Kapitel 2 Band 3

Band 3 Kapitel 2

Emilia schwebte in einer unbestimmten Dunkelheit. Um sie herum waberte dichter Nebel, der wie ein lebendiges Wesen wirkte - kalt und eindringlich, kroch er über ihre Haut und ließ sie erschaudern. Jeder Atemzug wurde schwerer, als würde die Luft selbst sich ihr verweigern. Doch trotz der Kälte spürte sie eine seltsame Vertrautheit, die sie gleichermaßen beruhigte und anspannte. Sie war nicht allein, und das Wissen darum machte sie noch wachsamer.
Ein Flüstern durchbrach die Stille, kaum mehr als ein Hauch, aber scharf wie ein Messer, das an ihrer Seele schnitt. „Vertrau niemandem... an der Grenze... den Wachen nicht... nur den Todsünden und deinen Gefährten." Die Stimme klang brüchig und rau, als käme sie aus einer unermesslichen Ferne, doch jede Silbe trug eine drängende Entschlossenheit in sich, als ob das Überleben selbst davon abhinge. Die Worte waren wie Gift, das sich langsam in ihr ausbreitete.
„Wer... bist du?" Emilias Stimme zitterte, kaum mehr als ein schwaches Echo in der endlosen Leere. Der Nebel schien ihre Worte zu verschlucken, als wollte er keine Antwort zulassen. Stattdessen kehrte das Flüstern zurück, eindringlicher als zuvor: „Vertraue nur den Todsünden... nur ihnen und deinen Gefährten. Sonst lauert Verrat..." Die Warnung bohrte sich wie ein glühender Stachel in ihren Geist und hinterließ ein Gefühl drückender Beklemmung. Warum fühlte sich diese Stimme so vertraut an? Was wollte sie ihr sagen?

