Kapitel 1

Die Entfaltung der Bindungen

Band 2 Kapitel 1

Die Morgensonne warf ihre goldenen Strahlen über Origin, tauchte Gassen und Märkte in warmes Licht. Der Duft von Speisen, Gewürzen und frischer Morgenluft lag in der Luft. Emilias Schritte hallten leise auf dem Kopfsteinpflaster.
Origin war vertraut - ein Ort voller Erinnerungen. Hier hatte sie Schrecken erlebt, aber auch Frieden gefunden. Ihre Finger glitten über den kühlen Haarschmuck von Alex, eine beruhigende Berührung, die dennoch ihre Unsicherheiten weckte.
„Du bist gut, so wie du bist", hatten Alex und Gray oft gesagt. Doch tief in ihr nagte die Sehnsucht, sich zu beweisen. Die Zweifel ließen sie nicht los.

Ein Windhauch wehte durch die Gassen. Emilia straffte die Schultern. Der Tag würde Antworten bringen.
....

Emilia trat in das Geschäft „Silberglanz Elixiere“, das sie in letzter Zeit öfter besucht hatte. Der Duft von Blumen und Kräutern empfing sie, während das Licht magisch in den Gläsern und Kristallen der Regale spielte. Sie hatte begonnen, ihre Haut und Sommersprossen zu pflegen – nicht nur für sich selbst, sondern auch, weil sie für Gray und Alex strahlen wollte.

„Willkommen!“ Lyrias Stimme war warm, und die Beraterin führte Emilia zu den Pflegeprodukten. „Ihre Sommersprossen sind wunderschön“, sagte sie sanft, während sie die Mondglanz-Creme vorstellte. Emilia betrachtete sich im Spiegel und strich über die goldenen Punkte auf ihrer Nase und ihren Wangen – ein Muster, das sie zugleich liebte und manchmal verfluchte.
Alex und Gray hatten ihr oft gesagt, sie sei perfekt, so wie sie war. Sie liebten ihre Natürlichkeit, was sie in jedem Blick und jeder Berührung spürte. Doch Unsicherheit flüsterte immer wieder, sie müsse mehr sein, besser, schöner. Sich zu pflegen gab ihr ein Gefühl von Kontrolle und ließ sie hoffen, dass sie in ihren Augen nicht nur stark, sondern auch begehrenswert war.

Emilia griff nach der Creme und schenkte Lyria ein nachdenkliches Lächeln. „Ich nehme sie“, sagte sie leise, mehr zu sich selbst als zu der Beraterin. Für einen Moment ließ sie alle Zweifel los und genoss das Gefühl, sich etwas Gutes zu tun – für die, die sie liebte, und für sich selbst.

~~~

Mit einer kleinen Tüte Pflegeprodukte in der Hand verließ Emilia „Silberglanz Elixiere“. Die kühle Brise klärte ihre Gedanken. Schönheit war nicht alles, doch ein Teil von ihr, den sie erkunden wollte.

Der Weg durch Origins belebte Straßen führte sie zur Bibliothek. Das imposante Gebäude mit Reliefs magischer Wesen und uralten Runen wirkte wie eine andere Welt. Emilia trat ein, umgeben von kühler Stille und dem Duft alten Papiers. Sie hatte hier viel Zeit verbracht, alte Texte durchforstet, um mehr über ihre Schamanenfähigkeiten und das Mal der Hüterin zu erfahren – doch die Antworten blieben im Verborgenen.
Bücher über Flüche und alte Magie lagen vor ihr, doch alles, was sie fand, waren bruchstückhafte Hinweise. Seufzend legte sie das letzte Buch zurück. Die Frustration nagte an ihr. Nichts offenbarte sich, wie sie es erhofft hatte.
Um ihren Unmut zu lindern, konzentrierte sie sich auf ihre elementaren Fähigkeiten. Wasser beruhigte sie und half, das Mana zu lenken. Der Drang, besser zu werden, trieb sie an – doch die Last ihrer Verantwortung blieb spürbar.

Während Emilia die Reihen alter Bücher entlangging, holten sie die Gedanken ein, die sie seit Wochen quälten. Die Nächte mit Alex und Gray waren voller Wärme und Vertrautheit, doch der Alltag ließ sie zweifeln. Was bedeuteten sie wirklich füreinander? Keine Worte, nur Gesten, die Nähe und Abstand zugleich schufen.

Hatte sie gehofft, einer von ihnen würde den ersten Schritt machen? Dass einer das Schweigen brechen würde? Doch nichts geschah. Alex war der schroffe Beschützer, Gray die leise, geduldige Konstante. Beide vermieden das Thema, vielleicht aus Angst, die fragile Harmonie zu zerstören. Aber für Emilia war es nicht genug.
