Kapitel 8

Am nächsten Tag brachte er erfolgreich das Colloquium hinter sich. Sein Professor informierte ihn, dass die Doktorarbeit als beste in Bayern ausgezeichnet worden war, klopfte seinem seit Jahren erfolgreichsten Studenten auf die Schulter.

Philip flog nach Hause. Yep! Es war geschafft! Das Studium war Geschichte! Seine Hochstimmung ließ ihn fast seinen Herzschmerz vergessen.

Es läutete an der Türe. Ein Bote übergab ihm eine Wertsendung. Verblüfft unterschrieb er.
Im Wohnzimmer öffnete er gespannt das Päckchen.
Er hielt 10.000 Euro in Händen und ein Blatt Papier auf dem stand: „Für deine Dienste! Bella."
Er sah ungläubig auf das Geld, auf den Brief, auf das Geld, auf den Brief.

Er begann zu lachen, steigerte sich in eine Hysterie. Sein erster Lohn als Call-Boy! Er bekam kaum noch Luft.
Doch plötzlich hielt er inne.
Nein!

Nein, das passte nicht!
Das passte ganz und gar nicht!
Sie hatte seine Wohnung gesehen, sie musste gemerkt haben, dass er kein armer Student war!
Irgendetwas lief hier falsch!
Das mit dem Geld war einfach einen Tick zu viel!

Angenommen, sie hatte einen Ehe-Mann, nutzte dieses Wochenende in seiner Stadt für ein amouröses Abenteuer, dann hätte sie ihm das sagen und lachend weggehen können!

Angenommen, sie war krank, hätte es noch mal richtig krachen lassen wollen, wie man es in Filmen sah, hätte sie ihm das sagen können!

Angenommen, sie war eine Frau, die Abenteuer sammelte, hätte sie ihm das auch sagen können!

Angenommen, sie war eine Frau, die Männern etwas beweisen wollte, sie demütigen wollte, hätte sie ihn das auch wissen lassen können!

Und er glaubte nicht, dass eine seiner Überlegungen auf sie zutraf!
Dafür hatte sie ihn zu glücklich angelächelt!
Dafür hatte sie zu sehr genossen, was sie zusammen erlebt hatten in dieser Nacht!
Dafür! War! Sie! Zu! Süß! Gewesen!

Zu strahlend!
Zu erfüllt!
Zu glücklich!
Zu sehr seine Bella!

Die Sache mit dem Geld in seinen Händen bestärkte ihn nur in seiner Gewissheit!
Das kam nicht von Bella!
Niemals würde sie ihn grundlos so demütigen!
Niemals!

Was! War! Hier! Los?
Er musste sie finden! Er musste herausfinden, was da ablief!

Er setzte sich in sein Auto, fuhr alle teuren Hotels der Stadt ab. Er erzählte jedes Mal die rührselige Geschichte von seiner Schwester, die er seit Jahre nicht gesehen hatte, weil sie an den falschen Mann geraten war, der jeden Kontakt von ihr zu seiner Familie unterband.
Die sich an ihn gewandt hatte, damit er ihr half. Leider war er nicht in der Stadt gewesen, aber er musste sie unbedingt finden!

Im achten Hotel brachten ein paar Scheine einen Rezeptionisten zum Reden.
„Ihre Beschreibung passt auf eine junge Dame, die nur ganz kurz hier war!" erklärte er. Philip schöpfte Hoffnung. Der Mann sah im Computer nach. „Da haben wir sie ja! Helene Fischer!"
Philip brach fast zusammen. Die Schlagersängerin!

„Haben Sie ihren Ausweis gesehen?" fragte er dessillionisiert.
„Nein! Die Suite war online gebucht und bezahlt worden! Der Check-in auch im Voraus!" verteidigte der Mann sein Vorgehen. „Ich habe ihr nur die Schlüsselkarte gegeben!"
„Von welchem Konto wurde überwiesen?" fragte Philip.
„Eine Bank in Saint-Tropez. Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen!"

„Und der Name hat Sie nicht stutzig gemacht?" Philip konnte es nicht fassen.
„Ach, wissen Sie, wir hatten hier schon die seltsamsten Varianten. Von Donald Duck bis Donald Trump war so ziemlich alles dabei!" erklärte der Mann.

„Und das Meldegesetz? Nehmen Sie das gar nicht ernst?"
„Manche Menschen wollen eben nicht, dass jeder ihrer Schritte nachzuvollziehen ist! Wir respektieren die Privatsphäre unserer Gäste! Sonst könnten wir bald dichtmachen!" antwortete der ältere Herr.

Frustriert zog Philip ab. Hier würde er nicht weiter kommen.
Dann fielen ihm die Überwachungskameras an der Disko ein. Der Besitzer des Clubs war ein Kumpel von ihm.

Sofort machte er sich auf den Weg. Zum Glück war Paul schon im Büro, wunderte sich etwas über den Besuch des Freundes.
„Hast du die Bänder von gestern Abend schon gelöscht?" fiel der gleich mit der Tür ins Haus.
„24 Stunden sind noch nicht um, nein, ich habe sie noch!" antwortete Paul.

„Ich muss sie sehen!" Philip ließ sich unaufgefordert auf einen Stuhl vor dem PC fallen.
„Wie wäre es mit einem Bitte und einer Erklärung?" fragte Paul.
„Mensch! Öde mich nicht an! Ich muss eine Frau finden, die ich gestern hier getroffen habe!" fuhr er den Kumpel an.

