Kapitel 10 band 4
4. Schärfen und Brechen
Emilia schlenderte durch das Dorf, ihre Schritte hallten leise auf dem verschneiten Boden wider. Es war ruhig - viel zu ruhig. Kein Lachen, keine Gespräche, keine spielenden Kinder. Ab und an huschte ein Dorfbewohner in dicke Mäntel gehüllt an ihr vorbei, vermied jedoch jeden Blickkontakt. Emilia zog ihren Mantel enger um sich und murmelte leise: „Was für eine tote Hose."
Orvan, der ihr die ganze Zeit lautlos gefolgt war, sprang plötzlich vor sie und hielt ihr einen Schneeklumpen vor die Füße. Emilia blieb stehen und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Oh, willst du spielen?" fragte sie mehr zu sich selbst, bevor sie sich bückte, eine Handvoll Schnee nahm und ihm entgegenwarf.
Der Schneeball landete genau auf seiner Schnauze, und Orvan schüttelte sich theatralisch, bevor er einen Satz zurückmachte und mit den Vorderpfoten in den Schnee griff. Er schnaufte leise, als würde er sie herausfordern. „Na gut, das willst du also!" Emilia lachte und formte einen weiteren Schneeball, den sie diesmal an ihm vorbeiwirbelte, nur um ihn zum Rennen zu bringen. Orvan sprang geschickt aus dem Weg und rollte sich über den Boden, der Schnee flog in alle Richtungen.
Die beiden tollten durch das Dorf, bis Emilia schließlich außer Atem auf einer Holzbank Platz nahm. Orvan setzte sich direkt vor sie, den Kopf schief gelegt, als wollte er sie fragen, ob sie aufgeben würde. Emilia streckte ihm die Zunge raus und lachte, als er seinen Kopf schnaufend schüttelte.
Während sie ihre Atemzüge wieder beruhigte, glitten Emilias Gedanken zurück zu Felix. Seine Erscheinung war einschüchternd genug, doch es war seine Art, die sie wirklich herausforderte. Diese bissigen Kommentare, die ständige Provokation... Sie verstand, dass er es nicht böse meinte, aber es war dennoch schwer, damit umzugehen. Sein Werwolf-Naturell machte die Sache nicht einfacher. Ihre Instinkte hatten geschrien, als sie ihn das erste Mal sah, doch sie wusste, dass sie sich nicht von Vorurteilen leiten lassen durfte.
Nach einer Weile entdeckte Emilia ein Gebäude, das sich von den Hütten unterschied. Über der Tür hing ein Holzschild mit der Aufschrift „Zur Winterruhe". Sie trat ein, und ein wohltuender Hauch von Wärme schlug ihr entgegen. Ein prasselndes Feuer im Kamin erhellte den kleinen Gastraum, und ein älterer Dämon hinter der Theke sah sie neugierig an.
Sie ging zur Theke und sah den Wirt an. Er nickte ihr zu. Ohne ein Wort zog sie ihre Münzen hervor und deutete fragend auf die Zimmer. Der Wirt verstand sofort und zog eine Liste hervor, die er ihr zeigte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, wurde die Tür geöffnet.
Die Jungs traten ein, schüttelten sich den Schnee von den Mänteln und sahen sich um. Jake entdeckte sie als Erster und grinste. „Da bist du ja. Das war wirklich nicht schwer."
„Wie habt ihr mich so schnell gefunden?" fragte Emilia, ihre Hände in die Hüften gestemmt.
„Es ist ein kleines Dorf", sagte Ash schulterzuckend und zwinkerte ihr zu. „Und du bist nicht gerade unauffällig."
Emilia schnaubte leise, doch ihr Blick wanderte zu Orvan, der sich an ihre Beine schmiegte. Natürlich. Jake wusste immer, wo Orvan war. Ihre Verbindung war offensichtlich stärker, als sie bisher ergründet hatte.
„Also, hast du schon ein Zimmer gebucht?" fragte Gray und warf einen kurzen Blick zur Theke.
„Noch nicht", antwortete Emilia. „Ich dachte, es wäre eine gute Idee."
„Nicht nötig", sagte Alex mit einem leichten Grinsen. „Wir bleiben bei Felix."
„Bei Felix?" fragte Emilia ungläubig. „Habt ihr ihn überhaupt gefragt, ob das für ihn in Ordnung ist?"
Die Jungs tauschten einen kurzen Blick, bevor Jake trocken antwortete: „Nein.''
„Und das ist euch egal?" fragte sie, ihre Augen verengend.
„Ziemlich", sagte Gray mit einem schiefen Grinsen. „Er wird sich schon daran gewöhnen."
Emilia verdrehte die Augen, doch bevor sie etwas sagen konnte, trat Jake vor und sah sie direkt an. „Aber Emilia, sag uns ehrlich: Ist alles okay für dich? Felix ist ein Werwolf. Ich weiß, dass du nicht vielen seiner Art begegnet bist. Ist das ein Problem für dich?"
Alex fügte hinzu: „Und jetzt, wo du es weißt... verstehst du, warum wir es dir nicht sofort gesagt haben?" Emilia hielt kurz inne, bevor sie ihnen ein ehrliches Lächeln schenkte. „Es ist okay. Wirklich. Ich verstehe, warum ihr es mir nicht gesagt habt. Es ändert nichts. Er ist, wer er ist. Und ich lasse mich davon nicht einschüchtern." Die Jungs entspannten sich sichtbar. Gray klopfte ihr leicht auf die Schulter. „Das ist gut zu hören. Felix ist nicht der Einfachste, aber er hat Respekt verdient." „Respektvoll ist er aber nicht gerade", murmelte Emilia, wobei ein Lächeln ihre Lippen umspielte. Ash lachte leise. „Das ist seine Art, sich auszudrücken. Tief im Inneren ist er... na ja, okay." Mit diesen Worten verließen sie die Herberge, und Emilia war bereit, sich der nächsten Herausforderung zu stellen. Sie wusste, dass Felix schwierig sein würde, aber sie war entschlossen, sich von ihm weder einschüchtern noch beirren zu lassen.
________
Felix führt die Gruppe an, während der Schnee unter ihren Stiefeln knirscht. Es ist später Abend, und die Dunkelheit hat das Dorf vollständig umhüllt. Felix' Schritte sind fest und zielstrebig, während Emilia und die Jungs ihm in respektvollem Abstand folgen. Emilia kann den eisigen Wind spüren, der ihr Gesicht streift, doch die Spannung in der Gruppe scheint schwerer zu wiegen als die Kälte.