Die Unsicherheit nagte an ihr, fraß sich durch jeden schönen Moment. Was, wenn sie die Einzige war, die mehr wollte? Was, wenn Worte alles zerstörten?

„Warum kann ich es nicht einfach ansprechen?", murmelte sie bitter. Der richtige Moment war längst vergangen, doch die Fragen blieben. Mit einem Seufzen richtete sie sich auf. Die Tage waren angefüllt mit Training und der Suche nach Antworten, aber die Ungewissheit ließ sich nicht so leicht vertreiben.

Emilia nahm ein weiteres Buch aus dem Regal, den Blick fest. Irgendwann würde sie den Mut finden, das Schweigen zu brechen – egal, wie schmerzhaft die Antwort sein könnte.

......

Emilia schüttelte die Gedanken an Alex und Gray ab und trat aus der Bibliothek. Die kühle Luft von Origins Straßen schlug ihr entgegen, und der Trubel des Marktplatzes lenkte sie kurz ab. Händler priesen lautstark ihre Waren an, Dämonen verschiedenster Rassen drängten sich durch die Gassen. Doch ein Gefühl der Anspannung ließ sie innehalten. Diese Präsenz war unverkennbar.
„Na, wenn das nicht unsere talentierte Jungschamanin ist." Die spöttische Stimme aus der Menge ließ Emilias Schultern sich anspannen. Ein leises Seufzen entwich ihr. Schon wieder sie.
Vor ihr stand Lythara, die Furie mit der knisternden Aura. Ihre roten Augen, glühend wie Kohlen, fixierten Emilia mit einer Mischung aus Neid und Zorn. Das flammend rote Haar fiel in welligen Strähnen über ihre Schultern, ihre schimmernde Haut wirkte, als würde sie jederzeit explodieren. Jede Bewegung war geschmeidig, voller latenter Energie – wie eine Raubpfote kurz vor dem Sprung.

Die schwarze Lederweste und die eng anliegenden Hosen betonten ihre muskulöse Figur, unterstrichen ihre Kämpferhaltung. Lythara war nicht nur dominant, sondern gewohnt, ihren Willen durchzusetzen – und das spürte jeder, der ihr begegnete.

Lythara schob sich durch die Menge, als gehöre die Straße ihr allein. Ihre Schritte waren selbstsicher, beinahe provozierend. Als sie vor Emilia stand, legte sie die Hände auf die Hüften und neigte den Kopf leicht zur Seite, ein herausforderndes Lächeln auf den Lippen.

„Oh, Lythara. Was für eine Überraschung", sagte Emilia, ihre Stimme betont ruhig. Sie war es leid, sich mit der Furie herumzuschlagen. Seit sie sich in der Wanderflamme begegnet waren, hatte Lythara es sich zur Aufgabe gemacht, sie zu provozieren. Es war ein Spiel, das Emilia nur zu gut kannte - eines, das sie müde machte.

„So höflich, wie immer", erwiderte Lythara mit süßlichem Spott. „Ich habe gehört, dass du mal wieder einen dieser Aufträge abgeschlossen hast. Beeindruckend, wirklich. Aber sag mir, Emilia... wie fühlt es sich an, ohne Rang zu sein und trotzdem so zu tun, als wärst du jemand Besonderes?"

Emilia zwang sich, ruhig zu bleiben. „Vielleicht solltest du dich um deine eigenen Erfolge kümmern, Lythara, anstatt dich so viel mit mir zu beschäftigen."

Lytharas Augen blitzten auf, und für einen Moment glaubte Emilia, Flammen darin zu sehen. Die Furie trat näher, ihre Stimme war nun leiser, aber schneidend. „Du denkst, du bist besser als der Rest von uns, nur weil du ein paar Tricks beherrschst? Du bist nichts Besonderes, Emilia. Irgendwann wirst du das begreifen."

„Ich wünsche dir viel Erfolg dabei, mir das zu beweisen", entgegnete Emilia und zwang sich, gelassen zu klingen. Doch innerlich war sie angespannt. Lytharas Eifersucht war mehr als nur ein harmloser Zorn. Es war ein brennendes Verlangen, sich zu beweisen, egal wie - und das machte sie gefährlich.

Lythara ließ die Fassade des süffisanten Lächelns fallen und sah Emilia kalt an. „Pass auf, Jungschamanin. Die Silberlilie gehört nicht dir allein. Jeder hier hat ein Auge darauf geworfen, und ich werde nicht zögern, dir zu zeigen, wie weit ich bereit bin zu gehen."

