Tag 4
Ich fand, es war viel zu früh. Viel zu früh. Warum konnten wir uns nicht Zeit lassen und später anfangen zu drehen? Nein, dieses Leben war definitiv nichts für mich. Ich zog mir meine Lederjacke mit dem weichen Fell als Futter an und stapfte aus der Hütte. In just diesem Moment kam Tom um die Ecke und hielt mir einen Becher Lady Grey hin.
„Drei Stück Zucker. Keine Milch.", fügte er bei, womit er mich zum Lachen brachte. Ich nahm den Becher dankbar an.
„Habt dank, britischer Mann", neckte ich, wodurch er ebenfalls leicht lachen musste. Gemeinsam machten wir uns auf zur Maske. Ich nippte bereits an meinem zweiten Tee, als wir fertig wurden und es losging.
Die ersten Szenen des Tages fanden draußen statt. Es gab etliche Patzer, größtenteils aus Mangel meiner Schauspielerfahrung. Zum Glück nahm es jeder Anwesende locker, wodurch wir alle zumindest etwas zu lachen hatten. Plus, ich war nicht die Einzige, die Fehler machte.
Die nächsten Szenen drehten wir in einer dafür hergerichteten Hütte. Groß genug für uns alle. Ich atmete tief durch und versuchte mich, in meinen Charakter hineinzuversetzen. Eigentlich nichts Schwieriges für einen Autor. Das Problem war Tom. Manchmal hatte er eine beruhigende Wirkung auf mich und manchmal da machte er mich nervös. Warum das so war, wusste ich nicht. Vielleicht wollte ich es einfach nicht wahrhaben.
„Okay. Action!", rief Rick, der Regisseur. Tom und ich standen an der Wand und befanden uns laut Szene mitten in einer Auseinandersetzung. Wie so oft in den Anfangsszenen.
„Ich verstehe nicht wieso!", brüllte er und schlug Zentimeter neben mir gegen die Holzwand. Ich war so überrumpelt, obwohl ich das Skript ja kannte, dass ich unweigerlich zusammenzuckte und reflexartig fluchte: "Bei Odin!" Zum Glück mussten wir daraufhin alle lachen.
„War das zu hart? Tut mir leid", meinte Tom zu mir. Ich hingegen schüttelte schnell den Kopf.
„Alles in Ordnung", versicherte ich ihm amüsiert.
„Cut!", rief Rick. „Auf ein Neues. Action!"
„Ich verstehe einfach nicht wieso!", brüllte Tom abermals und schlug erneut gegen die Wand. Diesmal zuckte ich nicht einmal mit der Wimper, so wie es mein Charakter vorsah.
„Wieso willst du diese Menschen um jeden Preis retten?"
Ich musterte ihn einen Moment lang. „Ich sagte doch bereits, es gibt nicht nur schlechte Menschen und wenn ich die Möglichkeit habe, dann nutze ich sie.", antwortete ich. „Sind wir denn nicht schlechter als sie, wenn wir die Menschen einfach sterben lassen, ohne irgendetwas unternommen, irgendetwas versucht zu haben?"
„Cut!", rief Rick und klatschte. „Perfekt! Wir gehen über in die nächste Szene!"
Und so ging es Abschnitt für Abschnitt weiter. Mit Tom hatte ich lediglich kurze und wenige Szenen für den Anfang. Die meisten fanden zwischen meinem Charakter und dessen besten Freund statt. Gegen Nachmittag ging es draußen wieder weiter, wo ein Kampf stattfand. Zum Glück trainierte ich von klein auf Material Arts und hatte mit den Stunts kein Problem. Allerdings hätte ich beinahe einem der Stuntmännern in die Eier getreten.
Ich konnte mir schließlich eine Pause gönnen, da in den nächsten Szenen nur Tom, der beste Freund meines Charakters oder andere vorkamen. Tom versprach sich zweimal, was ich einfach viel zu süß fand.
Gegen späten Nachmittag hatten wir Schluss. Die Actionszenen waren ziemlich anstrengend gewesen. Tom hatte mir gerade einen weiteren Tee gebracht, als Henrik zu uns kam und kicherte.
„Ihr seid großartig gewesen", lobte er uns und nahm sich ein Wasser.
„Hast du überhaupt etwas gesehen? Immerhin hast du ja die ganze Zeit über nur einen angestarrt", entgegnete ich zwinkernd und grinste frech. Henrik schnaubte amüsiert.
