die Erlebnisse dieses Vormittags aufgeschrieben und versucht, für mich zu fassen, was das für Guk, für uns und für mich bedeuten kann."
Kurz greift er nach Jeongguks Hand.
„Und beim dritten Mal nach dem Gespräch habe ich mich an was erinnert. Diese Frage – was machen wir konkret aus unserer Zukunft – hat mich an das Versprechen erinnert, das ich der ARMY in meiner Ansprache in Rom gegeben habe: 'Ich werde nicht aufgeben. Ich will Licht in meinem Leben. Ich will, wenn ich abends ins Bett gehe, ehrlich zufrieden sein mit meinem Tag, ohne mich dabei zu überfordern oder zu verurteilen.' Ich habe gemerkt, wie glücklich ich bin mit all dem, was ich in den letzten Wochen gelernt und geschenkt bekommen habe. Ich habe bei Tina einen riesigen Schritt zur Erfüllung dieses Versprechens zu getan."
Namjoon hat nun richtig angebissen.
„Also: 1. dein Inneres Kind, 2. deine Zukunft, 3. dein Versprechen an dich selbst. ... Und 4.: diese Melodie."
Er summt die Töne, wiegt den Kopf im Takt.
„Das riecht nach Jimins erstem eigenen Song, direkt aus der Seele heraus! Du kannst dich echt nicht dran erinnern?"
Jetzt läuft Jimin dunkelrot an.
„Kein Stück. Aber mir gefällt die Melodie auch. Für mich klingt sie sanft, vielleicht ein bisschen wehmütig, aber auch voller zuversichtlicher Gefühle."
Man sieht, dass es in Namjoons Kopf rattert. Prüfend schaut er Jimin an, gibt sich dann einen Ruck.
„Jimin, ich will dir nicht zu nahe treten. Bisher warst du immer derjenige, dem die Lyrics für die eigenen Songs am schwersten gefallen sind. Ich möchte aber am liebsten deine eigenen Worte verarbeiten. Würdest du mir dein Tagebuch anvertrauen?"
Jimin kriegt kugelrunde Augen und weiß nicht, ob er verblüfft, verängstigt oder fasziniert sein soll.
„Ähhh ... Du willst da wirklich einen Song draus machen???"
Namjoon beschwichtigt ihn.
„Nicht allein. Ich würde am liebsten zusammen mit dir genau diesen Momenten und Gefühlen nachspüren, deine Rede in Rom nochmal anhören, deine Bilder nochmal ansehen. Sprich: rausfinden, was diese Töne in deinem Kopf geweckt hat. Und dann sehen, was draus wird ... Du steuerst, was ich zu sehen kriege. Und am Ende haben wir vielleicht deinen ersten echt eigenen Solo-Song."
Langsam nickt Jimin. Dann leuchten seine Augen auf.
„Jetzt gleich?"
Da müssen alle lachen über seinen plötzlichen Eifer, während Namjoon mit den Schultern zuckt.
"Wenn du willst ... jetzt gleich!"
In diesem Moment kommt PD zur Tür rein. Er ist sehr früh aufgestanden, um noch die letzten Bürostunden in Seoul zu erwischen, und hat eine Telefonkonferenz mit den Projektmanagern und dem Marketing gemacht, um die gestern abgesprochenen Zeiten im Kalender zu blocken, einiges umzuorganisieren, den Entwurf einer Stellenausschreibung für die TXT-Gruppenmutter zu erörtern und die gemeinsame Woche von TXT und BTS am Meer auf den Weg zu bringen. Bei der Gelegenheit hat er nebenbei auch ein Resumee der Reaktionen auf Jimins Rede gemailt bekommen. Und die Ergebnisse will er jetzt allen mitteilen.
„Guten Morgen allerseits."
Er stutzt.
„Wo ist denn Yoongi?"
Allgemeines Kichern.
„Wo wohl? Wieder im Bett. Wir hatten alle eine schlechte Nacht."
Kurz überlegt PD.
„Seit ihr trotzdem aufnahmefähig für ein paar organisatorische Infos?"
Wieder Kichern.
„Jedenfalls laufen wir ihnen in diesem Zustand nicht weg."