Mit zusammengekniffenen Augen versuchte Emilia, die Silhouette zu erkennen, die sich aus dem Nebel herauskristallisierte. Doch die Konturen blieben unscharf, als ob der Nebel selbst sie verschleiern wollte. Trotzdem spürte sie die Präsenz - furchterregend und beschützend zugleich. Für einen kurzen Moment blitzten rote Augen auf, leuchtend wie Glut, bevor sie wieder in der Dunkelheit verschwanden. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Die Stimme fühlte sich wie ein Echo an, ein Schatten von jemandem, den sie spüren, aber nicht greifen konnte.
„Warum sollte ich dir vertrauen?", murmelte sie, ihre Stimme rau und voller Zweifel. Der Nebel wirbelte wie in eine Antwort um sie, doch es folgte keine Erklärung. Stattdessen wurde das Flüstern drängender, fast verzweifelt: „Gefahr... die Grenzwachen... sie verbergen mehr, als du ahnst... du musst... stark bleiben."
Die Worte hallten in ihrem Inneren wider, schwer wie Blei. Mit jedem Nachklang schien der Nebel dichter zu werden, und Emilia spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog, als ob unsichtbare Hände nach ihr griffen. Sie wollte schreien, wollte Antworten fordern, doch stattdessen fühlte sie, wie ihr Bewusstsein in der Dunkelheit zu zersplittern begann.
Plötzlich durchbrach ein schwaches Licht den Nebel - gerade hell genug, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Silhouette wurde klarer und streckte sich nach ihr aus, als wolle sie Emilia aus der Finsternis reißen. „Vertraue... uns... nicht den Fremden." Das Flüstern war das Letzte, was sie hörte, bevor die Welt um sie in einem gleißenden Licht explodierte.
Mit einem erstickten Keuchen erwachte Emilia. Ihr Atem ging hastig, ihr Herz schlug wild gegen ihre Rippen. Der Traum - oder was auch immer es gewesen war - fühlte sich erschreckend real an. Die Worte der Warnung hallten noch in ihrem Kopf wider, wie ein unauslöschliches Echo. Sie schlang die Arme um sich und spürte die Kälte des Traums tief in ihren Gliedern. Sie musste herausfinden, was es damit auf sich hatte - und sich vorbereiten. Jetzt war keine Zeit zu zögern.
....
Als Emilia die Augen öffnete, bemerkte sie, dass das Zelt leer war - alle außer Ash waren bereits aufgestanden. Das schwache Licht des beginnenden Tages sickerte durch die Zeltwand, doch es schien die Kälte, die der Traum in ihr hinterlassen hatte, nicht vertreiben zu können. Ihr Atem ging noch immer flach, als ob die Schatten des Traums sie noch verfolgten.
Ash, der sofort bemerkte, wie schreckhaft sie aus dem Schlaf hochgefahren war, trat zu ihr. Seine sonst verschmitzten Augen waren voller Sorge. „Alles in Ordnung, Emilia?" fragte er sanft und kniete sich neben sie. Seine Nähe und die Ruhe, die er ausstrahlte, wirkten wie ein Anker, der sie inmitten ihres inneren Sturms hielt.
Emilia atmete tief durch und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. „Ich... ich glaube, ich hatte so etwas wie eine Vision", brachte sie mit zitternder Stimme hervor. Die Worte fühlten sich seltsam an, als ob das Aussprechen erst die Realität des Erlebten bestätigte. Ash nickte langsam, seine Augen aufmerksam und intensiv, als wollte er die verborgene Bedeutung in ihrem Gesicht lesen. Gerade als er den Mund öffnete, um nach der Vision zu fragen, wurde das Zelt von einem leisen Rascheln unterbrochen.
Alex trat ein, sein Blick ernst und seine Bewegungen zielgerichtet. „Ich wollte dich gerade wecken, Emilia", sagte er und hielt inne, als er die Anspannung in der Luft bemerkte. Sein Blick wanderte zwischen Emilia und Ash hin und her. Ash war der Erste, der sprach: „Emilia hatte eine Vision."
Ein Schatten zog über Alex' Gesicht, und seine Stirn legte sich in tiefe Falten. „Das... ist kein gutes Zeichen", murmelte er, seine Augen voller Besorgnis auf Emilia gerichtet. „Deine Kräfte... sie werden stärker, aber in dieser Umgebung... alles hier erzwingt es und manipuliert. Das darf nicht geschehen." Seine Hände ballten sich unbewusst zu Fäusten. Der Gedanke, dass Emilias Kräfte in dieser verfluchten Gegend sowohl verstärkt als auch verzerrt werden konnten, beunruhigte ihn zutiefst. Visionen sollten Ausdruck einer natürlichen Entfaltung ihrer Fähigkeiten sein - nicht das Ergebnis von äußeren, düsteren Einflüssen.
Alex wollte nach dem Inhalt der Vision fragen, hielt jedoch inne und seufzte. „Die anderen sollten das ebenfalls erfahren." Seine Stimme war ruhig, doch die Schärfe darin ließ keinen Widerspruch zu. Er half Emilia, aufzustehen, und streckte ihr die Hand hin. „Komm. Lass uns das draußen besprechen."
Emilia nickte und spürte die Kälte des Traums noch immer in ihren Gliedern, aber sie zwang sich, sich zu bewegen. Sie fuhr sich mit der Hand durch das Haar, während sie ihre Gedanken sammelte und sich rasch fertig machte. Nach einigen tiefen Atemzügen trat sie hinaus in die kühle Morgenluft. Der Nebel lag noch immer schwer über dem Boden, und das Licht der Morgensonne war zu schwach, um ihn zu vertreiben. Doch das spielte keine Rolle - sie hatte eine Warnung erhalten, und die anderen mussten davon erfahren.
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Emilia trat aus dem Zelt und spürte die kühle Morgenluft wie tausend winzige Nadeln auf ihrer Haut. Der Nebel hing schwer über dem Boden und verschmolz mit den Schatten der alten Ruinen, die das Lager umgaben. Die feuchte Kälte kroch bis in ihre Knochen, doch das flackernde Lagerfeuer in der Mitte der Gruppe bot zumindest ein kleines Stückchen Wärme und Trost. Ihre Gefährten saßen bereits um das Feuer versammelt - Alex, Ash, Gray und Chaid - sowie die drei Begleiter: Merlo, Livia und Korren.
Als Emilia sich zu ihnen gesellte, blickten alle auf und begrüßten sie mit einem Lächeln oder einem Nicken. Merlo, der Flammenmagier, war der Erste, der sprach. Sein rot glühender Blick ruhte auf ihr, und für einen Augenblick zeigte sich ein fast ungewohnter, weicher Ausdruck in seinem Gesicht. „Dein Gesang, Emilia... wir hörten ihn letzte Nacht. Er war Balsam für die Seele. Du hast uns mehr Ruhe geschenkt, als du selbst begreifen magst."
Livia, die Schattenläuferin mit den scharfen, gelben Augen, nickte zustimmend. „Selbst ich fühlte mich... lebendig. Oder zumindest so nah daran, wie es möglich ist", fügte sie mit einem leichten, schiefen Lächeln hinzu. Ihre Worte waren spielerisch, doch die Ernsthaftigkeit dahinter war nicht zu übersehen. Der Schlaf, der nach Tagen des Kampfes gegen das Miasma endlich ein wenig Erholung gebracht hatte, war ein wertvolles Geschenk.
Emilia spürte, wie ihre Wangen sich röteten, und senkte verlegen den Blick. „Danke... ich bin froh, dass es geholfen hat", murmelte sie, bevor sie den Kopf wieder hob. „Wenn ihr möchtet, kann ich ein Schutzsymbol auf eure Stirn malen, um eure Seelen weiter zu beruhigen. Ich habe es gestern bei den Jungs gemacht." Ihre Stimme war leise, aber fest. Merlo, Livia und Korren tauschten Blicke und nickten schließlich. „Wir vertrauen dir, Schamanin", sagte Korren, seine Stimme tief und fest. „Es wäre uns eine Ehre."
Emilia holte ihre Salben hervor und begann, bei jedem von ihnen ein Symbol auf die Stirn zu zeichnen. Ihre Bewegungen waren bedacht und voller Sorgfalt, jeder Strich zeugte von Hingabe. Als sie fertig war, bemerkte Livia nachdenklich: „Das erklärt einiges. Ihr alle wirkt erfrischt - gestern schien das Miasma euch zu erdrücken, aber heute... ihr seht fast ausgeruht aus." Ein sanftes Lächeln spielte um ihre Lippen. „Auch du, Emilia, wirkst gefasster. Ich kann spüren, dass deine Schutzbarriere wieder stärker ist - mein Kopf fühlt sich tatsächlich leichter an."
Emilia nickte, doch ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht. „Es tut mir leid, dass ich in letzter Zeit nicht bei der Sache war", sagte sie leise. „Es gab... so vieles, das mich abgelenkt hat." Bevor sie weitersprechen konnte, unterbrach Korren mit seiner tiefen, festen Stimme. „Du hast nichts zu bedauern. Wir haben dich unterschätzt, und das war unser Fehler. Du bist die fähigste Schamanin, die wir je gesehen haben. Ohne dich wären wir längst verloren." Merlo und Livia nickten zustimmend, und in ihren Augen lag die Anerkennung, nach der Emilia sich unbewusst gesehnt hatte.
Die Stimmung lockerte sich, und für eine Weile wurde die Unterhaltung leichter. Livia erzählte mit einem Augenzwinkern von einer früheren Reise, bei der Merlo beinahe all sein Haar in einem magischen Brand verloren hätte - eine Anekdote, die alle zum Lachen brachte. Selbst Chaid ließ ein kurzes, ehrliches Lachen hören, als wäre er selbst überrascht, wie befreiend dieser Moment wirkte.
Doch die Leichtigkeit verflog, als Alex plötzlich ernst wurde. „Emilia...", sagte er, und alle Blicke richteten sich sofort auf ihn. „Wir müssen über deine Vision sprechen." Die Fröhlichkeit wich einer angespannten Stille, als Emilia begann, ihre Erlebnisse im Traum zu schildern - die warnende Stimme, die rätselhafte Silhouette im Nebel und die drängenden Worte. Sie sprach klar und ruhig, doch die Schwere ihrer Botschaft lastete auf allen.
Als sie geendet hatte, war es Chaid, der die Stille durchbrach. Er lehnte sich nach vorn, und sein Gesicht wirkte für einen Moment dunkel. „Er ist also wirklich hier...", murmelte er, kaum hörbar, doch die Intensität seiner Worte ging niemandem verloren. Die anderen sahen ihn fragend an, und Gray legte den Kopf schief. „Wovon sprichst du, Chaid?"
Chaid zögerte kurz, bevor er den Blick hob. „Ich spreche von Zorn. Von Jake. Wenn er hier ist, dann ist das kein Zufall. Und wenn er gewarnt hat..." Seine Stimme klang rau und besorgt. Die Bedeutung seiner Worte ließ ein mulmiges Gefühl aufsteigen, und jedem im Kreis war klar, dass die kommenden Gefahren weit größer waren, als sie es je erwartet hätten.
Die kühle Luft schien plötzlich schwerer, und das leise Knistern des Feuers verlor an Wärme. Emilia verschränkte die Arme vor der Brust und spürte, wie eine Welle der Beklemmung sie erfasste. Das, was vor ihnen lag, würde sie alle bis an ihre Grenzen führen - und vielleicht darüber hinaus.

