Kapitel 9 Band 3

Kapitel 9 Band 3

Am nächsten Morgen lag eine angenehme Stille über dem Lager. Die Dunkelheit der vergangenen Nacht war einer sanften Morgenröte gewichen, die sich über den Horizont ausbreitete und die gesetzlose Zone mit einem Hauch von Licht überzog. Emilia streckte sich und spürte, wie die Wärme der Sonne durch das Zelt drang. Ihre Gefährten begannen, ihre eigenen Vorbereitungen zu treffen - jeder auf seine Weise, während die letzten Schatten des Albtraums von gestern Nacht langsam verblassten.

Chaid schob das Zelt beiseite und ließ das Morgenlicht hinein. „Na, meine tapferen Helden, schon wach?", fragte er mit einem schiefen Lächeln, das mehr versprach, als es hielt. Emilia verdrehte spielerisch die Augen und warf ihm einen Schlafsack zu, dem er geschickt auswich.

„Ich wusste, du würdest mich so früh nerven", murmelte sie halbherzig, ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen. Der Anblick ihrer vertrauten Freunde, die sich gegenseitig neckten und die Anspannung der letzten Stunden abschüttelten, brachte ein wenig Leichtigkeit zurück in ihre Herzen.

Während sie das Lager aufräumten, ließ Alex die Endlostasche schweben und öffnete sie. „Alles hinein damit", sagte er, während die zusammengerollten Decken, Vorräte und das Zeltstück wie von selbst darin verschwanden. Emilia beobachtete die Szene mit ehrlichem Erstaunen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Also, ich hätte auch gerne so ein praktisches Werkzeug", sagte sie mit einem feinen Schmunzeln, ihre Augen funkelten neugierig.

Ash, der gerade dabei war, das letzte Lagerfeuer auszutreten, trat zu ihr. Er wischte sich den Ruß von den Händen und grinste. „Oh, das? Eine meiner leichtesten Übungen", erwiderte er mit einem selbstzufriedenen Lächeln. „Die von Alex hat bestimmt ein Vermögen gekostet, aber wenn du willst, kann ich dir eine machen, wenn wir zurück sind."

Emilias Augen weiteten sich vor Begeisterung. „Wirklich? Das wäre großartig, Ash!"

Er nickte und seine Stimme wurde weicher, während ein Hauch von Zuneigung durch seine Augen blitzte. „Eigentlich habe ich sowieso vorgehabt, dir etwas zu schenken. Dann kannst du Saphira bei dir tragen, ohne ständig daran zu denken, ob du sie irgendwo zurücklässt."

Emilia wurde für einen Moment still. Die Vorstellung, Saphira - ihre Gefährtin - immer nah bei sich zu haben, brachte ein warmes Lächeln auf ihre Lippen. „Das... das würde mir sehr viel bedeuten", flüsterte sie, während ihre Stimme von aufrichtiger Freude und Dankbarkeit durchzogen war.

Alex trat mit verschränkten Armen näher und hob eine Augenbraue. „Typisch Ash, versucht wieder zu beeindrucken. Ich hoffe, du machst uns nicht zu viel Konkurrenz."

„Eifersüchtig?", neckte Ash spielerisch zurück. Er und Alex tauschten einen Blick, der halb Schalk und halb stilles Einverständnis war.

Chaid, der die Szene mit offensichtlichem Vergnügen beobachtet hatte, trat zwischen sie und legte die Arme um Ash und Alex. „Lasst uns keine Dramen beim Morgentee, okay? Emilia kann entscheiden, wem sie mehr dankbar ist - und wir wissen alle, dass es sowieso ich bin."

Gray, der bislang still zugehört hatte, schüttelte nur den Kopf, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. „Ihr seid alle unmöglich."

Die Gruppe brach in Lachen aus, und für einen Moment war die gesetzlose Zone nur der Hintergrund für ihre Freundschaft. Es war ein Moment der Normalität inmitten des Chaos. Emilia schüttelte den Kopf, dankbar, dass sie sich auf solche Augenblicke stützen konnte. Es gab ihr die Kraft, weiterzugehen, trotz der Dunkelheit, die sie umgab.

Ash drehte sich zu ihr, sein Ausdruck wurde wieder ernst und einfühlsam. „Wenn wir zurück sind, Emilia. Du wirst eine Endlostasche bekommen, versprochen."

Sie nickte mit strahlenden Augen und fühlte, wie die Wärme seiner Worte in ihrem Herzen nachklang. Es war mehr als nur ein Versprechen - es war ein Zeichen ihrer Verbundenheit und der Zuversicht, dass sie zusammen weiterkämpfen würden.

