Schattenseiten

Als erstes möchte ich mich entschuldigen, dass ihr so lange warten musstet. Leider bekam ich vor einiger Zeit die Diagnose, dass mein geliebter Hund, welcher mich zu dem Charakter Scar aus Johnnys Fanfiction inspiriert hat, an Blutkrebs leidet. Er wurde gerade drei Jahre alt. Bestimmt werdet ihr verstehen, dass er nun Priorität hat. Er soll seine letzte Zeit, ganz gleich wie viel ihm bleibt, glücklich im Kreis seiner Familie verbringen. Deswegen sieht es mir bitte nach, wenn meine Kapitel etwas länger brauchen, oder es dort und da etwas holprig geschrieben ist. Ich hoffe, ihr lest dennoch gespannt weiter. Alles Liebe <3 (Verzeiht bitte auch, dass dieses Kapitel etwas kurz ist)

Mein Schlaf war nicht von Dauer und alles andere als gut. Kaum war die Nacht vorüber, noch bevor der Sturm gänzlich vorbei gezogen war, machten Tom und ich uns auf die Suche nach Henrik. Das Dorf war überschwemmt und in Chaos gestürzt. Es war nicht das erste Unwetter dieses Ausmaßes, das ich miterlebt hatte, und bestimmt würde es auch nicht das Letzte bleiben. Da stets alle Bewohner mit anpackten, war die Verwüstung meist schnell beseitigt. Auch jetzt waren die ersten bereits auf den Beinen und sammelten Äste, gestrandete Fische, zertrümmerte Kisten und zerstreute Fischernetze ein. Einige sahen nach den Booten, welche zum Glück alle recht heile geblieben waren. Ich hingegen machte mir wesentlich mehr Sorgen um Henrik, weswegen ich jeden, der unseren Weg kreuzte, fragte, ob er etwas wusste. Nur das uns diesbezüglich keiner helfen konnte. Gerade als wir den Pub ansteuerten, kam der Kommissar aus unserem Ort auf uns zu.

„Liv..." Sein Gesichtsausdruck gefiel mir ganz und gar nicht. „Man hat Henriks Wagen auf der Straße gefunden. Etwa eine Meile vom Dorf. Ich wollte gerade aufbrechen."Um ein Haar hatte ich das Gleichgewicht verloren. Zu meinem Glück stand Tom so nah bei mir, dass er mich sofort stützen konnte.
„Wenn Sie erlauben, dass wir direkt mitkommen?", fragte er höflich, aber merklich bedrückt. Ich brachte keinen Ton über die Lippen. Bilder von einem zerquetschten Henrik blitzten immer wieder vor meinem inneren Auge auf.
An der Unfallstelle sah es zum Glück jedoch völlig anders aus, als mein Kopf es sich ausgemalt hatte. Das Auto war von der Straße abgekommen, wegen eines Baumes, den der Sturm zu Fall gebracht hatte. Der Truck lag halb im Graben, die Windschutzscheibe war zerstört und die Airbags ausgelöst. Wir wurden darüber informiert, dass Henrik direkt ins Krankenhaus eingeliefert worden war, und so ging es auf direktem Weg in die Stadt. Im Krankenhaus hätte ich beinahe jemanden getötet, als sie uns zunächst nicht einmal etwas zu Henriks Zustand mitteilen wollten. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Nachweis vorhanden war, dass ich als Verwandtschaft von ihm eingetragen war. Ich stürmte in das genannte Krankenzimmer und atmete erleichtert aus, sowie ich Henrik wohlauf in einem der Betten vorfand. Sofort eilte ich zu ihm und schloss ihn in die Arme.
„Oh, darling! Ein Glück, dass du da bist! Es war unmöglich dich bei diesem Sturm zu erreichen", seufzte er, woraufhin ich mich schließlich wieder von ihm löste. In seinem Gesicht waren unzählige Schrammen plus eine Kopfwunde, welche durch einen weißen Verband bedeckt wurde. Sein Arm war in Gips und seine Rippen bandagiert. „Was hast du denn da draußen getrieben?", schnaubte ich mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen.
„Wir waren in der Stadt. Nachdem ich ihn zum Flughafen gefahren hatte, wollte ich gleich wieder heim. Hier ist es nicht gerade...behaglich", erzählte mein bester Freund. „Ich hab die Unwetterwarnung wohl unterschätzt. Tut mir leid, dass du dir solche Sorgen gemacht hast, Darling. Wirklich."