„Silberlilie?“ Emilias Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Der Name ließ Unruhe in ihr aufsteigen. Doch bevor sie fragen konnte, drehte sich Lythara abrupt um. Ihr flammendes Haar wirbelte, als sie in der Menge verschwand.
Emilia blieb stehen, den Blick starr auf die Richtung gerichtet, in die die Furie gegangen war. Das Wort hallte in ihrem Kopf nach. Silberlilie. Was bedeutete es? Ein unangenehmes Kribbeln kroch ihr den Rücken hinauf.

Was auch immer es war – sie würde es bald herausfinden.

Emilia betrat die Wanderflamme, die Abenteurergilde, um ihren letzten Auftrag abzuschließen. Der Trubel in der Halle war vertraut – Dämonen tauschten Informationen aus, warteten auf Quests, während die Luft vor Energie summte.

Am Empfang stand Tyren, dessen silberne Schuppen im Licht schimmerten. Sein professionelles Lächeln erhellte kurz sein kantiges Gesicht, als er sie erkannte. „Willkommen zurück, Emilia.“
Sie berichtete von ihrem Auftrag: Schutzsiegel in einem alten, von Poltergeistern heimgesuchten Anwesen anzubringen – eine Aufgabe, die all ihre Schamanen-Magie gefordert hatte. In den letzten Wochen hatte sie zahlreiche solcher Missionen gemeistert. Ihr Können hatte ihr nicht nur Magna-Punkte, sondern auch einen guten Ruf in der Gilde eingebracht.

„Gute Arbeit," sagte Tyren, während er ihre Punkte notierte. Emilia nickte, spürte einen Hauch von Stolz – doch ihre Gedanken waren längst bei den neuen Herausforderungen, die sie erwarteten.

Tyren prüfte Emilias Unterlagen, verbuchte den Auftrag als abgeschlossen und legte dann einen Flyer vor sie. „Das hier könnte interessant für Sie sein.“
Emilia nahm den Flyer und las die Worte „Sammeln der Silberlilie“. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Eine seltene Pflanze mit hohen Heilkräften, begehrt von Schamanen, Alchemisten und Heilern. Die Belohnung war hoch, doch der Warnhinweis stach ins Auge: Gefährliche Gebiete, schwer zu finden.

„Was hat es damit auf sich?“, fragte sie.

„Kein Ranglimit“, erklärte Tyren ruhig. „Jeder kann teilnehmen, auf eigene Gefahr. Teams sind erlaubt. Aber die Silberlilie ist nur für kurze Zeit verfügbar, und der Wettbewerb ist groß.“
Emilia betrachtete den Flyer und die Karte in ihrer Hand. Diese Mission würde sie und ihre Begleiter fordern – vielleicht bis an ihre Grenzen. Doch sie wusste, dass sie es versuchen musste. Mit einem entschlossenen Blick verließ sie die Wanderflamme.

~ ~ ~

Emilia trat hinaus in die belebten Straßen von Origin, das Licht ließ den Marktplatz leuchten. Sie betrachtete den Flyer und die versiegelte Karte, ihre Gedanken wirr. Die Silberlilie – selten, mächtig, begehrt. Der Auftrag versprach Gefahren, aber auch eine merkwürdige Aufregung regte sich in ihr.
Während sie sich durch die Menge bewegte, wanderten ihre Gedanken zu Lytharas Drohungen und den unbeantworteten Fragen. Plötzlich hielt sie inne, als eine kleine Vierpfote aus einer Seitengasse sprang. Die schimmernden Augen des Wesens fixierten sie kurz, bevor es im Schatten verschwand.

Ein Lächeln huschte über Emilias Gesicht. Trotz all ihrer Sorgen erinnerte sie sich daran, dass Origin auch Momente voller Leichtigkeit barg.

....

Während sie durch eine enge Seitengasse von Origin lief, wurde Emilia plötzlich von einem seltsamen Summen in der Luft angezogen. Es war, als ob das Mana in ihrer Umgebung zu flirren begann - unruhig und instabil. Sie spürte das vertraute Prickeln, das immer dann auftrat, wenn Magie unkontrolliert entfesselt wurde. Ihre Schritte verlangsamten sich, und sie folgte der Energiequelle, bis sie auf eine Ansammlung von Dämonen stieß, die einen Kreis um etwas gebildet hatten.

Als Emilia sich durch die Menge drängte, wurde das Bild vor ihr klarer: Ein junger Dämon kniete am Boden, seine Haut war bleich, und eine violette, glühende Aura umgab ihn. Die Mana-Ströme, die von ihm ausgingen, waren chaotisch, sprühten Funken und hinterließen Risse in der Luft. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, Schweiß tropfte von seiner Stirn, und seine Hände zitterten unkontrolliert.

