𝐗𝐗𝐕𝐈𝐈𝐈
Hey :) Ich habe gehört, dass das letzte Kapitel nicht richtig angezeigt wurde..? Also bevor ihr dieses lest, checkt vielleicht nochmal, ob ihr XVII überhaupt hattet! Sonst macht hier wirklich gar nichts mehr Sinn :)
☽ ⋆ 𝐇 ⋆ ☾
Es dauerte abstrakte Zeit, bis ich die Zeitkonstante zwischen Erde und Himmel gerichtet hatte. Sonst wäre es bald nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der schwere Planet uns entkommen wäre. Zeit durfte sich nicht mit Zeit verflechten. So einfach waren die Gesetze des Universums. Nicht schwer zu lernen, dafür umso schwieriger umzusetzen. Zeit. Aber es war mir gelungen, die Balance zurückzuerlangen.
Es war nicht nur für mich offensichtlich, wieso ich mich der Aufgabe gewidmet hatte. Pflicht war die einfachste Art von Flucht. Nur gab es dann das Problem der Bilateralität.
Ich hatte nicht nur Pflichten der einen Art. Den einen nachzugehen, um den anderen aus dem Weg zu gehen, würde nicht funktionieren. Genauso wenig wie es mir gelungen war, Louis fast täglich zu sehen und den Himmel trotzdem nicht zu vernachlässigen, würde ich jetzt erfolgreich und unbegrenzt meinen Himmelspflichten nachgehen können, um Louis zu umgehen.
Ich konnte und durfte nicht viel länger hierbleiben. Normalerweise ja; ich würde ihn für ein paar Jahrzehnte alleine lassen, solange wir im Herzen verbunden waren.
Aber nicht nach dem, was am 2. November von Louis' Kalender geschehen war.
Fehler passierten. Aber sie hatten Konsequenzen.
»Hara.« Liam hatte mich gefunden. Es war keine Überraschung. »Die Zeitkonstante ist gerichtet.« Er neigte den Kopf als Zeichen seiner Dankbarkeit. Dabei hatte ich nur getan, was ich tun musste.
»Keine Komplikationen.«, berichtete ich das Offensichtliche. Ich versuchte, ihn meine Hilflosigkeit nicht zu sehr spüren zu lassen. Er hatte es von Anfang an gesagt.
Liams Haut war warm. »Ich würde dich gerne an einen Ort mitnehmen.« Er hob einen Finger und tickte im Takt der heilen Zeitkonstante. Ich konnte nur starren.
»Zur Erde?«, fragte ich ungläubig. An Liams Seite war ich seit Louis' Geburt nicht mehr auf der Erde gewesen.
Er senkte den Finger. Bestätigung genug. »Bitte begleite mich, Hara.«
Ich verstand nicht, aber Zweifel lagen zu fern. In meinen ersten 100 Jahren hätte ich vor Aufregung Grenzen zum Schwanken gebracht, hätte Liam mit mir zur Erde gewollt. »Wohin?«
Seine Antworten gegen meine Geduld, ich wusste, wie es funktionierte. Liam streckte einen Arm aus, legte mir seine Finger an die Schläfe. Ich tat es ihm gleich. Unsere Sichtbarkeit schwand, nur nicht für uns. Ich wartete, bis ich den Sog seines Willens spürte, aber dann wurde die Atmosphäre von etwas anderem erfüllt. Warnung knisterte zwischen uns. Das war der Ausschluss, der mir längst bewusst gewesen war. Meine Magie würde ihn in der Reise irritieren. Er wollte nicht zu Louis. Ich senkte meinen Arm.
Liam zögerte nicht. Die Entmateralisierung in der Sphäre seiner Ehrlichkeit war vertraut. Frisch reparierte Zeit kostete uns nicht mal Millisekunden. Zurück auf der Erde.
Fast fühlten sich die Flügel auf meinem Rücken falsch an. Aber sie waren für Menschen so wenig detektierbar wie das Gold in meinem Haar, meine Finger, mein Atem, mein Schatten. 53°48'41.7"N 1°33'04.0"W. England.
Ich sah Liam an. Er ließ seinen Blick über die Kulisse hinter mir wandern, senkte den Arm. Ich wusste es, er wusste es, aber er sprach es trotzdem aus. »Leeds.«
Um uns streckten sich graue Häuser in Höhen, die in Menschen Schwindel auslösen sollten. Wir waren in Leeds. Wieso?
Liam musste meine Verwirrung spüren, aber er setzte sich langsam in Bewegung. Füße nicht ganz auf dem steinernen Boden lief er in eine Richtung, die nur willkürlich sein konnte. Würde er erklären wollen, täte er es. Er wartete auf meine Frage.
Ich folgte ihm und seine Flügel zeichneten sich gegen ein kühles Stadtbild ab. »Wohin gehen wir?«
Stickstoff wirbelte in meinen Gehörgängen, als Liam sprach. »Du solltest die Stadt kennenlernen.«
Die Stadt kennenlernen. Wir waren Engel. »Leeds?«
»Du hast Louis gesagt, hier würdest du herkommen. Du solltest wissen, wie es hier aussieht. Wie es sich anfühlt.«
Ich holte zu ihm auf, die Füße so wenig nutzend wie er. Sagte er, was ich verstehen wollte? »Es ist eine Lüge.« Widerspruch war häufig der schnellste Weg zur Bestätigung.