„Also, wohin genau führt uns der Weg?" fragte Emilia schließlich und brach die Stille. Sie versuchte, Felix' Rücken zu deuten, aber er drehte sich nur halb zu ihr um. „Zu meinem bescheidenen Zuhause", sagte Felix trocken. „Keine Angst, Mieze. Es hat genug Platz für euch alle." „Mieze?", wiederholte Emilia und runzelte die Stirn. „Du bist eine Valkyrie, oder nicht? Und ob du es glaubst oder nicht, ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass du mir jeden Moment eine Kralle ins Gesicht jagen willst. Daher - Mieze." Felix' Tonfall war spielerisch, aber Emilia konnte die verborgene Ernsthaftigkeit dahinter spüren. Die Jungs tauschten Blicke, aber niemand widersprach ihm. „Und was ist mit Eversum?" fragte Jake plötzlich. Sein Ton war direkter, und er sah Felix an. „Wir müssen bald aufbrechen, egal was passiert."
Felix hielt abrupt inne und drehte sich zu ihnen um. Sein Blick wanderte über die Gruppe, bevor er seufzte und sich an Emilia wandte. „Ihr seid wirklich schwer von Begriff, oder? Glaubt ihr ernsthaft, dass ich euch in eurem jetzigen Zustand auf eine Reise quer durch die verwilderte Zonen schicken würde? Im Winter? Wer hat euch eigentlich ins Hirn geschissen?" Emilia blinzelte überrascht, doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Felix fort. „Eversum ist keine nette Wanderung durch den Wald. Es ist gefährlich, chaotisch, und der Winter wird das nur noch verschlimmern. Ganz zu schweigen davon, dass sie", er deutete mit einem Kopfnicken auf Emilia, „nicht mal ansatzweise bereit ist." „Bereit wofür?" fragte Emilia, ihre Stimme war fest, doch sie spürte, wie ihre Wangen von der Mischung aus Kälte und Ärger röteten. „Und was genau hast du mit mir vor?" Felix grinste, ein Grinsen, das sowohl amüsant als auch ein wenig einschüchternd war. „Was ich mit dir vorhabe? Ganz einfach, Mieze. Ich werde dich trainieren. Es wäre eine Schande, wenn ich dich sterben lasse, bevor du überhaupt lernst, wie man sich verteidigt."
„Trainieren?" wiederholte Emilia, ihre Augen verengten sich. „Du meinst Kampfkunst, richtig? Weil Jake gesagt hat..." „Oh, Jake hat dir von deinem Mangel erzählt? Das ist ja mal eine Überraschung." Felix verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, ich meine Kampfkunst. Du kannst dich nicht nur auf deine Schamanenfähigkeiten verlassen, und ich werde nicht zulassen, dass du in meinem Verantwortungsbereich wie eine hilflose Mieze herumstolperst." Ash lachte leise hinter ihr. „Das wird interessant." Felix' Grinsen wurde breiter. „Oh, das wird es. Aber erst, wenn der Winter oder zumindest dieser starke Schneefall nachlässt. Bis dahin bleibt ihr hier. Es gibt genug Platz, und ich werde schon einen Weg finden, euch alle auszuhalten."
Als sie endlich bei Felix' Haus ankamen, waren Emilias Gedanken von gemischten Gefühlen erfüllt. Sie war neugierig, was Felix genau vorhatte, aber seine ruppige Art machte es schwer, ihn einzuschätzen. Das Haus selbst war überraschend groß - eine Mischung aus rustikalem Charme und funktionaler Einfachheit. Das Innere war warm, und der Geruch von Kräutern und Holz erfüllte die Luft. Felix führte sie in einen großen Raum mit einem prasselnden Kamin. „Macht es euch gemütlich", sagte er knapp. „Aber keine Sorge, ich habe schon einen Trainingsplan im Kopf. Und glaub mir, Mieze - ich bin nicht der Nachgiebigste."
Emilia: „Du kannst mich nicht einfach Mieze nennen!" Felix: „Doch, kann ich. Und ich werde nicht aufhören, bis du mir das Gegenteil beweist."Alex: „Vielleicht solltest du es langsamer angehen lassen, Felix. Sie ist keine Gefährtin, die du kurierst." Felix: „Sie ist unsere Hüterin, nicht wahr? Also sollte sie auch in der Lage sein, euch zu beschützen - und nicht andersrum." Emilia: „Ich kann für mich selbst kämpfen!"
Felix: „Das werden wir sehen. Morgen früh, bei Sonnenaufgang." „Bei Sonnenaufgang?", murmelte Emilia leise und verdrehte die Augen, während sie Felix' feste Anweisung hörte. Ihr Tonfall war alles andere als begeistert, doch sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm zu diskutieren. Felix hatte eine klare Vorstellung davon, wie er sie „trainieren" würde, und offenbar gehörte frühes Aufstehen dazu.
„Mürrisches Mieze-Gesicht steht dir nicht schlecht", warf Felix mit einem frechen Grinsen ein, als er an ihr vorbeiging. Emilia presste die Lippen aufeinander, doch bevor sie etwas erwidern konnte, drehte er sich zu den Jungs um. „Und bevor ihr euch hier wie zu Hause fühlt - jeder von euch nimmt ein Bad. Ich werde nicht die halbe Nacht vom Schweißgestank wachgehalten."
Ash hob amüsiert eine Augenbraue. „Das klingt fast so, als würdest du mit uns zusammen schlafen."
Felix winkte lässig ab. „Oh, keine Sorge. Ich schlafe wie ein Stein - egal, wer im selben Raum ist. Ich hoffe nur, das Gleiche gilt für euch."
Während Felix Ash mit in den hinteren Teil des Hauses zog, wo er augenscheinlich die Schlafgelegenheiten vorbereitete, blieb Emilia mit den anderen Jungs im Wohnzimmer zurück. Sie tauschte einen Blick mit Jake, der nur die Schultern zuckte. Es war klar, dass Felix die Dinge hier nach seinen eigenen Vorstellungen regeln würde.
Später, als die ersten Türen sich öffneten und Felix und Ash zurückkamen, war das Schlafzimmer fertig hergerichtet. Felix warf Emilia einen vielsagenden Blick zu, bevor er das große Zimmer zeigte. Sie folgte den Jungs zögernd hinein, und als sie das Bett sah, stockte ihr der Atem.