„Helft ihm!", rief eine ältere Dämonin aus der Menge. Doch keiner traute sich, näher zu treten - die Gefahr war zu groß. Eine unkontrollierte Mana-Überladung konnte leicht zur Explosion führen oder schlimmere Folgen haben.

Emilia wusste, dass sie handeln musste. Sie trat entschlossen nach vorne und kniete sich neben den jungen Dämon, der sie mit flehenden Augen anblickte. „Ganz ruhig", flüsterte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die Energie war heiß und widerspenstig, aber sie konzentrierte sich, um den tobenden Mana-Strom zu beruhigen. Mit einem leichten Zittern rief sie ihr eigenes Mana herbei und formte es zu einer schützenden Barriere, die das Chaos eindämmte.

„Silberlilie...", stammelte der Dämon, seine Stimme brüchig und kaum mehr als ein Flüstern. „Ich... brauche sie... bitte..."

Emilias Blick fiel auf eine tiefe, schwärende Wunde an seiner Seite, die schwarz verfärbt war und pulsierte, als ob sie lebendig wäre. Sie erkannte sofort, dass dies das Werk eines verfluchten Angriffs war - eine mächtige, bösartige Magie, die selbst erfahrene Heiler nur schwer bannen konnten. Kein Wunder, dass er verzweifelt war.

„Was hat das verursacht?", fragte Emilia sanft, während sie ihre Barriere verstärkte.

„Ein... Fluchangriff", brachte er mühsam hervor, bevor seine Augen vor Erschöpfung zufielen. „Die Silberlilie ist... die einzige Hoffnung."

Emilia spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Die Verletzung war schwer und die Aussicht auf Heilung gering, es sei denn, sie konnte die Silberlilie finden. Vorsichtig ließ sie die Barriere langsam verblassen, während sie darauf achtete, das unruhige Mana des Dämons zu stabilisieren. Helfer aus der Menge traten schließlich näher, um den Bewusstlosen wegzutragen.

Als Emilia wieder aufstand, war ihr Kopf voller Gedanken. Die Dringlichkeit der Suche nach der Silberlilie hatte sich noch verstärkt - nicht nur wegen des Auftrags, sondern auch wegen der Leben, die auf dem Spiel standen. Sie schob sich durch die Menge und verließ die Gasse mit festem Entschluss. Die bevorstehende Reise würde mehr fordern, als sie erwartet hatte.

Doch das Gefühl der Anspannung ließ sie nicht los. Statt zur Wohnung zu gehen, lenkte sie ihre Schritte zum Marktplatz, in der Hoffnung, auf bekannte Gesichter zu treffen. Die Händler und Handwerker boten ihre Waren lautstark an, und zwischen all dem Trubel fand Emilia schließlich, was sie suchte - Annette.

Die Elementargeistin war von einer Schar Kunden umringt, die sich um ihren Stand drängten. Mit flinken Fingern und einem Lächeln auf den Lippen verkaufte sie ihre Waren - bunte Phiolen, leuchtende Kristalle und duftende Kräuterbündel. Emilia blieb kurz stehen und beobachtete sie. Vor einigen Tagen hatten sie sich hier bereits getroffen, als Annette nach Origin gekehrt war, um einige Handelsabschlüsse zu tätigen. Damals hatte sie Emilia freudig begrüßt und über ihre Reisen erzählt. Heute wirkte sie jedoch konzentrierter, geschäftiger.

Als die letzten Kunden weiterzogen, hob Annette den Kopf und bemerkte Emilia. Ein breites Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und sie winkte sie heran. „Emilia! Was für eine angenehme Überraschung."

„Ich hoffe, ich störe nicht", sagte Emilia, als sie näher trat.

„Für dich habe ich immer Zeit", antwortete Annette und legte die Hände auf den Tisch vor sich. „Was kann ich für dich tun? Du wirkst nachdenklich."

Emilia seufzte leise und legte den Flyer auf den Tisch. „Es geht um die Silberlilie. Ich brauche Informationen. Irgendetwas, das mir weiterhelfen könnte."

Annettes Lächeln verblasste leicht, und ein ernster Ausdruck trat in ihre Augen. Sie beugte sich näher, als wollte sie sicherstellen, dass niemand mithörte. „Die Silberlilie... Emilia, das ist keine einfache Pflanze. Sie wächst in gefährlichen Gebieten, durchzogen von Flüchen und chaotischer Energie. Die Suche nach ihr ist mehr als nur riskant."

Emilia nickte. „Ich weiß. Aber ich habe keine Wahl. Ein verletzter Dämon, den ich heute getroffen habe... er hat um die Silberlilie gebeten. Es ist seine einzige Chance, einen Fluch zu brechen."

