Kapitel 2

Kapitel 2

Die restliche Woche verging recht schnell und schon war es soweit, dass ich verzweifelt vor meinem Kleiderschrank stand und überlegte, was ich anziehen sollte. Heute war mein Date mit Mark und dieses Wissen machte es mir nicht leicht, mich für ein Outfit zu entscheiden. Es war den ganzen Tag über ziemlich warm, also hätte ich gerne irgendwas kurzes angezogen, aber ich wusste auch nicht wie sehr es in den nächsten Stunden abkühlen wird. Außerdem wollte ich nur ungern etwas zu knappes anziehen, da ich nicht wusste was für Leute so auf dem Jahrmarkt rumlaufen werden. Charlotte meinte immer, dass einige Typen sich gerne von so etwas provozieren lassen, gerade wenn Alkohol mit im Spiel ist.
Letzten Endes entschied ich mich dennoch für eine kurze Hose in einem dunklen Grün, welche jedoch recht locker geschnitten war und in meinen Augen auch nicht so provokant rüber kam. Dazu ein lockeres weißes Top, welches ich vorne in die Hose steckte und eine leichte, ebenfalls weiße Jacke, welche mit rosafarbenen und roten Blumen dekoriert war. Um meinen Hals legte ich eine zarte, goldene Kette mit einem Ring, welcher ursprünglich der Ehering meiner Eltern und alles war, was mir von ihnen geblieben ist.
Mein Portmonee, sowie mein Handy und eine Packung Taschentücher, da man nie wissen kann was mir wieder passiert, verstaute ich in einer kleinen, hellbraunen Ledertasche, die ich ebenfalls um nahm. Zufrieden mit meinem Erscheinungsbild lief ich die Treppe nach unten und traf auf dem Flur auf Marcus, der mich sofort in den Arm nahm.
„Unsere kleine Mila geht auf ihr erstes Date. Ich bin so glücklich." Ich lachte und sah dann zu Charlotte, die gerade aus der Küche kam.
„Wir wünschen dir einen ganz tollen Abend. Genieß ihn." meinte sie und nahm mich ebenfalls in den Arm.
„Ich gehe doch nur in die Stadt." meinte ich dann lachend, da ich langsam das Gefühl bekam die beiden verabschiedeten sich für einen Monat oder so von mir.
„Wir sind doch nur froh, dass du dich nicht in deinem Zimmer verkriechst sondern etwas unternimmst." Irgendwie war mir das gerade unangenehm. Zum Glück klingelte es dann allerdings schon an der Tür und ich löste mich schnell aus der Umarmung, um nach vorne zu laufen und sie zu öffnen. In seinem schwarzen Tank Top und der hellblauen ripped Jeans machte Mark wohl genau den richtigen ersten Eindruck. Ob er gerade so vertrauenswürdig auf Charlotte und Marcus wirkte fragte ich mich mal lieber nicht.
„Mila, wir wünsche euch ganz viel Spaß. Trink nicht zu viel und ruf zur Not an, wenn wir dich abholen sollen." meinte Charlotte und Marcus drehte sich zu Mark. „Pass mir ja gut auf unsere Kamila auf." meinte Marcus noch an Mark und es sollte wohl eine Art Drohung sein, aber durch sein Grinsen war es eigentlich klar, dass er es nicht ganz so ernst sah. Er schien sich an dem Eindruck den Mark hinterließ nicht zu stören.
„Ich werde gut aufpassen. Gehen wir los?" Da ich mich mit dem zweiten Satz angesprochen fühlte, und es anscheinend auch war, nickte ich und trat dann zu ihm vor die Haustür.
„Viel Spaß euch beiden. Passt auf euch auf."
Wir verließen das Grundstück und gingen zur Bushaltestelle, um mit dem dort gerade ankommenden Bus in die Innenstadt zu fahren. Der Bus und auch der restliche Fußweg war überraschend eng und voller Menschen. Eigentlich sollte es mich gar nicht wundern, da es nun einmal Freitagabend war und das während eines Jahrmarktes, aber das tat es nun mal.
Mir waren eindeutig zu viele Menschen hier. Mark schien allerdings zu merken, dass mir das ganze hier etwas zu voll war, denn er hielt sich, und mich dadurch auch, überwiegend am Rand und wir verbrachten die meiste Zeit eigentlich nur mit dem beobachten von irgendwelchen Leuten.