....
Alex zog Chaid ein Stück zur Seite, während Gray, Ash und er ihm folgten. Sie wollten Abstand zu den anderen, die noch am Lager blieben. Der Nebel lag schwer auf dem Boden und dämpfte die Geräusche des Lagerfeuers, das in der Ferne knisterte. Die vier Männer ließen sich an einer halb zerfallenen Stelle in den Ruinen nieder. Chaid ließ sich mit gespielter Lässigkeit gegen einen zerbrochenen Steinsockel sinken und musterte die anderen mit seinen grün schimmernden Augen, die einen Funken amüsierten Ungehorsams trugen.

Alex verschränkte die Arme und sah ihn durchdringend an. „Also, Chaid. Raus mit der Sprache. Was hast du gemeint? Ist das der Grund, warum wir hier sind?"
Chaid seufzte theatralisch und hob die Hände, als würde er sich ergeben. „Mann, Alex, warum so ernst? Ich meine, ich liebe es doch, wenn die Spannung langsam steigt... ein bisschen Mysterium macht die düstere Welt erst richtig interessant." Er hielt inne, als er die finsteren Blicke der anderen bemerkte, und sein schelmisches Grinsen wurde etwas schwächer. „Okay, okay. Keine Geheimniskrämerei mehr. Zumindest heute."
Ash verschränkte die Arme und lehnte sich mit einem skeptischen Blick nach vorn. „Du weißt, dass wir schon lange das Gefühl haben, dass du uns nicht alles sagst, oder? Jetzt ist nicht die Zeit für deine Spielchen."
Chaids Grinsen verschwand, und er seufzte, diesmal mit einer Spur echter Schwere. „Ja, ich habe ein paar Dinge verschwiegen. Und, wie es aussieht, waren eure Instinkte ziemlich gut." Er zog die Knie an und sah in die Runde. „Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von Zorn - oder Jake, wie er sich nennt. Die Lage war... gelinde gesagt, besorgniserregend. Es ging um eine Gruppe, die sich in der Unterwelt breitmacht. Sie haben ein Faible für mächtige Dämonen."
Er machte eine Pause, ließ den Blick schweifen, als ob er sicherstellen wollte, dass alle ihm folgten. „Natürlich war der Brief verschlüsselt - typisch Jake. Alles komplizierter als nötig. Ich musste mir fast das Hirn zermartern, um daraus schlau zu werden." Er lachte bitter. „Er liebt das Drama."
Gray hob eine Augenbraue. „Und du hast uns nichts gesagt, weil...?"
„Geduld, Gray, mein guter Freund." Chaids Tonfall wurde ernster. „Jake wollte, dass ich die Spur eines Gestaltwandlers namens Sedrick verfolge. Der Typ hat eine hohe Position in der Organisation, und - Überraschung, Überraschung - sein Ziel war Emilia. Sie ist... sagen wir, für die zwölf Essenzen von entscheidender Bedeutung."

Eine unangenehme Stille legte sich über die Gruppe. Alex ballte die Fäuste. „Und das hast du uns verschwiegen? Wir hätten Emilia besser schützen können!"
Chaid zuckte die Schultern, sein Blick war für einen Moment schwer und ernster. „Ihr denkt, ich habe nichts versucht? Ich war näher an Sedrick dran, als ihr glaubt. Aber der Kerl ist ein Chamäleon - ein verdammter, manipulativer Bastard. Er hat einen Weg gefunden, an Emilia heranzukommen, und ich konnte es nicht verhindern. Sein Interesse an ihr war... schon viel zu tief verwurzelt." Seine Stimme wurde rauer. „Es war kein Zufall, dass ich bei euch aufgetaucht bin, Ash. Dein Ruf kam zur rechten Zeit, aber ich war längst hier - wegen Sedrick."
Ash stieß hörbar die Luft aus. „Verdammt, Chaid..." Sein Ton war eine Mischung aus Frustration und Sorge. „Und was ist mit Jake? Hast du etwas von ihm gehört?"
Chaid senkte den Blick, sein Daumen spielte nervös mit einer Haarsträhne. „Das ist es ja. Wir hatten einen Treffpunkt. Aber er erschien nie. Danach herrschte Funkstille. Und wenn Jake sich nicht meldet, hat das immer eine Bedeutung." Seine Stimme wurde leiser. „Entweder ist er... tot, oder schlimmer."
Alex trat einen Schritt näher und seine Augen verengten sich. „Schlimmer? Was heißt schlimmer?"
Chaids Miene wurde dunkel, und er sah Alex direkt an. „Jake lässt sich nicht leicht unterkriegen. Wenn er verschwunden ist, dann hat entweder die Gruppierung ihn geschnappt... oder das Miasma hat ihn in den Wahnsinn getrieben. Vielleicht... ist er jetzt eine verzerrte Version seiner selbst. Ein Schatten."
Das Schweigen, das folgte, war schwer wie Blei. Jeder verstand, wie ernst die Lage war. Das Flackern des Feuers in der Ferne schien leiser geworden zu sein, und nur der Wind spielte mit den Resten des Nebels. Schließlich ergriff Alex das Wort. „Wir müssen vorsichtiger sein als je zuvor. Wenn Jake uns gewarnt hat, dann stecken wir in etwas, das größer ist als wir alle."
Chaid nickte, und sein Gesicht wurde ernst, obwohl ein Hauch seines üblichen Grinsens zurückkehrte. „Vertraut mir, Jungs. Ich spiele dieses verdammte Spiel schon lange. Aber jetzt geht es nicht mehr nur um uns. Es geht um alles." Der Humor, der sonst in seiner Stimme lag, war verschwunden. „Wir sind hier, weil es sein muss. Weil wir die Einzigen sind, die das Schlimmste verhindern können."
In der schweren Stille lag eine unausgesprochene Entschlossenheit. Sie wussten, dass sie zusammenhalten mussten - egal, was noch geschehen könnte.