Trocken informiert Tae PD mit einem breiten Grinsen. Der ist ein bisschen verwirrt, setzt sich dann aber und sortiert seine Notizen.
„Also. 1. Das Jubiläum. Wir haben die Halle einen Tag länger, wir können dort am Sonntag das Familienkonzert machen, und meine Assistentin Choi Seul-Gi hatte die Idee, dass alle Familien ein großes Buffet mit Familienrezepten zusammentragen, das wir erst gemeinsam plündern, bevor ihr auf die Bühne geht. Es geht dabei nicht ums Geldsparen sondern um den familiären Charakter, das Kennenlernen, die entspannte Atmosphäre. Anschließend fahrt ihr tatsächlich bis inklusive Sonntag drauf einfach nach Hause. Das plant ihr aber selbst mit euren Eltern."
Die Müdigkeit ist wie weggeblasen.
„Die wenigen Termine in dieser Woche werden nun vom Büro wegorganisiert."
"2. Die Woche am Meer. Wir haben versucht, irgendwie die Bandmutter konkreter zu kriegen. Wir wollen dann eine Stellenausschreibung machen und sehen, wer zu den Jungs passt. Bis dahin wird aber eine Übergangsmutter nach dem Rechten sehen, denn es geistert durchs BigHit-Gebäude, dass es bei den Jungs ziemlich chaotisch zugeht und die oft ziemlich schlecht drauf sind. Da ist also Eile geboten. Der Jüngste ist ja erst fünfzehn. Die Jungs sind in eurem alten Haus, und es sind weniger als ihr. Wenn die etwas zusammen rücken, kann die Bandmutter einen eigenen Raum und etwas Privatsphäre bekommen, ohne dass es für alle zu eng wird. Die angestrebte Woche ist tatsächlich frei. Wenn ihr also nochmal ausdrücklich ja sagt, werden wir da dann ein großes Haus am Meer für euch buchen. Es wird zeitweilig bei gesteuerten Aktionen Kameras dabei geben, was uns hinterher auch die Möglichkeit zu Analyse und Feedback geben wird. Aber es soll viel Zeit ohne Kamera sein, damit ihr gut ein ungekünsteltes Vertrauensverhältnis aufbauen könnt. Irgendwie eine gesunde Mischung. Und ihr gebt den Startschuss."
Guk sagt sofort trocken:"Peng!" und alle lachen sich schief über seine Geistesgegenwart.
„Dann ist da 3. das längere Loch nach der Japan-Amerika-Tour. Das ist tatsächlich da, fünf Wochen. Es ist frei gehalten worden für Bon Voyage, Werbeshootings, Musikvideos, Namjoons neues Mixtape und intensive Proben für den Award-Marathon – für all das, was vorher in diesem Jahr keinen Platz hatte. Dieser Marathon muss sein, und wir sind schon von überall angefragt worden, ob ihr auftretet, obwohl die alle den neuen Titelsong noch gar nicht gehört haben. Da wird also viel Arbeit auf uns zukommen. Also kann ich im Moment nur versprechen, das im Auge zu behalten und mich nach Kräften gegen die Terminflut zu stemmen. Das Büro hat jedenfalls die Order, NICHTS anzunehmen ohne Rücksprache. Wenns nach mir geht, holen wir da zwei bis drei Wochen für euch raus, die eine echte kleine Auszeit und das Erfüllen von Träumen ermöglichen."
Sofort sieht man es hinter sechs Stirnen rattern, was man alles mit zwei bis drei Wochen anfangen könnte.
„4. haben wir jetzt die einmaligen Aufführungsrechte für 'If You', 'Autumn', 'Umbrella' und natürlich Adeles Song in der Tasche, ihr habt also freie Bahn."
Kurz schaut er auf seine Notizen.
„Sung-Deuk und ich haben 5. darüber nachgedacht, welche Show wir jetzt hier in Stockholm und vermutlich auch noch in Am*dam zeigen sollten. Jimin hatte eine höchst heilsame und hilfreiche Pause, aber wir dürfen das auf keinen Fall ausnutzen. Überlege dir bitte bei den ersten Proben einen wirksamen Weg, um gut mit deinen Kräften haushalten zu können. Auf der anderen Seite geht es Jeongguk nicht so gut, wir sollten also auf keinen Fall die Setlist von Moskau zeigen. 'Begin' ist erstmal absolut tabu. Oder siehst du das anders?"
