Kapitel 6

Kapitel 6

Er kam wieder, als die Sonne gerade ihre ersten Strahlen durch die Vorhänge vor dem Fenstern schickte, welche mich auch gleich weckten. Ich wurde genau da wach, wo er die Tür leise schloss und sich an das Bett setzte. Ich öffnete langsam meine Augen und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
„Morgen Kleine. Hast du gut geschlafen?“ Ich wollte nicht, dass er schon wieder sauer wird, weil ich ihn ignoriere, also nickte ich. Ich hatte auch ziemlich gut geschlafen. Kurz nachdem er gegangen war, hatte ich mich hingelegt und war sofort eingeschlafen. Und jetzt wurde ich von Vogelgezwitscher und Sonnenstrahlen geweckt. Auch wenn ich sowieso hier drin fest saß, hatte ich trotzdem das Gefühl, das dieser Tag irgendwas gutes bringt. Und sei es nur, dass er vielleicht mal etwas anderes als diese Milchreisähnliche Pampe zum Frühstück vorbereitet.
„Möchtest du noch etwas schlafen? Es ist noch sehr früh. Oder soll ich das Essen vorbereiten?“ Mein wie auf Kommando knurrender Magen beantwortete die Frage für mich und ließ ihn kurz auflachen.
Mit einem „Ich bin gleich wieder da.“ stand er dann wieder auf und verließ das Zimmer. Ich wartete geduldig auf seine Rückkehr und war sogar glücklich, als ich ihn wiederkommen sah. Ich war wirklich unglaublich hungrig.
„Hier, ich weiß du magst es nicht, aber es wird dir gut tun.“ Ich hinterfragte seine Worte gar nicht, sondern nahm das verhasste Essen Löffel für Löffel langsam in mich auf.
Während  ich aß sah ich ihn an, da er angefangen hatte, mir von dem Trailer zu einem Film zu erzählen, den er unbedingt sehen wollte, und fragte ob ich nicht vielleicht Lust hätte mitzukommen. Wir wussten natürlich beide das ich keine Wahl hatte, aber er schlug vor, das wenn ich versprach brav zu sein, wir nach dem Release zusammen in die nächste Stadt fahren könnten, um dort den Film zu sehen.
Es gab genau zwei Gründe, die mich das bevorstehende Ereignis vorfreudig entgegensehen ließen. Ich würde zum einen spätestens da sein Gesicht sehen, und zum anderen könnte sich mir die Möglichkeit zur Flucht bieten. Ich wollte mich jedoch eher auf ersteres konzentrieren, da er mir wohl die Chance zur Flucht nicht geben wird und ich sogar Angst hatte, es zu versuchen. Wenn ich es nicht schaffen sollte wird das hier nicht mehr so, verhältnismäßig, angenehm, wie es momentan ist.
Jetzt stellte sich mir jedoch eine weitere Frage, welche mich auch nicht mehr los lassen wollte. Ich war jetzt schon, der Frau im Fernsehen nach, einen Monat hier. „Wieso trägst du noch immer diese Maske?“
Ich hatte ihn mit dieser Frage zwar unterbrochen, aber nachdem er kurz überrascht war, das ich mit ihm sprach und sogar eine Frage stellte, schien es ihn gar nicht zu stören und er lachte kurz auf.
„Ich möchte nicht das du mein Gesicht siehst.“
„Aber das kann doch nicht für immer so weiter gehen.“ Diese Worte auszusprechen war schwer und tat in gewisser Weise sogar weh. Für immer. Ich wollte nicht für immer hier bleiben. Ich wollte ihn nicht für immer kennen. Ich wollte alles was hier geschehen war und noch geschehen wird möglichst schnell hinter mir lassen und vergessen.
„Nur bis du mir vertraust. Dann zeige ich mich.“
„Aber wie soll ich dir denn Vertrauen wenn ich dein Gesicht nicht kenne? Oder kenne ich dich?“
Er schwieg lange und ich bekam langsam das Gefühl etwas falsches gesagt zu haben, doch als ich mich dann Entschuldigen wollte, schüttelte er schon den Kopf und presste unter zusammengebissenen Zähnen ein „Nein“ hervor, welches sich wohl auf die Frage bezog, ob ich ihn kennen würde.
