Dienstag - 35.4 - Katerstimmung

Don't forget - it's fiction!

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Stille senkt sich auf die Insassen des Gruppenbusses, der grade Richtung Autobahn zum Flughafen rollt. Auf der hintersten Bank hat Tae um die beiden „Kürzesten", Jimin und Yoongi, seine langen Arme gelegt, und sogar Yoongi ist ganz ausnahmsweise mal nach Kuscheln zumute. Er hat das ja damals gar nicht mitgekriegt. Aber dass die Attacken seiner Soziophobie ihren Jüngsten so sehr belastet haben, das hat ihn nun nachträglich richtig geschockt. Jimin sitzt in Gedanken auf der Schaukel in seinem inneren Garten und summt leise Töne vor sich hin, die sich zu einer Melodie aneinander reihen, ohne dass er es selbst bemerkt. Und Tae nimmt und gibt einfach die Nähe, die alle nach diesem Vormittag und dem Abschied jetzt nötig haben.

Auf der zweiten Bank hält Hobi den völllig erschöpften Guk im Arm, dem ab und zu Schauder den Rücken runter laufen und ihn leise zittern lassen. Er hat sich für die Abschiede nochmal zusammengerissen, aber nun ist endgültig die Luft raus. Hobi ist sich nicht sicher, ob es richtig ist, aber er plaudert einfach, ohne eine Reaktion zu erwarten. Hauptsache, Guk versinkt jetzt nicht in Grübeleien. Und Jin legt kurzerhand seine Jacke auf Guk, um ihn zu wärmen. Vorne sitzt derweil Namjoon, starrt auf das lange Band der Autobahn vor ihm und fragt sich, ob jemals in seinem Leben etwas sooo lang und anstrengend und chaotisch war wie diese nicht enden wollende Tournee durch Europa. Wochen, die scheinbar täglich alles bereit halten, was ein Mensch in seinem Leben einmal erleben kann - Freude und Trauer, Angst und Mut, Streit und Versöhnung, Rückblicke und Zukunftswünsche, Altbekanntes und ununterbrochen viel zu viel Neues - Himmel und Hölle in einem so schnellen Wechsel und in solcher Intensität, dass ihnen allen längst schwindelig ist davon.

Eine halbe Stunde später verschluckt sie wieder die gewohnte Flughafenatmosphäre - obwohl ... Jin muss grinsen.
„Sieht so aus, als hätten Presse und ARMY den Überblick verloren, wo wir eigentlich grade sind. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal an einem Reisetag so öffentlich und gleichzeitig so 'einsam' durch die Gegend geschlappt sind."
Völlig unbehelligt laufen sie durch den Terminal, winken im Vorbeigehen Nora zu, die strahlend zurück winkt. Sie gehen auf den Treffpunkt zu und können von weitem PD und Sung-Deuk erkennen, die dort auf sie warten. Plötzlich überkommen Jimin reine Glücksgefühle. Wie anders war ihre Reaktion, als sie das letzte Mal hier PD gesichtet haben! Übermütig flitzt er auf PD zu, hängt sich bei ihm ein und macht ein schnelles Selfie, das er an seine Herzensmutter und seinen Lieblings-Doc Nicola Serrano schickt. Dann stellt er es noch im offiziellen Fan-Chat-Raum ein und schreibt drunter: der beste Chef der Welt!

Da Jimins Koffer längst auf dem Weg ins Flugzeug ist und alle anderen nur Handgepäck haben, geht das Einchecken schnell. Gemeinsam laufen sie durch die langen Flure, gehen durch die Sicherheitskontrollen und lassen sich im Wartebereich nieder. Noch immer ist ihnen nicht nach einem Gespräch. Aber es ist eine angenehme Stille. Sie beschäftigen sich jeder für sich.

Hobi daddelt, Jimin schreibt die Ereignisse des Vormittags in sein Tagebuch und summt dabei wieder diese kleine Melodie von vorhin,

Namjoon liest und Yoongi - blöde Frage ... was wohl. Der schläft.