„Und wie ich was gesehen hab", entgegnete er. „Ich habe auch diesen einen Stuntman gesehen, der mehr als dein Typ ist. Ich meine Vollbart, dunkelhaarig, Tattoos, Mitte vierzig?! Wieso bist du nicht bei dem!"
Ich nippte nervös an meinem Tee. Immerhin war Tom noch anwesend. Nur warum störte mich das? Es war doch egal, wenn er mithörte, oder? Was kümmerte es ihn schon.
„Wenn ihr Clark meint, der ist verheiratet", meldete sich jener Mann und lächelte uns charmant an.
Ich räusperte mich verlegen. „Ich mochte seine Kinnpartie eh nicht", sagte ich. Was zum? Seine Kinnpartie? Wieso sagte ich so einen Scheiß? „Und er hat auch zu viele Muskeln. Viel zu viele. Ich meine, er könnte ein zweiter Schwarzenegger sein.", fügte ich schnell hinzu, wodurch es nicht besser wurde.
Henrik rollte lautstark mit den Augen. „Nun denn. Ich geh dann mal. Es wartet jemand am Lagerfeuer auf mich.", sagte er und zwinkerte, bevor er von dannen ging.
„Wollen wir auch?", fragte Tom, sowie Henrik außer Hörweite war.
„Klar.", war meine Antwort. Bepackt mit einem Skript, Knabberzeug und Trinken machten wir uns auf den Weg. Wir gingen eine Weile. Auf einem Hügel, welcher einen atemberaubenden Ausblick bot, machten wir ein kleines Lagerfeuer. Die Sonne ging bereits unter und die ersten Sterne funkelten am Himmel.
„Also", meinte Tom. „Wo willst du starten?"
„Wie wäre es ... hier", schlug ich vor und deutete auf eine längere Szene mit ihm, wo wir auch gemeinsam Seite an Seite kämpfen mussten. Er stimmte zu und somit ging es los. Ungefähr bei Part drei von dieser Szene kam es zum Kampf. „Wie wäre es, wenn wir Rücken an Rücken geschleudert werden?", schlug ich vor.
„Klingt gut." Und genau das taten wir. Sein Rücken prallte gegen meinen und wir drehten uns im Kreis. Ich machte einen Rückwärtssalto über seinen Rücken.
„Rick wollte, dass es einmal kurz knistert.", erzählte er mir. „Wir könnten erneut gegeneinanderprallen, diesmal frontal."
Ich nickte. „Find ich gut, die Idee", meinte ich. Wir ahmten einige Kampfmoves nach, bevor unsere Körper abermals gegeneinanderprallten. Diesmal war sein Gesicht wenige Millimeter von meinem entfernt. Ich hatte meine Arme um seinen Hals und er seine um meine Taille.
„Du könntest dabei einen deiner Sicheldolche auf einen Gegner hinter mir werfen und ich einen Feuerball auf einen hinter dir", schlug ich leicht heißer vor. Er fand die Idee gut und so ahmten wir auch dies nach. Wie ein eingespieltes Team rollte ich über seinen Rücken in Richtung eines imaginären Gegners. Es war wie ein Tanz. Nein, viel besser als jeder Tanz. Viel leidenschaftlicher und heißer. Weswegen sich ein Anflug von Enttäuschung in mir breit machte, als die Szene vorbei war. Aber weshalb? Wieso empfand ich ständig solche Gefühle?
Ohne lange zu hadern, gingen wir die nächste Szene an und die Nächste. Bis wir zu jener kamen, in der wir uns das erste Mal küssen mussten. An unserem ersten Tag waren wir ja von einer Schlange unterbrochen worden. Jetzt fing mein Herz wieder an zu rasen. Dennoch spielten wir alles exakt so ab wie am ersten Tag. Bis zu dem Punkt, wo wir uns näher kamen. Diesmal war keine Schlange da, die uns stören konnte. Wir waren voll und ganz in unseren Rollen. Er packte mich schließlich am Hinterkopf und zog mich in einen leidenschaftlichen und wilden Kuss, den ich nach kurzer Überraschung erwiderte. Dabei legte ich meine Hände in seinen Nacken und er seine zweite an meinen Rücken, womit er mich enger an sich zog. Selbst ein Blatt Papier hätte nicht mehr zwischen uns gepasst und bei Gott, das wollte ich auch nicht. Seine Lippen fühlten sich so himmlisch auf meinen an. Küssten alle Schauspieler so verdammt gut?