Da ich mir nicht sicher war, ob es in Ordnung war weiter zu fragen, überlegte ich noch einen Moment, fragte dann aber Vorsichtig: „Und wieso zeigst du dich dann nicht einfach?“
„Du scheinst mein Gesicht ja ziemlich dringend sehen zu wollen. Findest du mich etwa attraktiv?“ Er lachte und auch wenn ich versuchte es zu unterdrücken, konnte ich ein kurzes schmunzeln nicht unterdrücken.
„Ich möchte einfach wissen, wer mich hier von der Außenwelt abgeschottet hält und wahrscheinlich gerade mein gesamtes weiteres Leben beeinflusst.“
„Nicht wissend wenn du hassen sollst, richtig?“ Sprach er meine vorsichtig umschriebenen Worte auf andere Art aus. Ich zögerte einen Moment. Es war hart ausgedrückt, aber genau das was ich sagen wollte, also nickte ich. „Genau.“
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen stand er auf und ging. Aus Angst etwas falsches gesagt zu haben, hielt ich sogar einen Moment die Luft an, bevor ich dann langsam versuchte mich zu entspannen um nicht noch panisch zu werden. Da die Tür nur angelehnt im Schloss lag, konnte ich ihn dann aber leise mit jemanden reden hören. Was die Stimmen sagten verstand ich jedoch nicht, zum einen waren sie ziemlich leise und zum anderen hörte ich mein nervös schlagendes Herz so laut in meinen Ohren, dass ich fast verrückt wurde.
Es dauerte eine ganze Zeit, bis er wiederkam und sich wieder an das Bett setzte. Ich hatte meinen Kopf, gleich nachdem er rein gekommen war, gesenkt und traute mich auch erst ihn vorsichtig anzusehen, als er wieder vor mir saß und einen Moment stille herrschte. Er seufzte auf und griff nach meiner Hand, über dessen Rücken er dann sanft strich und währenddessen zu überlegen schien. Ich sammelte meinen Mut zusammen und wollte mich gerade entschuldigen, als er das Wort ergriff und mir somit zuvor kam.
„Ich stelle dir jetzt ein Ultimatum und möchte gleich eine Antwort von dir.“ Nervös sah ich zu ihm auf und wartete, was er sagen würde.
„Entweder ich sage dir jetzt alles, wer ich bin, warum du hier bist, was ich von dir will, wirklich alles. Oder ich bring dich nach Hause.“
„Was?“ fragte ich vorsichtig nach, da ich nicht ganz verstehen konnte, ob das was er gesagt hatte, Wirklichkeit war.
„Möchtest du, dass ich dir alles erkläre, so dass du am Ende vielleicht sogar verstehen kannst, warum ich all das hier getan habe, oder möchtest du gehen, und in dem Wissen das ich immer ein Auge auf dich haben werde und dich immer beschütze, nach Hause gehen?“
„Nach Hause.“ kam es wie aus der Pistole geschossen, ohne das ich überhaupt über meine Worte nachdenken konnte. Erst als es zu spät war, mir die Worte bereits über die Lippen gekommen waren, realisierte ich, was ich gerade gesagt hatte, und wie gefährlich das für mich werden könnte.
Dennoch kam Freude in mir auf. Ich würde hier raus kommen! Doch gleich darauf packte mich das Misstrauen. Wieso sollte er mich jetzt so plötzlich auf einmal gehen lassen? Vorsichtig, um eine Reaktion in seinen Augen sehen zu können, sah ich zu ihm auf und konnte Enttäuschung aufblitzen sehen. Das würde doch bedeuten er lässt mich wirklich gehen, und ist nur enttäuscht weil ich nicht freiwillig hier bleibe, oder?
Langsam stand er auf und lief zum Kleiderschrank, aus welchem er einen blauen, von Gebrauchsspuren überzogenen Eastpak Rucksack zog. Mit diesem lief er zu dem Fernsehschrank und pfefferte meine noch immer darauf liegenden Sachen in diesen.
Er war definitiv sauer. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Ich hätte einfach wieder leise bleiben sollen. Wieso hatte ich ernsthaft geglaubt das es in Ordnung wäre mich für das zu entscheiden? Nachdem er den Rucksack befüllt hatte drehte er sich wieder zu mir um.