Das Zimmer war größer, als sie erwartet hatte, aber der Blick auf das riesige, raumfüllende Bett ließ sie die Luft anhalten. Die Decken waren weich und üppig, und das Bett selbst schien mit Magie erweitert worden zu sein, sodass es für alle Platz bot. Es war eindeutig so gestaltet, dass sie alle zusammen schlafen konnten - in einem einzigen Raum, auf einer einzigen Matratze.
„Das ist...", begann Emilia und versuchte, die richtigen Worte zu finden.
„Praktisch?", schlug Felix vor und ließ sich lässig gegen den Türrahmen lehnen. „Ich dachte mir, wenn wir schon alle in einem Haus sind, können wir auch das Heizen sparen." Emilia sah ihn skeptisch an. „Oder du bist einfach nicht Gentleman genug, um freiwillig ein eigenes Zimmer zu beziehen." Felix grinste nur, wobei seine goldenen Augen leicht funkelten. „Gentleman hin oder her - ich dachte, das hier wäre... gemütlicher." Seine Stimme hatte einen leicht provokanten Unterton, und Emilia wusste, dass jede Diskussion nur in einer bissigen Antwort seinerseits enden würde.
Die Jungs schienen mit der Anordnung zufrieden zu sein, aber Emilia spürte, wie sich ein Knoten in ihrem Bauch bildete. Es war nicht die Tatsache, dass sie mit ihnen allen in einem Raum schlafen sollte - sie vertraute ihnen vollkommen. Doch die Vorstellung, dass sie die Nacht in dieser Nähe verbringen würden, war dennoch intensiv für sie. Ihr wurde klar, dass sie sich wünschten, Felix einzubeziehen, und dass er keine Anstalten machte, sich auszuschließen. Vielleicht lag es daran, dass er sich nicht als Außenseiter fühlen wollte, oder vielleicht war er einfach nur zu stur, um Rücksicht zu nehmen. Doch Emilia war entschlossen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie überspielte ihre Unsicherheit und trat einen Schritt nach vorne. „Na schön", sagte sie mit einer Stimme, die selbstbewusster klang, als sie sich fühlte. „Solange niemand schnarcht, werde ich das überleben."
Felix schnaubte amüsiert. „Schnarchen? Mieze, wenn du schnarchst, weck ich dich persönlich."
Emilia verdrehte die Augen und machte sich daran, ihren Platz im Zimmer zu wählen. Während die Jungs sich ihre Positionen suchten, bemerkte sie, dass die Atmosphäre trotz Felix' bissiger Kommentare und seiner ruppigen Art erstaunlich warm war. Es war fast... familiär.
Als sich die Gruppe später für die Nacht vorbereitete, wurde das Zimmer mit einer Mischung aus Lachen, leisen Gesprächen und gelegentlichen neckischen Kommentaren erfüllt. Felix hielt sich etwas abseits, doch Emilia bemerkte, dass er dennoch aufmerksam blieb. Sie konnte nicht anders, als zu denken, dass er, trotz seiner rauen Schale, irgendwie zu ihnen gehörte - auch wenn er selbst das wohl nie zugeben würde. Während sie sich schließlich in die Decken kuschelte, hörte sie, wie Felix aus der Ecke murmelte: „Vergiss nicht, Mieze. Morgen früh. Sonnenaufgang. Und keine Ausreden."
Emilia lächelte leicht in die Dunkelheit, während sie sich dem Schlaf hingab. Morgen würde ein neuer Tag beginnen - und eine neue Herausforderung.
Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster, und Emilia saß schläfrig am Küchentisch, wo sie sich mit einem kleinen Stück Brot und einer dampfenden Tasse Kräutertee für den Morgen stärken wollte. Felix trat mit einem missbilligenden Blick aus dem hinteren Bereich des Hauses, seine Arme vor der Brust verschränkt.
„Was glaubst du, was du da machst?" Seine Stimme war scharf, und Emilia blickte verwundert auf.
„Frühstücken?" fragte sie unsicher, wobei sie in seine goldenen Augen sah, die sie mit einer Mischung aus Spott und Genervtheit anfunkelten.
„Frühstücken?" wiederholte Felix langsam, als müsse er das Wort kosten. „Mieze, du willst dich doch nicht ernsthaft vor dem Training vollstopfen?"
Emilia verzog das Gesicht. „Das ist ein Stück Brot, Felix. Ich platze doch nicht, wenn ich es esse."
„Hör zu." Felix kam näher und beugte sich leicht zu ihr hinunter. „Dein Körper braucht Energie, klar. Aber wenn du vor dem Training isst, wird dir schlecht, und ich habe keine Lust, dass du mir in den Garten kotzt. Also lass es."
„Du bist unmöglich", murrte Emilia, stand aber dennoch auf und ließ das Brot widerwillig liegen. „Fein, ich verhungere eben."
Der Garten war von dünnem Morgenfrost bedeckt, und die Luft war eisig, als Emilia hinausging. Sie trug ihren üblichen Mantel und eine einfache Hose, die für sie bequem genug war, aber als Felix sie draußen sah, blieb er stehen und zog eine Augenbraue hoch. „Was in drei Monden hast du da an?" fragte er mit einem Tonfall, der sowohl spöttisch als auch fassungslos klang.Emilia sah an sich hinunter. „Meine Kleidung?"
Felix verschränkte die Arme. „Du gehst nicht zum Spaziergang, Mieze. Du bist hier, um zu trainieren. Und so wie du aussiehst, nimmst du die Sache wohl überhaupt nicht ernst."
„Ich habe keine spezielle Sportkleidung!" gab Emilia schnippisch zurück und verschränkte trotzig die Arme. ,,Und es ist kalt!"
„Natürlich hast du die nicht", murmelte Felix mit einem genervten Seufzen. „Warum auch? Du bist ja zu beschäftigt damit, Kräuter zu sammeln und Geister zu beschwören." Emilia funkelte ihn an, aber Felix griff bereits nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück ins Haus. „Na los, wir finden dir etwas."
„Hey!" protestierte Emilia. „Ich kann selbst-"
„Ruhig, Mieze. Du willst trainieren, also zieh dich auch entsprechend an." Felix führte sie zu einem großen Schrank, öffnete ihn und begann, durch die ordentlich zusammengelegten Kleidungsstücke zu wühlen. Emilia stand unsicher daneben und verschränkte die Arme. „Ich bin nicht sicher, ob das hier wirklich nötig ist." Felix warf ihr einen scharfen Blick zu. „Wenn du willst, dass ich dir helfe, hörst du auf zu diskutieren und machst, was ich sage. Sonst verschwenden wir hier nur Zeit." Schließlich zog er eine einfache, schwarze Trainingshose und ein graues, leicht schlabbriges Shirt heraus. „Hier. Das passt dir." Emilia betrachtete die Kleidung skeptisch. „Das sind deine Sachen." „Gut erkannt, Mieze." Felix drückte ihr die Kleidung in die Arme. „Und jetzt zieh dich um." „Hier? Vor dir?" fragte Emilia, ihre Wangen leicht gerötet. „Vergiss es. Dreh dich um."