Erst im Flieger wenden sie sich wieder einander zu.
„Wie geht's dir inzwischen, Jeongguk?"
Hobi schaut ihn an und fragt ganz vorsichtig. Der grinst, immer noch etwas gerädert.
„Sehe ich aus, als hätte ich inzwischen 2000 Stunden Schlaf nachgeholt?"
Dankbar drückt er Hoseoks Arm.
„Ne, schon gut. Ich bin einfach völlig leergetanzt und leergeheult und leergefühlt. Aber es fühlt sich gut an. Es ist, als hätte jemand in mir eine verborgene Rumpelkammer aufgestöbert, das Licht angemacht, das Fenster weit aufgerissen und all das Gerümpel einfach rausgeworfen auf einen großen Müllhaufen. Und jetzt ist da Platz für etwas Neues."
Plötzlich fällt ihm etwas ein. Er zückt seine Brieftasche und fischt zwischen den Kreditkarten und alten Belegen einen alten Schlüssel heraus.
„Hobi, wo ist eigentlich Dein Hut?"
Hobi stutzt - und kapiert, was Jeongguk in der Hand hat.
„Der Hut? Ich hab den nicht immer auf. Aber ich habe ihn immer dabei. Der ist oben im Gepäckfach. - Und dein Schlüssel hat sein Schloss gefunden."

Das Essen wird serviert. Jimin wirft einen Blick in die mehrfach abgepackte Plastikschale.
„Wuä - sieht DAS wieder lecker aus!"
Ohne zu zögern holt Tae das halbe Brot aus seinem Rucksack und hält es Jimin hin.
„Hilft das?"
Sofort schieben alle den Plastikfraß beiseite und teilen sich zwei der halben Brote. Dazu fischen sie sich die Anteile aus dem Flugzeugessen, die einigermaßen genießbar aussehen. Hauptsache, was Richtiges zu essen.

Sie müssen sich die VIP-Kabine des Fliegers mit niemand teilen und haben darum einigermaßen Privatsphäre. PD kämpft mich sich. Dann ergreift er doch das Wort.
„Jungs?"
Sie haben sich grade ein bisschen die Beine vertreten, einer kommt von der Toilette, aber alle richten gleich ihre Aufmerksamkeit auf ihren Chef.
„Ich möchte jetzt nicht Stockholm oder London planen. Ich hänge einfach viel zu sehr fest in dem, was ich in den letzten 24 Stunden erlebt habe. Ich fühle so viel Sorge und Scham und Verantwortung wie nie zuvor, seit ich BigHit gegründet habe. Ich wollte alles anders machen, damit bin ich damals angetreten. Und das ist dabei rausgekommen. Ich will auch nicht über die Neuen sprechen, da haben wir genug Ideen. Das kriegen wir hin. Ich ... Ich kann nicht anders: wie stellt ihr euch nach all dem bloß eure Zukunft vor???"

„Ich sehe das ganz realistisch."
Yoongis Antwort ist wie immer ganz pragmatisch.
„Wir werden den selben Job machen, die selben Pflichten haben, den selben Stress aushalten, genau so müde sein wie immer und die Konzerte und Fan-Reaktionen genau so genießen wie vorher. Aber wir selbst werden dabei andere sein und darum diesen Job anders machen als vorher. Wie das sein wird - für uns, für Sie, für die Fans -, das wird sich im Laufe der Zeit rausstellen."
Eigentlich klingt das für alle richtig so.

Aber PD lässt nicht locker.
„Wie könnt ihr das so gelassen hinnehmen???"
Yoongi schüttelt den Kopf.
„Das ist nicht Gelassenheit. Das ist Gewohnheit. Und mit Gewohnheit kann man eine ganze Menge ertragen, ohne dass es einen zerstört. Wo andere längst seelisch aus den Latschen kippen, weil sie sich daran aufreiben und sich dagegen wehren."
PD ist fassungslos.
„Ja, wollt ihr denn gar nichts ändern? Als ihr in Rom Brainstorming gemacht habt, war ich noch erleichtert, dass ihr so wenig Wünsche habt. Jetzt ist es mir nur noch unheimlich!"