Er schob sich an zwei Menschen vorbei. Sein Gesicht wurde nicht weicher. »Natürlich ist es eine Lüge. Aber er wird sie dir womöglich nicht glauben können, wenn du nicht einmal hier gewesen bist.« Liam sah mich an. Fast hatte ich vergessen, wie sein Gesicht auf der Erde aussah. »Jetzt, wo du dich an der Grenze seines Glaubens bewegst.«
Da war es. Er wollte mich unterstützen. Erleichterung durchspülte meine Skepsis. Liam, mein Mentor. Er hatte eine Entscheidung getroffen, nachdem ich ihm vom 2. November erzählt hatte. Ich brauchte seine Erfahrung.
»Liam«, vor ihm musste ich mich nicht verstecken, »was soll ich tun?«
Er musste nicht zögern. Zweifellos hatte er die letzten Tage meiner rhythmischen Ablenkung genutzt, um zu denken. Vielleicht hatte er sich sogar Rat von Oben geholt. Diese Möglichkeit wollte ich aber lieber nicht in Betracht ziehen. »Aufhören, ihn zu meiden.«, sagte er, als wäre es so einfach wie die Verformung des Resonanzraumes seines Mundes. »Nicht nach dem, was du etabliert hast.«
Seine Co-Existenz lief neben mir. Was meinte er mit Etabliertem? Die Beziehung, die ich zu Louis aufgebaut oder die Dinge, die ich als letztes zu ihm gesagt hatte?
»Beides«, antwortete Liam, ohne die Frage je gehört haben zu müssen. »Du hast ihm gesagt, du hättest keinen materiellen Wohnort.«
Und das war das Problem. Ich hatte alles falsch eingeschätzt. Louis' Fragen hatten mich eingekreist, bis ich so schnell reden wollte wie er. Ohne die Konsequenzen zu bedenken. Jede Lüge wäre vergebens gewesen. Vor allem, nachdem ich ihm offenbart hatte, dass ich legitime Gründe zum Lügen hatte.
Aber ich hatte unterschätzt, was es in großen englischen Städten wie Manchester bedeutete, keinem materiellen Wohnort anzugehören. Meinen Fehler hatte ich erst mit Louis' Reaktion verstanden – und damit sehr viel zu spät.
»Aber wie soll ich das richten, indem ich ihm wieder begegne?«, fragte ich in der Hoffnung, dass Liam die Abwesenheit der Antwort kannte. »Möglicherweise hattest du immer recht. Ich habe es übertrieben. Ich hätte Louis nicht so nahe kommen sollen.«
»Er braucht dich jetzt.« Liam leitete eine steile Kurve ein. Häuser wurden zu Bäumen, Gras, Moos, Blättern. Meine Finger kribbelten und ich wusste, dass es ein Friedhof war.
»Er hat mich nie gebraucht. Ich sollte bleiben, wie du es wolltest, und meinen Pflichten nachgehen. Bei dir sein. Wenn Louis mich braucht, werde ich es wissen, und da sein. Vielleicht kann ich ihn in fünfzig Jahren nochmal sehen, wenn er mich nicht mehr kennt.« Ich widersprach, als hätte ich ein Recht darauf. Als wäre es nicht Liams Bestimmung, es besser zu wissen als ich. Und als gäbe es keinen Teil meines Bewusstseins, der sich zu Gesprächen mit Louis zurücksehnte. »Du hast gesagt, in einem Menschenleben passieren viele seltsame Dinge. Er wird kaum mitkriegen, dass ich verschwunden bin.«
»Dieses Mal ist es anders.« Er war zu ernst. Liam sagte genau, was ich vor wenigen Wochen hören wollte, aber es war zu spät. »Du bist zu aufgewühlt. Er wird es spüren. Und deine Aufgaben, denen du dich bei uns widmest...deine Gedanken sind auf der Erde. Es ist zu riskant. Für dich. Und damit für uns alle – und Louis.«
Was er sagte; das Problem war die Balance. Ich respektierte sie zu wenig. Es war unmöglich, Louis zu verstoßen und seine Seite der Waage einfach abzutrennen. Egal, was ich über die Zukunft sagte.
»Es ist zu riskant, wieder bei Louis zu sein.«, korrigierte ich trotzdem. »Ich hätte fast sein Kurzzeitgedächtnis gelöscht! Meine Finger waren... Nur ein einziger magischer Wille hat gefehlt und- Liam, das können wir nicht herausfordern.« Ich sprach wie Louis und ich wusste es. Stünde ich nicht längst unter seinem Einfluss, hätte ich nie in Betracht gezogen, in seinen Frontallappen einzugreifen. Es wäre nie zu den Worten gekommen, die ich ausgesprochen hatte. Aber ich konnte nicht bereuen, zu wissen, wer Louis war. Und trotzdem durfte ich jetzt nicht zu ihm zurückkehren. Gold in Naivität geschmolzen.