Annette runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Das erklärt einiges. Die Silberlilie hat mächtige Heilkräfte, das ist bekannt. Aber das macht sie auch zur Zielscheibe. Nicht nur für Heiler und Alchemisten, sondern auch für jene, die ihre Kraft missbrauchen wollen." Sie griff unter den Tisch und zog eine Karte hervor, auf der gefährliche Gebiete markiert waren. „Ich habe Gerüchte gehört, dass einige Exemplare in dieser Region wachsen. Es ist jedoch keine leichte Reise, und die Gefahren dort sind... zahlreich."

Emilia nahm die Karte entgegen und betrachtete die Markierungen. „Danke, Annette. Ich wusste, dass du mir helfen würdest."

„Pass gut auf dich auf Emilia", sagte Annette ernst. „Du wirst nicht die Einzige sein, die nach dieser Pflanze sucht. Und nicht alle, die sich auf die Suche machen, spielen mit fairen Mitteln." Anetteś Stimme ernst. „Der Ort, an dem die Silberlilie wächst, ist gefährlicher, als du dir vorstellen kannst. Überlege dir gut, ob es das wirklich wert ist.“

Emilia versprach, vorsichtig zu sein, und verabschiedete sich von Annette. Als sie den Marktplatz verließ, spürte sie die Schwere der Verantwortung auf ihren Schultern. Doch bevor sie zu Gray und Alex gehen würde, brauchte sie einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen. Ihr Weg führte sie zu einem ruhigen, abgelegenen Ort am Rand von Origin - ein Platz, an dem sie oft trainierte und sich sammelte. Dort ließ sie sich nieder und schloss für einen Moment die Augen, spürte das Prickeln von Mana in ihrer Haut und konzentrierte sich auf das Wasser, das sanft in einem nahen Bach plätscherte.
...
Nach ihrer Begegnung mit dem verletzten Dämon, Annette und den bedrückenden Neuigkeiten zog es Emilia an einen vertrauten Ort, um ihre Gedanken zu sortieren - Am Ufer eines kleinen Sees, verborgen zwischen den Bäumen am Rande von Origin. Das Wasser spiegelte den klaren Himmel wider und schimmerte im letzten Licht der Dämmerung. Der Ort hatte etwas Beruhigendes, etwas, das sie inmitten des Chaos des Tages zur Ruhe kommen ließ.

Emilia kniete sich an den Rand des Wassers, ließ ihre Finger in das kühle Nass gleiten und schloss für einen Moment die Augen. Die Stille um sie herum wurde nur vom sanften Plätschern des Wassers und dem fernen Rufen der Luftgefährten unterbrochen. Sie spürte das vertraute Prickeln von Mana unter ihrer Haut, ein Teil von ihr, den sie immer mehr zu kontrollieren lernte. Sanft ließ sie ihr Mana in das Wasser fließen, formte kleine Wirbel und spiralförmige Muster, die lebendig auf ihre Berührungen reagierten.

Doch ihre Konzentration wich bald den Gedanken, die wie dunkle Wolken über ihr hingen. Die Ereignisse des Tages hatten sie schwer belastet - der verletzte Dämon, der verzweifelt um die Silberlilie gebeten hatte, die andauernden Herausforderungen ihrer Schamanen-Ausbildung und das ständige Gefühl, von Erwartungen und unerfüllten Fragen erdrückt zu werden. Sie atmete tief ein und ließ das Wasser sanft kreiseln, während ihre Gedanken sich weiter entfalteten.

Unweigerlich kehrten ihre Gedanken zu einer Begegnung zurück, die sie niemandem anvertraut hatte - Sedrick. Der Gestaltwandler war plötzlich in ihrem Leben aufgetaucht, ein Schatten, der sie nicht losließ. Sie wusste, dass Alex besorgt wäre, wenn er davon wüsste. Er würde keinen Moment zögern, sie zu beschützen, aber sie wollte ihn nicht mit ihrer Unruhe belasten. Und bei Gray... bei Gray wusste sie nicht einmal, wie sie anfangen sollte. Er kannte Sedrick nicht, und es fühlte sich einfach falsch an, ihm von einem Dämon zu erzählen, den sie kaum verstand und der sie auf so beunruhigende Weise faszinierte.

„Warum kann nichts einfach sein?", murmelte Emilia und formte das Wasser zu einer kleinen, schimmernden Kugel, die zwischen ihren Händen schwebte. Die Frustration in ihrer Brust schien in die Bewegung überzugehen, und die Kugel zerplatzte mit einem Platschen, als sie die Konzentration verlor. Sie spürte, wie Wut und Ratlosigkeit in ihr aufstiegen. Es war, als würde sie in einem Strudel gefangen sein, aus dem es kein Entrinnen gab - die Erwartungen an sie als unerfahrener Schamanen-Lehrling, die unausgesprochenen Spannungen mit Alex und Gray, und nun auch noch die drängende Suche nach der Silberlilie.