Felix stöhnte genervt und ließ den Kopf hängen. „Oh, bitte. Glaubst du, ich habe noch nie jemanden in Unterwäsche gesehen? Beeil dich einfach."
„Ich werde mich bestimmt nicht vor dir umziehen!" protestierte Emilia lauter, als sie beabsichtigt hatte.
Ihre Stimme hallte durch das Haus, und im Hintergrund war das Geräusch von bewegenden Matratzen und leisen Lachern zu hören. Die Jungs hatten offensichtlich gehört, was los war, aber keiner mischte sich ein. Felix drehte sich schließlich mit einem theatralischen Seufzen um.
„Fein, ich sehe nicht hin. Zufrieden?" Emilia schnaubte, zog den Mantel aus und begann, die Hose anzuziehen. „Du bist echt unmöglich, weißt du das?" „Und du bist langsam", erwiderte Felix. „Beeil dich, Mieze. Wir haben keine Ewigkeit."
Etwas später im Wohnzimmer saßen Alex, Chaid, Ash, Gray und Jake. Ash hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und grinste breit. „Was glaubt ihr, wie lange es dauert, bis sie sich gegenseitig an die Kehle gehen?" Jake schüttelte den Kopf, ein Lächeln auf seinen Lippen. „Felix ist wie ein sturer Fels. Aber Emilia... sie gibt nicht so leicht nach. Es wird interessant." Alex nippte an seinem Tee und fügte hinzu: „Das ist eine Lektion, die sie vielleicht braucht. Aber ich wette, sie wird ihn auch überraschen." Als Emilia schließlich in Felix' Kleidung in den Garten trat, grinste er breit. „Na also, das ist doch ein Anfang. Jetzt siehst du zumindest aus, als würdest du trainieren wollen."
„Du bist unmöglich", murrte Emilia, doch sie wusste, dass Widerworte nichts bringen würden. ,,Wenn ich erfriere bist du Schuld."
„Gut, dass wir das geklärt haben", sagte Felix, während er sich aufwärmte und Emilia dazu aufforderte, dasselbe zu tun. „Und jetzt hör auf zu jammern. Du wolltest lernen, wie man kämpft. Also lass uns anfangen." Emilia atmete tief durch. Sie wusste, dass der Tag nicht leicht werden würde, aber sie war bereit, Felix' bissigen Ton und all seine scharfen Kommentare auszuhalten - zumindest so lange, wie sie es schaffte.
....
Es waren keine zehn Minuten vergangen, seit Felix mit dem Training begonnen hatte, und Emilia stützte bereits keuchend die Hände auf die Knie. Der eisige Wind wehte durch den Garten, doch ihr Gesicht war rot vor Anstrengung und Frustration. Felix, der lässig mit verschränkten Armen vor ihr stand, sah sie mit einem Ausdruck aus Genervtheit und Spott an. „Das war erst das Aufwärmen, Mieze", sagte er mit einer Stimme, die vor Unglauben und Hohn triefte. „Und du jammerst jetzt schon? Wie willst du denn jemals ein ernsthaftes Training überleben?" Emilia funkelte ihn an, schluckte jedoch ihren ersten impulsiven Kommentar herunter. Sie war schon zu erschöpft, um sich mit Worten zu verteidigen. Felix, sichtlich unbeeindruckt, klopfte sich mit der flachen Hand auf die Brust. „Okay, genug der Nettigkeiten. Komm, schlag mich."
Emilia richtete sich mühsam auf, ihre Stirn in tiefe Falten gelegt. „Was?"
„Na los, greif an. Ich will sehen, ob da irgendwo in dir doch noch eine Valkyrie steckt." Sein Grinsen war breit und herausfordernd. „Oder ob die ganzen Geschichten über euch übertrieben waren."
„Das ist lächerlich", murrte Emilia. „Warum sollte ich-"
„Jammer nicht, Mieze. Schlag mich", unterbrach er sie scharf, trat einen Schritt nach vorne und sah sie direkt in die Augen. „Oder hast du Angst, dass du mich nicht einmal treffen kannst?"
Gereizt und angetrieben von seiner Arroganz, hob Emilia die Fäuste und stürmte vor. Sie zielte auf seine Brust, doch Felix bewegte sich mit einer fließenden, fast spielerischen Leichtigkeit zur Seite, und Emilias Faust ging ins Leere. Sie taumelte kurz und schnaubte wütend, bevor sie es erneut versuchte. Diesmal zielte sie auf seine Schulter, doch Felix wich erneut mühelos aus.
„War das alles?" fragte er spöttisch, sein Tonfall so sarkastisch, dass Emilia das Blut in den Ohren rauschte. „Wo ist die Kraft? Wo ist die Technik? Das ist ja wie ein Küken, das versucht zu fliegen."
„Ich bemühe mich!", keuchte Emilia, ihre Fäuste erneut hebend. Felix schüttelte nur den Kopf. „Bemühen reicht nicht, Mieze. Das hier ist nicht irgendein nettes Ritual, bei dem man Applaus fürs Teilnehmen bekommt. Du bist eine Valkyrie. Oder sollte ich besser sagen, du warst mal eine?"
Emilias Augen weiteten sich vor Zorn. „Wie bitte?"
Felix trat einen Schritt näher, seine goldenen Augen fixierten ihre. „Valkyrien sind eine stolze Kriegerrasse. Sie sind stark, unerschütterlich, tödlich. Aber du?" Er ließ den Blick absichtlich abfällig über sie wandern. „Du bist eine Schande. Eine Schande für alle Valkyrien, die vor dir kamen."
„Du übertreibst!", fauchte Emilia, ihre Hände zu Fäusten geballt. „Ich bin Schamanin, keine Kriegerin. Warum muss ich das überhaupt lernen? Es ist Zeitverschwendung! Ich sollte Mana üben, Heiltechniken-"
„Heilen bringt dir nichts, wenn du tot bist", schnitt Felix ihr scharf ins Wort. „Du bist nicht nur eine Schamanin, Mieze. Du bist eine Valkyrie. Oder hast du das vergessen?" Sein Ton wurde kälter, seine Worte messerscharf. „Eine Valkyrie, die keine Technik hat. Keine Kraft. Und die sich von einem dahergelaufenen Perversen wie Sedrick am Schwanz packen lässt, ohne ihm die Stirn bieten zu können."