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Die lockere Stimmung verflog schneller, als das scharfe Zischen und das dumpfe Dröhnen des Bodens welches Gruppe aus ihrem Gespräch riss. Das entspannte Lächeln auf Emilias Gesicht verschwand, als sie sich umdrehte und die Gefahr spürte, die sich wie eine bleierne Welle auf sie zubewegte. Ash, der die ersten Vibrationen des bebenden Bodens spürte, stellte sich reflexartig zwischen Emilia und die herannahende Bedrohung.
„Scheusale", murmelte Alex, seine Stimme eiskalt und seine Haltung sofort angespannt. „Viele."

Das Geräusch wuchs an - ein unheilvolles Grollen, das in der Ferne begann und rasend schnell näher kam. Der dichte Nebel, der sich über die Ebene gelegt hatte, begann sich zu bewegen, als ob er von unsichtbaren Händen geschoben würde. Und aus dieser aufgewühlten Wolke heraus brachen die ersten Kreaturen hervor - verzerrte, albtraumhafte Wesen, die das Miasma durchdrungen hatte und die keinen Funken des ursprünglichen Lebens mehr in sich trugen.

Chaid zog seine Waffen, und ein Funke Verachtung blitzte in seinen Augen auf. „Wirklich? Gleich so viele auf einmal?", sagte er mit einem bitteren Lächeln, während er sich in Kampfposition begab. „Das nenne ich ja mal eine herzliche Einladung."

Emilia spürte, wie das Mal auf ihrer Brust zu glimmen begann - eine warnende, heiße Präsenz, die sie an den Ernst der Lage erinnerte. Ihr Atem wurde ruhiger, während sie sich konzentrierte. Die Scheusale - mit grotesken, sich windenden Gliedmaßen und hungrigen Augen, die von Dunkelheit erfüllt waren - bewegten sich schneller, als sie erwartet hatte.

„Formation halten!", rief Alex, seine Stimme war schneidend scharf, während er den ersten Schlag führte. Sein Mana pulsierte in einem blendenden Licht, das die ersten Wellen der Kreaturen zurückwarf. Die Klinge seiner Waffe glühte vor Energie und zerschnitt die Luft mit tödlicher Präzision. Doch die Scheusale zogen sich nicht zurück - sie stürmten immer wieder heran, als ob sie nichts zu verlieren hätten.

Ash ließ sein Mana durch den Boden zirkulieren und formte eine schützende Barriere um Emilia, während er gleichzeitig Feuerströme auf die Feinde schleuderte. „Das wird uns etwas Luft verschaffen", rief er, während Flammenwände emporstiegen und die Angreifer in lodernden Infernos ertranken. „Bleib bei mir, Emilia!"

Gray stand an Emilias Seite, sein Blick voller Fokus. „Sie kommen immer weiter", knurrte er und wirbelte, um mit präzisen Schlägen die Scheusale niederzuringen. Wasserströme, die er kontrollierte, wurden zu Klingen und Schilden, die im Einklang mit seinen Bewegungen tanzten. „Wir müssen den Fluss unterbrechen, sonst werden wir überrannt."

Chaid hatte sich weiter vorne positioniert und war ein Wirbelsturm aus Präzision und Kraft. Jede Bewegung, jeder Hieb war tödlich - doch selbst er geriet langsam ins Schwitzen. „Immer noch besser als langweiliges Warten, oder?", rief er, seine Stimme trug einen Anflug von Erschöpfung. Doch seine Augen leuchteten wild und entschlossen.

Emilia zögerte nicht länger. Sie konzentrierte sich auf das Mal und ließ ihr Mana durch den Stab pulsieren. Ein heller Schimmer legte sich über die Gruppe, ihre Energien wurden gestärkt und die lähmende Wirkung des Miasmas abgeschwächt. „Ich bin hier!", rief sie mit fester Stimme, um ihren Gefährten die Kraft zu geben, weiterzukämpfen.

Ein besonders großes Scheusal - verzerrt, monströs und von zähflüssiger Dunkelheit durchzogen - bahnte sich seinen Weg durch die Angriffsreihen. Seine Präsenz ließ die Luft gefrieren. Es öffnete sein Maul und ließ ein unmenschliches Brüllen los, das die Erde zum Beben brachte. Emilia spürte, wie ihr Körper erzitterte. Es war mehr als ein Kampf - es war ein Wettstreit gegen die Dunkelheit selbst.

„Das Ding...", keuchte Alex, seine Augen fest auf das Monstrum gerichtet. „Wir müssen es gemeinsam niederstrecken."