Gray ließ Chaid nicht aus den Augen, seine Arme vor der Brust verschränkt. „Du hättest diese Informationen nicht so lange für dich behalten dürfen", sagte er, seine Stimme ruhig, aber unnachgiebig. Die Spannung zwischen den Anwesenden war greifbar; jeder verstand die Tragweite der Lage, und niemand wollte die Konsequenzen kleinreden.
Alex nickte langsam, während Ash schweigend auf den Boden starrte, als würde er die Informationen verdauen. Die Schwere von Chaids Enthüllungen lastete auf ihnen allen. Doch Chaid, wie gewohnt verspielt, zuckte mit den Schultern und ließ ein schiefes Grinsen aufblitzen. „Ach, beruhigt euch mal. Ich glaube kaum, dass Jake tot ist. So eine... Abwesenheit würden wir ganz sicher spüren. Und was Emilia angeht - ihr habt sie ganz gut im Griff, würde ich sagen. Vielleicht sogar ein bisschen zu gut." Er ließ seinen Blick absichtlich durch die Gruppe wandern und hielt bei jedem inne, ein Hauch von Ironie in seinen Augen. „Wenn ihr noch dichter um sie geschwirrt wärt, hätte sie vermutlich irgendwann die Flucht ergriffen. Ein bisschen mehr Freiraum könnte Wunder wirken, glaubt mir."

Die Worte ließen die anderen nachdenklich werden. Es war ein Moment, in dem man die Wahrheit in Chaids spielerischer Art spürte, ohne den Ernst der Situation zu übersehen. Alex' Kiefermuskeln spannten sich an, und er schüttelte kaum merklich den Kopf. „Wir wissen, was auf dem Spiel steht, Chaid. Aber Emilia zu schützen ist nicht verhandelbar."
Chaid hob eine Augenbraue und ließ sich nach hinten gegen den Steinsockel sinken. „Oh, ich sage ja nicht, dass ihr das nicht tun sollt. Aber manchmal, meine Freunde, hilft es, den Griff zu lockern. Vertrauen kann mehr bewirken als ein ständiges Schützen." Für einen Moment erlosch das Grinsen auf seinem Gesicht, und seine Stimme wurde ernst. „Jake wusste, dass wir an einem Abgrund stehen. Glaubt ihr, er hätte mich einfach weggelassen, wenn es nicht wirklich wichtig gewesen wäre? Er wusste, dass ich hierher muss - auch wenn ich nicht alles verstanden habe."
Ein schweres Schweigen senkte sich erneut. Alex trat einen Schritt zurück, als würde er die Worte abwägen, und Gray löste seine verschränkten Arme. „Du magst ja recht haben", sagte Gray schließlich, ein Hauch von Resignation in seiner Stimme. „Aber es ändert nichts daran, dass wir alle in Gefahr sind."
„Natürlich sind wir das", erwiderte Chaid mit einem Schulterzucken. „Das ist ja das Besondere an unserer kleinen chaotischen Truppe." Sein Tonfall wurde weicher, aber seine Augen funkelten. „Wir können nicht alles verhindern, aber wir sind hier - weil es sein muss. Weil wir niemanden zurücklassen."
Die anderen nickten nachdenklich, und Ash, der bisher geschwiegen hatte, richtete sich auf. „Dann lasst uns weitermachen - für Jake, für Emilia und für uns selbst." Er warf Chaid einen Blick zu, bei dem sich ein winziges Lächeln auf seinen Lippen zeigte. „Aber hör auf, Rätsel zu spielen. Zumindest für eine Weile."
Chaid hob die Hände, als würde er schwören. „Versprochen. Keine Rätsel - jedenfalls nicht zu viele." Er zwinkerte, aber die Schwere blieb in der Luft.
Das Gespräch endete, aber die unausgesprochene Entschlossenheit, die alle verband, blieb bestehen. Sie wussten, dass sie zusammenhalten mussten, um das Schlimmste abzuwenden - egal, was vor ihnen lag.

~ ~ ~
Während die Jungs sich entfernten und zurück zum Lager kehrten, blieb Emilia bei den drei Begleitern. Mit einem leisen Murmeln und einem letzten, sanften Strich ihrer Finger beendete sie das Malen der Schutzsymbole auf deren Stirnen. Doch während ihre Hände beschäftigt waren, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu den Jungs ab, die sich zum Gespräch entfernt hatten. Sie wusste längst, dass sie nicht immer sofort Antworten erhielt, wenn sie Fragen stellte - eine Eigenschaft, die die Jungs, mit denen sie unterwegs war, offenbar liebten. Geheimnisse und Rätsel schienen ihnen im Blut zu liegen. Manchmal frustrierte das Emilia maßlos, doch sie hatte gelernt, dass Geduld der Schlüssel war. Antworten kamen mit der Zeit, und sie würde warten.

„Diese Jungs bringen mich noch um den Verstand", murmelte sie leise vor sich hin und ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Trotz allem - trotz der Geheimnisse, der Rätsel und der unausgesprochenen Worte - waren sie ihre Familie. Und sie würde ihren eigenen Weg finden, um an ihrer Seite zu wachsen und stärker zu werden.

Als die Jungs zurückkehrten, fiel ihr sofort auf, wie angespannt sie waren. Es war klar, dass das Gespräch wichtig gewesen war. Auch wenn sie keine Details wusste, spürte sie die Schwere, die auf ihnen lastete. Emilia entschied sich, nicht nachzufragen. Stattdessen lächelte sie sanft und deutete auf das Lagerfeuer. „Kommt, wir sollten die letzten Vorräte überprüfen und uns für die nächste Etappe vorbereiten." Ihre Worte klangen pragmatisch, doch jeder verstand, dass sie den Moment der Ruhe bewahren wollte.

Gray ließ sich mit einem erschöpften Seufzen auf den Boden sinken. „Ein guter Plan. Noch ein wenig Normalität, bevor das Chaos weitergeht." Er begann, die Vorräte zu überprüfen, und Ash setzte sich neben ihn, um zu helfen. Alex ließ sich neben Emilia auf einen verfallenen Stein nieder und blickte sie einen Moment lang an, bevor er leise sprach.