Diese letzte Bemerkung brachte Emilias Wut endgültig zum Kochen. Ohne nachzudenken, stürmte sie vor, ihre Fäuste flogen auf ihn zu, doch Felix wich jedem Schlag aus, als würde er mit einem kleinen Kind spielen. Sein Körper bewegte sich geschmeidig, und ein spöttisches Grinsen lag auf seinem Gesicht. „Ah, da ist sie ja", sagte er, während er sich zur Seite duckte, um einem weiteren Schlag auszuweichen. „Da ist die Kraft. Aber wo ist die Technik? Glaubst du, mit einem wilden Ansturm beeindruckst du mich?" Emilia, blind vor Zorn, trat nach ihm, doch Felix griff mühelos nach ihrem Bein und drehte es leicht zur Seite, sodass sie das Gleichgewicht verlor und auf den Rücken fiel. Der kalte Boden schlug ihr die Luft aus den Lungen, und sie keuchte, während Felix über ihr stand.
„Du bist nichts weiter als eine wütende Vier-Pfote", sagte er mit einem belustigten Unterton. „Viel Lärm, keine Gefahr." Emilia starrte ihn an, ihre Wangen vor Scham und Zorn gerötet. Doch statt weiter zu schimpfen, knirschte sie mit den Zähnen und richtete sich langsam auf. Ihr Atem war schwer, ihre Muskeln brannten, doch in ihren Augen flackerte Entschlossenheit. „Ich bin keine Schande", sagte sie leise, aber mit Nachdruck.
Felix verschränkte die Arme und sah sie mit einem Hauch von Anerkennung an. „Beweis es, Mieze. Beweis es mir. Und dir selbst."
In der Ferne, am Rande des Gartens, standen die anderen Jungs und sahen dem Spektakel zu. Ash grinste breit. „Ich wusste, dass Felix sie so richtig reizen würde."
Alex nickte langsam, seine Arme vor der Brust verschränkt. „Sie braucht das. So wie sie jetzt ist, verlässt sie sich zu sehr auf uns und ihre Magie."
Jake, der die ganze Szene schweigend beobachtet hatte, murmelte schließlich: „Aber er spielt mit Feuer. Hoffen wir, dass sie sich nicht daran verbrennt." Emilia rappelte sich auf, die eisige Kälte des Bodens ließ sie erschaudern, doch die Wut in ihrem Inneren war wie ein loderndes Feuer. Ihre kastanienbraunen Augen funkelten vor Entschlossenheit, und sie ballte die Fäuste, während sie Felix' herausfordernden Blick erwiderte.
Felix hob eine Augenbraue, sichtlich amüsiert. „Oh, willst du etwa weitermachen? Nicht schlecht, Mieze. Ich hätte gedacht, du rennst heulend weg."
„Ich bin keine Schande", wiederholte Emilia, ihre Stimme fester. „Und ich werde es dir beweisen."
Felix' Mundwinkel zuckten, und ein verschmitztes Grinsen legte sich auf sein Gesicht. „Dann fang an. Aber lass mich nicht wieder einschlafen vor Langeweile." Emilia atmete tief durch und erinnerte sich an Theresas Worte über Konzentration und Balance. Sie ließ ihre Wut nicht mehr die Kontrolle übernehmen, sondern bewegte sich vorsichtiger. Statt blindlings auf Felix zuzustürmen, beobachtete sie ihn, suchte nach Schwachstellen.
Felix, der ihre Haltung bemerkte, nickte kaum merklich. „Besser. Zumindest siehst du jetzt aus wie jemand, der nachdenken kann."
Emilia bewegte sich schneller, ein gezielter Schlag in Richtung seines Oberkörpers, gefolgt von einem schnellen Schritt zur Seite, um ihm auszuweichen. Doch Felix war schneller. Er blockte mühelos ihren Schlag ab und trat einen Schritt zurück, ohne aus der Ruhe zu kommen. „Nicht schlecht", sagte er mit einem anerkennenden Unterton, bevor er sich wieder aufrichtete. „Aber auch nicht gut genug."
Emilia knirschte mit den Zähnen und setzte erneut zum Angriff an. Dieses Mal ließ sie ihre Beine arbeiten, zielte auf seinen Stand, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch Felix war wie ein Schatten - jedes Mal, wenn sie glaubte, ihn zu treffen, war er schon woanders. „Weißt du, was dein Problem ist?" fragte Felix plötzlich, während er einem weiteren Schlag auswich. „Du willst mich beeindrucken. Dabei geht es nicht darum." „Worum geht es dann?" fauchte Emilia, während sie ihre Haltung korrigierte und erneut Angriff.
„Es geht darum, dich selbst zu übertreffen", sagte Felix, während er ihren Angriff mit einer Leichtigkeit parierte, die sie zur Weißglut trieb. „Du kämpfst nicht für dich, Mieze. Du kämpfst, um anderen zu beweisen, dass du es kannst. Das macht dich schwach." Seine Worte trafen Emilia wie ein Schlag, doch sie ließ sich nicht ablenken. Stattdessen nutzte sie ihre Wut als Antrieb und griff mit einer Geschwindigkeit an, die Felix für einen Moment überraschte. Ihr Schlag traf seinen Arm - nicht stark, aber genug, um ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern. „Da ist sie ja", sagte er, während er sie leicht zurückdrängte. „Die Valkyrie, die ich sehen wollte."
Am Rand des Trainingsgeländes standen die Jungs immer noch und beobachteten das Schauspiel. Ash lehnte entspannt gegen einen Baum, während Alex und Jake mit verschränkten Armen das Geschehen verfolgten.
„Wirklich beeindruckend", murmelte Ash mit einem Grinsen. „Ich meine, wie oft sieht man Emilia jemanden schlagen?" „Das wird sie noch bereuen", murmelte Alex, doch in seinen Augen lag ein Hauch von Stolz. Jake war der Einzige, der weiterhin angespannt wirkte. „Felix weiß, was er tut. Aber wenn er sie zu sehr reizt..."
„Dann was?" unterbrach Ash. „Sie wird sich nur mehr anstrengen. Genau das braucht sie doch."