Er warf mir den Rucksack zu, welcher in meinem Schoß landete. Ich sah ihn einen Moment lang ungläubig an. Da waren alle meine Sachen drinnen. Klamotten, Tasche, Handy, einfach alles. Ohne ein Wort zu sagen kam er auf mich zu und während ich schon Angst bekam das er mich jetzt auslachen würde und mir die Sachen wieder weg nimmt, zog er einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Den Schlüssel für die Fesseln. Er löste die Fessel, die mich an das Bett gekettet hatte, und griff nach meinem Unterarm, an welchem er mich dann auf die Beine zog und auf die Tür zu ging. Er öffnete diese, lief auf den Flur, zog mich an dem Badezimmer vorbei, und um die Ecke, von welcher ich mich die ganze Zeit gefragt hatte, was sich dahinter befand. Es war eine offene Küche, welche aber wirklich alles andere als gut ausgebaut oder hochwertig war, vor dieser ein kleiner Tresen, auf welchem sich Pizzakartons stapelten, und zwei Sofas, welche vor einem kleinen Röhrenfernseher standen. Auf diesem saßen drei Typen. Ohne verdeckte Gesichter.
Er würde mich umbringen. Ich würde sterben. Er wird mich wahrscheinlich jetzt sofort zurück in das Zimmer sperren, da ich der Polizei etwas sagen könnte. Mit vor Nervosität schnell rasendem Herzen wendete ich schnell den Blick ab und ließ mich durch die Gegend führen. Er blieb stehen, aber da ich immer noch nicht aufsah lief ich ungebremst in ihn rein. Er ignorierte es und öffnete eine weitere Tür. Ich sah vorsichtig auf. Es war die Haustür. Von der kleinen Garderobe neben uns zog er einen schwarzen Wollschal und trat dann nach draußen. Ich stolperte hinter ihm her und fragte mich, während er mich aus dem Mehrfamilienhaus führte, ob das hier gerade wirklich geschah. Immer noch misstrauisch und nervös folgte ich ihm und wurde die gesamte Zeit über das ungute Gefühl nicht los, dass er etwas plante.
Gleichzeitig versuchte ich mir die Gegend einzuprägen, um entweder herauszufinden, wo wir waren, oder es mir wenigstens merken zu können, falls ich hier irgendwann durch Zufall hier war. Ich würde der Polizei nichts sagen. Ich würde einfach so tun als ob ich das alles hier nicht gesehen hätte. Ich war plötzlich in diesem Zimmer aufgewacht, und genauso plötzlich wieder zuhause gewesen. Ich würde nicht zur Polizei gehen. Weil ich Angst hatte. Er hatte gesagt, dass er mich immer beobachten würde. Also würde er auch mitbekommen, wenn ich der Polizei irgendwas sage, und ich wollte nicht das er wütend wird. Sonst steht er plötzlich wieder vor mir. Es klang unglaubwürdig, aber wenn er mich jetzt wirklich einfach nach Hause bringen sollte, ohne mir irgendwas zu tun, dann würde ich rein gar nichts was hier passiert ist, und was ich gesehen hatte, verraten.
Unten angekommen führte er mich zu einem Auto, welches an der Straße parkte. Ich wusste nicht was es für ein Auto war, mit nichts kannte ich mich weniger aus, aber er sah teuer aus. Er öffnete die Tür und ließ mich auf dem Rücksitz einsteigen, also musste der Wagen ihm gehören. Aber wie konnte sich jemand, der in einer so heruntergekommenen Wohnung lebte, so einen Wagen leisten?
Die Fessel, welche noch immer mein linkes Handgelenk festhielt, verband er hinter meinem Rücken mit meinem rechten Handgelenk und drückte mich dann ein wenig in den Sitz um mich anzuschnallen. Dabei sah er mich nicht an und schien meinem Blick sogar auszuweichen. Erst als er mich angeschnallt hatte, und den Schal hervor zog, sah er mich an. Mit den Worten: „Wir wollen ja nicht das du weißt wo wir hier sind.“ legte er mir den Schal über die Augen, und meine Sicht wurde Schwanz.
Ich wollte etwas sagen. Irgendwas. Fragen ob er mich wirklich nach Hause bringt. Oder mich jetzt umbringen wird. Mich einfach nur bedanken, dass ich raus aus diesem schrecklichen Zimmer war. Aber über meine Lippen kam kein Laut.
„Ich werde dir nichts tun Kleine. Nicht solange du die Augenbinde auf behältst, verstanden?“ Ich nickte vorsichtig und hörte dann, wie die Tür zugeschlagen wurde, was mich leicht zusammenzucken ließ. Ich hörte wie sie vor mir wieder auf ging und er wohl einstieg.