Die Gruppe formierte sich erneut, schulter an Schulter. Jeder von ihnen wusste, dass der nächste Moment entscheidend war. Ihre Hände zitterten, ihre Körper brannten - doch ihre Entschlossenheit war ungebrochen. Mit einem stillen, gemeinsamen Einverständnis traten sie vor, bereit, die Dunkelheit zu besiegen - oder daran zu zerbrechen.

Die Scheusale drängten sich in immer engeren Wellen um die Gruppe, und das Miasma in der Luft schien schwerer zu werden. Ihre Bewegungen waren präzise, ihre Angriffe gnadenlos. Doch Emilia und ihre Gefährten hielten stand, jeder von ihnen kämpfte mit der gesamten Kraft, die sie besaßen. Flammen und Wasserströme, Lichtklingen und Schattenbarrieren trafen auf die verzerrten Kreaturen, die sich ihnen entgegenstellten. Nach einem langen, kräftezehrenden Kampf begann die Zahl der Scheusale abzunehmen.

„Noch ein paar mehr!", rief Chaid, der Schweiß perlte auf seiner Stirn, während er das letzte Scheusal vor sich niederstreckte. Seine Augen leuchteten kampfeslustig, doch ein Funken Erschöpfung war nicht zu leugnen.

„Wir schaffen das!", rief Ash, seine Barriere hielt stark und stabil, als er Emilia einen Blick zuwarf. Doch gerade in diesem Moment bebte der Boden unter ihnen erneut. Eine unsichtbare Kraft durchzog die Erde, als ob etwas tief im Inneren dieser Zone seine Macht entfaltete.

„Was war das?", fragte Gray, während er nach den verbleibenden Scheusalen Ausschau hielt. Er blieb an Emilias Seite, bereit, sie um jeden Preis zu verteidigen.

Dann geschah es. Ein unerwarteter Sog - eine Art Strömung aus Mana und Miasma - griff nach Emilia und zog mit ruckartiger, unkontrollierbarer Kraft. Sie spürte, wie ihr Körper unerbittlich fortgezogen wurde, als ob eine unsichtbare Hand sie mit sich reißen wollte. Sie war nicht allein -Ash war ganz nah aber es änderte ihre Situation nicht- der Boden unter ihr brach plötzlich weg und schien sie zu verschlucken.

„Emilia!", schrie Alex, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er sah, wie sie fortgerissen wurde. Doch das letzte, mächtige Scheusal stand noch vor ihm und hinderte ihn daran, zu ihr zu eilen. „Haltet sie auf!", rief er verzweifelt zu den anderen, aber auch sie waren von der wütenden Kreatur umzingelt.

Emilia reagierte instinktiv. Ihre Hände leuchteten auf, als sie eine verstärkende Barriere wirkte, um sich zu schützen. Die Energie der Barriere schimmerte um sie herum und wurde von Ashs Schutzschild zusätzlich gestärkt, der ihr Sicherheit bot. Doch die Kraft, die an ihr zerrte, war unerbittlich. Es war, als ob das Miasma selbst sie in seine Tiefe ziehen wollte - ein Abgrund, der keine Gnade kannte.

„Ich komme klar!", rief Emilia, während ihre Augen entschlossen funkelten. Sie wollte ihnen zeigen, dass sie nicht hilflos war - dass sie in der Lage war, sich zu verteidigen. Doch ihre Worte wurden vom Wind verschluckt, als der Boden unter ihr endgültig nachgab und sie in die Tiefe stürzte.

Die Jungs sahen es, konnten es aber nicht verhindern. Sie kämpften mit aller Kraft, um zu ihr zu gelangen, doch die letzten Scheusale hielten sie noch fest. Das Geräusch von brechendem Gestein und das Zischen des Miasmas verschwanden in der Dunkelheit, und Emilia fühlte, wie sie fiel. Der Abgrund schien endlos zu sein - ein wirbelnder Tunnel aus kalter Luft und Mana, der sie tiefer und tiefer zog.

Schließlich brach der Fall ab. Emilia landete hart, doch ihre Barriere hatte den größten Aufprall abgefangen. Sie keuchte und rollte zur Seite, als die Energie um sie herum nachließ. Das Licht ihrer Barriere erlosch langsam, und sie spürte den harten, feuchten Boden unter sich.

Sie richtete sich auf und atmete schwer. Um sie herum war es dunkel, doch eine sanfte, schimmernde Präsenz durchdrang die Luft. Sie war in einer Grotte gelandet - einer Grotte, die von einer seltsamen, heilenden Energie durchzogen war. Das sanfte, grüne Leuchten der Pflanzen, die um sie herum wuchsen, erfüllte die Höhle mit einer beinahe magischen Atmosphäre. Ein kleiner Teich und ein Bach schimmerte kristallklar im sanften Licht.

