Wahre Monster sitzen immer hinter Mauern (Eine Nachkriegsgeschichte)

Hinweis: Die Geschichte entstand, weil mich  ein wenig herausgefordert hat, doch einmal eine Druna zu schreiben. Und so entstand diese Geschichte zwischen 2 und 4 Uhr Nachts!

Cover bei bookprincess_xo

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Die Sonne schien hell auf die grünen Wiesen vor Hogwarts. Flirrschwalben ließen das Licht verschwimmen. Natürlich war sie die Einzige, die sich der Anwesenheit dieser absonderlichen Wesen bewusst war. Natürlich hätte sie anderen davon erzählen können, aber sie wollte niemanden beunruhigen und Flirrschwalben waren in der Regel sehr friedfertige Geschöpfe.

Menschen hatten immer Angst vor Dingen, die sie nicht verstanden. Also, weshalb sollte sie grundlos Angst und Panik verbreiten. So behielt sie die Flirrschwalben zwar im Auge, redete aber mit niemandem darüber.


Hüpfend setzte sie ihren Weg fort. Am schwarzen See empfahl es sich immer zu hüpfen. Sumpflinge spannten gerne Schnüre, um Menschen die normal gingen zum Stolpern zu bringen. Aber wenn man hüpfte, hüpfte man einfach über diese Fallen hinweg. Doch wenn Luna ehrlich zu sich selbst war, empfahl es sich sowieso immer ein wenig zu hüpfen. Man konnte ja nie wissen!


Die meisten Schüler von Hogwarts der Wiese vor dem dunklen See. Je näher man dem verbotenen Wald kam, desto weniger wurden es. Es war nicht weiter verwunderlich, denn jeder genoss an Tagen wie diesen die Sonne. Würden sie von den Flirrschwalben wissen, wäre es vielleicht anders, aber so...

Immer weniger verstörte Blicke schienen ihr zu folgen. Auf gewisse Weise würde sie froh sein, wenn sie ihnen endgültig entrann.

Ihr Weg führte in die kühlen Schatten der Bäume. Der verbotene Wald machte vielen Angst, aber für Luna Lovegood war er nicht nur aufregend und spannend, sondern auch gefüllt mit Unmengen an Wesen, mit denen sie sich anfreunden konnte. Viele glaubten, es handle sich dabei um Monster, aber sie wusste es besser: Wahre Monster saßen immer hinter Mauern.


Die Welt um sie herum wurde dunkler, doch ihr Gemüt erhellte sich. Hier, weitab von jeder Menschenseele konnte sie sein, wer sie wirklich war.


Doch plötzlich nahm sie etwas wahr, das nicht hier sein durfte. Eine dunkle Präsenz hatte sich eingeschlichen in ihr kleines Paradies. Es war keine Dunkelheit, die das Fehlen von Licht verursachte, sondern es war vielmehr die Hoffnungslosigkeit, die davon abgesondert wurde. Ohne es zu wissen, vergiftete es diesen wunderbaren Ort. Bald würde es Nargel anziehen und dann... nein, Luna wollte sich nicht ausmalen, was dann passierte.


Sie folgte den düsteren Fäden, die wie das dunkle Pendant zu Spinnweben wirkten, zu ihrer Quelle. Ein Junge saß da, zusammengekauert, die Arme um seine Beine geschlungen.


Luna kannte ihn, erkannte ihn an dem platinblonden Haar, das ihrem nicht unähnlich war. Sie hatte ihn in ihrem ersten Jahr kennen gelernt, als einen Jungen, der zerfressen von Eifersucht und Neid war. Später sollte sich immer mehr das Gefühl nicht gut genug zu sein dazu kommen. Sie hatte sich oft gefragt, wie man mit all diesen negativen Emotionen überhaupt einen Charakter entwickeln konnte. Aber zu diesem Zeit war er immer in Hogwarts gewesen und wahre Monster saßen immer hinter Mauern. Was machte er jetzt also hier?