»Du hast es nicht getan. Und du wirst es auch nicht tun. Sein Bewusstsein ist...« Er ließ das Wort aus, weil die menschliche Sprache sich der Macht des Himmels nicht öffnen konnte. Heilig. Erhaben. Unantastbar. Würdig. All das und nichts davon. »Du weißt es besser. Du bist ein guter Schutzengel. Sei noch besser und richte deine Handlungen.«
Widerspruch war mir ausgegangen. Meine Gedanken kristallisierten langsam. Die Gigatonnen toten, wieder lebendigen menschlichen Biomaterials, das fast die ganze Erdoberfläche bedeckte, war um unsere Füße herum gebündelter. Weniger als in Manchester an Louis' Seite lagen Blicke auf uns. Wenn der Blick runder Augenpaare auf uns fiel, wanderte er hindurch. »Aber wie?«, fragte ich leise. »Was soll ich tun? Was soll ich sagen?«
Liam war mein Mentor, aber er blieb sanft stehen. »Das wirst du alleine wissen, Hara.«
»Hätte ich nicht alleine wissen sollen, dass ich ihm nicht die Wahrheit darüber sagen sollte, dass ich nicht wie er in einer Wohnung lebe?«
Ein paar Kiesschritte bis auf Rasen, wir gingen einer kleinen Menschengruppe aus dem Weg und standen jetzt im Schatten eines Baumes. Orange, braun, grün, gelb über unseren Köpfen, unter unseren Zehen. Kronen irdischen Goldes, vergänglich wie alles Leben auf der Erde.
»Fehler existieren, um aus ihnen zu lernen.«
»Aber wenn ich jetzt noch mehr Fehler mache?«
»Dann wirst du schneller lernen.«
»Auf Kosten Anderer.«, merkte ich unsicher an. »Auf Louis' Kosten. Und deine! Und dem Rest.«
Liam hob eine Hand. Er berührte mich nicht, aber ich wusste, was er zeigen wollte. »Du wirst keine Fehler machen, die fatal genug sind, den kosmischen Spiegel zu zerbrechen.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich deine gesamte bisherige Existenz erlebt habe. Du bist zu gut.«
Ich starrte den Schimmer seiner Flügel an. »Vielleicht sollte ich Louis einfach die Wahrheit sagen.«
Liams Kopf sprang hoch wie durch einen Blitz elektrisiert. Atlas und Axis gerade verhakt. »Nein.«
»Es würde all seine Fragen beantworten. Ich müsste nicht mehr lügen.«, versuchte ich ohne wirkliche Hoffnung.
»Die Lügen dienen deinem Schutz. Unser aller Schutz.«
»Ich sollte ihn schützen. Nicht andersherum. Ich bin sein Schutzengel!«
»Du schützt ihn, indem du dich schützt.«
Ich wollte nicht mehr diskutieren. Es machte die Erdatmosphäre nicht leichter. Auch das musste ich nicht aussprechen, um es für uns beide wahr zu machen. Liam trat dichter an den lebenswarmen Stamm heran.
»Begleite mich ein weiteres Mal, Hara.«
Ohne Nachfrage hob ich meine Arme und fand seine Linien. Das war ein kurzer Aufenthalt in Leeds gewesen. Vielleicht traute Liam mir noch nicht mehr Zeit auf der Erde zu als ein paar Minuten. Ich wollte ihn nicht berichtigen.
Zwei Finger an nur einer Schläfe, wieder war Liam der Schlüssel. »Bereit?«, fragte er und meine stumme Zustimmung war genug, um mein ›Ja‹ in dem tiefen Strudel aus Zeit, Raum und Materie zu verlieren.
61 Kilometer. Die Strecke war so kurz, es fühlte sich fast an, wie noch nicht da zu sein. Natürlich wusste ich sofort, wo wir waren. Und wieso. Ich wollte protestieren, aber Liam lächelte ruhig.
»Bis bald, Hara.« Seine Finger fanden seine nach meiner Schläfe. Und schon war er demateralisiert. Liam im Himmel, ich in Manchester.
Tiefhängende Wolken erdrückten die höchsten Häuserdächer. Ich stand an einer Straßenecke, in der breitesten und vollsten Straße, in der ich je gewesen war. Menschen drängten sich zwischen anderen Menschen wie die Zeiger der Zeitkonstante. Es war Manchester, aber ein Ort, den ich zum ersten Mal sah. Louis war über 1000 Meter entfernt. Liam hatte mich nach seinem besten Wissen hergebracht. Vermutlich war er nie in Manchester gewesen. Er war stark genug, keinen Zwischenstopp im Himmel gemacht zu haben.
Es gab drei Optionen und ich wusste, dass ich für Louis diejenige wählen sollte, die mir weniger Kraft raubte.
Ich konnte zu ihm laufen. Kompass in meinem Herzen separat aller Magnetfelder des Universums. Kein kurzer Weg unter dem Gewicht der Luft.