„Wo... bin ich?", flüsterte Emilia, als sie sich langsam erhob und die Umgebung betrachtete. Ihr Herz pochte noch immer wild, doch das Gefühl von Gefahr schien sich für einen Moment zurückgezogen zu haben. Es war, als ob dieser Ort sie umarmen und heilen wollte. Doch sie war allein - weit weg von ihren Gefährten und tief in einer Grotte, die ihre Geheimnisse noch nicht preisgegeben hatte.

~ ~ ~ ~

Emilia war hart auf den Boden aufgeprallt, und das Echo ihres Sturzes hallte durch die Wände der Grotte. Ihr Körper prallte auf weiches, federndes Moos, das den Aufprall zwar abfederte, aber nicht die Schmerzen verhindern konnte. Für einen Moment blieb sie regungslos liegen, spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern pumpte und die Schärfe des Schmerzes in ihrer Seite, das an ihrem Bein und ihrem Arm pochte. Sie hob zittrig die Hand und bemerkte das Blut, das langsam an ihren Fingern herabfloss. Eine tiefe Schnittwunde zog sich von ihrer Schulter bis hinunter zum Ellenbogen, und kleinere Abschürfungen zierten ihre Knie und Waden. Ihr Atem ging flach, während sie versuchte, die plötzliche Angst zu unterdrücken, die wie ein kalter Schauer durch sie lief.

„Schon wieder verletzt", murmelte sie und lachte kurz und bitter auf, um ihre Angst zu überspielen. „Das wird noch zur Gewohnheit." Doch der Versuch, ruhig zu bleiben, konnte die Realität nicht verbergen - der Schmerz war echt, das Blut war echt, und die Einsamkeit um sie herum drückte schwer auf ihre Brust. Sie presste ihre zitternden Finger auf die Wunde an ihrem Arm, doch das Blut sickerte weiter, färbte das Moos unter ihr tiefrot.

Langsam zwang sie sich, aufzustehen. Ihre Beine fühlten sich wackelig an, und das Zittern in ihren Gliedern verriet mehr, als sie sich eingestehen wollte. Sie blickte um sich, suchte verzweifelt nach einem Orientierungspunkt in der unbekannten Umgebung. Die Grotte war von einem sanften, grünen Leuchten erfüllt, das aus den Moosen und Pflanzen um sie herum zu kommen schien. Das Licht war beruhigend, fast magisch. Es flackerte leicht, wie ein lebendiger Herzschlag, und Emilia spürte, wie es sich mit ihrem eigenen Mana vermischte. Ein merkwürdiges Gefühl der Ruhe überkam sie, als ob der Ort selbst ihr zuflüsterte, dass sie sicher war - zumindest für den Moment.

„Was... ist das hier?", flüsterte sie und versuchte, den seltsamen Frieden zu verstehen, der sich über sie legte. Ihre Angst, die kurz nach dem Sturz wie eine eisige Hand ihr Herz umklammert hatte, begann langsam zu weichen. Das sanfte Leuchten schien ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen, ihre Atmung zu verlangsamen. Es war, als ob die Grotte selbst sie in ihren Armen hielt und wiegte. Die Wildheit und das Lodern ihrer Emotionen, die sie während des Falls überflutet hatten, wurden allmählich durch eine sanfte Stille ersetzt.

Dennoch konnte Emilia den Schmerz in ihrem Körper nicht ignorieren. Die Verletzungen pochten mit jedem Herzschlag, und das Blut an ihrem Arm klebte kalt auf ihrer Haut. Sie setzte sich vorsichtig auf das weiche Moos, ihre Augen wanderten über die Wunde. Es war tief, und sie wusste, dass sie sie behandeln musste, bevor es schlimmer wurde. Doch als sie ihre Hände über der Verletzung hielt und versuchte, ihr Mana zu sammeln, traf sie auf eine innere Blockade. Ihr Mana war erschöpft, ihr Geist zerschlagen vom Kampf. Alex hatte sie in der Theorie unterrichtet, wie sie ihre Wunden heilen konnte - doch jetzt, inmitten von Schmerzen und Erschöpfung, war all dieses Wissen wie ein ferner Traum. Sie spürte keine klare Verbindung zu den Mana-Strömen, die sie sonst mit Leichtigkeit kontrollieren konnte. Es war frustrierend und beängstigend.

„Warum... funktioniert das nicht?", flüsterte sie, während ihre Finger zitterten. Ein Gefühl der Hilflosigkeit kroch in ihr hoch, und sie ballte die Fäuste. „Jetzt nicht... bitte nicht jetzt." Sie schloss die Augen und versuchte, tief zu atmen, doch das Zittern in ihrem Körper ließ nicht nach. Ihre Glieder schmerzten, und der Gedanke, dass sie allein und verletzlich hier unten saß, nagte an ihrem Verstand.