Ich schloss ihn wieder vorsichtig in die Arme. Allmählich begriff mein Kopf, dass es ihm gut ging. „Ich dachte, ich falle gleich tot um...", murmelte ich, bevor ich mich wieder löste. „Du hattest wirklich Glück im Unglück.", fügte ich hinzu, während meine Augen seine erbärmliche Erscheinung musterten. „Das kannst du laut sagen", stimmte er zu, wobei er seinen Gips leicht anhob. „Der ist nicht einmal richtig gebrochen. Nur angeknaxt. Tut aber trotzdem höllisch weh. Wehe dir, du behandelst mich wie einen Schwerkranken."
Der leise Anflug eines Schmunzelns huschte über meine Lippen. Nichts anderes hätte ich von Henrik, meiner Dramaqueen erwartet. Tom hatte die ganze Zeit über im Hintergrund gestanden und uns die Ruhe und den Freiraum gelassen, den wir benötigten. Nun hob Henrik jedoch seinen Kopf und erinnerte mich mit seinem Blick in Toms Richtung, an dessen Existenz. Tom trat langsam ans Bett und schenkte uns ein warmes Lächeln.
„Es freut mich, dass dir nichts Schlimmeres zugestoßen ist", sagte er mit Ehrlichkeit in der Stimme.
„Ich will einfach nur noch raus hier. Wer verbringt seine Zeit denn auch schon gerne in Krankenhäusern? Ekelhaft", brummte er quicklebendig, was mich leise kichern ließ. Er schien wirklich in Ordnung zu sein. Nachdem uns genau das der Arzt bestätigt hatte, mit Warnung an eine leichte Gehirnerschütterung, wurden die Papiere unterschrieben und es ging nach Hause, wo ich Henrik sofort ins Bett schickte und ihm dann etwas zu essen kochte. Bestimmt war er müde und hungrig. Eigentlich sein normaler Zustand. Tom ging mir in der Küche zur Hand, behielt das Schweigen, welches ich uns auferlegt hatte, jedoch bei. Als er bemerkte, wie meine Hände beim Schneiden der Karotten zitterten, nahm er sie in seine und drückte mich sanft an sich. „Es ist alles gut.", hauchte er in meine Haare. „Wie wäre es, wenn du mich das machen lässt und du dich um den Tee kümmerst?" Seinen Vorschlag nahm ich nur zu gern an. Während er weiterkochte, stellte ich das Wasser auf und gab später Kräuter aus meinem endlosen Vorrat im Regal hinzu. Bereits am nächsten Tag war Henrik wieder Feuer und Flamme, ob mit Gips oder ohne. Selbst neben Tom hatte ich ohne meine Beruhigungstabletten nicht schlafen können. Henrik musste sich trotz allem an die vom Arzt vorgeschriebene Bettruhe halten, ob es ihm gefiel oder nicht und es gefiel ihm definitiv nicht. Immer wieder musste ich ihn zurück in sein Zimmer schicken, wenn er es heimlich verließ, um sich vom Staub zu machen.
„Aber Liv", stöhnte er zum gefühlt tausendsten Male zwischen seinen Kissen, Magazinen, Schokoladenpackungen und unter einem Teddy, welchen ich ihm geschenkt hatte. „Es ist sooooo langweilig!"
„Dann wird es dir wenigstens eine Lehre sein", entgegnete ich streng, woraufhin er schmollte, sich aber geschlagen gab.
„Dann bring mir wenigstens etwas Schokolade aus dem Supermarkt", brummte er.
„Ich hol dir Obst. Bevor du dich dann beschwerst, dass dir übel ist", argumentierte ich, ehe ich den Raum seufzend verließ und hinunter ging. Tom lehnte gegen die Kücheninsel, in den Händen eine Tasse Tee. Kaum hörte er meine Schritte, hob er den Kopf.
„Ich bin schnell einkaufen. Passt du bitte auf das Riesenbaby da oben auf?", bat ich ihn.
