Kapitel 3
Kapitel 3
Ohne jegliches Zeitgefühl wurde ich langsam wach, fühlte mich aber immer noch Müde und ausgelaugt. Das Erste was mir wirklich bewusst wurde, war, dass ich Hunger hatte, durstig war und unglaublich dringend auf Toilette musste. Es dauerte einen kurzen Moment, bis mir wieder bewusst wurde, was letzte Nacht passiert war. Es war kein Traum. Ich wollte gar nicht versuchen mir das einzureden. Ich wusste das es wirklich passiert war. Ich wusste auch sofort, dass ich an einem Ort war, an welchem ich noch nie zuvor gewesen bin. Wie auch?
Das Erste was ich also tat, nur, weil ich in den letzten Stunden nichts mitbekommen hatte und alles hätte passieren können, war zu überprüfen, ob ich meine Kleidung noch an hatte. Ich trug zwar nicht mehr meine Klamotten, sondern eine viel zu große graue Jogginghose und ein altes, hellblaues T-Shirt, welches nicht von Gebrauchsspuren verschont war, jedoch war ich zum Glück auch nicht nackt, was mich sogar etwas erleichtert sein ließ. Darüber wie wer auch immer mich anscheinend umgezogen hatte, wollte ich jetzt lieber nicht nachdenken.
Ich versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren und mir meine Verzweiflung bloß nicht ansehen zu lassen, wer weiß ob hier Kameras waren. Und bloß nicht weinen. Also nahm ich mir mein nächstes Ziel vor. Aufsetzen.
Da ich weder einschätzen konnte wo ich war, noch was mich in den nächsten Minuten oder sogar Stunden erwarten würde, versuchte ich mich möglichst leise und vorsichtig zu bewegen. Erst als ich mich abstützen wollte, bemerkte ich den Widerstand an meinem linken Handgelenk. Ich war gefesselt. Meine linke Hand war an den hölzernen Bettpfosten gebunden und ich hatte gerade mal genug Freiraum, um gut eine halben Meter von diesem Weg zu kommen. Wenn ich das Seil ganz spannte konnte ich das Kopfkissen berühren.
Ich seufzte verzweifelt auf, jedoch brach meine Stimme selbst bei diesem kleinen Laut. Ich wollte jetzt nicht weinen. Bloß nicht. Ich war schwach, das wusste ich. Auf jeden Fall war ich schwächer als diese Person, wer auch immer das war, aber dennoch hatte ich nicht das Bedürfnis mich noch schwächer dazustellen. Ich wollte doch einfach nur nach Hause.
Mit einem leichten Tränenschleier vor den Augen, versucht das Wasser zurückzuhalten, sah ich mich unsicher in dem Raum um. Jedenfalls so gut wie es mir möglich war. Das Fenster links von mir war durch einen dunkelbraunen Vorhang verdeckt und ließ nur minimales Licht an den Seiten rein. Jedoch nicht besonders helles, was bedeuten würde, dass es entweder ziemlich spät am Tag war, oder hier die Sonne nicht so gut hin kam.
Auch bei weiterem Umsehen konnte ich nichts erkennen was darauf schließen ließ wo ich war. Die Decke und das Kissen, die sich das Bett mit mir teilten, waren in schlichtem grau gehalten, die Wände waren weiß, Bilder hingen hier auch keine. Insgesamt wirkte der Raum unpersönlich und kühl. Gegenüber von dem Bett stand ein ich schätze ungefähr hüfthoher Schrank, auf dem ein kleiner, nicht gerade funktionstüchtig aussehender Fernseher stand. Neben diesem erkannte ich meine Tasche wieder, in welcher hoffentlich meine Sachen waren. Nicht, dass er alles eingesammelt hatte.
Rechts von mir stand ein großer, hölzerner Kleiderschrank, dessen Schubladen nur so von Klamotten auseinandergedrückt wurden. Entweder, wem auch immer die Sachen gehörten, investierte sehr viel Geld in Kleidung, oder hatte seit mindestens zehn Jahren nicht mehr aussortiert.
Ich horchte auf, als ich unter dem Türspalt ein Licht angehen sah. Als ich dann auch noch Schritte und leise Stimmen hörte legte ich mich, so schnell wie mit dieser kurzen Fessel möglich war, hin. Ich war nicht bereit. Ich weiß nicht was dieser Psycho vor hat sobald ich wach bin, aber es wäre mir lieber das gar nicht erst raus zu finden.
Erst als ich lag wurden meine Leiden wieder present. Der Durst, der Hunger und das unangenehme Gefühl, wenn die Blase kurz davor war zu platzen. Ich wollte aber auch gar nicht wissen wie lange ich schon nicht mehr das stille Örtchen besucht hatte.