Sie betrachtete ihn einige Zeit und versuchte, zu verstehen, warum er so war wie er war.


Sie erinnerte sich an seine Rolle im Krieg. Er war einer ihrer Kerkermeister gewesen, als sie im Keller des Malfoy Manors eingesperrt gewesen war. Sie hatte die draußen beobachtet. Irgendwann war ihr aufgefallen, dass er nie von sich aus handelte, sondern nur Befehle ausführte. Als er einmal gekommen war, um ihnen Essen zu bringen, hatte sie seine Hand berührt, mit der er sich verkrampft an einem der Gitterstäbe festgehalten hatte. Er war zurückgezuckt, als hätte er sich an ihr verbrannt. Aber ihr sagte diese winzige Berührung so viel.


Seine Haut war kalt und klamm gewesen. Ihre war im Vergleich warm und weich. Da hatte sie es erkannt. In Wahrheit war er derjenige gewesen, der eingesperrt und sie diejenige die frei war. Es mochte vielleicht für den außenstehenden Betrachter anders aussehen, aber er musste immer aufpassen was er sagte, was er dachte, was er fühlte. Ihre Gedanken dagegen waren immer frei. Der kalte Stahl der Kerkertür hatte ihrem Geist nie einen Riegel vorschieben können. Draco Malfoy dagegen hatte Mauern um sich gebaut. Was sich hinter diesen Mauern befand, konnte niemand mehr sagen. Aber Luna war auf der Hut, denn wahre Monster saßen immer hinter Mauern.


Als der Krieg zu Ende war, wurde er frei gesprochen. Sie selbst hatte vor Gericht für ihn ausgesagt. Zwar schien der Richter sie für absonderlich zu halten, nahm aber ihre Fürsprache durchaus zur Kenntnis.

Als sie nach Hogwarts zurückgekommen war, um ihr versäumtes Schuljahr zu wiederholen, war auch er wiedergekommen. Nur war jetzt so vieles anders, als in den Jahren zuvor. Er war nicht mehr beliebt unter seinen Klassenkameraden. Vielmehr bemühten sich alle, ihm zu zeigen, dass er nicht mehr dazugehörte. Sie kannte das aus ihren ersten Jahren. Aber wer brauchte menschliche Freunde, wenn man so viele zauberhafte Wesen sehen konnte wie sie?


Die Antwort auf diese Frage war: Jungen wie er. Er war so verbissen, in dem was er gelernt hatte, dass er das unbegreifliche nie würde fassen können. Sein Geist würde nie in die Sphären vordringen können, wie es ihrer tat. Wenn er es nicht schaffte, Hoffnung zu schöpfen, würde er in seiner Verzweiflung ersticken.


Sie zog ihren Zauberstab. Es war ein einfacher Zauber, der keinen praktischen Nutzen hatte, doch hier mochte er Wunder bewirken. Eine kleine Lichtgestalt verließ die Spitze des Eichenstabs und flatterte in Form eines Schmetterlings auf den Jungen zu. Es war ein zerbrechliches Tier, so fragil, wie eine neue Freundschaft. Sanft ließ sich das Tier auf seiner Schulter zur Ruhe.


Luna lächelte versonnen. Wenn er es sah, vielleicht, ganz vielleicht würde er dann verstehen, dass er nicht allein war.


Sie drehte sich um und ging ein paar Schritte auf den verbotenen Wald zu. Dann sah sie sich noch einmal um. Hatte er den Schmetterling schon bemerkt?

Doch was sie erblickte, ließ sie erneut innehalten. Die Dunkelheit um den Jungen war größer geworden. Das schöne Insekt, ihr Friedensangebot wurde davon verschlungen.


Kurz entschlossen machte sie kehrt und ging auf den Jungen zu. Die Nargel waren sicher nicht mehr weit und würden ihn holen, wenn er weiter in der Finsternis versank. Sie berührte ihn vorsichtig an der Schulter.


Genau wie damals, zuckte er vor ihrer Berührung zurück, als hätte er sich verbrannt. Mit großen Augen starrte er sie an und zog sich zurück.