Oder ich würde Magie nutzen, um ihn direkt zu erreichen. Schneller, aber es wäre die dritte körperlose Reise in sehr kurzer Zeit. Und die vierte würde folgen.
Die dritte Option war objektiv diejenige, die ich wählen sollte, aber subjektiv längst ausgeschlossen. Der Weg über den Himmel. Aber wie Liam wusste ich, dass ich vielleicht nicht zurückkehren würde, wäre ich einmal im Himmel. Ich durfte nicht fliehen.
Ich musste nur einen weiteren Blick auf die Straße vor mir werfen, um zwischen den ersten ebenbürtigen Möglichkeiten zu wählen. Mich durch Meter und Meter und Meter von Menschen und Menschen und Menschen zu schieben, wäre zu viel. Unsichtbar oder nicht.
Ich schloss die Augen für die Bündelung der Konzentration, die in dieser Menschenexplosion zersplitterte. Schuhe auf Steinen, Stimmen in Wellen, Reifen auf Wasserfilmen und ich mittendrin. Louis in der Ferne. Ich vertraute unserer Bindung und sammelte das Summen unter meinen Schläfen.
Sog und Antisog; bekanntes Manchester. Ich öffnete die Augen und fand mich in Menschenleere. Die Chance nutzte ich, um meine Flügel und das Gold versinken, meinen Körper aufsteigen zu lassen. Ich sollte nicht mit Louis reden, ohne dass er mich sehen konnte.
Es musste eine schlechte Idee sein, nach so vielen verstrichenen Tagen mit Louis reden zu wollen, ohne mir überlegt zu haben, was ich sagen wollte. Ich hatte ihn nicht grundlos gemieden. Fehler ungeschehen zu machen, war etwas, das es nicht gab. Aber was war mein Weg zur Wiedergutmachung?
Ich spürte die Antwort auch nicht in der Ferne. Es war eine Frage, die mir nicht mal die himmlischen Archive beantworten konnten.
Also lief ich los. Vielleicht würde sich alles klären, wenn ich Louis' Gesicht sah. Mein Schützling, wie schütze ich dich? In dem Haus vor mir war ich nie gewesen. Es war hoch, lange Fensterreihen wirkten schmal zwischen Backstein rot wie Wüstensand. Mein Herz zog mich hinein zu Louis. Ich verstand nicht, wieso er sich so viel in Häusern aufhielt. Als könnten die Dächer nicht jederzeit über ihm zusammenbrechen. Als dünnte sich der Sauerstoff nicht aus, sobald er über eine Türschwelle trat. Als sprühten die Wände nicht vor Stoffen, die seine Haut und Lunge und Schleimhäute Sekunde für Sekunde zersetzten.
Ich fand den existenziellen Makel erst, als ich schon zu lange gestarrt hatte. Das Haus hatte keine Tür. Nicht, wo ich war. Nur Glas und Stein. An einer der anderen Seiten musste ein Eingang liegen. Oder die Tür war gut versteckt. Über Glas hinweg lief ich zur kalten Hauswand, begann ihr dicht zu folgen, um auch verborgene Türen zu finden.
Die Tür war nicht verborgen. Sie war das große Glas, ohne Knauf und Klinke. Sie glitt auf wie ein magischer Schleier. Ich hatte ein unwirkliches Bedürfnis, zu blinzeln, und tat es. Dann trat ich schnell in die trockene Luft hinter der verschwundenen Tür, bevor sie wieder schließen konnte. Das tat sie erst, als ich in der illusionierten Sicherheit ein paar weitere Schritte gemacht hatte. Jetzt war ich eingeschlossen. Ich musste zu Louis.
Mit ehrlichster Anstrengung versuchte ich, mich nicht auf alle Einflüsse einzulassen, am wenigsten die optischen. Ich sah nicht auf zu den hohen Decken oder den weiten Gängen links und rechts. Hinter einem breiten, weißen Tisch saßen ein Mann und eine Frau, beide im zweiten Drittel der durchschnittlichen englischen Lebenserwartung. Der Blick der dunkelhaarigen Frau streifte mich kurz, dann fiel er wieder. Auch sie limitierte ihre optischen Einflüsse.
Louis befand sich nicht weit entfernt zu meiner Linken. Ich machte ein paar weitere Alibischritte, bis mich eine Metallstange mit Aprikosendurchmesser zum Stehenbleiben zwang. Der kleine Spalt zur Seite hin war zu schmal für mich. Eisen mit minimalem Kohlenstoffanteil trennte mich von Louis.
Es sollte keine Herausforderung sein. Auch ohne Flügel außerhalb meines Brustkorbes wäre das Schweben über die Metallstange eine Leichtigkeit. Sie stand starr auf Höhe meiner Beckenkämme.
Aber 3,4 und 4,7 Meter entfernt von mir saßen zwei Menschen, die nur einen einzigen Augenmuskel nutzen mussten, um mich zu sehen. Das Risiko durfte ich nicht eingehen. Wieso war ich nicht länger für das menschliche Auge unsichtbar geblieben?