Jake schwieg, doch sein Blick blieb wachsam auf Felix und Emilia gerichtet.
Nach mehreren weiteren Minuten des intensiven Trainings, in denen Felix sie immer wieder herausforderte und provozierte, spürte Emilia, wie ihre Kräfte langsam nachließen. Doch sie weigerte sich aufzugeben. Ihr Atem ging schwer, und der Schweiß lief ihr trotz der eisigen Kälte den Rücken hinunter. Felix hob eine Hand, um sie zu stoppen. „Genug für jetzt."
„Was?" keuchte Emilia, ihre Hände auf den Knien abgestützt. „Ich... ich kann noch weitermachen."
Felix trat näher, seine goldenen Augen fixierten sie mit einer Intensität, die sie fast dazu brachte, den Blick abzuwenden. „Es geht nicht darum, wie lange du durchhältst. Es geht darum, was du aus den Minuten machst, die du hast." Emilia öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Felix legte einen Finger an ihre Stirn und schob sie leicht zurück. „Du hast Potenzial, Mieze. Aber du bist noch nicht da wo ich dich haben will. Morgen früh um dieselbe Zeit machen wir weiter. Vielleicht überrascht du mich dann."
Er drehte sich um und ging zurück Richtung Haus, seine Hände lässig in den Taschen. Emilia blieb zurück, ihr Körper erschöpft, aber ihre Gedanken brannten. Alex trat schließlich näher und reichte ihr eine Flasche Wasser. „Du hast gut gekämpft."
„Hat sich nicht so angefühlt", murmelte Emilia und trank hastig. „Er hat mich die ganze Zeit nur verspottet." Ash gesellte sich zu ihnen, ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. „Das ist seine Art, dich zu motivieren. Wenn er dich nicht reizen würde, würdest du nicht alles geben."
„Er könnte auch einfach nett sein", murrte Emilia, während sie sich das Handgelenk massierte.
Jake trat schließlich vor und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Felix ist nicht nett, Emilia. Aber er ist ehrlich. Und genau das brauchst du."
Emilia sah zu den Jungs auf, ihre Entschlossenheit kehrte langsam zurück. „Dann werde ich es ihm zeigen. Ich werde beweisen, dass ich keine Schande bin." Ash lachte. „Das ist die Einstellung. Aber geh jetzt rein und ruh dich aus. Morgen wirst du ihn noch mehr beeindrucken."
Emilia nickte, ihre Müdigkeit ignorierend. In ihrem Inneren war ein neues Feuer entfacht worden. Egal wie bissig Felix war, sie würde nicht aufgeben. Sie war eine Valkyrie - und sie würde sich daran erinnern, was das bedeutete.
Die warme Atmosphäre im Wohnzimmer von Felix' Haus war eine willkommene Abwechslung zur eisigen Kälte draußen. Ein prasselndes Feuer im Kamin erfüllte den Raum mit einem sanften Knistern, während sich die Gruppe entspannt auf die großen, weichen Sitzkissen verteilt hatte. Felix hatte das Wohnzimmer überraschend gemütlich eingerichtet: Schlichte Holzmöbel, eine beeindruckende Bücherwand und ein massiver Holztisch, der vollgestellt war mit dampfenden Bechern und einer großen Schale voller Nüsse und Trockenfrüchte. Emilia saß entspannt zwischen Chaid und Alex. Chaid hatte sich hinter sie gesetzt und massierte mit geübten, sanften Bewegungen ihren Rücken. Sie schloss für einen Moment die Augen und genoss die Ruhe, während die anderen anfingen, sich über ihre Erlebnisse auszutauschen.
Felix saß lässig auf einem Sessel, die Beine ausgestreckt, einen Becher Tee in der Hand, und beobachtete das Geschehen mit seinen goldenen Augen, die im Schein des Feuers glitzerten. Ash lehnte an der Wand, während Jake und Gray es sich auf dem Boden bequem gemacht hatten.
„Also, Felix", begann Jake, der den Tee beiseite stellte und sich aufrichtete, „warum hast du dich ausgerechnet in diesem Dorf niedergelassen? Hier ist ja wirklich nichts los."
Felix zuckte mit den Schultern, nahm einen Schluck Tee und ließ sich Zeit mit der Antwort. „Genau deswegen. Es ist ruhig, abgelegen, und niemand stellt zu viele Fragen. Außerdem..." Er grinste leicht. „...die Gefährten hier sind interessanter als die Dämonen." Ash lachte leise. „Interessanter? Das will was heißen." „Ich meine es ernst", fuhr Felix fort. „Die Gefährten hier haben spezielle Bindungen zu den Mondphasen. Ihre Energie verändert sich je nach Zyklus, und das macht sie besonders anfällig - oder besonders mächtig. Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin. Diese Mondenergie ist faszinierend... und gefährlich, wenn sie außer Kontrolle gerät. Jemand muss sich darum kümmern." „Und die Dämonen hier?" fragte Gray. „Die scheinen ja nicht gerade aktiv zu sein."
„Die lassen mich in Ruhe, und ich lasse sie in Ruhe", sagte Felix schlicht. „Ich brauche keine Gesellschaft, die mir im Weg steht. Die Gefährten sind hier wichtiger." Jake nickte, wirkte aber nachdenklich. „Das klingt... sinnvoll. Aber ruhig wird es hier wohl nicht mehr lange bleiben, jetzt wo wir da sind."
„Apropos Unruhe", begann Alex, der seinen Becher abstellte. „Wir hatten bei der Wanderflamme eine Konferenz. Dort ging es darum, wie wir den Rat infiltrieren könnten - dieses Elysiums Forum."
Felix hob eine Augenbraue. „Ihr wollt euch in den Rat einschleichen? Klingt nach einer soliden Todesfalle." „Nicht einschleichen", korrigierte Jake. „Wir wollen Informationen sammeln. Der Rat hat Ressourcen und Wissen, das wir brauchen. Und er spielt eine größere Rolle bei all dem, was gerade in der Unterwelt passiert, als sie zugeben wollen."
„Das ist gefährlich", murmelte Felix, „aber wenn jemand das schaffen kann, dann ihr."
„Das hoffen wir", sagte Alex. „Es wird keine einfache Aufgabe, aber wir haben ein paar Möglichkeiten im Auge. Vor allem müssen wir erst mal herausfinden, wer unsere Gegner sind und wie tief die Verbindungen von Nox Vigilia gehen."