Er stellte die Tasse ab, kam zu mir und strich mir liebevoll über die Wange. „Natürlich", versicherte er mir. Seit gestern hatte er nicht viele Worte verloren. Bestimmt würde sich alles wieder einspielen. Ich musste mich erst einmal von dem Schock, beinahe meinen besten Freund verloren zu haben, erholen. Er war alles, was für mich je gezählt hatte. Immer wieder versuchte ich mich daran zu erinnern, dass es nun einen Weiteren gab. Auf dem Weg zum Supermarkt sog ich die frische Luft ein, zog meine Mütze tiefer ins Gesicht und sah dabei zu, wie unser Dorf langsam wieder wie vor dem Sturm aussah. Wann immer es ging, halfen Tom und ich beim Aufräumen mit, aber ich wollte Henrik nie zu lange allein lassen. Im Markt gab ich mich sogar geschlagen und nahm ihm noch etwas Schokolade mit. Nachdem ich bezahlt hatte und gerade wieder hinaus in die langsam zunehmende Kälte trat, vibrierte mein Handy. Henrik hatte mir einen Link zu einem Video gesendet, mit der Nachricht: „Er scheint dich im Bett vielleicht ja doch überraschen zu können, falls du es nicht bereits am eigenen Leib erfahren hast ;)"
Völlig irritiert steckte ich mir einen Kopfhörer rein, öffnete das Video und drückte auf Play. Es war ein Ausschnitt einer TV-Show mit Tom. Alles, was man sah und hörte, war, wie er darüber sprach, dass Gothic Sex elektrisierend und spannend sei. Dass es interessant gewesen sei, solch eine Szene zu drehen, da es sowohl romantisch wie auch sexy sei. Ich fühlte, wie sich über die wenigen Sekunden hin ein Kloß in meinem Hals bildete. Nur mit Mühe konnte ich diesen hinunterschlucken. Meine Hand fing wieder an zu zittern, und so passierte es, dass ich anstatt das Video wegzudrücken, auf „weitere" klickte.
Als wüsste mein Handy mit einem Mal, was ich alles nicht ausstehen konnte und was ich im Zusammenhang mit Tom nicht haben wollte, zeigte es mir ein Video von einer Art Con, in dem er von einer Party Nacht erzählte. So wie meine ehemaligen Klassenkameraden in meiner Schulzeit damals von Party gesprochen hatten. Mit dem gleichen Lachen und dem gleichen Witz dahinter.
Mein Zittern verschwand, weil ich mein Telefon nun so fest umklammerte, dass das Panzerglas auf meinem Display einen Riss bekam. Das Video war nur der Anfang eines Zusammenschnitts, welcher zum Großteil zeigte wie, nennen wir es offenherzig, er mit seinen Fans umging. Mir war, als würde jemand mein Herz herausreißen und Stück für Stück zerdrücken. Zuerst merkte ich nicht, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Erst als mir bewusst wurde, dass ich nicht mehr atmete, kam ich in die Gegenwart zurück. Ich steckte mein Handy ein, wischte mir übers Gesicht und sog die kalte Luft tief in meine Lungen. Was ich danach tat, war mehr eine Kurzschlussreaktion als Verstand. Ich sah Ragnar, einen alten Seebär, welcher mir noch einen Gefallen schuldete. Ich bat ihn, meine Einkäufe auf seinem Weg bis zu meinem Haus mitzunehmen. Mein eigener Weg führte mich zu Betty. Mein sonst so behagliches Heim schien in jenem Moment beengend, weswegen ich mit dem Boot rausfuhr. Der Anblick der Fjorde um mich herum und die Freiheit der See beruhigten mich stets aufs Neue. Dass ich nicht einmal mit Henrik über meine depressiven Gedanken sprach, sah mir alles andere als ähnlich. Nur befürchtete ich eine negative Reaktion von meinem besten Freund. Immerhin war ich selbst schuld, oder nicht? Tom war Schauspieler. Da musste man eine dicke Haut besitzen, wenn man so jemanden daten wollte. Nur hatte ich kein dichtes Fell. Ich war die Eifersucht in Person. Allein die Tatsache, dass mich schon sein Kommentar in der Show störte, unterstrich dieses. Immerhin sollte es mich doch eigentlich freuen, dass er beim Sex nicht ‚langweilig' und ‚normal' war, oder nicht? Es störte mich, dass er die Szene anscheinend gern gedreht hatte, und dann war da ja noch unsere Sexszene. Er machte so etwas im Handumdrehen und ohne zu zögern. Es enttäuschte mich zutiefst, dass ich mich so sehr in ihm getäuscht hatte. Ich hatte wirklich geglaubt, er wäre anders. Ein Gentleman, der es besser wusste, als zu feiern und zu trinken. Henrik blieb letztendlich wohl der Einzige, der eine ähnliche Einstellung hatte wie ich. Nur warum sprach ich dann nicht mit ihm? War es wegen des Unfalles? Weil ich ihn nicht belasten wollte?
Ich schloss die Augen und atmete die frische Seeluft tief ein. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich die Fjorde direkt vor meiner Nase. „Richtig...", hauchte ich gegen den Wind. „Wir sind unbedeutend. Letztendlich wird nichts von uns bleiben. Es gehört alles dir."
Mit Mutter Natur umgeben und dem Wind, der stärker wurde, überhörte ich beinahe mein Handy. Tom hatte mir bereits zehn Nachrichten geschickt und mich zwei Mal angerufen. Nun kam eine SMS von Henrik.