Als ich gerade irgendwie so lag, wie ich auch ungefähr gelegen hatte, als ich wach wurde, hörte ich dann ein Schloss, welches anscheinend die Tür aufsperrte. War es ihm nicht genug mich ans Bett zu fesseln? Ich kam doch nicht weg, wie soll ich dann bis zur Tür kommen?
„Mila?" hörte ich ein leises Flüstern, erkannte die Stimme aber sofort wieder. Ich werde sie wohl immer wieder erkennen können. Ich spürte wie etwas auf die Decke zu meinem Fußende gestellt wurde und spürte dann eine Hand an meiner Wange. Augenblicklich lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich schüttelte mich leicht. Hatte ich mich jetzt verraten? Wusste er, dass ich wach war? Was sollte ich jetzt tun?
„Kleine, ich weiß, dass du wach bist. Du musst dich nicht schlafend stellen." Er hörte sich amüsiert an, aber ich ließ meine Augen geschlossen. Vielleicht denkt er dann, er hätte sich geirrt. Die Hand von meiner Wange löste sich und ich hörte ihn kurz wo hin gehen. Zumindest dachte ich das, und da er sich dafür ja wahrscheinlich weg drehen würde, öffnete ich kurz meine Augen.
Er hockte keinen Meter von mir entfernt und sah mich an. Ich schloss meine Augen sofort wieder und spannte alles in mir an. Mein Herz raste als er anfing zu lachen.
„Du bist so niedlich." sagte er und seufzte danach leise, was ich aber trotzdem nicht überhörte. „Aber jetzt hör auf mit diesem albernen Herumgespiele. Sieh mich an." Er sprach anders als bei der Entführung. Sanfter, aber trotzdem klang er bestimmend.
Ich wusste nicht ob das der Grund war, oder eher, dass ich Angst hatte, er würde mir weh tun oder schlimmeres anstellen, aber ich öffnete meine Augen und sah ihn jetzt noch näher vor mir. Während er mir immer wieder sagte, dass ich keine Angst haben musste, griff er unter meine Arme und stützte mich, um mich in eine aufrechte Position zu bringen.
Als ich saß, strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht. Zwar konnte ich es nur erahnen, aber ich hatte das Gefühl unter der Maske, welche er wieder trug, ein leichtes Lächeln wahr zu nehmen. Aber das war mit Sicherheit nur Einbildung.
„Siehst du. Ist so doch viel angenehmer." Ich wich seinem Blick aus und sah auf meine freie Hand, die am Handgelenk eine leichte rote Verfärbung hatte. Er wollte nach dieser greifen, doch ich zog sie weg. Ich wollte nicht von ihm berührt werden. Er war ein Psychopath. Er war irgendein Fremder, der mich einfach so mitten in der Nacht entführt hatte.
„Mila." Seine Stimme klang besorgt und er legte seine Hand auf meine, auch wenn ich es immer noch nicht wollte. Ich konnte sie nicht noch weiter weg ziehen. „Es wäre wohl das Beste, wenn ich dich fürs Erste ein wenig in Ruhe lasse. Aber bevor ich gehe, brauchst du noch irgendwas? Hast du Hunger? Durst? Ist sonst irgendwas? Musst du auf die Toilette?" Als er es ansprach nickte ich schnell und er verstummte. Ich konnte noch ein minimales Lächeln wahr nehmen, bevor er aufstand.
Er löste die Fessel am Bettpfosten und für einen ganz kurzen Moment sah ich darin meine Chance zu fliehen, aber da ich weder wusste, wie ich hier raus kam, noch wo ich war und er wahrscheinlich keine Sekunde brauchte um mich wieder zu schnappen, ließ ich es sein.
„Komm mit. Ich bring dich ins Badezimmer." Er führte mich aus dem Zimmer raus auf den hell erleuchteten Flur und bis zu einer Tür, die er dann öffnete. Er würde doch sicher raus gehen wenn ich auf Toilette war, oder? Man kann nie wissen. Das Bad war jedoch sehr klein, was ihm das hierbleiben nicht nur erschwerte, sondern es fast unmöglich machte. Es war so klein, dass es kein Problem darstellte, die Fessel an der Heizung zu befestigen. Ich konnte sowohl auf die Toilette gehen, wie auch Hände waschen. Aber vom Bettpfosten kam ich nur ganz knapp an das Kissen heran.
„Ich schließe ab und klopfe, bevor ich wieder auf mache. Ich gehe kurz in die Küche und mach das Essen noch einmal warm. Du hast fast vier Mahlzeiten verschlafen." Ich antwortete nicht und wich seinem Blick auch weiterhin aus, was ihn aber nicht zu stören schien.