Schließlich öffnete sie die Augen und blickte zur Decke der Grotte. Doch alles, was sie sah, war Dunkelheit - endlos und undurchdringlich. Der Spalt, durch den sie gefallen war, war nicht zu erkennen. Vielleicht hatte sich der Weg verschlossen, vielleicht war er nie wirklich da gewesen. Würden ihre Gefährten sie überhaupt finden können? Würden sie den Mut haben, in eine Tiefe hinabzusteigen, die so fremd und gefährlich wirkte? Oder war sie dazu bestimmt, hier zu warten - auf Rettung oder etwas anderes?

Links und rechts war die Grotte jedoch von einem sanften Glimmen erfüllt. Das Moos leuchtete in lebendigem Grün, die Pflanzen schimmerten wie Sterne in der Dunkelheit. Es war tröstlich, und für einen Moment fühlte sich Emilia weniger allein. „Es könnte schlimmer sein", flüsterte sie und versuchte, sich auf das Positive zu konzentrieren. „Es könnte dunkel, nass oder... von Magma durchzogen sein." Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen, doch es verging schnell.

Die Grotte hatte etwas Eigenartiges an sich. Das Licht schien auf eine seltsame Weise ihr Mana zu berühren, es beruhigte die wilden Ströme und ließ eine sanfte Wärme in ihr aufsteigen. Vielleicht war dieser Ort nicht zufällig so beschaffen. Vielleicht hatte er einen Zweck - oder vielleicht sollte sie ihn einfach so akzeptieren, wie er war.

Emilia sah erneut auf ihre Wunden und spürte die Last der Erschöpfung. „Ich werde das hier überstehen", sagte sie zu sich selbst, als ob die Worte ihre innere Stärke erneuern könnten. Sie schloss die Augen und lehnte sich vorsichtig zurück, das weiche Moos unter sich spürend, das sanfte Leuchten um sich. Sie würde ihre Gefährten wiedersehen - sie mussten nur einen Weg finden. Bis dahin blieb ihr nichts anderes übrig, als zu hoffen... und zu warten.

~ ~ ~

Emilia kniete sich langsam neben den Bach, der sanft durch die Grotte plätscherte. Das leise Murmeln des Wassers erfüllte den Raum mit einer fast hypnotischen Ruhe. Die schimmernden Moosflecken um sie herum leuchteten sanft, tauchten die Umgebung in ein beruhigendes, grünes Licht. Als sie ihre Hand ins Wasser tauchte, durchzog ein sanfter Schauer ihren Körper. Das Wasser war kühl, aber nicht unangenehm - vielmehr fühlte es sich an, als würde es ihre müden Glieder durchdringen und eine seltsame, zarte Kraft mit sich bringen.

„So seltsam...", murmelte sie und beobachtete, wie sich kleine Tropfen von ihrem Arm lösten und in das klare Wasser zurückfielen. Für einen Moment vergaß sie die Schmerzen in ihrem Körper, die Kratzer und Prellungen, die der Sturz hinterlassen hatte. Doch als sie auf ihre blutende Wunde an der Seite sah, zog sich ihr Gesicht vor Schmerz zusammen. Sie konnte es nicht ignorieren - die Verletzungen waren real und der Schmerz machte ihre Atmung schwerer.
„Schon wieder verletzt...", flüsterte sie mit einem bitteren Lächeln. „Das wird noch zu einer Gewohnheit." Die Worte klangen gespielt, doch die Angst dahinter war echt. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie den Gedanken abschütteln. Dies war nicht der richtige Moment, um Schwäche zuzulassen. Nicht jetzt.

Langsam und vorsichtig legte sie sich auf den Bauch, um besser an das Wasser heranzukommen. Es fühlte sich fast wie ein Reflex an, die kühle Flüssigkeit über die verletzte Haut laufen zu lassen. Ein zarter Schimmer begann, sich um die Wunde zu legen, als das Wasser sie berührte. Emilia hielt den Atem an. Sie beobachtete, wie sich das Blut mit dem Wasser mischte und dann langsam aufhörte zu fließen. Der Schmerz ließ nach, fast als ob die Flüssigkeit etwas von der Last mit sich nahm.

„Was...?", flüsterte sie, ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Das Wasser schien nicht nur ihre Wunde zu reinigen, sondern sie auch zu heilen. Sie hob vorsichtig die Hand und berührte die Stelle - die Haut war noch nicht vollständig geheilt, aber die Blutung war gestoppt, und ein leichter, heilender Glanz lag auf der Wunde. „Wie kann das sein?"