Und da waren sie. Mauern. Für Luna waren seine Okklumentikmauern so real, als wären sie aus Stein. „Wahre Monster saßen immer hinter Mauern", dachte sie sich. Ein Magier, der Legilimens gelernt hatte, würde gegen diese Mauern anrennen und an ihnen verzweifeln. Sie legte ihren Kopf schief und sah Draco an, der sie immer noch aus weit aufgerissenen Augen anstarrte.


Magier die Legilimens gelernt hatten, waren Narren. Man musste nur nachdenken und es gab viele Wege, an Mauern vorbei. Man konnte darüber klettern, sich darunter durch graben oder einfach an ihnen vorbei gehen. Dahinter verbargen Okklumentiker ihr wahres Ich. Die verletzten Gefühle, die Ängste und ihren Schmerz. Sie schenkte ihm ein Lächeln, als sie ihm über die nassen Wangen strich.

„Wie...", fing er an, doch sie legte ihre Finger auf seinen Mund um ihn zum Schweigen zu bringen.


Jedes Mal, wenn sie einem anderen Menschen ihre Fähigkeiten zeigte, fühlte es sich an wie ein Ritt auf einem wilden Hippogreif. Zuerst die Unverständnis des Anderen, was passierte. Dann das Verstehen. Dann Angst und Ablehnung. Und am Ende verstand sie.


Sie nahm ihn in die Arme. Tränen bahnten sich nun auch den Weg in ihre Augen, als sie ihn in die Arme nahm. Sie hatte die Dunkelheit in ihm gesehen. Hatte gefühlt, was er fühlte. Verstand, wie die Einsamkeit an ihm nagte.


„Du...", kam es ungläubig von ihm.

„Schhhhh", unterbrach sie ihn abermals. „Du ertrinkst", stellte sie fest, „halt dich an mir fest. Ich helfe dir, versprochen."


Sie wusste, dass er Fragen stellen wollte. Genau wie sie wusste, dass sie ihm diese nicht beantworten konnte. Wie konnte man jemandem erklären, was Freiheit war, der sein Leben in einem goldenen Käfig verbracht hatte?

Sie spürte seinen inneren Kampf. Dann siegte eine Seite und er drückte sie an sich. Sein Gesicht in ihrem Blazer vergraben fing er schließlich an zu weinen. Sie lächelte nur und streichelte ihm über seine Haare.


Als er sich beruhigt hatte, hob sie sein Kinn an. Vorsichtig näherte sie sich ihm. Schließlich drückte sie ihren Mund auf den Seinen. Er ließ es zu, erwiderte den Kuss verzweifelt, den sie ihm schenkte.

Er war aus Dunkelheit gemacht und sie war das Licht. Sie lächelte in den Kuss hinein. Das Licht würde die Dunkelheit immer besiegen und gerade jetzt setzte sie einen kleinen Lichtschimmer in diese von Düsternis zerfressene Gestalt. Es war nur ein kleiner Funken aus Hoffnung und Liebe, aber er würde wachsen und auch den letzten Schatten verdrängen.


Sie lächelte immer noch, als sie aufstand und ihm zuzwinkerte. Er starrte sie immer noch mit weit aufgerissenen Augen an. Eigentlich hatte sie ja vorgehabt, in den verbotenen Wald zu gehen. Nun sollte sie ihren Weg wirklich fortsetzen.


Kurz bevor sie die Baumgrenze betrat sah sie sich noch einmal um. Seine Augen starrten ihr ungläubig hinterher. Das Grau erinnerte sie an die okklumentik Steinwände, die er um seinen Geist errichtet hatte und die nun nicht mehr existierten.


Wahre Monster sitzen immer hinter Mauern. Das war nicht so, um die Monster einzusperren. Auch sollten die Mauern niemanden vor den Monstern schützen. Wahre Monster saßen immer hinter Mauern, weil die Isolation sie zu Monstern werden ließ.

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