Irgendwann bot er mir dann an Pommes zu kaufen und verschwand sogleich in den Menschenmassen. Während ich alleine in der Ecke stand, wurde ich dann kurz von einem Typen angesprochen, der wahrscheinlich schon eine beachtliche Menge Alkohol intus hatte, aber Mark bekam das ganze mit und kam zu mir, woraufhin der Typ verschwand. Sein Gesicht konnte ich in der mittlerweile aufgetretenen Dunkelheit nicht erkennen, aber ich hatte auch den ganzen Abend über nicht mehr das Gefühl ihn gesehen zu haben, wodurch mir das auch recht egal wurde. Nur in der Sekunde war mir etwas mulmig zu Mute, aber ich wusste zum Glück, dass Mark in der Nähe war und mir helfen würde.
Zu meiner Überraschung verging der Abend dann noch ziemlich schnell, was wahrscheinlich auch daran lag, dass wir uns, wie es mir lieber war, größtenteils am Rand hielten und eher die Anderen beobachteten, was mir sowieso immer etwas mehr gefiel.
Gegen halb zwölf, also schon recht spät für mich, für andere wohl viel zu früh, verließen wir den Jahrmarkt dann wieder. Auf dem Weg durch die Menschenmassen, die alle schon etwas viel getrunken hatten, was man sowohl sah, wie auch hörte und vor allem roch, griff Mark dann nach meiner Hand, was mein Herz zwar zum Rasen brachte und mich rot werden ließ, aber nicht wirklich auf romantischer Ebene Gefühle in mir auslöste.
Er ließ sie aber, nachdem wir aus den Menschenmassen raus waren, nicht los und da ich nicht so gemein sein wollte indem ich meine Hand wegzog, ließ ich es zu.
An der Bushaltestelle wollte er mich dann, wie ein paar Tage zuvor nach dem Besuch im Café, wieder nach Hause begleiten, aber da das Haus von Charlotte und Marcus fast neben meiner Bushaltestelle stand, fuhr ich letzten Endes doch alleine.
Wortwörtlich, denn auch als ich in den Bus einstieg, war außer dem Fahrer niemand in diesem. Ich setzte mich also auf einen Vierer, da ich jetzt auch nicht mit Personen rechnete, die diesen beanspruchen könnten und fuhr bis zur nächsten Bushaltestelle alleine. An dieser stieg ein junger Mann ein, der ziemlich außer Atem zu sein schien. Wahrscheinlich hatte er den Bus nur ganz knapp bekommen. Er setzte sich ziemlich weit nach hinten und hörte die gesamte Fahrt über, zwar über Kopfhörer aber dennoch so laut dass ich mithören konnte, Musik.
Nach ungefähr zehn Minuten sagte der Busfahrer die nächste Haltestelle durch und die Information, dass der Bus anhalten würde, leuchtete auf. Es musste von dem Typen hinter mir kommen, aber als der Bus anhielt stand er nicht auf und wirkte, als ich nach hinten sah, ebenso verwirrt wie ich.
„Hier ist eine Baustelle. Der Bus muss wenden und fährt wieder zurück. Bitte steigen Sie aus." kam die verzerrte Stimme vom Busfahrer durch die Lautsprecher und ich seufzte.
Es war noch eine Station bis nach Hause, also war es kein Problem zu Fuß zu gehen, aber es war so dunkel und mir war es wirklich etwas zu ungeheuer. Trotzdem nützte es nichts jetzt die ganze Nacht hin und her zu fahren und ich stand zögerlich auf. Ohne mich umzusehen stieg ich aus dem Bus und orientierte mich kurz, in welche Richtung ich musste. Verlaufen war jetzt wirklich das Letzte was ich wollte.
Da ich nicht so häufig durch diese Gegend lief und mich hier nicht wirklich auskannte, zusammen mit der Tatsache, dass ich mich wirklich nicht wohl fühlte und sowieso wusste, dass Marcus noch wach war, griff ich nach meinem Handy und wählte seine Nummer.
Er nahm sofort ab und ich beruhigte mich etwas, als ich seine vertraute Stimme hörte, welche mich fragte, ob alles in Ordnung sei.