Das Flüstern der Grotte schien ihr zu antworten. Die Luft fühlte sich lebendig an, als ob die Energie dieses Ortes in Wellen durch sie hindurchströmte und sich mit ihrem Mana verband. Ein beruhigender Puls ging von den umgebenden Pflanzen aus, als ob sie ihren Herzschlag hörte, der sich allmählich beruhigte. Emilia ließ ihren Blick schweifen, folgte dem Lauf des Baches, der sich weiter in die Tiefe der Grotte schlängelte. Irgendetwas an diesem Ort ließ sie nicht mehr los. Es war, als ob ihr Mana in Einklang mit der Umgebung zu atmen begann. Die Angst, die sie zuvor gespürt hatte, schien sich mit jedem Atemzug weiter zu verflüchtigen.

Mit vorsichtigen Schritten erhob sie sich und folgte dem Bachlauf. Die Grotte öffnete sich vor ihr, und nach wenigen Minuten führte der schmale Wasserlauf zu einer weiten Nische. Ein großer Teich oder vielleicht ein unterirdischer See breitete sich vor ihr aus. Das Wasser schimmerte in sanften, blauen und grünen Tönen, und feine Lichtstrahlen fielen von oben herab, als ob sie durch verborgene Öffnungen in der Decke kamen. Es war atemberaubend - eine Oase des Friedens inmitten der Dunkelheit.

Emilia kniete sich an den Rand und berührte die Wasseroberfläche. Die sanften Wellen, die sich bildeten, schienen auf sie zu reagieren, als würden sie sie willkommen heißen. Der Schmerz in ihren Gliedern war immer noch da, doch er schien sie nicht mehr so stark zu quälen wie zuvor. Ohne weiter nachzudenken, schob sie ihre Stiefel von den Füßen, ließ ihre zerschlissene Kleidung auf den Boden fallen und trat vorsichtig ins Wasser. Die Wärme umhüllte sie, zog an ihren Wunden und schien sie einzuhüllen. Mit jedem Schritt, den sie tiefer in den Teich ging, spürte sie, wie die Last von ihr fiel. Das Wasser nahm ihr den Schmerz, das Leid und die Angst - es war, als ob der Ort selbst sie heilte.

Emilia ließ sich schließlich ganz ins Wasser sinken, das bis zu ihrer Brust reichte, und schloss die Augen. Der sanfte Fluss umhüllte sie, heilte ihre Wunden, und die Energie des Ortes füllte ihren erschöpften Körper. „Das ist... unglaublich", dachte sie, während sie die heilende Wirkung in jedem ihrer Muskeln spürte. Die Wunden an ihren Knöcheln, die blutenden Kratzer und selbst die Prellungen begannen zu verblassen. Sie war sich nicht sicher, ob sie träumte oder ob dies Realität war - aber es spielte keine Rolle. In diesem Moment gab sie sich dem Gefühl hin, heil und geborgen zu sein.

Das Plätschern des Wassers und das sanfte Leuchten der Grotte wirkten wie ein Versprechen. Es war nicht nur ein Ort der Heilung, sondern auch einer der Erneuerung. Und als Emilia wieder die Augen öffnete, fühlte sie sich nicht nur körperlich gestärkt - auch ihr Geist schien mit neuer Entschlossenheit erfüllt zu sein. „Ich kann hier nicht bleiben", dachte sie entschlossen. „Ich werde einen Weg hinausfinden. Ich habe keine Wahl."

Die Ruhe, die das Wasser ihr gegeben hatte, verwandelte sich in einen klaren, fokussierten Gedanken. Sie würde nicht hier warten, bis ihre Gefährten sie fanden. Sie würde ihren eigenen Weg finden. Und mit dieser Überzeugung, mit den heilenden Kräften des Ortes und der neuen Stärke in ihren Gliedern, tauchte sie tiefer in die Grotte ein - bereit, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

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Emilia blickte sich um und erkannte, dass die Grotte weite, verzweigte Pfade vor ihr aufwies. Jeder Schritt führte sie tiefer in das unbekannte Labyrinth, und die sanft leuchtenden Pflanzen und das Moos wichen langsam einer kargeren, felsigen Umgebung. Das warme Gefühl des heilenden Wassers lag noch immer auf ihrer Haut, aber die Dunkelheit um sie herum schien enger zu werden, je weiter sie sich von dem Teich entfernte. Ihr Atem ging gleichmäßig, doch die Anstrengung des laufens, das Klettern über kleine Felsvorsprünge und das Voranschreiten durch schmale Pfade forderte ihren Körper bald erneut heraus.