Die Alternative war offensichtlich. Unter der Stange hindurch klettern. Physikalisch und proportional müsste es möglich sein, nur hatte ich so etwas noch nie gemacht. Aber es würde schon funktionieren. Die Menschen, die wie Louis die Stange passiert hatten, mussten den gleichen Weg gewählt haben.
Langsam und symmetrisch beugte ich meine Knie, Zehenextension, lumbale und plantare Flexion. Liam sollte mich sehen. Ich senkte den Kopf, bis mein Sichtfeld es mir nicht mehr verzeihen konnte. Als mein höchster Punkt unter dem tiefsten der Stange lag, waren meine Nasenspitze und Sprunggelenke sich nie näher gewesen. Spannung explodierte in den Muskeln meiner Beine.
Ich versuchte, einen kleinen Schritt zu tun und fiel auf die Knie. Aber so ging es auch, oder? Ich schob meine Unterschenkel abwechselnd auf dem rauen Untergrund vorwärts. Stück für Stück für Stück für Stück. Mir fielen die Trainingslehrstunden zu Kleinkindmobilität ein und ich ließ auch meine Handflächen auf den Boden sinken. Wie die meisten Säugetiere bewegte ich mich so mit mehr Schnelligkeit und Stabilität vorwärts. Unter meinem Hindernis hindurch. Eine weitere Premiere; noch nie hatte ich mit so vielen Extremitäten gleichzeitig die Erde berührt.
»Hey!« Die Stimme war lauter, als ich Louis' je gehört hatte. Lauter als an dem Abend, den Louis Halloween genannt hatte. Ich wandte den Kopf, ohne es gebraucht zu haben. Die Frau stand vor mir, über mir, getrennt durch die glänzende Stahlstange.
Ich fiel ins Sitzen. Sie sah nicht glücklich aus, deswegen entschied ich mich für ein aufmunterndes Lächeln. »Hallo.«
Es zeigte keine Wirkung. »Sie müssen Ihre Chipkarte nutzen, um die Bibliothek zu betreten, junger Mann!«
Ich wollte ihr sagen, dass ich kein Mann war, und definitiv älter als sie. Aber ein anderes Detail war vermutlich wesentlicher. Ich befand mich in einer Bibliothek. Das erklärte die vielen Bücher auf meiner Seite der Stange. Mehr Bücher als in Louis' Wohnung.
»Ich war noch nie in einer Bibliothek.«, erklärte ich ihr und wusste nicht, ob es eine Halbwahrheit wahr. Ich hatte zahlreiche Stunden in den himmlischen Archiven verbracht.
»Dann müssen Sie ihre Karte wahrscheinlich erst aktivieren lassen.«, sagte sie, noch immer ohne Lächeln. Ihr Blick wurde sogar noch strenger. Ihre Augenbrauen taten mir leid. »Auf dieser Seite vom Einlass.« Sie hob die Hand und krümmte einen Finger, und wieder und wieder.
»Karte?«, fragte ich, weil ich nicht wusste, was sie meinte.
»Ihre Chipkarte von der Universität.« Starr wie eine Felswand.
Ich wusste, dass ich ein Student sein sollte. Wenn Louis es glaubte, musste sie es auch tun, aber ich hatte keine Karte und nichts Alternatives, das ich ihr zeigen konnte. »Ich habe keine Chipkarte.«, berichtete ich vorsichtig und nahm mir vor, mich zu ›Chipkarten‹ zu informieren.
»Sie haben überhaupt nichts dabei, kann das sein?« Ihre Augen waren klein geworden. In ihrem Rücken sah der Mann ebenfalls zu uns herüber. Als er meinen Blick auffing, sah er weg. »Ohne Karte können Sie keine Bücher lesen oder leihen. Und ohne Ausweisdokument können Sie Ihre Karte nicht aktivieren.«
»Ich möchte keine Bücher lesen.«, versuchte ich, sie zu beschwichtigen. »Ich möchte nur jemanden sehen. Louis William Tomlinson. Er ist hier, deswegen musste ich die Stange überqueren. Unterqueren. Ich werde die Bücher nicht ansehen!«, versprach ich ihr. Bücher nur gegen Karte; das hatte ich begriffen. Aber ich wollte keine Bücher. Ich wollte nur Louis.
»Ohne Chipkarte kein Zutritt zur Bibliothek. Ich muss Sie bitten, an einem anderen Tag wiederzukommen. Und jetzt raus da.«
Sie wollte, dass ich wieder auf ihre Seite kam. Aber ich musste zu Louis. »Bitte, es wird schnell gehen.« Vielleicht hatte Louis eine Chipkarte, die er mir leihen konnte. »Die Bücher bleiben unberührt von mir.«
Oberlippe fest auf Unterlippe ging sie zur nächsten Wand und drückte auf eine weiße, hervorstehende Fläche. Mit einem surrenden Rucken bewegte sich die Stange vor mir ein Stück zu der Seite, von der ich gekommen war. Meine Schultern zuckten nach vorne.
»So, das reicht jetzt.« Sie stand wieder über mir. »Außerdem verstoßen Sie gegen die Ruheregelungen hier und stören die Mitmenschen beim Arbeiten.« Sie war viel lauter als ich. »Hopp, auf die Füße!«
Ich hoffte, dass sie mich darum bat, mich auf meine Füße zu stellen, denn das tat ich. Die Situation war zu fremd und ungewohnt. Ich sollte ihren Worten folgen.