„Es ist nur ein wenig gruselig hier und ich hatte alleine etwas Angst. Hier ist eine Baustelle und ich musste früher Aussteigen.", schilderte ich ihm meine Situation und er versprach mit mir zu telefonieren bis ich zu Hause ankommen würde. Zu meiner Erleichterung fragte er nicht, ob Mark mich nicht zurückbegleiten wollte, denn zu sagen, dass ich es nicht gewollt hatte, würde ihm wohl nicht besonders gefallen.
Mit dem beruhigten Gewissen, dass ich nicht komplett alleine war lief ich, mit Marcus Stimme im Ohr, durch die Straßen.
„War der Abend denn schön? Was habt ihr alles gemacht?" fragte er wie ein neugieriger Vater nach und ich erzählte ihm von dem Abend mit Mark. Jedoch schien ich irgendwie paranoid zu werden, oder mir bisschen zu viele Gedanken wegen der Dunkelheit zu machen, denn ich hatte das ungute Gefühl verfolgt zu werden.
Ich bog gerade in die Straße ein, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr nahm und mich umdrehte. Aber natürlich war dort nichts.
„Ich bin gleich zu Hause. Ich sehe das Haus schon." berichtete ich Marcus und er beschloss, dass ich die letzten, vertrauten Meter alleine schaffen könnte. Er würde an der Tür warten, da ich keinen Schlüssel hatte und nicht klingeln sollte, weil Charlotte schon schlief.
Ich legte also auf und hatte mein Handy gerade zurück in meiner Tasche verstaut, als plötzlich jemand nach meiner Hand griff. Es dauerte einen Moment bis ich es realisierte und mit einem kurzen Aufschrei nach hinten stolperte. Ich versuchte vergebens mich umzudrehen, zum einen um mich aus seinem Griff zu befreien, zum anderen um zu sehen wer das war. Vielleicht war es nur Mark, der sich einen schlechten Witz erlaubte. Als ich jedoch ein Blick von der Person erhaschen konnte, oder eher die Maske, welche sein Gesicht verdeckte, war mir sofort klar, dass ich diese Person nicht kannte. Er war zu groß, zu muskulös und auch älter als Mitschüler oder Freunde von mir.
„Sei lieber schön leise, meine kleine Mila. Ich möchte dir wirklich nicht weh tun, aber entdeckt werden gehört auch nicht zu meinem Plan. Verstanden?"
Ich hatte diese tiefe, raue Stimme noch nie in meinem Leben gehört, wodurch meine Angst nur noch mehr stieg. Woher kannte eine fremde Person, zu welcher ich wahrscheinlich noch nie im Leben Kontakt hatte, meinen Namen?
Erst jetzt realisierte ich auch, dass wir uns in einer Gasse befanden, aus der weder Licht raus kam, noch welches von der Straßenlaterne an der Hauptstraße hier rein. Selbst wenn hier jetzt jemand lang laufen würde, ich könnte weder ihn sehen, noch er mich.
„Ob du Verstanden hast?" fragte er noch einmal etwas lauter nach und ich hörte in seiner Stimme etwas, das ich nicht zuordnen konnte. Es könnte sowohl etwas wie Wut sein, aber ebenso auch Hoffnung. Ich nickte leicht, da ich mich nicht traute etwas zu sagen.
Mein Herz raste wie wild, als die Person hinter mir meine Handgelenke zusammendrückte. Er hatte große Hände. Er konnte meine Handgelenke fest in einer Hand halten und hatte die andere noch frei, um etwas aus seiner Jackentasche zu nehmen. Ich sah es aus dem Augenwinkel, während ich noch immer versuchte mich irgendwie zu befreien. Seine Hände drückten meine Gelenke zusammen und fingen schon jetzt an schrecklich weh zu tun.
Zudem hatte ich Angst. Schreckliche Angst.
Ich spürte seinen Blick auf mir, und erst jetzt stellte ich mir die Frage, was er eigentlich von mir wollte. War er irgendein Stalker? Ein Perverser? Ein Psychopath?
Ich spürte wie er meine Hände mit irgendwas zusammenband. Wahrscheinlich war es ein Seil, denn es schnürte meine Hände unangenehm ab. Durch den Schmerz keuchte ich erschrocken auf, traute mich aufgrund seiner Drohung jedoch nicht, etwas zu sagen oder um Hilfe zu rufen.