Ihre Beine fühlten sich schwer an, die Muskeln brannten, und ihre Füße schmerzten von dem unebenen Untergrund. Sie seufzte leise, stützte sich einen Moment an einer Felswand ab und schloss die Augen. „So viel zu meiner Erholung", murmelte sie sarkastisch und rang sich ein Lächeln ab, das jedoch rasch verblasste. Ihr Körper war erschöpft, und die schwindende Kraft erinnerte sie daran, dass sie allein war - umgeben von der drückenden Stille der Grotte. Die kühle Luft um sie herum schien ihre Haut zu umschließen, aber tief in sich spürte sie noch immer die wild pulsierende Energie des Ortes.
Dann öffnete sie die Augen und atmete tief durch. Ihr Herzschlag beruhigte sich, und ein Gedanke formte sich in ihrem Kopf - ein Gedanke, der lange in ihr geschlummert hatte, doch sie nur selten berührt hatte. „Es gibt noch eine Möglichkeit", flüsterte sie, als sie sich vom Felsen abstieß und auf den engen Pfad vor sich blickte. „Ich kann das nicht ewig so weiterlaufen."

Emilia ließ ihre Hände über die glühende Markierung an ihrem Arm gleiten, die wie ein sanftes Licht schimmerte. Sie fühlte die Energie, die sich mit ihrem Mana verband - eine uralte Kraft, die tief in ihr schlummerte. Ihre zweite Gestalt. Sie hatte sie nur selten genutzt, doch hier, in dieser verlassenen Tiefe, schien es der richtige Moment zu sein. Langsam und konzentriert ließ sie die Energie durch ihren Körper fließen. Ihr Atem wurde tiefer, die Umgebung verschwamm für einen Moment, und dann geschah es - ihr Körper begann, sich zu wandeln.

Mit einem sanften, fast lautlosen Knurren dehnte sich Emilias Form aus. Ihre Muskeln streckten sich, ihr ganzer Körper wurde größer, kräftiger, und eine majestätische Tigerform nahm Gestalt an. Ihre Pranken gruben sich in den Boden, und sie spürte die rohe Kraft, die in jedem Muskel ruhte. Ein dichter Pelz, schimmernd mit weißen und goldenen Streifen, legte sich schützend um sie, und ihre Augen leuchteten intensiv und klar, wie zwei scharfe Edelsteine, die im Dunkeln funkelten. Ihre Ohren zuckten, jede kleine Bewegung der Luft aufnehmend, und ihr Schweif schwang langsam, kontrolliert hinter ihr hin und her.

„So fühlt es sich also an...", dachte sie, während sie ihre neue Gestalt erkundete. Sie war größer, mächtiger - weit entfernt von der kleinen, schlanken Bestienform, die sie hin und wieder eingenommen hatte. Dies war die Form einer wahren Tigerbestie, einer Kriegerin. Sie stieß ein leises Knurren aus, das durch die Grotte hallte und ihre Macht bestätigte.

Mit dieser neuen Stärke bewegte sie sich geschmeidig durch die engen Pfade, ihre Bewegungen mühelos und präzise. Das Gewicht, das sie als Dämonin getragen hatte, fühlte sich nun leichter an. Ihre Pranken berührten den Boden fast lautlos, und sie konnte ihren Atem kontrollieren, ihre Umgebung viel bewusster wahrnehmen. Jeder Schritt war ein sanftes Hineinsinken in die neue Stärke und das Selbstbewusstsein, das damit einherging.

Sie setzte sich einen Moment auf ihre Hinterbeine, legte ihre Pranken auf die felsige Wand und streckte ihren massiven Körper. Ein Hauch von Zufriedenheit zog durch sie, als sie spürte, wie der Schmerz und die Müdigkeit in dieser Form zurückwichen. Emilia wusste, dass sie in dieser Gestalt noch weit gehen konnte, ohne sich von Erschöpfung besiegen zu lassen. Es war, als ob die neue Kraft der Tigerbestie ihr eine zweite Luft verlieh - eine Bestätigung, dass sie nicht aufgeben würde.

Während sie durch die Grotte wanderte, blieb sie wachsam, ihre Ohren drehten sich in alle Richtungen. Die Gänge wirkten bedrohlicher als zuvor, aber mit jedem ihrer kraftvollen Schritte vertrieb sie ein Stück der lähmenden Angst. „Ich finde einen Weg", versprach sie sich, während ihre leuchtenden Augen den dunklen Pfad vor ihr durchdrangen. „Ich gebe nicht auf."

Die Dunkelheit mochte drückend sein, doch Emilia in ihrer Tigerform bewegte sich mit einer neuen Sicherheit, einer Wildheit, die tief in ihr erwachte. Sie war eine Jägerin, eine Hüterin - und nichts würde sie aufhalten. Schritt für Schritt näherte sie sich ihrem Ziel, bereit, jedem Hindernis die Stirn zu bieten, das sich ihr in den Weg stellte.