Mit zusammengepressten Lippen konzentrierte sie sich erneut auf das Wasser. Sie zog tieferes Mana heran, formte größere Strudel und schärfere Klingen aus Wasser, die durch die Luft tanzten. Es war besser, die Frustration so herauszulassen, als sie weiter in sich hineinzufressen. Sie bemerkte, wie ihre Kontrolle besser wurde, wie das Wasser geschmeidiger auf ihre Bewegungen reagierte. Doch auch das brachte ihr keine wirkliche Erleichterung. Das intensive Mana-Training mit Gray, um Wasser zu bändigen, trug nun Früchte und zeigte erste spürbare Fortschritte.

„Na, übst du fleißig?" Eine Stimme unterbrach ihre Konzentration. Der Ton war leicht spöttisch, und Emilia brauchte keinen Blick, um zu wissen, wer da sprach. Lythara stand am Rand des kleinen Hains, die Arme verschränkt, ihr Blick voller unausgesprochener Vorwürfe und Neid. Das rote Leuchten in ihren Augen war unverkennbar.

„Was willst du, Lythara?" Emilias Stimme klang erschöpft, als sie bemüht war ihre Haltung aufrechtzuerhalten. Sie wusste, dass jede Schwäche, die sie zeigte, von Lythara sofort bemerkt und ausgenutzt werden würde.

Die Furie trat näher, ihr feuriges Haar schimmerte im schwächer werdenden Licht. „Ich habe nur gesehen, wie du hier... spielst", sagte sie und ließ das letzte Wort in der Luft hängen. „Muss toll sein, so viel Zeit für Training zu haben – besonders, wenn man es nicht mal bis zum ersten offizielen Schamanenrang geschafft hat."

Emilia hob eine Augenbraue, versuchte, die Provokation zu ignorieren. „Das ist meine Sache."

„Natürlich." Lytharas Lächeln war kühl. „Es ist nur merkwürdig, dass jemand ohne Rang... alles scheinbar besser macht als andere. Seltsam, nicht wahr?"

Der unterschwellige Neid in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Emilia wusste, dass Lythara mit ihrer eigenen Unsicherheit kämpfte - als Anfängerin ohne Rang fühlte sie sich von Emilias Fortschritten bedroht. Doch das machte die ständigen Bemerkungen nicht leichter zu ertragen. Sie atmete tief durch und versuchte, ruhig zu bleiben. „Wenn du ein Problem mit mir hast, Lythara, dann sag es direkt. Aber verschwendest du nicht zu viel Energie, mich zu beobachten? Vielleicht solltest du sie lieber in dein eigenes Training investieren."

Lythara blinzelte, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Für einen Moment dachte Emilia, sie würde etwas entgegnen, doch stattdessen schüttelte die Furie nur den Kopf und drehte sich um. „Viel Erfolg mit deiner Silberlilie", sagte sie kühl über die Schulter. „Du wirst es brauchen."

Emilia sah ihr nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwand. Sie ließ die Schultern sinken und atmete tief durch. Es war eine Erleichterung, Lythara loszuwerden - zumindest für den Moment. Doch ihre Worte hallten noch lange nach und verstärkten das Gefühl, dass die Herausforderungen, denen sie sich gegenübersah, weitaus größer waren, als sie zunächst geglaubt hatte.

___

Emilia folgte dem vertrauten Pfad zu Grays Wohnung, ihre Schritte wurden schneller, je näher sie dem Ort kam, der sich mehr und mehr wie ein Zuhause anfühlte. Der Tag hatte sie erschöpft, doch allein der Gedanke daran, Gray und Alex zu sehen, erfüllte sie mit einer beruhigenden Wärme. Die Dämmerung hatte bereits seinen Schleier über Origin gelegt, und die Schatten der Gebäude tanzten im letzten Licht des Tages über die Straßen. Als sie an der Tür klopfte und eintrat, umfing sie sofort der vertraute Duft von Gewürzen und Kräutern, der ihre Müdigkeit für einen Augenblick verblassen ließ.

Gray stand in der kleinen Küche und summte leise vor sich hin, während er Schüsseln mit dampfendem Essen auf das hölzerne Sideboard stellte. Er drehte sich um, als er ihre Schritte hörte, und ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Da bist du ja", sagte er mit einem Hauch von Erleichterung in der Stimme. „Ich hatte schon fast befürchtet, dass du noch länger trödelst."