»Ein bisschen schneller, wenn ich bitten darf! Nicht nur dumm rumstehen, junger Mann!«
Wie sollte ich die Metallstange passieren, wenn ich wieder aufrecht stand und nicht schweben durfte und sie meine Existenz missverstand? »Ich bin kein jung-«
»Mitkommen!« Ihre Finger schlossen sich um meinen Oberarm und mein Körper wurde steif, aber sie schaffte es trotzdem, mich gegen die Stange zu ziehen, bis diese meinem Gewicht nach unten hin nachgab und mich die Seite wieder wechseln ließ. »Nicht nochmal sowas abziehen, verstanden? Und jetzt ab nach Hause!«
Ihr Griff löste sich, aber der Knochen wollte sich trotzdem durch Muskeln und Fett und Haut schieben. Ich konnte meinen Arm nur ansehen. Er würde nicht abfallen, aber vielleicht wäre es besser gewesen.
Ich stolperte von ihr weg, bevor sie es sich anders überlegen konnte und mich nochmal berührte. Ehe ich es schaffte, mir über die magische Glaswand Sorgen zu machen, glitt sie wieder auf. Ich war erleichtert, dem Dach über meinem Kopf zu entkommen. Erst als ich einen sanften Windstoß auf meinem Nasenrücken spürte, realisierte ich, dass ich im Gebäude kein einziges Mal geatmet oder geblinzelt hatte. Vielleicht war die Frau argwöhnisch gewesen und hatte deswegen so intensiv reagiert. So ein Anfängerfehler. Wie hätte ich es schaffen sollen, schwierige Gespräche über begangene Fehler mit Louis zu führen, wenn ich mich nicht mal an die Grundlagen erinnerte?
Louis. Ich schüttelte meinen Arm, aber ich wusste, dass es nicht helfen würde. Nicht mal die Rückkehr in den Himmel würde die Empfindungen in meinem Körper ersticken, die in meinem Bewusstsein noch viel weniger. Louis musste ich zurücklassen. Nachdem Liam alles gegeben hatte, um mich nach zu vielen Tagen von Feigheit endlich zu dem zu bewegen, was das Verantwortungsvollste sein musste, scheiterte ich. Manchmal war Schwierigkeit ein Maß für Richtigkeit, für Moralität. Ich war geflohen.
Ich durfte nicht wieder fliehen. Liam und ich hatten es geklärt. Nichts gab mir das Recht, so viel Leben in Gefahr zu bringen. Schon gar nicht der naive Fehler, den ich mit Louis begangen hatte, niemals wäre er eine Rechtfertigung. Ich war nicht mal 122 Jahre alt, ein zölestisches Baby. Katastrophal wäre ein Wort so viel zu winzig, um die Konsequenzen zu beschreiben, die es hätte, wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht benahm, wie ich sollte. Ich musste mit Louis reden. Jetzt.
Wenn mit ihm etwas nicht so laufen würde wie vorgesehen, wäre das fatal.
Die Frau ließ mir keinen Zutritt zur Bibliothek. Aber dort war Louis. Nur ohne Sichtbarkeit würde ich eine weitere Konfrontation und letztendliches Scheitern verhindern können. Das Problem war dann nur; sobald ich, wiederhergestellt sichtbar, auf Louis stieß, konnte ich die Sichtbarkeit nicht mehr aufgeben, nicht in seiner Gegenwart. Die Frau dann zu passieren, konnte gefährlich werden. Angst schaffte es, meine Sinne wie Tau zu beschlagen, wenn ich nur an eine weitere Berührung von ihr dachte. Reize hallten in meinem Arm nach.
Aber ich musste das Risiko eingehen. Obwohl ich mich von Risiken fern halten sollte, doch manchmal war es notwendig, größeres Übel durch kleineres abzuwenden. Ich würde meine Sichtbarkeit aufgeben, an Frau, Mann und Stahlstange vorbei und schließlich zu Louis gelangen. Der Versuch war schlimmere Konsequenzen wert – hoffentlich. Eine Rückkehr in den Himmel würde ihre Spuren hinterlassen, so sehr ich es auch abzuwenden versuchte.
Ich trat ein Stück beiseite, verschwand aus dem durchsichtigen Sichtfeld des Türglases. Die Menschen hinter dem Tisch durften nicht sehen, wie sie ihr Sehen verlieren würden. Ich hob den linken Arm und legte Mittel- und Ringfinger an meine Schläfe. Nur war es keine Kleinigkeit mehr. Die Reisen mit Liam, dann allein, und die dritte Lichtmanipulation, alles nach der Korrektur der Zeitkonstante; meine Energie schwand. Ich musste auch den rechten Arm zur Hilfe nehmen, der immer noch unter Berührungsschock stand. Wieder sammelte ich die Bruchstücke meiner Konzentration.