Eigentlich dachte ich, danach das Problem zu haben die Hose aus zu ziehen. Aber da sie wahrscheinlich ihm gehörte und mir eindeutig zu groß war, fiel sie schon fast von alleine von meiner Hüfte. Ich erleichterte mich und zog mich dann umständlich wieder an. Als ich gerade den Wasserhahn aufdrehen wollte, hörte ich ein leichtes Klopfen und gleich da drauf, wie die Tür aufgeschlossen wurde.
Als diese dann auf ging sah ich auf das Waschbecken und versuchte ihn nicht anzusehen. Hingegen meiner Erwartung war das recht schwer, denn er hatte, auch wenn ich mich fest gegen diesen Gedanken wehrte, etwas anziehendes an sich.
Also beobachtete ich aus dem Augenwinkel, wie er die Fessel von der Heizung löste. Dabei bemerkte ich, dass es möglich war sie unterschiedlich fest einzustellen gingen, und fasste einen kurzfristigen und wohl auch sehr riskanten Fluchtplan. Ich musste ihn nur überzeugen, die Fesseln zu lösen. Sie mussten nicht mal komplett ab sein, nur lockerer. Dann könnte ich in einem günstigen Moment flüchten.
Besonders gut durchgeplant war es nicht, aber ich hoffte einfach nur, dass wir uns nur im ersten oder auch zweiten Stock befanden, und ich so durch das Fenster flüchten könnte. Danach musste ich nur schnell genug die Aufmerksamkeit von irgendwem bekommen und war hier weg, während dieser kranke Typ im Gefängnis landete.
Versucht, mir meine Nervosität nicht ansehen zu lassen, folgte ich ihm also zurück über den engen, kahlen und jetzt dunklen Flur, in dieses Zimmer, wo er mich auch gleich wieder an dem Bett fest machte.
Ich wollte gerade dazu ansetzen etwas zu sagen, als er auf das Bett deutete und ich ein Tablett mit einem Teller, gefüllt mit Ravioli oder ähnlichem, und ein Glas mit Wasser stehen sah.
„Ich lasse dich in Ruhe, sobald du was getrunken und gegessen hast." meinte er und schob mir das Tablett zu. Ich blockte es jedoch ab, indem ich meine Beine an meinen Körper zog und den Kopf weg drehte. Diese kleine Gestik verlangte mir schrecklich viel ab. Ich hatte Hunger, mein Magen schrie nach dem Teller. Der Dampf, der sich im Raum verteilte und mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ machte mich fast verrückt.
Ich hörte ihn leise seufzten. Für einen ganz kurzen Augenblick war es still, bis das Bett dann leise quietschte, als er sich erhob. „Ich lasse es dir hier stehen. Du solltest wirklich was zu dir nehmen. Ich komme bald wieder." Er lief auf die Tür zu.
Wenn ich meine Chance jetzt nicht ergriff war es zu spät.
„Warte." Sofort nach dem ich diese Worte ausgesprochen hatte, fror er in seiner Bewegung ein und drehte sich wieder zu mir. Er schien überrascht zu sein, dass ich etwas gesagt hatte. Er wartete, was ich noch sagen werde. Ich musste es jetzt durchziehen. „Es ist zu eng." Ohne ihn anzusehen murmelte ich diese Worte und deutete dabei leicht auf die Fessel um mein Handgelenk.
Als ich keine Antwort bekam, oder überhaupt irgendwas von seiner Seite hörte, sah ich vorsichtig auf. Er stand einfach da und sah mich an. Ich konnte ihn gerade überhaupt nicht einschätzen und zweifelte langsam daran, dass diese Frage so gut gewesen war.
Dann setzte er sich jedoch in Bewegung und kam langsam wieder auf mich zu. Aus Angst, er könnte sauer sein, sah ich weg und schloss die Augen, wodurch ich allerdings nicht mehr sehen konnte, was er tat.
Als ich dann seine Hand an meinem Handgelenk spürte, traute ich mich langsam wieder aufzusehen und bekam mit, wie er die Fessel lockerer machte. Es tat gut. Ich wusste nicht wann ich das letzte Mal so glücklich über so eine Kleinigkeit gewesen war. Nicht nur, dass ich langsam wieder ein Gefühl in meiner Hand bekam, ich bekam auch meine Chance zu fliehen.
„Jetzt iss etwas." Dass er plötzlich die Stille durchbrach ließ mich zusammenzucken und ich hörte ihn belustigt schnauben, bevor er wieder aufstand. Er lief zur Tür und drehte sich in dieser noch einmal zu mir um.