„Wir kommen durch das alles, Emilia", sagte er, nur für sie hörbar. Seine Hand ruhte für einen Moment auf ihrem Arm, eine stille Geste, die mehr Trost spendete, als Worte es je könnten. Emilia erwiderte seinen Blick und spürte, wie sich ihre innere Anspannung ein wenig löste. Inmitten all der Unsicherheit war da diese eine Konstante - das Wissen, dass sie nicht allein war.
Unterdessen schnappte sich Chaid eine Scheibe des gerösteten Brotes, das am Rand des Feuers lag, und biss herzhaft hinein. Sein typisches, leicht provokantes Grinsen kehrte zurück, während er die Gruppe musterte. „Ich hoffe, ihr seid euch bewusst, dass wir uns nur mal eben durch die Hölle und zurück bewegen müssen - nichts, was wir nicht schon kennen." Seine Worte waren locker dahingesagt, doch das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er den Ernst der Lage keineswegs unterschätzte.
Merlo, Livia und Korren beobachteten die stille Interaktion der Gruppe und schienen zu spüren, dass sie Raum brauchten. Schließlich trat Livia vor und zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. „Wenn wir bereit sind, sollten wir uns auf den Weg machen. Der nächste Abschnitt der Reise wird nicht einfacher." Ihre Stimme klang nüchtern, doch in ihrem Ton schwang eine Spur von Besorgnis mit.
Emilia nickte fest. „Lasst uns aufbrechen. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Sie erhob sich und blickte in die Runde. In ihren Augen glomm Entschlossenheit. Was auch immer vor ihnen lag - sie würde es überstehen. Nicht nur für sich selbst, sondern für jeden Einzelnen in dieser Gruppe.

Die Gruppe begann, sich zu sammeln, ihre Ausrüstung zu prüfen und sich für den Aufbruch bereit zu machen. Die Schatten der Ruine lagen immer noch düster um sie, doch das Feuer in ihrem Inneren brannte hell. Sie hatten einen Weg vor sich, voller Gefahren, Geheimnisse und Kämpfe - aber sie würden ihn gemeinsam gehen.
Während sie die letzten Handgriffe erledigten, blieb Chaid einen Moment stehen und sah zu Emilia hinüber. „Keine Sorge, Kleine Sonne. Die Rätsel werden sich lüften - vielleicht dann, wenn du es am wenigsten erwartest." Seine Stimme trug eine Mischung aus Verspieltheit und Ernsthaftigkeit, die nur er so beherrschte. Emilia konnte nicht anders, als zu schmunzeln, auch wenn ihre Gedanken bei dem lagen, was noch kommen würde.
Gemeinsam setzten sie ihre Reise fort, mit jedem Schritt weiter in die unbekannten Gefahren der Grenzzone - und tiefer in die Geheimnisse, die darauf warteten, gelüftet zu werden.
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Die Gruppe setzte ihre Reise fort, während die Luft immer drückender und das Miasma dichter wurde. Jeder Atemzug fühlte sich an, als würde er ihre Lungen mit schwerer, unheilvoller Energie füllen. Die Umgebung wirkte wie eine verzerrte Erinnerung an das, was sie einst gewesen war - verwelkte Bäume, die wie verdrehte Skelette emporragten, und eine tote Erde, die unter ihren Füßen wie Asche zerbröckelte. Plötzlich blieb Ash abrupt stehen. „Da vorne... seht ihr das?", flüsterte er, seine Stimme angespannt und leise.
In der Ferne, zwischen den Schatten, bewegte sich eine Gestalt. Sie taumelte, als ob jeder Schritt ein Kampf gegen unsichtbare Ketten wäre. Alex hob die Hand und bedeutete der Gruppe, stehenzubleiben. Langsam ging er auf die Gestalt zu. „Vorsicht", warnte er mit einem scharfen Blick zurück zu den anderen, seine Augen blieben wachsam.
Als sie näher kamen, nahmen die Konturen der Gestalt deutlichere Formen an - es war eine Frau, abgemagert und mit zerzaustem Haar. Ihr Gesicht war bleich, gezeichnet von Schmutz und Narben, und ihre Augen glühten fiebrig, während sie leise murmelte, als würde sie mit unsichtbaren Stimmen sprechen.
Emilia kniete sich behutsam vor ihr nieder. „Hallo... kannst du uns hören?", fragte sie sanft und ließ ihre Stimme so beruhigend wie möglich klingen. Die Frau blinzelte und schien durch sie hindurchzusehen, als ob sie etwas weit entferntes betrachtete.
„Es lebt...", hauchte die Frau, ihre Stimme brüchig und durchzogen von Panik. „Das Miasma... es lebt. Es atmet, es beobachtet. Es lauert... wartet." Ein unkontrolliertes Zittern durchfuhr sie, gefolgt von einem Lachen - hohl und unheimlich, das die Stille ringsum noch bedrohlicher wirken ließ.
Gray trat vorsichtig näher und betrachtete die Frau mit einem prüfenden Blick. „Wir müssen wissen, was hier passiert ist. Was ist mit dem Dorf in der Umgebung geschehen?", fragte er leise, fast zögerlich. Doch ihre Antwort war alles andere als klar. Mit verzweifelter Heftigkeit schlug sie sich die Hände gegen die Schläfen, als wolle sie den Wahnsinn aus ihrem Kopf treiben, und begann, unzusammenhängend zu murmeln.

„Das Dorf? Das Dorf ist... fort. Verschlungen, verflucht, verzerrt... alles verloren..." Die Augen der Frau weiteten sich, und sie griff mit erschreckender Stärke nach Emilias Hand. „Es hat eine Form, versteht ihr? Es hat eine Form! Es sieht aus wie... wie..." Ihre Stimme brach ab, und ein raues Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, bevor sie in stummes Starren verfiel, als ob die Erinnerung sie erneut verschlingen würde.
Die Gruppe warf sich besorgte Blicke zu. Emilia hielt die Hand der Frau behutsam, spürte jedoch die kalte, greifbare Zerrissenheit ihres Verstandes. „Wir müssen sie hier wegbringen", sagte sie leise, mit einem Anflug von Dringlichkeit. Doch Livia, die Schattenläuferin, schüttelte entschieden den Kopf. „Es könnte gefährlich sein, sie mitzunehmen. Das Miasma hat sie vielleicht stärker in seinem Griff, als wir erkennen."
Merlo trat einen Schritt nach vorn, seine Augen glommen wie Glut in der Dunkelheit. „Vielleicht gibt es noch mehr Überlebende mit klarem Verstand. Wenn das Miasma wirklich... eine Form angenommen hat..." Seine Stimme verhallte, als die Frau plötzlich aufschrie und sich aus Emilias Griff losriss. Sie taumelte zurück, ihre Finger zitterten, während sie auf die Gruppe deutete.
„Ihr dürft ihm nicht trauen! Niemandem... es flüstert... es lügt... es verändert sich!" Ihre Stimme wurde schrill, kippte ins Unheimliche, während sie lachte und weinte zugleich, bis sie rückwärts in den Schatten verschwand. Der Wahnsinn hatte ihren Geist längst gebrochen, eine unentrinnbare Folge des verfluchten Miasmas.
Chaid beobachtete das Geschehen mit ernster Miene, seine übliche Lockerheit war verflogen. „Das ist... verstörend, selbst für meine Verhältnisse", sagte er leise und brach die Stille. „Wir sollten uns darauf gefasst machen, dass hier mehr am Werk ist als bloße Dunkelheit."
Langsam richtete sich Emilia auf und sah in die Richtung, in die die Frau verschwunden war. Ihre Augen spiegelten Nachdenklichkeit und Sorge wider. „Wenn das Miasma tatsächlich eine Form hat... dann stehen wir einem Gegner gegenüber, den wir noch nicht begreifen." Ihre Worte hingen wie ein drohendes Versprechen in der Luft, und keiner der Anwesenden wagte es, zu widersprechen.
Die Gruppe sammelte sich schweigend und setzte ihren Weg fort. Die Warnungen der Frau hallten wie ein finsterer Chor in ihren Gedanken wider, und das Bewusstsein, dass sie einer lebendigen, wandelbaren Bedrohung entgegentraten, lastete schwer auf ihren Schultern. Das Miasma schien um sie herum zu flüstern und zu atmen - als lebte es. Und sie alle wussten, dass der eigentliche Kampf erst begann.