Erst nach ungefähr einer halben Minute - war vom Regisseur so vorgesehen gewesen - lösten wir uns wieder voneinander, wenn auch eher langsam. Die Szene war hiermit beendet. Mein Herz sprang mir zwar gleich aus meiner Brust, aber ich lebte. Atmete ich?
„Nun bleiben nicht mehr viele Szenen, die hier in Norwegen spielen", meinte Tom. „Wir haben noch zwei und die..."
„Sexszene", vollendete ich für ihn. Meine Stimme überschlug sich dabei, was mir peinlich war. Wie konnte er so schnell von Charakter zu Tom umschalten? Als könne er einfach einen Schalter in seinem Hirn betätigen. Acting Mode an und aus. Dieser Mann war kein Mensch.
„Wenn du willst, können wir die auch durchgehen.", bot er mir plötzlich an. „Wenn du dich damit wohler fühlst, meine ich."
Ich fuhr mir durch die Haare und räusperte mich. „Ich denke, dann wäre es vielleicht einfacher vor der Kamera. Zumindest haben wir sie dann bereits einmal durchgeprobt.", sagte ich. Was war denn groß dabei?
Tom nickte verständnisvoll. „Dann machen wir das so. Zuerst die anderen beiden?"
Auf meine Zustimmung hin, gingen wir die zwei Szenen durch. Als es dann zur Sexszene kam, schluckte ich schwer. Über uns leuchteten die Polarlichter. Tom gab etwas mehr Feuerholz nach und ich lief nervös auf uns ab.
„Alles in Ordnung?", fragte er. Auf mein stummes Nicken hin, zog er mich am Arm sanft näher. „Atme tief durch. Es ist nicht so schlimm.", heiterte er mich auf.
„Okay", murmelte ich und tat, wie er sagte. Immerhin waren wir beide erwachsen und keine Teenager. „Ich denke aber, dass ich so viel anbehalte, wie möglich. Ich weiß jedoch nicht, ob ich es wirklich nachahmen kann. Ich bin wohl einer der wenigen Menschen, die nicht sonderlich viel von Sex hält."
Er lächelte mich warm an. „Mach dir keinen Druck. Wir bekommen das hin. Wie ist es dir dann am Liebsten?"
„Naja, eigentlich von hinten", lachte ich, um die Situation etwas herabzuspielen. „Aber das ist eine ungünstige Position für die Kamera. Von vorne ist aber dezent langweilig." Ich wusste nicht, ob ich überhaupt irgendwem etwas vorspielen konnte.
„Hmm." Tom schien zu überlegen. „Wie wäre es im Sitzen?", schlug er vor.
„Ich denke, das wäre machbar", meinte ich.
„Du schaffst das ", versuchte er mir erneut gut zu zureden und setzte sich einfach in das Gras vor dem Feuer. „Viele Schauspielerinnen nehmen Vibratoren zur Hilfe. Es muss dir nichts peinlich sein", fügte er noch neckend hinzu.
Ich musste tatsächlich leicht lachen. „Oh Odin...", schmunzelte ich. „Na, dann." Ich setzte mich etwas zögerlich auf seinen Schoß und räusperte mich, gefolgt von einem Lachen, um die Peinlichkeit zu überspielen. Tom lächelte mich wieder warm an.
„Du musst sagen, wie es am angenehmsten für dich ist", meinte er. „Die Szene ist schneller vorbei, als du denkst."
„Okay.", raunte ich. „Wie wäre es, wenn ich dir dein Shirt wegreiße, sobald wir sitzen?", schlug ich vor und zog währenddessen meine Jacke aus. Ich versuchte, so professionell und neutral zu denken und zu sprechen, wie es mir möglich war.
„Klingt gut", meinte er. „Zunächst kommt die Kussszene. Ich heb dich dann einfach hoch und aufs Bett."
„Du willst mich nicht hochheben, glaub mir", sagte ich sofort. Ich mochte meine Kurven, aber Hollywood bereitete mir in diesem Bereich Unbehagen.
Tom lachte leicht. „Wieso denn das bitte?"
„Na weil... Ich wiege mehr, als du vielleicht denkst...", murmelte ich und mied dabei seine Blicke.