Emilia bewegte sich in ihrer Bestiengestalt mit einer beeindruckenden Anmut durch die engen Pfade der Grotte. Ihr massiver, muskulöser Körper als große Tigerbestie war weit entfernt von ihrer zarten, humanoiden Gestalt. Sie spürte die ungeheure Kraft in jedem ihrer Schritte. Ihre Klauen gruben sich in das weiche Moos, während sie mühelos über größere Felsen und schmale Spalten sprang. Wo sie als Humanoide gezögert oder gestolpert wäre, überwand sie nun Hindernisse mit einer Leichtigkeit, die sie selbst kurz innehalten ließ. Es fühlte sich beinahe befreiend an.

Doch mit dieser Stärke kam auch eine Präsenz, die alle Lebewesen um sie herum in Alarmbereitschaft versetzte. Kleine, leuchtende Kreaturen huschten in Felsspalten, sobald sie ihren Schatten wahrnahmen, und selbst die moosbedeckten Gefährten, die sonst kaum einen Besucher scheuten, wichen zurück. Ihre leuchtenden Augen glitten aufmerksam über ihre Umgebung, und Emilia bemerkte, wie die Grotte plötzlich stiller wurde, als ob die Bewohner ehrfürchtig oder gar ängstlich auf ihre Bewegungen warteten. Ihre scharfen Sinne registrierten alles - den kleinsten Atemzug, die leisesten Schritte - und sie verstand, dass sie hier unten als Raubtier betrachtet wurde.

Trotz des Stolzes, der in ihr aufstieg, als sie sah, wie ihre Präsenz wirkte, fühlte sie auch einen Anflug von Bedauern. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich dieser Form bediente, doch sie hatte es stets vermieden. Diese mächtige Gestalt war ein Symbol ihrer Herkunft, ihrer Verbindung zum heiligen Tal der Valkyrien. In ihrer Jugend hatte sie diese Macht verachtet, weil sie sich von den anderen abheben wollte. Statt als große Bestie zu wandeln, zog sie es vor, ihre Gefährtenform anzunehmen - anmutig, schlank, und viel weniger bedrohlich.

Doch nun, wo sie gezwungen war, diese Gestalt zu nutzen, spürte Emilia die Widersprüchlichkeit ihres Inneren. Sie wusste, dass sie in dieser Form mächtiger war, und doch war es ihr stets peinlich gewesen. Die Diskrepanz zwischen ihrer zarten, jugendlichen Erscheinung und dieser imposanten Bestienform hatte sie oft verunsichert. Es fühlte sich an, als trage sie eine Maske, die nicht zu ihr passte, und doch spürte sie heute - zumindest ein kleines bisschen - Stolz und Freiheit.

Sie hielt inne, um ihre Umgebung genauer zu mustern, während ihre Pranken fast lautlos über den Boden glitten. Die Umgebung nahm sie nun anders wahr, viel intensiver, mit einem Gefühl von Dominanz und Klarheit. Der leichte Schein von Leuchtmoosen spiegelte sich in ihrem Fell wider, und Emilia konnte sich nicht helfen, ein leises, tiefes Schnurren von sich zu geben - eine Mischung aus Freude und der unvergleichlichen Kraft, die sie in sich spürte.

Ein schmaler Pfad, der von schroffen Steinen und stacheligen Pflanzen gesäumt war, lag vor ihr. Als Humanoide hätte sie mühsam klettern oder sich hindurchzwängen müssen, doch jetzt setzte sie einfach mit einem kraftvollen Sprung darüber hinweg, landete geschmeidig und leise. Der Wind, der durch die Gänge wehte, spielte mit ihrem Fell, und für einen Augenblick genoss sie das Gefühl, schwerelos und wild zu sein.

Dennoch wusste sie, dass diese Form eine Bürde war, so viel wie sie eine Gabe war. Das Wissen um ihre Kraft trug Verantwortung mit sich, und sie würde nicht zulassen, dass diese Stärke sie definierte. Sie wollte Emilia bleiben - diejenige, die sich ihren eigenen Weg suchte, und nicht nur das Erbe der Valkyrien verkörperte.

Mit einem kurzen Ruck drehte sie ihren Kopf zur Seite, ihre scharfen Augen erfassten jede Bewegung. Sie war bereit für das, was kommen würde - ob in dieser Gestalt oder einer anderen. Doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass der Weg, den sie wählte, ihr eigener bleiben würde, und sie würde ihn auf ihre Weise gehen - mit Stärke, aber auch mit Anmut.

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