„Och, wenns weiter nichts ist ..."
Tae zeigt sein breites Kastengrinsen. Er wird aber gleich wieder ernst.
„Ich glaube, wir alle brauchen tatsächlich - irgendwie - die Auszeit, um zur Besinnung zu kommen und schlicht unsere Körper gründlich zu erholen. Aber ich will definitiv weitermachen."
PD kratzt sich verlegen am Kopf.
„Jungs, ich habe jetzt zwei Wochen lang die Kalender von 2018 und 2019 gewälzt, Termine gecheckt, Werbeverträge geprüft, Award-Shows auf ihre Wichtigkeit hin analysiert. Ich kann es drehen und wenden. Ich kriege nirgendwo ein halbes Jahr raus. Nicht mal drei Monate am Stück. Wir haben nur die Wahl, euch viel Zeit zu geben oder die Stars an der Spitze zu sein. Ein halbes Jahr Auszeit würde euch um ein komplettes Jahr im Business zurück werfen. Aber Non Stop weiter wie bisher macht euch kaputt. Jeder einzelne von euch ist so durchgerüttelt worden in diesen Wochen, ihr braucht Ruhe und Hilfe. Und ich weiß nicht, was ich tun soll."

Namjoon hat eine Weile still zugehört. Nun schaltet er sich auch ein.
„Um ehrlich zu sein - an ein echtes halbes Jahr Pause habe ich sowieso nie geglaubt. Drehtage, zwischen denen sowas wie ausreichend Schlaf stattfindet, Studioaufnahmen, die so enden, dass man anschließend noch ins Kino oder ins Schwimmbad gehen kann, Erlernen von Choreos aufs ganze Jahr verteilt statt gewaltsam kurz vor dem Comeback vier Wochen rund um die Uhr - das wäre, was mehr Lebensqualität ausmacht. Einmal eine Auszeit und dann alles wie vorher, das ist Blödsinn. Wir müssen viel mehr schauen, was grundsätzlich zuviel ist. Und wo unser Herz so schlägt, dass wir es nicht missen wollen oder nicht streichen können. Der Tag hat nur 24 Stunden. Auch unserer. Und davon sollten mindestens sechs Stunden unseren Matratzen gehören und zwei unseren Seelen, unseren Träumen, unseren Freunden und Familien. Da müssen wir hinkommen. Weder Jimin oder Guk noch Yoongi, Jin und Hobi haben etwas davon, wenn Erholung nur ein einmaliges Event bleibt. Seele, Leben muss regelmäßig einen Platz in unserem Leben haben, damit wir alle miteinander nicht wieder da landen, wo wir vorher waren - im emotionalen Off."
Jimin schaut ihn weich an und streicht ihm kurz über den Arm.
„Für zum Beispiel eine Beziehung, die den Namen verdient und nicht gleich wieder an unserem Job zerbricht ..."
Namjoon zuckt kurz zusammen bei diesen Worten. Er hat zwar das O.K. von PD, aber wie es gehen soll - falls es überhaupt so weit kommt! - dazu hat er noch überhaupt keine Idee.

Jeongguk legt den Kopf schief und horcht in sich hinein.
„Ich glaube, es gibt etwas, was wir wahrscheinlich alle sehr, sehr gerne hätten. Hoseok hat seiner Mutter ein ganzes Lied gewidmet, Taehyung telefoniert auch heute noch täglich und dankt regelmäßig am Ende der Konzerte seinen Eltern, Yoongi ist einmal zusammengebrochen, als seine Eltern im Konzert waren, Jimin hat grade einen Berg von wunderbaren Erinnerungen an seine Kindheit wieder gefunden. Und ich bin offensichtlich viel, viel zu früh aus dem Nest gefallen. Wir müssen nicht an dem halben Jahr klammern. Wir können einfach mal mit einer Woche anfangen. Wir nehmen auch da erstmal den Druck raus. Wir nehmen uns, sobald es irgend geht, eine Woche frei und fahren nach Hause. Zu unseren Eltern. Wir begeben uns auf unsere eigenen Spuren, tauchen ein in unsere Familien, suchen, ob es noch alte Freunde gibt. Was haltet ihr davon?"
Während dieser Aufzählung haben nach und nach die Augen aller angefangen zu leuchten. „Nach Hause" ist wie ein Zauberwort, das ihre Herzen glücklich macht.
„Mama ...", flüstert Hoseok mit einem leisen Lächeln.
„... Wisst ihr eigentlich, dass unsere Familien noch nie alle zusammen auf einem Fleck waren?"

