Kapitel 2
Philip
Philip betrat den Vorraum, in dem sich schon knutschende Pärchen vergnügten. Er erkannte Sandra, sie erkannte ihn, winkte ihm zu. Sie hing in den Armen eines seiner Kumpel. Holger hatte sie schon eine Weile angebaggert, wie er wusste.
Gut, eine schon mal weg vom Markt, wenigstens für einige Zeit. Denn der Freund war, im Gegensatz zu ihm, schon immer auf der Suche nach etwas Festem.
Als er durch die zweite Tür kam, nahm er dankbar die dicke Luft, die wummernden Bässe, das dichte Gedränge wahr. Hier tobte das Leben, hier war sein zweites Zuhause.
Er begrüßte ein paar Freunde, sie machten dumme Witze, er begutachtete die Mädels, die an deren Armen hingen, es waren ein paar ganz ansehnliche Wesen darunter.
Britta, die ihm oft auf Schritt und Tritt gefolgt war, wenn er hier auftauchte, fiel ihm um den Hals. Aber zwischen ihr und ihm stimmte die Chemie nicht im Geringsten, sie lachte zu laut, warf ein wenig zu oft ihre langen Haare von links nach rechts und zurück, war auch zu grell geschminkt. An ihr zog ihn nicht das Geringste an.
Er hatte schon ein paar Mal versucht, ihr das klar zu machen, aber sie war ziemlich resistent gegen seine Abwehr.
Auch dieses Mal schüttelte er ihre Umarmung grober ab, als er sonst Mädchen behandelte.
Dümmlich kichernd blieb sie zurück. Er schob sich durch die Menschenmenge in Richtung der Bar, bestellte sich bei Carolin ein Pils. Auch auf der Tanzfläche ging es schon hoch her. Er sah Sonja, die sich zur Musik drehte, daneben Charlotte.
Er nahm einen durstigen Schluck, wollte sich eben aufmachen, eine der beiden anzutanzen. Da standen auf einmal die Zwillinge vor ihm, schenkten ihm heiße Blicke.
Aha! Sie waren also durchaus in Stimmung!
„Du siehst heute toll aus!" brüllte Micha ihn an.
Er schmunzelte. „Danke, das Kompliment kann ich an euch beide zurückgeben!" schrie er zurück. Es waren wirklich bildhübsche Mädels, nicht gerade mit Intelligenz gesegnet, dafür aber eben im Doppelpack!
Maxi zog ihn auf die Tanzfläche, sie umgarnten ihn beide nach allen Regeln der Kunst. Ihm wurde ordentlich heiß, die Jeans wurden ordentlich eng.
Aber er konnte natürlich nicht gleich mit den beiden abziehen. Das Anmachen, Aufheizen gehörte zum Spiel. Wenn es zu erregend wurde, musste er eben kurz auf die Toilette, um sich Erleichterung zu verschaffen.
Sie
Sie durchquerte den Vorraum mit den sich anschmachtenden Pärchen. Sie sah nicht nach links und rechts, sie wollte keine glücklichen oder erregten jungen Gesichter sehen. Sie musste jagen, sie musste eine Beute erlegen, sie musste einen Mann in ihr Bett bringen für eine Nacht. Nur deshalb war sie hier.
Da war kein Platz für romantische Gefühle.
Sie betrat die Disco, der Lärm nahm ihr für einen Augenblick den Atem. Die Bässe dröhnten in ihren Eingeweiden, die Luft schien zu dick, um überhaupt einen Weg durch ihre Bronchien in ihre Lunge zu finden.
Sie war das nicht gewöhnt, nicht mehr!
Tapfer quälte sie sich durch die lachenden, brüllenden Menschen zum Tresen.
Sie bestellte eine Coke, wusste, dass Alkohol sie zu schnell betäuben würde, und das durfte sie nicht zulassen!
Ihre Blicke schweiften über die Gäste. Viele hübsche Mädchen, wenige gutaussehend Männer.
Einer, der eindeutig nicht dieser Kategorie angehörte, stellte sich neben sie und haute irgend einen Anmachspruch raus. Sie sah ihn unwillig von oben bis unten an, erdolchte ihn mit Blicken.
Das passierte ihr immer wieder. Sie war eine attraktive Frau, zumindest an diesen Tagen in den Clubs.
Aber die ersten, die sich immer auf sie stürzten, waren die Dicken, die Ungepflegten, die Kleinen, die Unscheinbaren.
Okay! Das konnten nette, wertvolle Menschen sein! Aber für diese Nächte wollte sie etwas fürs Auge!
Ein hübscher Blonder lächelte sie an, sie lächelte zurück. Er führte sie zur Tanzfläche, begann in lockerer Umarmung mit ihr zu tanzen. Ihre Körper kamen sich näher, sie sprang darauf an, sie war ausgehungert nach körperlicher Nähe.
Sie hob ihren Blick, um in seine Augen zu sehen, sah die erweiterten Pupillen, erkannte jetzt auch das etwas dümmliche Lächeln.
Der Kerl war zugedröhnt! Sie ließ ihn wortlos stehen, kämpfte sich durch die Tanzenden zurück. Sie stieß mit einem Mann zusammen, der zwei Mädchen im Arm hielt.
„Sorry!" sagte sie und hob den Blick ziemlich weit nach oben. Sie sah direkt in zwei knallblaue Augen unter einem wilden dunklen Haarschopf, und ihr Mund begann zu lächeln, ohne dass sie es mitbekam.