~ ~ ~

Die Gruppe setzte sich nach der Begegnung mit der wahnsinnigen Frau wieder in Bewegung. Jeder Schritt war schwer, als ob das Miasma selbst an ihren Füßen zerrte. Die bedrückende Stille, nur ab und an durch ein leises Rascheln im Unterholz gebrochen, lag wie eine bleierne Last auf ihren Schultern. Emilia hielt etwas Abstand zu den anderen, während ihre Gedanken rastlos kreisten. Die Worte der Überlebenden hallten in ihr wider - das Miasma lebt, es hat eine Form, es lügt. In ihrem Inneren tobte ein Sturm aus Furcht, Verwirrung und einem bedrückenden Gefühl der Verantwortung.
„Emilia, kommst du?", fragte Alex und drehte sich zu ihr um. Sein Blick war aufmerksam, voller Sorge. Er konnte das Zögern in ihrem Schritt, die Schwere in ihren Augen nicht übersehen.
Sie nickte stumm und schloss zu den anderen auf, doch das Gefühl, versagt zu haben, nagte an ihr. Die Frau von eben hatte ihre Hilflosigkeit wie ein Spiegel vor Augen geführt - und es war nicht das erste Mal. Der Gedanke an Lythara, an ihr Schicksal und Emilias eigenes Unvermögen, es zu ändern, schnitt tief in ihre Brust. Die Welt fühlte sich wie ein düsteres Labyrinth an, in dem sie sich ständig gegen Wände aus Unsicherheit und Schuldvorwürfen warf.

Auf einer Lichtung mit verdorrten Bäumen hielten sie an, um kurz zu rasten. Emilia ließ sich auf einen umgefallenen Baumstamm sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Alex machte Anstalten, zu ihr zu gehen, doch Gray legte ihm die Hand auf den Arm. „Lass sie einen Moment. Sie muss das allein durchstehen", sagte er leise. Widerwillig trat Alex zurück, sein Blick blieb jedoch wachsam auf Emilia gerichtet.
Die Dunkelheit des Miasmas legte sich wie ein schwerer Schleier um ihre Seele. Ihre Hände zitterten, während sich eine Welle der Trauer und Selbstvorwürfe in ihr aufbaute. „Ich bin nicht stark genug", dachte sie verzweifelt. „Wie soll ich sie alle schützen, wenn ich nicht einmal die Kontrolle über mich selbst habe?" Die Erinnerungen an Lythara und ihr eigenes Gefühl der Ohnmacht überwältigten sie beinahe.
Ein leises Rascheln ließ sie aufblicken. Chaid hatte sich ohne ein Wort neben sie gesetzt. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, und seine grünen Augen hatten einen nachdenklichen, ernsten Ausdruck angenommen. „Weißt du, Kleine Sonne, manche Dinge sind einfach... außerhalb unserer Kontrolle", sagte er leise, die sonst so spielerische Leichtigkeit war einem ernsthaften Ton gewichen. „Manchmal sind wir nur Zeugen, Zuschauer in einem Spiel, das viel größer ist als wir. Scheitern macht uns nicht schwach - es erinnert uns daran, dass wir lebendig sind."
Emilia sah ihn an, seine Worte sanken tief in ihr Herz. Sie wusste, dass er recht hatte, doch der Schmerz in ihr ließ nicht nach. „Ich hätte mehr tun müssen", flüsterte sie, ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Emotion. „Ich hätte sie retten müssen."
Chaid zuckte mit den Schultern, ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber du hast etwas, das sie nicht mehr hat - die Chance, beim nächsten Mal anders zu handeln." Seine Hand legte sich auf ihre Schulter, und sein Blick war fest. „Jeder von uns trägt seine Last, Emilia. Du bist nicht allein."
Tränen brannten in ihren Augen, aber sie schluckte sie herunter. Sie hatte sich geschworen, stärker zu werden - für die anderen. Mit einem tiefen Atemzug richtete sie sich auf. „Danke", sagte sie leise. „Ich werde es versuchen." Sie war noch nicht bereit, den Schmerz loszulassen, aber sie würde ihn als Antrieb nutzen - als Stärke.
Die anderen kamen näher, und für einen Moment war da eine Stille, die jedoch nichts Beklemmendes hatte. Das Miasma flüsterte noch in den Schatten, doch die Gruppe fand Trost in ihrer Gemeinschaft. Emilia wusste, dass der Weg vor ihnen dunkel und gefährlich sein würde, aber sie würde ihn gehen - für die, die sie verloren hatte, und für die, die noch an ihrer Seite standen.
Als sie sich erhob, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter - diesmal war es Alex. „Wir sind bereit, wenn du es bist", sagte er sanft. Emilia nickte, und gemeinsam setzten sie ihre Reise fort. Jeder Schritt war schwer, doch sie würden ihn nicht allein gehen.
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Die Gruppe machte sich auf den Weg, ihre Entschlossenheit durch die letzten Gespräche gestärkt. Die Karte, die sie von der Gilde erhalten hatten, zeigte klar den Weg zum nächsten Zwischenstopp - einem Dorf, das am Rand der Grenzzone lag. Emilia hielt die Karte fest in den Händen, während Alex ihr über die Schulter blickte und die bevorstehenden Herausforderungen mit kritischem Blick prüfte. „Das Gelände wird rauer", murmelte er und deutete auf die steilen Linien, die die bevorstehende Strecke markierten.
„Oh, großartig. Genau das, was wir brauchten", kommentierte Chaid mit einem schiefen Grinsen und ließ seinen Blick vorauswandern. Der Weg wurde zunehmend unwegsam - schmale Pfade entlang steiler Abhänge, zerklüftete Felsen und lose Geröllfelder, die jeden Schritt riskant machten. Die Gruppe musste jeden Schritt mit Bedacht setzen.