In Jins Kopf rattert es, aber er kann den Gedanken noch nicht festhalten.
„Vielleicht - ... uch!"
Er kneift die Augen zu vor lauter Konzentration auf die Gedankenfetzen in seinem Kopf.
„Doch! Genau. Wir kommen am 23.5. Koreanischer Zeit von Billboard nach Hause. Am 1., 2. und 3. Juni sind die drei Comeback-Konzerte. Und am 16. Juni ist das Jubiläumskonzert. Richtig? Unser 5-Jähriges."
PD nickt, und alle sehen Jin erwartungsvoll an.
„Dann wäre es gut, wenn wir nach dem Jubiläum Zeit für uns hätten. Der 16. ist der Samstag. Könnten wir die Halle am Sonntag auch noch nutzen und erst danach abbauen? Denn diese Halle ist nicht ganz so groß, das würde besser passen."
Nun sind alle neugierig.
„Worauf willst du raus, Jin?"
Hobi spricht es als erster aus.

„Tina hat das mal gesagt. Sie kommt aus einer sehr großen Familie, wo sich alle dauernd treffen, obwohl sie dafür zum Teil sehr weit fahren müssen. Sie konnte gar nicht verstehen, warum wir nicht ab und zu nach Hause fahren. Könnt ihr euch erinnern? Und dann hat sie gemeint, wir sollten doch einfach mal in einer kleinen Halle ein privates Konzert extra nur für unsre Familien geben. Und vielleicht den Staff."

Jimin fängt an zu hibbeln.
„Ja, genau! Und jeder unserer Verwandten soll sich ein Lied wünschen. Die 20 Lieder mit den meisten Votes performen wir dann. Und wenn wir das Familienkonzert tagsüber machen, können wir anschließend gleich mit ihnen nach Hause fahren! Einfach nach Hause fahren."
Sehnsucht schwingt in Jimins Stimme mit.

Alle lächeln nun bei dem Gedanken. Auch PD entspannt sich. Er checkt den Kalender.
„Der Sonntag ist schonmal kein Problem. Ich glaube, die Woche ist auch drin. Da sind für zwei von euch Werbedreharbeiten drin, und ein paar Fernseh- und Radiotermine wegen des Release. Aber das werde ich irgendwie schieben. Das muss einfach gehen."

Stumm schaut er in die Runde.
„Könnt ihr mit mehreren Pausen-Häppchen leben? Dann kommen nach der Pause erst die Weekly Shows und die Comeback-Tour durch Korea. Da ist wieder ein Loch. Falls ihr nicht sofort wieder auseinander rennen wollt, könnten wir da die Woche mit den Frischlingen am Meer einbauen. Die Idee ist einfach bestechend gut. Dann kommt Japan, und gleich anschließend USA und Kanada. Insgesamt ließen sich diese Wochen aber etwas stressentleeren. Ab da ist wieder ein Loch. Sogar ein größeres. Das werde ich mal blocken. Was dann für den Award-Show-Marathon nötig ist, können wir jetzt noch nicht abschätzen. Aber das wird. Da soll jedenfalls nichts anderes mehr reinrutschen. Und in 2019 macht ihr dann RICHTIG Pause!"
Zufrieden seufzend lehnt PD sich zurück. Nun fühlt er sich wohler. Und für die Kleinen wird er gut aufpassen, dass es bei denen wirklich anders läuft! Sofort tippt er eine Mail ans Büro in Seoul, dass die sich dort bitte am nächsten Nachmittag, wenn er hier früh aufgestanden ist, für eine Telefonkonferenz bereit halten sollen.

Der Rest der Reise ist nun sehr entspannt. Guk schläft viel oder wird von den anderen mit Aufmerksamkeit verwöhnt. Jimin schreibt schon wieder. Und summt schon wieder. Namjoon schaut ihn von der Seite an und lässt die Töne in seinem Kopf nachhallen.
Nett...

Die Suiten im Hotel in Stockholm werden bezogen wie besprochen. Die Größere ist nach ihren Wünschen schon präpariert, dass sich dort alle gemeinsam aufhalten können. Die Kleinere hat einen Büroraum, wo sie ihre Technik aufbauen können. Alle haben Schlüssel für alle Türen, damit sie sich frei bewegen können. Alle haben Fenster mit Blick raus auf den Mälaren und die Gamla Stan. Wenige Meter weiter vom Hotel aus läutet grade die Abendglocke der Katharina-Kyrka. Und Tae, der seine Notizen zu Stockholm checkt, entdeckt drüben auf der anderen Seite des Wassers, schräg rechts hinter der Gamla Stan ein großes Gebäude mit drei imposanten Masten auf dem Dach. Das muss das Vasa-Museum sein.

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22.2.2019 - 6.6.2019 - 17.8.2019
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.11.2019 - 11.4.2020


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