„Ich muss kurz weg, aber du solltest gar nicht erst versuchen abzuhauen." Dass er anscheinend wusste, was ich vor hatte, oder zumindest ziemlich gut im Raten war, ließ meine Panik noch ein wenig steigen und mein Herz wieder zum Rasen bringen. „Bis nachher, Mila."
Die Tür ging zu und ich hörte, wie sich seine Schritte entfernten. Konnte ich jetzt hier weg? Das war meine Chance! Aber vielleicht sollte ich noch einen Moment warten. Nicht, dass er noch hier ist. Ich lauschte, um mit Glück eine ins Schloss fallende Tür zu hören, aber da das nicht der Fall war, beschloss ich irgendwann, meine Flucht jetzt entweder durchzuziehen oder es gleich zu lassen.
Hingegen meiner Erwartung stellte es kein Problem dar, meine Hand aus der Fessel zu bekommen, da er diese wirklich sehr gelockert hatte. Etwas ungläubig starrte ich einen Moment auf meine freie Hand, beschloss dann aber mich lieber zu beeilen. Mit rasendem Herzen stand ich auf und musste mich erst einmal strecken. Da ich jedoch wirklich nicht wusste wie viel Zeit mir noch blieb, lief ich schnell zum Fenster. Am einfachsten wäre es natürlich, wenn wir uns im Endgeschoss befinden würden. Selbst ersten und vielleicht sogar zweiten Stock würde ich noch riskieren. Selbst alles brechen wäre schöner als noch länger hier zu bleiben. Ich schob den Vorhang zur Seite und sah nach unten. Es war viel zu tief. Hier raus zu springen wäre reiner Selbstmord, und so wollte ich wirklich nicht sterben.
Leicht verzweifelt, da meine höchste Chance gerade verpufft war, wischte ich über mein Gesicht und fing die erste, fallende Träne damit auf. Ich wollte hier weg. Ich hielt es hier nicht mehr aus.
Auf einmal kam mir eine wahrscheinlich unglaublich dumme Idee, welche wahrscheinlich aber auch meine einzige war. Ich erinnerte mich nicht daran, dass er die Tür abgeschlossen hatte.
Vielleicht war es eine Falle, aber gleichzeitig hätte er es auch einfach vergessen gehabt haben können. Während ich stark auf letzteres hoffte, ging ich mit möglichst leisen Schritten zur Tür und griff dann nach dem Griff. Ich drückte ihn vorsichtig, mit wild schlagendem Herzen, runter und hielt aus Panik sogar die Luft an, als ich Gegendruck auf den Rahmen ausübte.
Sie ging auf. Erleichtert atmete ich aus und hatte sogar ein leichtest Lächeln im Gesicht, welches jedoch sofort erstarb als ich die Tür ganz geöffnet hatte.
Er war nicht weg. Mit verschränken Armen stand er an die Wand mir gegenüber gelehnt und beobachtete mich genau bei meiner Aktion. Ich fror sofort in meiner Bewegung ein und mir stiegen wieder Tränen in die Augen, als er sich von der Wand abstützte und langsam auf mich zu kam.
„Ich wusste, dass du irgendwas vor hast." meine er und griff nach meiner Schulter, an der er mich dann wieder nach hinten in das Zimmer drückte. Ich war zu schwach um mich zu wehren und zu ängstlich um irgendwas kopfloses zu versuchen, also stolperte ich einfach nach hinten, bis ich plötzlich einen Widerstand in meiner Kniekehle spürte und nach hinten kippte.
Ich landete mit einen peinlichen Aufschrei auf dem Bett und wollte mich gerade von seiner Hand befreien, aber er drückte mich nur tiefer in die Matratze und lehnte sich über mich. Er griff nach meinen Händen und hielt sie grob über meinem Kopf zusammen.
„Ich hatte wirklich vor nett zu sein. Ich wollte nicht, dass du noch mehr Angst bekommst, aber irgendwann reicht es auch." Seine Stimme bereitete mir eine Gänsehaut. Man konnte ganz genau hören, das er sich zusammenreißen musste.
Er setzte gerade erneut an, um etwas zu sagen, unterbracht sich selber aber mit einem seufzen und schloss kurz die Augen.
„Ich tue das wirklich sehr ungern," während er das sagte zog er wie aus dem nichts ein Paar Handschellen hervor und legte sie mir so an, das sie mich am Bett hielten „aber du lässt mir keine andere Wahl. Tut mir Leid, Kleine." Er stand wieder auf und wollte zur Tür gehen, aber dabei fiel sein Blick auf das noch immer unangerührte Tablett. Stumm griff er danach und drehte sich dann zu mir.