Alle sechs Jungs antworten wie aus einem Mund.
"Auf keinen Fall!"
Und Jeongguk greift Halt suchend nach Hoseoks Hand.
„Gut, dann bin ich für die Setlist von Madrid. Die ist für Jimin schon abgespeckt und hat für alle anderen keine Stolperfallen. Seid ihr einverstanden?"
„Und dann ist da 6."
PD legt einen ziemlich dicken Packen Computerausdrucke auf den Tisch.
„Das sind – quer durch alle Medien, in Korea, Japan, USA und Europa – die Reaktionen auf Jimins Rede in Rom."
Sofort wird es mucksmäuschenstill im Raum. Jimin schluckt hart und starrt den Stapel Papier an. Tae legt ihm den Arm um die Schultern. PD lächelt ihn an.
„Zunächst mal: Es hat keinen einzigen Grund für einen Rechtsstreit gegeben und kaum abfällige Bemerkungen, weil die anderen Bands nämlich sofort reagiert und ihren Fans gesagt haben, dass sie dich dafür bewundern und dir alles Gute wünschen. Dass sie selbst auch manchmal sehr kämpfen mit dem harten Idol-Leben, der Publicity, den 20-Stunden-Tagen, und dass sie es ihren Fans echt übel nehmen würden, wenn sie dir das Leben jetzt noch schwerer machen. Manche haben sich richtig weit aus dem Fenster gelehnt für dich. Taemin zum Beispiel, der sicher so schnell keinen weiteren Verlust erleben möchte. Da war bei den Meckerern die Luft raus. Im Gegenteil: die überwältigende Mehrheit der Bewohner dieses Planeten liegt dir zu Füßen. Ich meine das genau so. Jugendliche und Erwachsene aus der ganzen Welt drücken in jeder erdenklichen Form ihre Dankbarkeit und Anteilnahme aus. Und im BigHit-Gebäude ist ein Raum eingerichtet worden, in dem die Kisten mit Briefen an dich gestapelt werden. Noch sind die nur aus Korea und Japan, aber mit der Zeit wird es internationaler. Da wird also noch viel mehr kommen."
Ungläubig schüttelt Jimin den Kopf, und fängt an zu stottern.
„Ich ... Ich wollte nur ... Ich hab das ... gemacht, weil ... najaaa ... Beim Gespräch mit Jooni hatte ich plötzlich das Gefühl, es könnte manchem Fan vielleicht helfen. Aber ... Kistenweise Briefe???"
Plötzlich steht ihm das Wasser in den Augen. So sehr ist er berührt.
Wie schön! Aber - Was habe ich da angestoßen? War das überhaupt richtig? Was erwarten die jetzt alle von mir?
Er muss wohl laut gedacht haben, denn Namjoon spricht ihn ganz sanft an.
"Nichts, Jimin. Niemand hat etwas von dir zu erwarten. Du hast ein Versprechen gegeben, und du bist bereits auf dem besten Wege, es einzulösen. Und zwar für dich selbst! Mehr musst du nicht tun. Auch wenn wir jetzt aus deiner kleinen Melodie einen Song basteln können, ist das kein Muss! Fühl dich bloß nicht unter Druck gesetzt. Es wäre einfach das Sahnehäubchen für alle, die dich lieben. Und vor allem für dich selbst."
Allmählich löst sich Jimin aus seiner Starre.
„Kann ich mal sehen?"
Er bekommt den Stapel Papier, alle beugen sich über die Seiten und lesen umschichtig daraus vor. Jimin laufen die ganze Zeit stille Tränen übers Gesicht. Nach einer Weile atmet er tief durch.
"Ich kann nicht mehr, das wirft mich echt um, so toll ist das. Ich muss jetzt auf die Schaukel!"
Und schon schnappt er sich seine gelbe Decke, schließt die Augen, und Tae hält ihn einfach, bis sein Atem wieder ruhig geht – und er leise ein paar Töne summt, die sanft zur Decke schweben.
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23.2.2019 - 6.6.2019 - 3.9.2019
1.11.2019 - 12.4.2020
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