Ein kalter Wind fegte durch das Tal und ließ Emilias Haar flattern. In der Ferne schien das Miasma dichter und greifbarer zu werden. „Bleibt nah zusammen", sagte sie, ihr Ton ernst, während sie die anderen ansah. „Ein falscher Schritt könnte uns teuer zu stehen kommen." Ihre Augen blitzten vor Entschlossenheit.
Der schmale Pfad führte über eine brüchige Holzbrücke, die unter ihren Füßen gefährlich knackte. Merlo, der Flammenmagier, ging mit scharfem Blick voraus, seine Hände bereit, jeden Verdacht auf Gefahr abzuwehren. „Etwas stimmt hier nicht", flüsterte er, als sie fast am anderen Ende der Brücke angekommen waren. Plötzlich gab das Holz unter ihm nach, und er rutschte ab. Im letzten Augenblick packte Alex seinen Arm und zog ihn mit einem kräftigen Ruck zurück. „Vorsicht, Merlo!", warnte er streng, aber mit spürbarer Erleichterung in den Augen. „Keine heldenhaften Stunts."
Weiter ging es, doch das Gelände zeigte keine Gnade. An einer besonders schmalen Stelle mussten sie sich an der Felswand entlanghangeln, während der Wind bedrohlich an ihnen zerrte. Emilia spürte, wie der Boden unter ihren Füßen nachgab, und sie griff hastig nach Halt. Ashs Hand war sofort da, warm und sicher. „Ich hab dich", flüsterte er beruhigend, und für einen Moment vergaß sie den Abgrund unter sich.
Doch kaum hatten sie den steilen Abschnitt hinter sich gebracht, trat Chaid auf eine versteckte Platte im Boden. Ein leises Klicken war das einzige Warnzeichen, bevor Pfeile aus den Seitenwänden schossen - scharf und tödlich. „Runter!", rief Alex und riss Emilia zu Boden. Die Gruppe reagierte instinktiv: Gray formte mit seiner Wassermagie eine schützende Wand, die viele der Pfeile ablenkte, während Merlo einige der Geschosse mit seinen Flammen verbrannte.
Die Falle dauerte nur wenige Sekunden, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Als die Stille zurückkehrte, standen sie langsam auf, schwer atmend. „Das war verdammt knapp", murmelte Livia, während sie die Pfeile musterte, die verstreut um sie herumlagen. „Wer auch immer das hier errichtet hat, will definitiv keine Gäste."
Emilia richtete sich auf und strich sich den Schmutz von der Kleidung. „Das hier war nicht nur eine Falle", sagte sie mit Nachdruck und blickte in die düsteren Schatten des Waldes. „Es war eine Warnung." Ihre Stimme zitterte nicht, aber ihre Augen verrieten die wachsende Anspannung. „Wir müssen noch mehr aufeinander vertrauen. Ohne einander haben wir keine Chance."
Die Gruppe sammelte sich, vereint durch die gemeinsamen Anstrengungen. Der Weg zum Dorf würde nicht einfacher werden, doch sie wussten, dass nur ihr Zusammenhalt sie durchbringen konnte. Schulter an Schulter setzten sie ihre Reise fort, wachsam und bereit, den Gefahren entgegenzutreten.
Das Gelände wurde zunehmend tückischer, und der Boden begann, unter ihren Schritten zu bröckeln. Jeder falsche Schritt konnte das Ende bedeuten. Die Fallen, die sie bereits überwunden hatten, hatten ihre Sinne geschärft. Wer auch immer diese Route manipuliert hatte, wusste, was er tat - und machte den Weg absichtlich gefährlicher. Emilia hielt inne und betrachtete die schmale Passage vor ihnen mit wachsamem Blick.
„Das hier ist nicht normal", sagte sie und wandte sich zu den Begleitern um. Ihre Stimme war leise, aber voller Nachdruck. „Seid ihr diesen Weg schon einmal gegangen? Ich meine... bevor all das hier passiert ist?"
Korren, der massige Eisenwächter, ließ ein tiefes Knurren aus seiner Kehle ertönen, ein Laut, der seine Unzufriedenheit über die Situation widerspiegelte. „Ja, ich habe diesen Weg früher genommen", bestätigte er mit rauer Stimme und stützte sich schwer auf seine massive Streitaxt. Sein Blick glitt in die Ferne, als würde er die Vergangenheit erneut durchleben. „Es ist ein paar Jahre her. Damals habe ich eine Gruppe bis zur Grenzzone gebracht. Der Weg war beschwerlich, ja, aber er war passierbar - ohne all diese... Hindernisse."
Emilias Augen suchten seine, ihre Stimme klang angespannt. „Und das Miasma? War es damals auch so stark?" Korren schüttelte langsam den Kopf, und ein düsterer Schatten legte sich über seine Züge. „Nein. Es war da, ja, aber nie in dieser Intensität. Es hat sich verändert, ist aggressiver geworden, als ob es... lebt und wächst." Für einen Moment schienen seine Gedanken abzudriften, ehe er Emilia wieder direkt ansah. „Und die Fallen - die gab es früher nicht. Jemand hat diesen Ort in eine Todeszone verwandelt. Da stimmt etwas ganz und gar nicht."