Felix lehnte sich zurück, seine goldenen Augen schmal. „Nox Vigilia. Immer dieselben Ratten. Wenn ihr mich fragt, solltet ihr sie ausräuchern, statt euch mit Politikern rumzuschlagen." „Das kommt noch", sagte Jake trocken. „Aber erst müssen wir wissen, wie weit ihre Tentakel reichen."
„Und was ist mit der gesetzlosen Zone?" fragte Felix plötzlich. „Habt ihr dort irgendwas gefunden, das uns weiterhelfen könnte?"
Emilia öffnete die Augen und setzte sich ein Stück aufrechter hin. „Die gesetzlose Zone ist... eine einzige Katastrophe. Das Miasma dort hat fast alles zerstört. Wir haben ein paar Hinweise gefunden, dass Nox Vigilia dort aktiv ist, aber nichts Konkretes. Es fühlt sich an, als würden sie uns absichtlich auf falsche Fährten locken."
„Das klingt nach ihrem Stil", murmelte Felix und fuhr sich durch die Haare.
Felix knurrte leise, sein Blick durchdringend. „Ich kann nicht glauben, dass ihr Emilia in dieses gefährliche Terrain mitgeschleift habt. Die gesetzlose Zone, ernsthaft? Seid ihr völlig übergeschnappt?"
„Felix," begann Alex ruhig, „du warst nicht dabei. Es war chaotisch, und die Umstände..."
„Chaotisch?" fauchte Felix. „Chaotisch reicht nicht aus, um das zu rechtfertigen!"
Emilia trat einen Schritt vor, ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Ich wollte mit. So war das, und ich habe keinen Raum für Widerworte gelassen." Felix schwieg einen Moment, sein Blick ruhte auf ihr, bevor er tief seufzte. „Das klingt nach dir." „Was ist mit der Grenzzone? Irgendwas Interessantes?" „Nichts außer Problemen", sagte Gray. „Die Gefährten dort sind nervös, die Dämonen misstrauisch, und das Miasma scheint sich auszubreiten. Wir hatten einen Kampf mit einem Scheusal, das von verfluchter Energie durchtränkt war. Es war... nicht einfach."
Ash verschränkte die Arme und schnaubte. „Ganz zu schweigen von den Abtrünnigen Wachen an der Grenzzone. Die haben wir erst mal ordentlich aufgerieben." Emilia funkelte ihn an. „Aufgerieben? Ihr seid lustig. Das war ein richtiges Massaker."
Jake hob eine Augenbraue. „Davon weiß ich nichts. Was war da los?" Alex' Stimme wurde scharf und bissig. „Die haben Emilia belästigt."
Chaid ließ den Kopf sinken, seine Stimme klang bitter. „Mit mir sind die Nerven durchgegangen, als einer ihr an den Hintern grabschte. Was danach folgte... war wohl tatsächlich ein Massaker."
Felix knurrte leise, seine Augen funkelten gefährlich. „Geschieht ihnen recht. Manche verstehen eben nur eine klare Antwort.'' Jake nickte zustimmend, seine Stimme ruhig, aber kalt. „Richtig so. Niemand fasst sie ungestraft an." Emilia verschränkte die Arme und warf ihnen allen einen leicht genervten Blick zu.
„Ihr seid unmöglich." Emilia konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, auch wenn sie versuchte, es zu verbergen.
Felix begann zu murren, seine Stimme klang tief und gereizt. „Verfluchte Energie... das Zeug breitet sich aus wie eine Krankheit. Wenn wir nicht bald eine Lösung finden, wird es mehr als nur die gesetzlose Zone infizieren." Felix nickte langsam. „Verfluchte Energie. Das wird immer mehr zu einem Problem. Ich wette, Nox Vigilia experimentiert."
„Das ist unser Verdacht", stimmte Alex zu. „Deswegen müssen wir so schnell wie möglich handeln. Aber wir brauchen mehr Informationen, bevor wir einen weiteren Schritt machen."
„Was ist also euer nächster Schritt?" fragte Felix und sah in die Runde.
„Eversum", sagte Jake entschieden. „Dort haben wir die besten Chancen, etwas herauszufinden. Aber es wird nicht einfach, dorthin zu kommen, vor allem jetzt im Winter." Felix zog die Augenbrauen hoch. „Ihr seid wirklich verrückt. Im Winter durch die Grenzzone des Waldes nach Eversum? Wer hat euch den Kopf verdreht?" „Das ist unser Plan", sagte Alex ruhig. „Wir haben keine Zeit zu verlieren."
Felix schnaubte. „Ihr habt keine Zeit zu verlieren? Und was ist mit Vorbereitung? Mit Training? Mit Ausruhen?" Sein Blick wanderte zu Emilia, und sie spürte die Schärfe in seinen Worten. „Vor allem du, Mieze. Du bist noch lange nicht bereit, für so eine Reise. Ich werde dich erst anpacken, bevor ihr auch nur daran denkt, loszuziehen."
Emilia sah ihn verwirrt an.
„Was meinst du mit ‚anpacken'?" Felix grinste bissig. „Training. Viel Training. Denn wenn du glaubst, dass du in deinem aktuellen Zustand durch die verwitterte Grenzzone kommst, ohne eine Last für die anderen zu sein, dann bist du noch naiver, als ich dachte." Emilia funkelte ihn an, doch sie sagte nichts. Die anderen Jungs tauschten einen amüsierten Blick, während Ash murmelte: „Das wird noch interessant."
Felix richtete sich auf, sein Grinsen wurde breiter. „Und noch was: Ich gebe euch drei Tage. Dann sehen wir weiter. Bis dahin bleibt ihr hier - und hört auf, dumme Entscheidungen zu treffen."
Der Abend ging weiter, doch Emilias Gedanken kreisten um Felix' Worte. Drei Tage. Drei Tage, um stärker zu werden, um zu zeigen, dass sie keine Last war. Und sie würde jede Minute nutzen.
Die Gespräche in Felix' gemütlichem Wohnzimmer flossen weiter, während die Nacht immer dunkler wurde. Die Schale mit Trockenfrüchten war inzwischen leer, und die meisten der dampfenden Becher standen halbvoll vergessen auf dem Tisch. Emilia saß inzwischen zwischen Ash und Gray, während Felix seinen Platz am Sessel nicht verlassen hatte und lässig gegen die Armlehne gelehnt war.
Emilia drehte sich zu Felix und fragte mit einem Hauch von Neugier: „Felix, hattest du schon mal direkt mit Nox Vigilia zu tun?"
