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Nach der ersten Schulwoche geht das Kollegium gemeinsam einen heben. Natürlich wird wieder Karaoke gesungen und das alleine wäre Grund genug, abzusagen. Meist erfindet John irgendeine Ausrede, weshalb er nicht kann. Manchmal geht er mit und trinkt zu viel, um die Gespräche zu ertragen, die immer alberner werden. Er kann sich ganz gut ernsthaft unterhalten, aber „lockerflockig" fällt ihm schwer. Er ist eben nicht so unbeschwert, was vielleicht an der zukünftigen Begegnung liegt, die seit Anbeginn seines Lebens über ihm schwebt. Er kann kaum an etwas anderes denken.
An diesem Freitagabend denkt er an etwas anderes. Er geht mit, Nathan auf dem Fußmarsch von dem Schulgebäude zur Kneipe gemäßigten Schrittes neben ihm, und verschwendet nicht einen Gedanken daran, wem er dort begegnen könnte. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben ist ihm dieses stillschweigende Beisammensein, die Anwesenheit eines anderen Menschen genug.
Als Jenny auf der Bühne halbwegs die Töne treffend einen Popsong aus den Achtzigern performt, stupst Nathans Schulter gegen Johns.
Obwohl die jungen weiblichen Kolleginnen sich in den ersten Tagen sehr um Nathans Aufmerksamkeit bemüht haben, sitzt er nun wie John am hinteren Ende des Gruppentisches, wo weniger Licht hinfällt. Zuletzt, ist John aufgefallen, haben Marcie und Jennifer den Neuen in Ruhe gelassen. Woran das liegt?
Es ist vielleicht ein bisschen sonderbar, dass sie dort einfach nur nebeneinandersitzen, kein Wort sagen. Aber gleichzeitig kommt es John wie die natürlichste Sache auf der Welt vor. In ihm brennt die Neugier: Er will Nathan kennenlernen, ihn zu seiner Kindheit ausfragen, zu seinen Lieblingsgerichten und der wahren Beziehung zu seiner Mutter. Aber er muss das nicht tun, um sich mit dem Fremden wohlzufühlen.
Es ist sogar noch schlimmer, als John bemerkt, wie Nathans Hand ganz nah neben seiner auf der Tischplatte liegt. Er könnte ihn einfach berühren. Nathans kleiner Finger zuckt ein Stück nach rechts, in Johns Richtung und er erschrickt.
Er erschrickt sogar so sehr, dass er nicht Nein sagt, als Marcie ihn kurz darauf um ein Duett bittet. Was sind das bloß für Gefühle?
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