„Möchtest du es? Oder willst du lieber verhungern?" Ich schluckte und spürte wieder Tränen in mir aufsteigen. Ich lang hier komplett wehrlos, noch bewegungsunfähiger wie schon zuvor auf dem Bett irgendeines perversen Psychopathen und hatte gerade einen misslungenen Fluchtversuch hinter mir. Wieso tat mein Leben mir so etwas nur an?
Ich schluchzte leise und versuchte mich zusammenzureißen, um in dieser sowieso schon peinlichen Situation nicht noch schwächer zu wirken. Ich hörte wie das Tablett wieder abgestellt wurde und wie er mit nur zwei kurzen Schritten wieder vor das Bett trat. Als er sich dann neben mich hockte sah ich vorsichtig zur Seite.
Er strich mir vorsichtig über das Gesicht und wischte somit die ersten Tränen weg. Dann klemmte er mir eine meiner sicher schon total zerzausten und verfetteten Haare hinter das Ohr und seufzte.
„Ich tue das wirklich sehr ungern," wiederholte er die Worte, die er zuvor auch schon gesagt hatte „aber der Fluchtversuch muss bestraft werden. Wenn du dich benimmst mache ich dich bald wieder los, versprochen. Aber jetzt möchte ich erstmal, dass du etwas isst."
Ich traute mich nicht etwas zu sagen, oder auch nur eine abneigende Gestik zu machen. Auch nicht, als er das Tablett auf seinen Schoß nahm und anfing mich zu füttern. Trotzdem fühlte ich mich gedemütigt. Ich traute mich nicht ihn anzusehen, während ich langsam dieses weder warme, noch kalte Zeug aß. Es war widerlich. Als er fertig war mich mit diesem Zeug zu versorgen, gab er mir noch etwas zu trinken und stand dann auf um wieder zu gehen.
„Ich muss jetzt wirklich los. Ich bin schon viel zu spät." Stimmt ja, er musste weg. Aber an eine Flucht war jetzt auch nicht mehr zu denken, also interessierte es mich auch nicht.
„Ich bin ungefähr zwei Stunden weg. Brauchst du noch irgendwas bevor ich gehe?" Wieso fragte er das immer? Wenn ihn wirklich irgendwas an meinem Wohl liegen sollte, würde er mich hier doch nicht einsperren.
„Ist das ein Nein? Gut, ich sehe nach dir sobald ich wieder zurück bin." Dieser Typ war krank. Er sagte mir nicht mal wer er war. Die ganze Zeit redete er von Vertrauen und dass alles gut sei, aber zeigte mir weder sein Gesicht noch sagte er seinen Namen. Wer war dieser Typ?
„Wer bist du?" kam es kopflos über meine Lippen, noch bevor ich überhaupt die Möglichkeit hatte über meine Worte nachzudenken. Er war über meine Frage überrascht, aber dann schüttelte er den Kopf.
„Du musst nicht wissen wer ich bin." Seine Stimme wirkte auf einmal viel tiefer und irgendwie sogar bedrohlich auf mich, weshalb ich meinen Blick, mit welchem ich mich gerade getraut hatte ihn anzusehen, schnell wieder abwendete.
Ich will wissen wer er ist.
Und das nicht um ihn so bald wie möglich bei der Polizei verpfeifen zu können. Nicht nur. Sondern um zu wissen wen ich hier vor mir stehen hatte und auf wessen Bett ich lag. Wenigstens seinen Namen wollte ich wissen. Vielleicht kenne ich ihn ja. So komisch das auch wirkt, aber wenn ich wüsste wer er ist, dann hätte ich wahrscheinlich keine so große Angst mehr.
„Und dein Name?" fragte ich also leise und sah vorsichtig wieder auf. Wegen dieser verdammten Maske hatte ich keine Ahnung wie er reagierte. Einen Moment lang war es still, dann hörte ich ein leises Lachen von ihm und dann hockte er sich vor mich.
„Den werde ich dir auch nicht sagen. Den brauchts du nämlich nicht zu wissen, aber ich würde mich sehr freuen, wenn du dir was Süßes für mich ausdenkst." Durch die Löcher in der Maske, die ihn sehen ließen, sah es kurz so aus, als wenn er zwinkern würde.
Total perlex und nicht wissend, was ich antworten sollte, folgte mein Blick ihm einfach, wie er aufstand und auf die Tür zu lief. Er öffnete sie und trat aus dem Zimmer. Ohne mich noch einmal anzusehen schloss er die Tür und ich hörte das Schloss, das mich wieder von der Außenwelt abtrennte.
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