Felix schnaubte und schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich weiß genug über sie, um zu wissen, dass sie Ärger bedeuten. Diese Gestaltwandler..." Er machte eine kurze Pause und musterte Emilia. „...sie marschieren schon immer auf dünnem Eis. Und wenn die Anführerin tatsächlich eine von ihnen ist, dann ist die Sache klar." „Wieso?" fragte Emilia, ihre Stirn runzelnd. „Weil Gestaltwandler wie sie selten auf Harmonie aus sind", erklärte Felix trocken. „Sie verfolgen oft ihre eigenen Ziele und überschreiten dabei jede Grenze. Wenn diese Wandlerin Xyra wirklich eine Anführerin von Nox Vigilia ist, kannst du sicher sein, dass sie nicht zögert, alles und jeden zu manipulieren, um ihre Pläne durchzusetzen."
Jake nickte zustimmend, während Alex leise hinzufügte: „Das passt zu allem, was wir bisher über Nox Vigilia wissen." Ash richtete sich auf, ein leicht triumphierendes Lächeln auf seinen Lippen. „Zumindest sind alle Essenzen inzwischen im Bilde."
Felix hob eine Augenbraue. „Was meinst du?"
Ash grinste und ließ ein kleines Flackern von Raum-Magie über seine Fingerspitzen tanzen. „Jake hat mich gebeten, einen Tätigkeitsbericht an alle zu senden. Mit meiner Raum-Magie habe ich jedem eine Nachricht zukommen lassen. Sie wissen jetzt alle mehr oder weniger, was hier los ist."
„Sogar Leeó und Sei?" fragte Gray skeptisch.
„Leeó ist immer ein bisschen schwierig," gab Ash zu. „Er taucht oft einfach irgendwo auf, wenn es ihm passt. Aber ich habe ihm eine Nachricht geschickt. Wo er gerade ist? Keine Ahnung. Sei... na ja, sagen wir, er ist noch komplizierter."
„Und Bekehrung?" fragte Alex. Ash nickte. „Oh jetzt heißt er Mio. Ich habe ihn erreicht. Er war... na ja, wie immer schwer einzuschätzen. Aber zumindest weiß er,, was passiert." Felix stieß ein amüsiertes Lachen aus. „Du bist also der Nachrichtenbote der Sünden? Nicht schlecht, Flügelschwinger." Ash schmunzelte. „Flügelschwinger? Kompliment angenommen. Und ja, es ist für mich leichter als für die meisten, Kontakt aufzunehmen. Meine Flügel bringen mich schnell dorthin, wo ich hinmuss oder kann meine Raum-Magie einsetzen. Außerdem habe ich viele von ihnen schon früher getroffen." „Du findest immer einen Weg uns zu erreichen," warf Felix ein und hob spöttisch eine Augenbraue.
„Stimmt", sagte Ash mit einem leichten Grinsen. „Aber jetzt sind wir ja hier. Problem gelöst."
Alex verschränkte die Arme und sah in die Runde. „Und was ist mit Habgier?
Dieser unverbesserliche Träumer... seid ihr ihm begegnet? Wurde er überhaupt informiert?"
Ash schnaubte und lehnte sich zurück.
„Ich hab ihm einen Brief geschickt," sagte er und machte eine wegwerfende Geste.
„Aber Überraschung: Keine Antwort."
„Wirklich?" fragte Felix trocken. „Ich hätte gedacht, er schickt zumindest irgendeine poetische Ausrede zurück."
„Wenn überhaupt," erwiderte Ash mit einem leichten Grinsen. „Ganz ehrlich, ich glaube, es bringt nichts, ihm irgendetwas Ernstes mitzuteilen. Er würde es eh nur ins Lächerliche ziehen. Wahrscheinlich flattert er irgendwo um die Weltgeschichte herum und philosophiert über das nächste glänzende Ding, das er sieht."
Alex hob eine Augenbraue. „Klingt wie er."
Ash nickte. „Genau. Und um ehrlich zu sein - so eilig habe ich es nicht, ihn zu treffen. Sein Gerede allein bringt mich schon an meine Grenzen. Bin ihm in diesem Leben auch noch nicht begegnet."
Felix lachte leise. „Er hat seinen eigenen Charme, wenn man's so nennen will. Aber ja... ihn ernst nehmen? Schwer vorstellbar."
Alex seufzte und schüttelte den Kopf. „Unverbesserlich. Aber irgendwie... genau deshalb ist er Habgier."
Jake richtete das Gespräch wieder auf die wichtigen Themen. „Gut, dass alle informiert sind. Aber was ist mit den Sünden, die nicht reagieren? Wir müssen sicherstellen, dass sie rechtzeitig auftauchen, wenn es darauf ankommt."
Felix zuckte mit den Schultern. „Mach dir keine Sorgen. Die meisten von uns haben ein Gespür dafür, wann es ernst wird. Denk nur an Gräuel, wie er es macht immer zu rechten Zeit aufzutauchen ist mir noch immer schleierhaft. Sie kommen, wenn es nötig ist. Aber..." Er sah Emilia an. „...bis dahin musst du bereit sein."
„Wir wissen das", warf Alex ein. „Aber es bleibt keine Zeit für Verzögerungen.
Unser nächstes Ziel ist Eversum."
Felix lehnte sich vor, und seine goldenen Augen funkelten im Feuerschein. „Eversum im Winter? Wer hat euch den Kopf verdreht? Ihr seid verrückter, als ich dachte." „Vielleicht", sagte Jake mit einem trockenen Lächeln. „Aber wir haben keine andere Wahl."
Felix schüttelte den Kopf. „Ihr habt keine andere Wahl? Nein, ihr habt keine Geduld. Ich sage es nochmal: Ihr bleibt drei Tage hier, mindestens. Bis dahin wird sie..." Er deutete mit dem Kopf zu Emilia. „...zumindest wissen, wie man sich verteidigt."
Emilia verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an. „Und was genau wirst du mir in drei Tagen beibringen, das mir helfen soll?"
Felix grinste bissig. „Warte es ab, Mieze. Vielleicht genug, damit du nicht die Erste bist, die in einer Krise zusammenbricht."
Die anderen Jungs lachten leise, und Ash murmelte: „Das wird wirklich interessant."
Der Abend verlief langsam, die Gespräche wurden lockerer, doch Emilias Gedanken hingen an den Herausforderungen, die vor ihnen lagen. Sie wusste, dass die Zeit drängte - aber sie wusste auch, dass Felix recht hatte. Es gab noch viel zu lernen, bevor sie bereit war, weiterzugehen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top