„Tut mir Leid Kleine, aber wenn ich es nicht fest genug mache kann es passieren das sich der Knoten löst. Das wollen wir doch nicht." In seiner Stimme schwankte irgendwas mit, was aufgrund der Betonung, die er dort rein legte, klang wie von einem Psycho. Vielleicht werde ich es später bereuen, aber wahrscheinlich war es doch das beste, wenn ich einfach tat was er sagte.
Er griff wieder in seine Tasche, doch dieses Mal konnte ich nicht sehen was er raus holte. Er legte seine freie Hand auf meinen Mund und drückte etwas zwischen meine Lippen, welche ich aus reinem Reflex zusammenpresste.
„Kleine, mach den Mund auf. Du musst keine Angst haben, das ist nur eine Schlaftablette die dich für die Fahrt ruhig stellen soll." Er drückte die Tablette weiter in meinen Mund, doch ich schüttelte mich, wodurch er mich los ließ und zwei Schritte zurückwich. Ich spuckte die Tablette schnell aus und hatte eigentlich vor weg zu laufen, jedoch war ich wie erstarrt vor Angst, als er sich aufrichtete und laut seufzte.
„Kamila. Das ist nicht mehr Lustig!" Ehe ich mich versehen hatte, hielt er mich schon wieder fest und startete das Spiel mit einer zweiten Tablette. Jedoch hielt er mir dieses Mal den Mund zu, wodurch er mich noch fester hielt und mir gar keine Chance mehr gab, mich irgendwie zu bewegen.
„Schluck diese Tablette! Ohne wird das ganze nicht besonders angenehm für dich." Was zur Hölle hatte dieser Typ vor?
Ich merkte selber wie ich vor Angst schon anfing zu zittern. Er ließ die Hand, welche sich an meinen Arm geklammert hatte los, und hielt mir damit die Nase zu. Ich bekam keine Luft mehr und versuchte ihn irgendwie, natürlich vergebens, abzuschütteln. Seinen Blick spürte ich die ganze Zeit deutlich auf mir. Auch als ich dann aufgab und die Spucke, welche sich angesammelt hatte, zusammen mit der Tablette schluckte.
Er schien mich wirklich genaustens beobachtet zu haben, denn er ließ mich augenblicklich los und ich atmete panisch, wie auch erleichtert, ein. Durch die aufgetretene Angst, genauso wie die zügige Wirkung der Tablette, sackte ich, noch immer schwer atmend, auf den Boden. Er hockte sich neben mich auf den recht kalten Asphaltboden und strich mir beruhigend über den Rücken, während er mich stützte, damit ich nicht hinfiel.
„Es ist alles in Ordnung, meine Kleine. Hab keine Angst."
Wie soll ich bitte keine Angst haben? Ich zitterte noch immer leicht und hatte auch noch immer schreckliche Angst, als er mich hochhob und immer weiter weg von der Straße trug. Mein Körper war allerdings in kürzester Zeit so schwer geworden, dass ich nichts mehr tun konnte und ich mich traurigerweise auch gleich mit meinem Schicksal abfand. Ich hatte wohl kein besonderes Glück im Leben verdient.
Ich kniff die Augen zusammen, als uns plötzlich ein helles Licht entgegen leuchtete und hatte sogar für eine Sekunde wieder Hoffnung. Es könnte die Polizei sein. Oder einfach irgendein Anwohner der mitbekam was hier gerade geschah. Aber es schien nur sein Auto zu sein denn er öffnete die hintere Tür und legte mich vorsichtig auf die Rückbank. Er wollte gerade die Tür schließen, als meine Tasche anfing zu vibrieren und er in der Bewegung einfror. Das ist Marcus. Er macht sich sicher schreckliche Sorgen. Ich hätte schon zehn Mal wieder zuhause sein sollen.
Ich konnte nichts tun als er mir meine Tasche abnahm und das Handy ausschaltete. Dann steckte er es sich in seine Jackentasche und sah mich wieder an. „Das brauchst du jetzt nicht mehr." Dann schloss er die Tür und stieg selber auf dem Fahrerplatz ein.
Das letzte was ich mitbekam, bevor ich in meinen unfreiwilligen Schlaf fiel war, wie wir aus der Straße raus fuhren, an dem Haus von Charlotte und Marcus vorbei fuhren und irgendwo in der Ferne leise eine Sirene zu hören war.

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