„Ah! Die Liebe hat Casanova dahingerafft!" zog der andere ihn auf.
Dafür hatte er ja nun wirklich Verständnis. Er rief den Button auf, ließ den Film laufen.
„Ab?" fragte er kurz.
„Ab halb zehn, denke ich!" antwortete Philip.

Sie starrten beide gebannt auf den Bildschirm.
Da, die mitlaufende Zeit zeigte 22.15 Uhr, sah er sie. Sie hatte zwar das Gesicht von der Kamera abgewandt, als wollte sie sich verstecken, aber sie war es eindeutig.
Ihre Bewegungen, ihr Haar, ihre Körperhaltung hätte er unter tausenden erkannt.

„Jetzt lass eine Stunde vorlaufen, bitte!"
Der Freund erfüllte ihm lächelnd den Wunsch.
Dann waren sie beide zu sehen, er hatte den Arm um sie gelegt, sie lächelte zu ihm hoch, er sagte irgendetwas zu ihr.

„Stop! Kannst du mir das ausdrucken?" Philip wusste zwar nicht, wie ihm die Aufnahme helfen sollte, aber er musste sie haben!
„Ich kann ordentlich Schwierigkeiten bekommen, das weißt du?" fragte Paul.
„Ja, klar! Aber ich werde das Bild nicht ins Netz stellen oder sonst wie veröffentlichen!" versprach Philip.

Paul zögerte, gab aber dann doch den Druckerbefehl ein.
Philip wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Aber er beschränkte sich darauf, ihm die Faust hinzuhalten, um sich abschlagen zu lassen.
„Danke!" sagte er. „Hast was gut bei mir! Vielleicht brauchst du mal eine kostenlose OP!"
„Hau bloß ab, du Depp!" meinte Paul lächelnd. „Aber zu deiner Hochzeit kannst du mich einladen!"
Philip grinste etwas schmerzlich, legte eine Hand auf sein Herz. „Versprochen!" sagte er und ging.

Ein Bild! Er hatte ein Foto von ihr! Sie lächelte ihn an, so süß, dass er kaum glauben konnte, dass sie ihn ein paar Stunden später so kalt abserviert hatte!

Zu Hause rahmte er die Aufnahme, setzte sich auf einen Sessel und sah sie eine Weile nur an:
„Was ist los mit dir, Bella?" flüsterte er. „Was ist dein Geheimnis?"

Was sollte er jetzt anfangen mit sich? Eigentlich hatte er ab heute vier Wochen durchfeiern wollen, hatte nächste Woche mit Freunden auf Mallorca fliegen wollen, Mädchen, Sonne, Meer, Sangria, Mädchen!

Und nun saß er hier, trauerte um etwas, das er hin und wieder Liebe nannte, von dem er aber nicht wusste, ob es mehr als körperliche Anziehung war.
Vielleicht würde auch alles wieder vergehen, würde sein Herz heilen!
Er wusste es nicht! Hatte keine Erfahrung mit dem Vermissen!

Und jetzt? Freiheit!
Er machte sich endlich wieder einmal eine ordentliche Mahlzeit, während ihr Bild auf dem Tresen stand, schaufelte vor dem Fernsehapparat die Spagetti in sich hinein.

Dann hielt es ihn nicht mehr in der Wohnung. Es war ein herrlicher Sommerabend. Er lief an der Donau entlang, sah jeder blonden Frau prüfend ins Gesicht.
Danach ging er in den Club. Vielleicht war sie ja wieder gekommen? Er lief den Zwillingen in die Arme, die sich Hoffnung auf das Abenteuer machten, das vor zwei Tagen ja wegen dieser Schlampe, die er abgeschleppt hatte, ausgefallen war.
„Na? Wieder alleine?" zog Maxi ihn auf.
„Wollen wir es heute nochmal versuchen?" fragte Micha und sah ihn erwartungsvoll an.

Sie sahen beide an seinem abwesenden, suchenden Blick, dass das wohl auch heute nicht klappen würde.
„Sie ist nicht da!" erklärte Maxi wütend.
„Würdet ihr mich anrufen, wenn sie auftaucht? Oder wenn ihr sie woanders seht?"

Die beiden sahen ihn ungläubig an. Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt!
„Ganz bestimmt nicht!" knallte Micha ihm hin.
Und dann sagte Philip ein Wort, das er noch nicht oft zu einer Frau gesagt hatte: „Bitte!"

Sein schmerzvoller Blick traf die Beiden mitten ins Herz. Er war ja eigentlich wirklich ein netter Kerl, und wenn es ihn nun einmal erwischt hatte, dann war es eben so. Sie waren ja nicht verliebt in ihn, hatten nur gerne ihren Spaß mit ihm im Bett gehabt. Da war er nämlich wirklich gut. Aber es würde sich schon ein Nachfolger finden lassen!

„Okay!" räumte Maxi ein. „Machen wir!"
Dankbar küsste er die Mädchen auf die Stirn.
Er lief durch die Stadt, in jeder Diskothek hielt er Ausschau. Auch wenn er wusste, dass es eher unwahrscheinlich war. Sie hatte ein Hotelzimmer gehabt, das von einer Bank in Saint-Tropez aus bezahlt worden war.

Müde ging er gegen zwei Uhr morgens nach Hause.


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