»Harry.«
Ich riss die Arme hinunter. Für eine Picosekunde war ich unsicher, ob ich die Magie schon angewandt hatte, aber nein. Louis konnte jede meiner oberflächlichen Zellen sehen. Mein Gesicht fand die Seite meines Rückens; die von Louis' Gesicht. Louis und ich waren nicht mehr durch die Stange getrennt.
Erleichterung und Überforderung vermischten sich wie Dämmerungslicht in den innersten Gebieten meines Bewusstseins. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Nur nicht wie. »Hallo Louis.«, brachte ich so sicher wie möglich über die Lippen. Meine Zunge bildete sich fast ein, es wäre eine Lüge.
Er hatte einen Stoffbeutel und zwei Bücher und ein großes, dunkles Bündel gegen seine Brust geklemmt. Seine Unterarme wurden nur von dünnen Baumwollärmeln bedeckt. Panik stieg in mir auf. Hals und Schultern und Arme und Rücken elektrisierten. Er fror.
»Harry? Ich kann nicht glauben, dass du...« Sein Blick verschwamm und wurde klar und er trat einen Schritt auf mich zu. »Du durftest nicht rein. Ich habe dich gehört. Und die Frau am Einlass.«
Er musterte mein Gesicht, aber riss sich los. Vorsichtig legte er den Beutel ab, auf den kalten, grauen Boden, und balancierte die Bücher behutsam darauf. Das übrige Bündel entpuppte sich als seine Jacke, zum Glück. Er zog sie an und verschloss sie mechanisch. Ein warmer Kokon aus Kubikzentimetern Luft legte sich um ihn. Ich hatte mich nicht nur nicht auf das wichtige Gespräch und Fehlerbehebung vorbereitet; ich hatte auch nicht bedacht, was ich zu ihm sagen würde, wenn ich ihn wiedersah. Ich steckte fest. Nicht zwischen Himmel und Erde, aber Liam und Unfähigkeit.
»Ist alles okay, Harry?« Louis hob seine Gegenstände wieder auf, der Beutel landete über seiner Schulter, die Bücher verstaute er darin. »Ich wollte dich nicht- Ich wusste nicht, ob es okay- aufdringlich ist, wenn ich dir folge. Aber ich habe euch gehört und...naja, es ist leise in der Bibliothek. Ich habe gehört, dass du...nicht mit Absicht natürlich und ich wusste nicht, ob... Ich habe gehört, dass du meinen Namen gesagt hast. Und das gibt mir kein Recht darauf, mich angesprochen zu fühlen und- ich wollte nicht direkt eingreifen und irgendwie die Situation an mich reißen und sie noch schlimmer machen – nicht dass sie schlimm war! Ich wollte nur nichts unangenehmer machen oder in die Länge ziehen, aber ich wollte dich sehen und ich habe dich eben gehört und... Wir haben uns nicht mehr gesehen seit Hemsworth und ich habe mir so viele Gedanken gemacht und ich hatte Angst, dass- Stopp. Ich muss aufhören. Es tut mir leid. Dass ich dir gefolgt bin und dich nicht zu Wort kommen lasse. Ist es okay, dass ich hier bin? Wenn nicht, kann ich wieder gehen. Du hast nur gesagt, du willst mich sehen...da drin. Willst du..?«
Tiefe Stimme, tief, tief, tief, tief, hoch. Louis' Gefühle und Gedanken und dann eine Frage. Zwei. Ich musste das hinkriegen. Es ging nicht um die Unsicherheiten in mir, sondern die Konsequenzen für alle. »Ich will dich sehen. Und es ist okay«, ich probierte das neue Wort aus, »dass du hier bist.«
Louis atmete erleichtert aus und da fiel es mir ein; Atmen. Fast hätte ich den Fehler wiederholt. Schnell holte ich ein paar Atemzüge nach, blinzelte mehrfach. Plötzlich bekam ich Angst. Bevor ich mich selbst ermahnen konnte, sprang meine Hand zwischen meine Schulterblätter, aber Entlastung; Louis konnte meine Flügel nicht sehen.
Wie konnte es sein, dass 8 Tage und fast 11 Stunden mir fast alles genommen hatten, das ich über Menschenkontakt wusste?
»Das...ist gut.«, seufzte Louis. Er bewegte den Beutel über seiner Schulter. »Das freut mich, meine ich. Ehrlich gesagt wollte ich dich auch sehen. Seit Samstag. Also seit Montag. Seit ich wieder hier in Manchester bin. Ich dachte, dass du mir sicher über den Weg laufen würdest, aber irgendwie...« Er sah zu meinen Fingern, nicht in meine Augen. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Ich hatte nicht gewusst, was ich erwarten sollte. Ich hatte die Visionen von einem Louis, der versuchte, mich zur Rede zu stellen, ziemlich effektiv verdrängt. Louis, der sagte: ›Harry, da bist du ja, nach deiner Flucht. Was du mir gesagt hast, hat aufgrund der Statistiken und meiner Vernunft in eine solide Vermutung meinerseits resultiert, und jetzt musst du dich offenbaren: bist du wirklich ein Mensch?‹, weiter gefolgt von: ›Ich kenne mich aus mit Menschen, denn ich bin einer, und du zeigst eindeutige Verhaltensweisen, die nur einem nicht-irdischen Wesen angehören könnten. Mich kannst du nicht in die Irre führen.‹, unweigerlich einen Schluss findend mit: ›Du hast mich belogen und verraten. Reich den Antrag ein und stell einen neuen Schutzengel für mich ein. Assoziation mit dir schmerzt mich. Lass mich mein kurzes, zerbrechliches Menschenleben ohne deine Inkompetenz überstehen.‹
So ungefähr oder auch nicht.