Ein Lächeln stahl sich auf Emilias Lippen, und sie trat näher. „Ein paar unerwartete Begegnungen - aber der Duft hier entschädigt für alles." Die würzigen Aromen von gedünstetem Gemüse und Kräutern mischten sich mit einem Hauch von Rauch, was eine wohlige Atmosphäre schuf. „Du hast gekocht?"

„Natürlich", entgegnete Gray mit einem spielerischen Zwinkern, während er sich wieder dem Herd zuwandte. „Ich lasse niemanden hungrig zurück. Besonders dich nicht."

Alex, der am Tisch saß, blickte auf, während seine rubinroten Augen von einer Haarsträhne halb verdeckt wurden. Um ihn herum lagen verstreute Dokumente und Notizen. Ein verschmitztes Grinsen spielte um seine Lippen. „Willkommen zurück, Emilia. Sag mir nicht, du hast heute wieder das halbe Stadtviertel in Aufruhr versetzt."

Emilia zog einen Stuhl heran, setzte sich ihm gegenüber und schenkte ihm ein schelmisches Lächeln. „Nicht heute - zumindest nicht absichtlich." Ihr Blick glitt über die Papiere, die mit komplizierten Symbolen und Diagrammen übersät waren. „Woran arbeitest du diesmal, Alex?"

„Alte Fluchstudien und Mana-Strömungsanalysen", antwortete er und warf ein zerknittertes Blatt Papier beiläufig beiseite. „Nichts, was dir den Kopf zerbrechen sollte. Gray meint, ich werde verrückt, wenn ich nicht ab und zu Pausen mache."

„Das habe ich auch gemeint!", rief Gray aus der Küche und ließ seine Stimme mit gespieltem Vorwurf erklingen. „Wirklich, Alex. Du kannst nicht immer nur denken. Manchmal musst du auch essen."

Emilia lachte, und die Anspannung des Tages fiel von ihr ab. Es war dieser einfache, vertraute Austausch, der ihr zeigte, wie tief die Bindung zwischen ihnen reichte. Gray stellte das letzte Gericht auf den Tisch und setzte sich. Ihre Hände berührten sich für einen kurzen, flüchtigen Moment, als er ihr die dampfende Schüssel reichte. Sein Blick hielt den ihren fest, und für einen Herzschlag schien die Welt stillzustehen.
„Danke, Gray", murmelte sie, ihre Stimme leise, doch voller Bedeutung.

„Immer", erwiderte er, und die Schlichtheit seiner Worte trug ein Versprechen in sich.

Alex räusperte sich und rollte theatralisch mit den Augen. „Wollt ihr beiden mich hier sitzen lassen, während ihr eure kitschigen Blicke austauscht?"
Emilia stieß ihn sanft mit dem Ellbogen an, woraufhin er grinsend die Hände hob. „Okay, okay. Ich gebe ja schon auf."

Die drei aßen zusammen, und die Unterhaltung glitt zu den kleinen Geschichten des Tages, Beobachtungen und Anekdoten, die sie zum Lachen brachten. Gray erzählte von einem Händler, der ihm merkwürdige Kochutensilien andrehen wollte, und Alex beklagte das Chaos in seinen Notizen, woraufhin Emilia scherzhaft Ordnungshilfe anbot. Es waren diese Momente - das Lachen, die Wärme des Zusammenseins -, die alles andere vergessen ließen.

Für einen kurzen Moment fühlte es sich an, als gäbe es nichts als diesen Augenblick - keine Sorgen, keine Quests, keine Verantwortung. Nur das Lächeln und die Wärme von Freunden, die sich gegenseitig hielten.

Die Stimmung war angenehm und ausgelassen, und wurde ins Wohnzimmer verlegt. Emilia hatte sich entspannt auf der Couch an Gray gekuschelt, ihre Beine lässig über seinen Schoß gelegt. Die Wärme seiner Gegenwart und die sanfte Ruhe des Augenblicks ließen sie für einen Moment alles andere vergessen. Gray streichelte mit einer Hand sanft über ihre Beine, während er mit der anderen beiläufig durch die Seiten eines Buches blätterte. Auf dem Boden saß Alex, das Kinn in die Hand gestützt, während er in seinen Notizen kritzelte. Sein Gesichtsausdruck war konzentriert, als ob er in eine andere Welt abgetaucht wäre.

Emilia atmete tief ein und ließ ihren Kopf auf Grays Schulter ruhen. Sie wusste, dass sie das Thema ansprechen musste, aber sie zögerte. Stattdessen begann sie beiläufig: „Ich habe heute Annette wieder getroffen. Sie ist nur kurz in der Stadt - geschäftlich unterwegs."