„Übertreib mal nicht", entgegnete er. „Du sitzt gerade auf mir. Es ist definitiv weniger, als ich sonst auf der Bank drücke. Nimm dir die ganzen Schauspielerinnen, die nicht der Gesellschaft entsprechen zum Beispiel. Du bist wunderschön, so wie du bist."
Meine Wangen wurden rot und warm. „Danke...", murmelte ich, gefolgt von einem Räuspern. „Okay, ich reiße dir das Shirt vom Leib und dann?", lenkte ich wieder um.
„Sag mir, was du nicht willst und was in Ordnung ist, damit ich Bescheid weiß", sagte er. „Also wo darf ich dich berühren, wo nicht. Wir sollten das im Vorfeld abklären."
„Mach ruhig, wie du meinst.", antwortete ich. „Mich stört so etwas nicht sonderlich. Ich denke aber, es würde gut aussehen, wenn ich meinen Oberkörper dann zurücklehne und du meinen Hals und so weiter küsst. Aber sei gewarnt, mein Hals ist meine Schwachstelle."
Er lachte sein warmes, herzliches Lachen. „Ist notiert. Sollen wir es jetzt durchproben, oder willst du dich dem widmen, wenn's soweit ist?", fragte er.
„Ich glaube, jetzt ist besser", meinte ich nach kurzem Überlegen. „Es wäre ansonsten noch peinlicher, wenn wir den ersten Durchgang vor Kamera hätten."
Er nickte. „Kann ich gut verstehen. Ich weiß, wie es ist, so etwas zu drehen. Es ist nicht leicht. Versuch, so gut es geht, dir die Kameras wegzudenken. Ich glaube an dich."
Er war so süß und charmant, dass man nur positiv darauf reagieren konnte. „Okay", sagte ich mit einem Lächeln. „Dann lass uns einfach im Sitzen starten. Das ist immerhin der schwierigste Part für mich und wir sitzen ja bereits."
Er lachte wieder und gab mir sein okay. „Mach die Augen zu, atme tief durch und versetze dich zurück in deinen Charakter.", gab er mir als Hilfestellung zum Rat. Genau dies tat ich auch. Es dauerte etwas, aber nach einigen Atemzügen, war ich wieder in meiner Rolle und öffnete die Augen. Er schien bereits den Schalter in seinem Kopf umgelegt zu haben, denn er fuhr mit einer Hand wieder in meine Haare und fing an mich zu küssen. Zum Glück verlangte keiner von mir, dass ich stöhnte. Immerhin drehten wir hier keinen Porno. Seine Hände strichen über meinen Körper, nachdem ich so getan hatte, als würde ich ihm das Shirt vom Leib reißen. Seine rechte Hand strich von meinem Hals zwischen meinen Brüsten durch und über meinen Bauch. Da mein Drehoutfit ein Kleid war, würde ich mich wahrscheinlich wirklich nicht ausziehen müssen. Ich lehnte mich zurück, den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Wie aufs Stichwort fing Tom an, meinen Hals und mein Schlüsselbein abzuküssen. Zum Glück trug ich wieder meinen Rollkragenpullover. Dennoch erzitterte ich leicht und bekam Gänsehaut. Wie schlimm würde es erst werden, wenn er meine nackte Haut berührte? Irgendwann fanden sich unsere Lippen wieder und ich verlor mich in dem Moment. Als wir uns wieder voneinander lösten, war ich wie berauscht.
„Die Szene sollte hier zu ende sein", hauchte er. Seine Lippen waren den meinen immer noch so nah.
„Okay...", murmelte ich. Am liebsten hätte ich mich selbst geohrfeigt, nur um wieder zu Sinnen zu kommen. „Ich schätze, dann sollten wir zurück, oder?"
Er nickte und half mir auf die Beine. Tatsächlich war es ihm ein Leichtes, mich hochzuheben. Das Feuer war bereits aus, dennoch löschten wir die Glut mit einer Flasche Wasser, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Er brachte mich, charmant wie er war, bis zur Tür. In meiner Hütte ließ ich mich seufzend ins Bett fallen. Erst da fiel mir auf, dass Henrik fehlte. Meine ganze Haut kribbelte und glühte. Was war nur los mit mir? Ich war noch nie jemand gewesen, der Sex nötig hatte. Aber in jenem Moment konnte ich an nichts anderes, als an Toms Hände auf meiner Haut denken.
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