Aber er hatte sich Sorgen gemacht. »Sorgen um mich?«, fragte ich, weil ich nicht wieder Dinge sagen konnte, von denen ich naiv annahm, dass Louis sie mir unterstellte.
Er senkte den Kopf, Kinn voran. »Ja. Und ich denke- Ich weiß nicht, ob das gerade alle Grenzen überschreitet, aber ich glaube, ich muss das tun. Ich muss darauf bestehen. Ich denke, wir sollten reden. Jetzt. Deswegen habe ich meine Sachen zusammengepackt.«
Also wusste er doch, dass ich etwas Problematisches gesagt hatte. Natürlich wusste er es. Darin lag die ganze Gefahr. Aber vielleicht würde mir das wenigstens den Einstieg leichter machen. »Ich denke auch, dass wir reden sollten.«, stimmte ich zu. »Jetzt.« Fast hätte ich mich dafür entschuldigt, dass ich so lange nicht hier gewesen war. Ich hielt mich rechtzeitig zurück.
Muskeln zuckten, es war sein Gesicht, aber er nickte. »Nicht hier. Oder? Ich möchte wirklich reden, Harry. Ich würde gerne an einen ruhigen Ort gehen.«
»Hier ist es ruhig.« Für Erdenverhältnisse.
»Ja, noch. Weil es früh ist. Es wird nicht lange dauern, bis der Hauptstrom losgeht. Ich war nur vorbildlich heute. Die Fahrräder da werden sich in einer Stunde verzehnfacht haben.« Er nickte in Richtung einiger Fahrräder. Ich erkannte, dass eines so aussah wie Louis'. Dann schüttelte er den Kopf. »Das meinte ich aber auch nicht, Harry. Ich möchte an einen Ort, der warm ist. Wo wir uns hinsetzen können und...reden.«
Reden konnte ich fast überall, außer im Vakuum, aber ich wollte ihm nicht widersprechen. »Ein warmer Ort hört sich gut an. Dann musst du nicht frieren.«
»Ein warmer Ort für dich, Harry, nicht für mich!« Kurz klang er beinahe wütend. Nein; ungeduldig. Wann würde er lernen, dass mir nicht kalt wurde?
Es würde uns nicht weiterbringen, ihn daran zu erinnern. »Wo wollen wir hin? Was ist dieser Ort?«
Louis zuckte mit den Schultern. Die linke mit dem Beutel trug zu großes Gewicht. »Ich weiß es nicht. Ich habe mir noch nichts überlegt. Hast du eine Idee?«
Ein warmer Ort? »Wir könnten ein Feuer machen.«
Louis grinste, lachte dann. »Ja, gute Idee, ein gutes, altes Lagerfeu-« Das Lächeln fiel und er starrte mich an. »Nein. Tut mir leid. Ich bin dämlich.«
»Nicht dämlich. Feuer sind sehr gefährlich. Wenn du etwas Besseres weißt, können wir das tun.«
Er strich sich ein paar Haare aus der Stirn. Sie würden noch dunkler werden, von blond zu braun, dunkler und dunkler, bis irgendwann wieder grau, weiß. Wenn ich ihn lange genug behüten konnte. »Ähm, schau mal, da drüben; Coupland 3..?« Er streckte seinen Arm aus, seinen Zeigefinger, und ich glaubte, dass er auf einen hellen Turm eines anderen Hauses zeigte. »Direkt hier. Wir können nachsehen, ob ein Seminarraum frei ist. Da hätten wir unsere Ruhe.«
Unsere Ruhe. Als könnte ein Konzept so umweltgebunden wie Ruhe Besitztum sein. Ich nickte. Das hatte ich tagelang nicht getan. »Lass uns dorthin gehen.«, stimmte ich zu. Ich wollte und musste es nur hinter mich bringen. Louis machte es nicht unbedingt einfacher. Sein Herz pochte gegen meinen Brustkorb, er war nervös. Wie sollte ich die Situation regeln, wenn sogar Louis aufgeregt war?
Aber es musste jetzt einfach passieren. Ich strich mir über meinen Oberarm, der von Louis und größeren Problemen abgelenkt worden war.
»Bereit, Louis?«, fragte ich, um die gerichtete Zeitkonstante nicht mehr zu bestehlen. Außerdem konnte Liams Wortwahl mir vielleicht eine Illusion seiner Kraft geben, die ich nicht besaß. Und weil ich meine Flügel so wenig wie meine Magie nutzen durfte, fügte ich meinen eigenen Satz hinzu: »Zeigst du mir den Weg?«
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