Gray warf ihr einen kurzen Seitenblick zu und lächelte. „Natürlich. Annette und ihre Geschäfte... Irgendwann wird sie die ganze Welt mit ihren Waren versorgen."

Emilia schmunzelte. „Ja, das würde zu ihr passen." Sie spürte, wie Alex auf dem Boden leicht summte - ein Zeichen, dass er zwar zuhörte, aber nur halb bei der Sache war. Sie ließ ihren Blick zu ihm gleiten und bemerkte, dass er immer noch konzentriert kritzelte. Typisch Alex.

„Und dann war da noch Lythara", fuhr sie fort, ihre Stimme etwas leiser. „Du weißt schon, wie sie ist. Sie scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, mich zu verfolgen und bei jeder Gelegenheit zu sticheln."
Gray schüttelte den Kopf, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. „Lass sie reden. Ihr Stolz tut mehr weh als ihre Worte."
„Das ist einfacher gesagt als getan." Emilia seufzte und rückte ein Stück näher. „Sie hat mich wieder provoziert. Es wird einfach nicht besser mit ihr."

„Dann solltest du ihr zeigen, dass du dich nicht beeindrucken lässt", sagte Gray und sah sie mit ernster Miene an. „Manchmal gewinnen Leute wie sie, weil sie dich aus der Ruhe bringen. Das darfst du nicht zulassen."
Alex hob kurz die Hand, ohne aufzublicken. „Vielleicht wäre eine Bannbarriere hilfreich. Eine, die Lästereien fernhält", murmelte er mit einem schiefen Grinsen, das ihm entglitt, während er weiterhin in seinen Notizen kritzelte.

Emilia musste unwillkürlich lachen. „Das wäre wirklich nützlich." Sie spürte, wie die Schwere in ihrer Brust für einen Moment nachließ. Doch das Thema, das sie wirklich ansprechen wollte, ließ sich nicht mehr verdrängen. Sie biss sich auf die Lippe und senkte den Blick. „Da war noch etwas", sagte sie leise, die Leichtigkeit aus ihrer Stimme verschwunden. „Ich habe heute einen verletzten Dämon getroffen. Er... er wurde von einem starken, verfluchten Angriff getroffen."

Alex hielt inne, die Feder schwebte noch über dem Papier, bevor er sie langsam beiseitelegte. Sein Blick wurde scharf und durchdringend. „Ein verfluchter Angriff?", wiederholte er, seine Stimme voller Ernst. „Das ist alles andere als alltäglich."
Gray, der ihre Anspannung spürte, legte beruhigend eine Hand auf ihr Bein. „Was genau ist passiert?"

Emilia schluckte schwer und erinnerte sich an die verzweifelten Augen des jungen Dämons, die von Schmerz und Hilflosigkeit gezeichnet waren. „Er konnte sein Mana nicht mehr kontrollieren", erklärte sie mit zitternder Stimme. „Die Energie in ihm war außer Kontrolle - es war, als ob er innerlich zerrissen wurde. Er flehte um die Silberlilie, weil sie seine einzige Hoffnung war, den Fluch zu brechen."
Ein Schatten legte sich über Grays Gesicht. Seine Augen verengten sich, während er die Schwere ihrer Worte erfasste. „Das erklärt den Wettlauf um die Pflanze. Die Silberlilie besitzt außergewöhnliche Heilkräfte, aber Flüche dieser Stärke... sie sind gefährlich und kompliziert."
Alex erhob sich von seinem Platz und trat näher, seine Miene ernst und voller Nachdruck. „Das bedeutet, dass mehr dahintersteckt, als wir bisher vermutet haben. Wenn solche Flüche in Umlauf geraten, ist das kein Zufall. Jemand spielt mit verfluchter Magie - und das ist keine Kleinigkeit."

Emilia nickte, ihre Hände zitterten leicht, als sie ihre Erinnerungen wieder durchlebte. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Es wird alles andere als einfach sein, die Silberlilie zu finden. Und wir werden nicht die Einzigen sein, die danach suchen."
Gray beugte sich vor, seine Hand glitt sanft von ihrem Bein zu ihrer Schulter. „Egal, was kommt - wir machen das zusammen, Emilia. Du bist nicht allein."
Alex legte ebenfalls eine Hand auf ihre andere Schulter und sah sie mit einer Mischung aus Ernst und Entschlossenheit an. „Und wir werden herausfinden, wer oder was hinter diesen Flüchen steckt. Niemand wird dir oder anderen auf diese Weise schaden."
Emilia spürte, wie sich die Anspannung langsam aus ihrem Körper löste. Für einen Moment war alles andere unwichtig - sie wusste, dass sie nicht allein war. Was auch immer kommen mochte, sie würde es mit ihnen an ihrer Seite durchstehen.

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