Während er den Motor startete begann das Radio leise zu spielen, welches Lied lief konnte ich jedoch nicht sagen. Es war zu leise, und den Sänger kannte ich wohl auch nicht.
Er war ein guter Autofahrer. Er fuhr vorsichtig, bedacht und nicht zu schnell. Soweit ich es einschätzen konnte zumindest, aber das war schon etwas schwer. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, wenn er mich nicht umbringen wollte, durch seine Fahrkünste draufzugehen, was mich ziemlich beruhigte.
Ich wusste nicht wie lange wir fuhren. Ob er extra durch die Gegend fuhr, um mir nicht die Chance zu geben mich an den Weg zu erinnern, oder ob wir wirklich so weit weg waren, aber die Umstände waren mir in der Situation eigentlich egal. Egal wie lange es dauern würde, ich wollte nach Hause. Zudem war ich in Gedanken versunken und fragte mich, wieso es so einfach war von ihm weg zu kommen. Ich hatte Zweifel das er es so einfach zu ließ. Auch wenn ich sowieso nichts sehen konnte, schloss ich die Augen und versuchte mich zu entspannen. Nur am Rande bekam ich mit, wie er mit mir redete, aber ich war sowieso viel zu nervös, um ihm zu antworten. Ich war total verkrampft und zitterte. Teilweise vor Aufregung, aber überwiegend vor Angst. Ich konnte noch immer nicht so ganz glauben, dass er mich so einfach nach Hause gehen ließ. Ich stand der ganzen Aktion noch immer mit Misstrauen gegenüber. Und zudem verlor ich jegliches Zeitgefühl und wusste irgendwann nicht mehr, wie lange ich schon in diesem Auto saß, geschweige denn, wann wir ankommen würden. Dir Fahrt fühlte sich an wie eine Ewigkeit, wodurch ich umso nervöser wurde, als der Wagen langsamer wurde, und irgendwann stehen blieb. Ich hörte, wie der Motor abgestellt wurde und er seinen Anschnaller löste, um gleich darauf aus dem Auto zu steigen.
Angestrengt lauschte ich, ob ich irgendwas hören konnte. Vielleicht ein Auto, was bedeuten würde wir wären an einer Straße und unter Menschen. Oder vielleicht einen knackenden Ast, weil er rauf getreten ist, was bedeuten würde, dass wir uns in Wirklichkeit in einem Wald befinden, er mich gleich umbringt und meine Leiche vergräbt. Ich merkte selber, wie panisch ich war, aber ich schob es auf die ganze Aufregung und versuchte mich mit bedachten, tiefen Atemzügen zu beruhigen.
Als ich dann aber hörte, wie die Tür zu meiner linken auf ging wurde ich wieder so nervös wie zuvor und hielt aus Angst vor dem folgenden Geschehen sogar die Luft an. Als ich dann plötzlich etwas kaltes an meinem Arm fühlte, zuckte ich total zusammen. Das war doch sicher ein Messer. Was sollte es sonst sein? Er wird mich umbringen. Wieso hatte ich nicht einfach meine Klappe halten können? Jetzt war es zu spät um mich zu entschuldigen, oder?
„Es tut mir Leid. Bitte vergiss das einfach wieder. Ich werde nie wieder versuchen abzuhauen oder auch nur daran denken.“ Der Schal wurde von meinem Gesicht gezogen und meine nun elektrisch aufgeladenen Haare stiegen teilweise in die Höhe, während andere sich in mein panisches Gesicht klebten.
„Wovon redest du?“ fragte er mich verwirrt und ich sah mich schnell nach einer Waffe um, konnte jedoch nichts sehen.
„Hattest du eben nicht noch eine Waffe?“ fragte ich vorsichtig und mit zitternder Stimme, was ihn nur zum Lachen brachte.
„Wie kommst du darauf? Denkst du ernsthaft ich bringe dich um? Das ergibt doch gar keinen Sinn, ich will dich beschützen nicht verletzen.“
„Aber, da war etwas kaltes.“ meine Stimme wurde immer leiser und gegen Ende wurde mir dann bewusst, wie lächerlich ich mich gerade aufführen musste.
