18
Obwohl Nathan derart verständnisvoll war, ist es John unangenehm, wie es zwischen ihnen steht. Der Freund hat klargemacht, dass er nichts erwidern braucht, sich zu nichts gedrängt fühlen. Er sollte das nur wissen. Und John würde es gerne dabei belassen: Bei einer Tatsache, über die er nun Bescheid weiß. Nur ist es viel mehr als das, ein fürchterlicher Zwiespalt.
John weiß nicht, was er sagen könnte, und er weiß auch nicht, wie er es aushalten soll, nichts zu sagen. Er kann Nathan kaum in die Augen sehen und findet es am passendsten, Marcie zu beknien, in der Pause bei ihnen zu sitzen. Irgendwie hockt dann das ganze Kollegium um den kleinen Tisch, der zuletzt unausgesprochen für Nathan und John reserviert war, und es ist alles beim Alten: Alle quasseln durcheinander, während John Gespräche belauscht und in aller Seelenruhe sein mitgebrachtes Essen vertilgt.
Wenn Nathan ihn ansieht (und das spürt John, ohne dass er es selber sehen muss, jedes Mal), dann fühlt er sich schuldig. Sie hatten diese wunderbare Beziehung, haben sich prächtig verstanden, mussten einander nur ansehen und wussten, an was der andere dachte. Und nur weil John keine Worte findet, ist das Vergangenheit.
Wenn er genauer darüber nachdenkt, merkt er, dass das gar nicht wahr ist: Nathan ist mindestens genauso sehr schuldig daran, denn was hat er denn erwartet, was auf dieses Geständnis hin passieren würde?
Und außerdem geht es nicht darum, dass John keine Worte findet. Worte sind sein geringstes Problem. Er wüsste schon, was er sagen könnte, wüsste er nur erst, was er fühlen soll.
Nathans Zuneigung schmeichelt ihm, freut ihn, löst ein warmes, orangefarben waberndes Gefühl genau hinter seinem Bauchnabel aus. Sein Impuls geht in die Richtung, Nathan um den Hals zu fallen, ihn an sich zu ketten für den Rest ihrer Leben.
Nur dass da sein Verstand ist, der nicht vergessen kann, was seine Augen jeden Morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend vorm Insbettgehen sehen. Er kann sich nicht vollen Herzens in diese Verbindung mit Nathan stürzen. Das könnte er Esra nicht antun (selbst wenn es sich um eine gesichtslose Person handelt, die ihm womöglich erst nach weiteren drei Jahrzehnten begegnen wird), genauso wenig wie Nathan (der ein ziemlich reales, schönes Gesicht hat, und der es verdient, so geliebt zu werden, wie es für Esra vorgesehen ist, von John geliebt zu werden). Und was ist mit ihm selbst? Würde er nicht sich selbst betrügen, würfe er nach der langen Zeit des Wartens seine Prinzipien einfach hin?
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