„Wo steckst du? Tom läuft bereits auf und ab. Er rennt uns noch ein Loch in den Boden."
Ich seufzte. So wollte ich ihnen doch keine Sorgen bereiten. Nur wollte ich im Augenblick allein sein. Zuerst wollte ich Henrik einfach nur schreiben, dass ich mit Betty draußen war, doch sowie ich sah, dass ich ein wenig Internetverbindung empfing, sendete ich ihm eine Voicemessage mit meinen jüngsten Gedanken bezüglich Tom. Kaum war diese gesendet, verlor ich die Internetverbindung und jegliches Netz. Somit legte ich das Handy beiseite und genoss die Aussicht. Die Luft war eisern, aber ich war es bereits gewohnt. Die eiskalte Brise hielt mich von überflüssigen Tränen ab. Wieso hatte ich auch nur eine Sekunde lang geglaubt, diese Beziehung könne funktionieren? Wie lange bis er eine Sexszene mit jemand anderen drehen musste? Oder eine Kussszene? Wie naiv war ich? Zu glauben, einen Mann zu finden, der noch so etwas wie Ehre besaß? Jemand, der nur mich ansehen würde? Der mich wie seine Königin behandeln würde? Menschen waren wie Hyänen.
Ich fing an, ein Lied zu singen, das ich als passend empfand und irgendwie schien mir, der Wind würde miteinstimmen.
Å gjev du batt meg med bast og bende
Å gjev du batt meg så bande brende
Å gjev du drog meg så fast til deg
At heile verdi kom bort for meg
Å va de venleikjen, va de måle?
Hell augnedjupi, hell vilje ståle?
De e dult for meg ko de va som drog
Å men noko va de og de va nog
(Oh, if only you bound me with bonds and ropes
Oh, if only you bound me so the bonds burned
Oh, if only you dragged me so hard against you
That the whole world got away from me
Oh, was it the beauty, was it the voice?1Or the depth of the eyes, or the steel will?
It's hidden to me what it was that pulled so
Oh, but it was something, and it was enough)
Meine Gedanken waren so überfordernd, dass ich den Sturm nicht bemerkte. Ich spürte nur den Regen auf meiner Haut und genoss den Anblick der dunklen Wolken, welche durch die Berge zogen. Ich realisierte zu spät, dass es ein starker Sturm war, der dort aufkam. Ich hatte jegliche Warnung ignoriert, bevor ich mit Betty losgefahren war. Nach einem heftigen Sturm kamen meistens noch ein oder gar zwei nach. Der Wind wurde stärker und die Wellen schlugen hart gegen Betty, woraufhin ich hin und her geschleudert wurde. Mit aller Kraft hielt ich mich am Steuerrad fest. Sowie ich wieder Halt hatte, band ich mich fest. Das Segel holte ich mit letzter Kraft ein, während mir der Regen ins Gesicht peitschte und Blitze den Himmel erhellten. Ich griff automatisch zu Mjöllnir, welchen ich als Anhänger um meinen Hals trug.

„Sie ist immer noch nicht zurück", murmelte Henrik und lief auf einer Stelle auf und ab, an der bis gerade eben noch Tom hin und her gerannt war. Dieser stand nun am Fenster, starrte hinaus in den Sturm und trat von einem Fuß auf den anderen. „Was hat sie nur dazu getrieben?", fragte er und drehte sich zu Henrik, welcher sich seine pinken Haare raufte. Die Farbe war bereits ausgeblichen und glich nun mehr einem Rosaton. Tom musste ihn zwei Mal ansprechen, bevor er reagierte.
„Sie grämt sich", antwortete er geistesabwesend. „Wegen diesem Video und den Sexszenen, die du so leichtfertig spielst und anscheinend magst du das auch noch."
„Warte, was?!", rief Tom und kam auf Henrik zu. „Welches Video, Henrik? Welches Video?", wollte er wissen, woraufhin Henrik ihm den Ausschnitt des Interviews zeigte.
„Fuck!", rief Tom, kaum dass er das Video zu Ende gesehen hatte. Er begriff sehr schnell, wo das Missverständnis lag und dass er fluchte, zeigt nur umso mehr, wie nervös und besorgt er war. „Es ist meine Schuld...", murmelte er immer wieder. Nun raufte auch er sich die Haare.
„Meine Beziehung ging heute in die Brüche. Genau wegen so etwas.", sagte Henrik. „Ich wollte es Liv erzählen, sobald sie wieder käme... Eine Beziehung mit einem Star ist nichts für mich, geschweige denn für sie. Wenn du sie wirklich magst, dann verlasse sie, damit sie nicht verletzt wird, wegen deiner Arbeit willen."

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