Philip
Philip erstarrte. Er sah vor sich die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Seine Kennerblick registriert blitzschnell: Ein schmales ovales Gesicht, in dem zwei dunkle Augen dominierten, umrahmt von dichten Wimpern ohne den Hauch von Maskara, eine gerade Nase mit einem ganz leichten Schwung nach oben, wunderschöne, volle Lippen, klar gezeichnet, über der Oberlippe ein tiefes Grübchen, wie er es so liebte. Das ganze eingerahmt von einer blonden Mähne, in der Mitte gescheitelt. Seine Augen glitten tiefer. Ein knappes Top versprach perfekte Formen, die tiefsitzenden Jeans ließen einen flachen Bauch hervorblitzen, schmiegten sich perfekt um wohlgerundete Hüften, um endlos lange Beine.
Wie in Trance ließ er die maulenden Zwillinge los, griff nach dem nackten Arm der unbekannten Schönheit und führte sie auf die Tanzfläche zurück.
Er legte die Hände locker um ihre schmale Taille, bewegte sich in einem seltsamen Einklang mit ihr zur Musik. Sein Blick ließ ihren nicht los, er sah die goldenen Einschlüsse in den braunen Augen.
Wie Bernstein! dachte er, bevor sein Lippen sich auf ihre senkten, ohne dass er eine Sekunde darüber nachgedacht hatte.
Sie wehrte seinen Kuss nicht ab, erwiderte ihn aber auch nicht. Er strich sanft über ihren Mund, seine Zunge bat um Zugang, aber sie verwehrte ihn.
Sie schloss die Augen, schien die Zärtlichkeit der Berührung zu genießen, ließ aber keine Leidenschaft zu.
Er zog sie etwas näher an sich, ließ seine Lippen über ihren Hals streichen.
Sie hatten noch nicht ein Wort miteinander gesprochen.
Sie
Sie genoss die zarte Berührung seiner Lippen so sehr, dass ihr Blut zwischen ihre Beine schoss. Sie war erregt wie noch nie. Sie spürte den Weg, den sein Mund nahm auf ihrem Hals, ihren Schultern. Sie wollte den Rest ihres Lebens hier sein, sich langsam zur Musik drehen, seine Zärtlichkeit in sich aufsaugen.
Schweratmend löste er sich nach einer Ewigkeit von ihr, schob sie ein wenig von sich.
„Hallo, fremde Schönheit!" flüsterte er, und trotz der lauten Musik verstand sie jedes Wort.
„Hallo, Fremder!" antwortete sie leise und wusste, dass auch er sie verstand.
Er zog sie wieder näher an sich, seine Hände glitten an ihrem Rücken entlang, streichelten ihre Wirbelsäule, drückten sanft in die Zwischenräume der Wirbel.
Sie atmete schneller. Der Junge kannte sich aus! dachte ihr leicht vernebeltes Gehirn.
Er strich an ihrer Taille entlang, sie spürte wie auch sein Atem schneller wurde, fühlte sein Herz pochen.
Philip
Philip verließ diese Welt, wurde direkt ins Traumland katapultiert. Er vergaß alles um sich, fühlte diesen wunderbaren Körper an seinem, streichelte diesen wunderbaren Körper, wollte in seinem ganzen Leben nichts anderes mehr tun.
Er fühlte, dass es ihr gefiel. Sie wurde ganz weich in seinen Armen, und sein Herz begann zu rasen. Wieder suchten seine Lippen die ihren und dieses Mal gab sie dem Drängen seiner Zunge nach. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, um sie festzuhalten, hier bei sich, an seinen Lippen.
Er küsste, wie er noch nie eine Frau geküsst hatte. Zart strichen seine Lippen über ihre, immer wieder, unendlich lange, sanft begann seine Zunge mit ihrer zu spielen, erkundete sie ihren Mund, ließ zu, dass ihre seinen erkundete.
Leidenschaftlich presste er seinen Mund auf ihren, saugte, spielte, schmeichelte, streichelte.
Sie machte alles ebenso leidenschaftlich mit, bog sich ihm entgegen, presste sich an ihn.
Wenn er jetzt nicht langsam machte, würde es sehr peinlich werden!
Er war sehr, sehr kurz davor zu kommen.
Keuchend löste er sich von ihr, führte sie zur Bar.
„Möchtest du etwas trinken?" fragte er heiser.
„Da steht, da steht noch meine Cola!" stammelte sie.
„Mein, mein Bier muss auch noch wo sein!" Er war nicht sehr viel wortgewandter.
Die Coke war lauwarm, das Bier auch. Er bestellte neue Getränke. „Möchtest du etwas anderes?" fragte er.
„Nein!" antwortete sie.
Sie
Sie standen an der Bar. Er hatte sie gefragt, ob sie etwas anderes trinken wollte, sie glaubte zumindest, dass sie richtig verstanden hatte.
„Möchtest du etwas anderes?"
„Nein!" hatte sie gesagt.
Doch! hatte sie gedacht! Dich! Dich möchte ich! Ganz schnell! Ganz nah!
Aber sie musste sich an die Spielregeln halten. Sie erinnerte sich vage daran, wie diese lauteten: Der Mann baggerte ein Mädchen an, sie spielte die Coole, die Uninteressierte. Er fragte sie Stunden später, ob sie mit zu ihm käme, sie hatte sich ein wenig zu zieren, ließ sich aber schließlich überreden.
Natürlich nur, um seine Schallplattensammlung zu sehen oder noch einen Kaffee zu trinken oder die Aussicht von seiner Dachterrasse zu genießen.
Aber auf keinen Fall, um mit ihm zu schlafen!
Auch wenn das das Einzige war, was beide wollten, worauf es am Ende hinauslief!
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