Livia, die Schattenläuferin, trat näher. Ihre Augen, ständig wachsam, glitten über die Umgebung. „Vielleicht hängt das alles mit dem zusammen, wonach wir suchen", sagte sie leise. „Vielleicht versucht jemand, uns von unserem Ziel fernzuhalten." Ihre Worte waren bedacht, doch in ihrem Ton schwang etwas wie instinktive Sorge mit. „Es ergibt nur dann Sinn, so eine Barriere zu errichten, wenn man etwas zu verbergen hat."
Merlo, der Flammenmagier, zischte durch die Zähne und wirkte angespannt. „Was auch immer hier vor sich geht - das ist sicher kein Zufall. Das Miasma, die Fallen, die veränderte Energie... all das scheint miteinander verwoben zu sein. Und ich hasse Rätsel, bei denen es um mein Leben geht."
Emilia spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Die Bestätigung durch Korren und die Worte ihrer Gefährten ließen sie frösteln. Ein größeres, dunkleres Spiel schien im Gange zu sein. „Wir müssen weitergehen", sagte sie entschlossen, ihre Stimme fest. „Aber jeder Schritt mit Bedacht. Was auch immer auf uns zukommt - wir sind nicht allein."
Die Gruppe sah einander an, und in den ernsten Blicken lag mehr als nur Entschlossenheit. Es war das stille Versprechen, einander nicht im Stich zu lassen, egal wie dunkel der Weg werden würde. Schulter an Schulter setzten sie ihren Weg fort, wachsam und bereit, das Unbekannte zu konfrontieren.

Die Gruppe bereitete sich auf den Aufbruch vor, das beklemmende Gefühl, das Emilia beschlich, wurde mit jedem Schritt zum Dorf stärker. Während sie rasteten, nur noch ein kleines Stück vom zweiten Zwischenstopp entfernt, lastete eine schwer erklärliche Unruhe auf ihr. Es war mehr als bloße Sorge - fast so, als würde eine ungreifbare Macht sie warnen. Ihre Schamanen-Fähigkeiten, die sich immer weiter entwickelten, machten das Gefühl nur noch intensiver. Ihr sechster Sinn, der bei Valkyrien ausgeprägt war, pochte in einer Weise, die sie noch nicht ganz einordnen konnte.
Sie seufzte leise, ihre Augen suchten Ash, der sich in der Nähe befand. „Also..." Sie durchbrach die Stille, und sofort richteten sich alle Blicke auf sie. „Ich bin ehrlich - ich mag diesen Vorschlag noch immer nicht. Aber ich glaube, es ist die sicherste Option." Sie sah Ash direkt in die Augen, und ihre kastanienbraunen Augen spiegelten die innere Anspannung wider. „Ash, würdest du uns bitte zum Dorf fliegen?"
Ash blinzelte überrascht, und die anderen warfen sich verblüffte Blicke zu. Normalerweise war Emilia diejenige, die solche riskanten Pläne ablehnte. „Was ist los, Emilia?", fragte Gray und legte den Kopf schief, ein Ausdruck von seltener Besorgnis in seinen Augen. „Fühlst du dich erschöpft?"
Alex trat näher, sein Blick prüfend. „Wenn du dich ausruhen musst, trage ich dich. Kein Problem", sagte er, sein Ton ernst, aber mit einem Hauch von Neckerei, der versuchte, die Spannung aufzulockern. „Sag einfach Bescheid was du brauchst."
Emilia schüttelte den Kopf und blickte auf den Boden. „Nein, es ist nicht die Erschöpfung. Es ist... ich habe dieses Gefühl." Ihre Stimme senkte sich zu einem leisen Flüstern, fast als fürchte sie, dass die Worte ihre Unsicherheit entblößen könnten. „Etwas erwartet uns beim Dorf. Ich kann es nicht erklären, aber ich spüre es - und ich möchte, dass wir vorbereitet sind."
Die Schwere ihrer Worte ließ Stille einkehren. Ash trat auf sie zu, sein sonst oft spielerisches Lächeln war warm und verständnisvoll. „Natürlich, Emilia", sagte er sanft. „Ich vertraue deinem Instinkt. Wenn du sagst, dass wir vorsichtig sein müssen, dann ist das so." Seine Zustimmung ließ einen Teil ihrer Anspannung weichen. Sie wusste, dass er für sie da war.
„Wenn Emilia sagt, dass etwas im Argen liegt, dann sollten wir ihr zuhören", meinte Gray, die Arme verschränkt. „Ihr sechster Sinn hat uns schon oft geholfen."
Chaid lehnte sich gegen einen Baumstamm und setzte seinen typischen, halb neckenden Ausdruck auf. „Ach, wir wussten doch schon immer, dass sie etwas Besonderes ist. Jetzt macht sie es uns nur noch schwerer, nicht auf sie zu hören." Ein spielerisches Glitzern in seinen Augen verriet, dass er die ernste Stimmung mit Absicht auflockern wollte. „Aber Ash, vergiss nicht - ein bisschen Tarnung wäre schön. Oder willst du uns direkt ins Auge der Gefahr fliegen?"
Ash zuckte mit den Schultern und ein selbstbewusstes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Keine Sorge. Ich kann uns in einen Raumzeit-Schleier hüllen. Für normale Augen sind wir unsichtbar - es sei denn, ich entscheide anders." Er sah Emilia an, und einen Moment lang war sie sprachlos. Sie wusste, dass er mächtig war, aber die Selbstsicherheit, mit der er sprach, überraschte sie.
„Das ist... beeindruckend", murmelte sie, bevor ihr klar wurde, dass sie ihn anstarrte und ihre Wangen sich leicht röteten. Sie wandte den Blick ab, was Chaid natürlich nicht entging. „Na, na, Emilia. Da errötest du ja", flüsterte er mit einem Zwinkern. „Ash, hörst du das? Pass auf, dass du uns nicht zu sehr beeindruckst, sonst denken wir noch, du willst angeben."

Ash lachte leise und konterte mit einem Augenzwinkern. „Keine Sorge. Ich werde es schon nicht übertreiben. Wir wollen ja nicht, dass das Vertrauen schwindet."
Emilia verdrehte die Augen, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen. Inmitten all der Anspannung fanden sie für einen Moment die Leichtigkeit, die sie miteinander verband. Merlo, der das Ganze beobachtet hatte, sprang auf und rief: „Endlich mal ein bisschen Action! Ich dachte schon, ich müsste euch zum Fliegen zwingen."
Alex nickte, sein Blick jedoch ernst. „Ich fliege in meiner Nachtschattenflügel-Form voraus und erkunde das Gelände. Kein Risiko." Seine Worte enthielten sowohl die Sicherheit als auch die Vorsicht, die sie alle brauchten.
Emilia spürte, wie sich die Spannung ein wenig legte. Gemeinsam würden sie sich der Dunkelheit stellen - und was auch immer auf sie wartete, sie waren bereit, einander zu stützen und zu schützen.

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