Er schien es jedoch wieder einfach nur Lustig zu finden, denn er lachte und hielt seinen Handrücken in meinen Nacken. „Ich bekomme ziemlich schnell kalte Hände.“ meinte er nur, während ich mich schüttelte und spürte, wie eine Gänsehaut über meinen Rücken lief. Seine Hände waren wirklich kalt.
Er beugte sich wieder zu mir vor und löste den Gurt. Dann half er mir auszusteigen und achtete dabei genaustens darauf, dass ich mir nicht den Kopf stieß. Kaum hatte ich Boden unter den Füßen sah ich auf und realisierte erst jetzt, wo wir waren. Es war die Gasse, wo er mich auch entführt hatte. Das hieß ich war keine Minute von zuhause entfernt. Und das er mich wirklich gehen lassen würde. Ich fing schon fast an vor Glück zu zittern, was ich jedoch möglichst gut versteckte, als er mich umdrehte um die Fesseln zu lösen.
Endlich befreit von den Schmerzen um meinem Handgelenk, die mich die ganze Zeit gequält hatten, und irgendwann schon fast zu jeder kleinsten Bewegung dazu gehörten, rieb ich dieses leicht. Die Haut darunter war gereizt und hatte eine rötliche Verfärbung. Selbst die frische Luft brannte auf den verletzten Stellen. Er griff noch einmal in den Wagen und zog den Rucksack hervor. Er sah ihn einen Moment an und schien mit sich zu ringen, ob er ihn mir geben sollte oder lieber nicht, doch dann hielt er ihn mir entgegen. Ich hatte jede einzelne Bewegung seines Körpers beobachtet und sogar versucht auf einen Ausdruck in dem hinter der Maske verstecktem Gesicht zu erkennen. Leider erfolglos.
„Ich werde dich immer beobachten. Ich werde sicher gehen das dir niemals irgendwer weh tut oder dich leiden lässt. Ich werde immer wissen was du gerade machst, wo du bist, mit wem du dich getroffen hast und selbst über was ihr geredet habt. Und du wirst nie wissen ob ich vielleicht gerade in deiner Nähe bin oder dich auf anderem Wege beobachte.“ Seine Worte machten mir Angst. Aber um nach Hause zu kommen musste ich einen Kompromiss schließen, und das war er. Also nickte ich. Ich umklammerte den Rucksack fester und wartete ab, was jetzt passieren würde.
„Verschwinde endlich.“ presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und wirkte unglaublich beherrscht, mich tatsächlich gehen zu lassen. Da ich es noch immer nicht ganz glauben konnte versuchte ich erstmal vorsichtig einen Schritt nach hinten zu machen, was von ihm genaustens beobachtet wurde. Auch der zweite und dritte. Dann drehte ich mich um und lief so schnell ich konnte los.
Mein Kopf war dabei wie leer gefegt. Ich war weg von ihm. Ich hatte es geschafft. Endlich war ich wieder frei.
Ich wusste nicht was mich dazu veranlasste stehen zu bleiben, als ich die Straße erreicht hatte, und schon das Haus von Marcus und Charlotte sah. In der Küche brannte das Licht und ließ alles wie an einem komplett gewöhnlichen Tag erscheinen.
Ich wusste nicht, wieso ich mich noch einmal umdrehte. Ich konnte mir nicht mal einen plausiblen Grund einfallen lassen. Ich tat es einfach, und beobachtete, wie er, mit dem Rücken zu mir, die Maske vom Gesicht riss und sie auf den Boden pfefferte. So wie ich ihn kennengelernt hatte, wird auch ein kurzer und recht leiser Schrei über seine Lippen gekommen sein, aber ich konnte es nicht wissen. Und ich wollte es auch nicht. Alles was ich wollte war ihn jetzt zu vergessen. So schnell ich konnte rannte ich über die Straße und auf das Haus zu. Vor der Tür blieb ich stehen und betätigte die Klingel, während ich verzweifelt nach Luft rang. Einen Monat nur im Bett sitzen, fast durchgehend schlafen und nur notdürftig ernähren tat dem Kreislauf nicht gut. Ich schwankte leicht und meine Sicht verschwamm, während mein Gehirn sich anfühlte wie mit Wasser aufgefüllte Watte.
Es dauerte einen Moment, bis meine Sicht wieder klarer wurde, und ich bemerkte, wie die Tür langsam geöffnet wurde.
Meine Beine, die das lange stehen gar nicht mehr gewöhnt waren, kippten zusammen und ich viel in die Arme der Person mir gegenüber.

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