11
Nathan hat sich gerade ein paar Kolleginnen vorgestellt, und wendet sich um. Er spürt schon seit einer kurzen Weile eine Hitze auf seiner linken Schläfe und bemerkt aus dem Augenwinkel eine Anwesenheit, die ihn nervös macht. „Wer ist der Mann da drüben, der uns belauscht?", fragt er mit ungedämpfter Stimme. Marcies Blick flattert herüber zu dem blonden Mann, ohne dass Nathan in seine Richtung deuten muss. „Oh, das ist John. Er unterrichtet auch Biologie, dieses Jahr hat er den Leistungskurs. Wenn du Fragen hast, ist er dein bester Ansprechpartner. Er ist schon eine Weile dabei und hat es echt drauf."
Dankend für den Hinweis wendet Nathan sich ab und John zu. Es wundert ihn nicht, dessen Blick auf sich zu entdecken, der ihn auch dann nicht loslässt, als Nathan ihn erwidert.
„Ihre Mutter?", ist das erste, das John sagt, als Nathan vor ihm stehen bleibt. Der Blonde sieht aus seiner sitzenden Position zu ihm herauf und schafft es, trotz des Höhengefälles, ein bisschen spöttisch auszusehen. Nathan weiß nicht, was er damit anfangen soll und hebt streng eine Braue weit in die Stirn. „Stellt das ein Problem dar?"
John lacht. John lacht und Nathan weiß augenblicklich ganz genau, was er damit anfangen soll. Oh.
„Überhaupt nicht. Ich frage mich nur, welchen Grund Sie haben, um das zu sagen. Ist die Person, mit der Sie in Wahrheit verbunden sind, zu peinlich? Oder sind Sie unbeschrieben und wollen Dates aus dem Weg gehen? Denn in diesem Fall ist eine Verbindung zu Ihrer Mutter nicht die allerbeste Abschreckung."
Nathan ist zuerst schockiert: Woher weiß John nach nur kurzem Belauschen seiner Unterhaltung, dass er gelogen hat? Und dann muss er über die angehängte Bemerkung beinahe lachen.
„Sie kennen meine Mutter nicht – es ist eine exzellente Abschreckung."
Als John nur grinst, muss er doch nachfragen. Aus Neugier, aber vor Allem, um das Gespräch nicht schon beenden zu müssen. Woher weiß er das?
„Naja", erklärt John, als wäre das offensichtlich gewesen. Dann zählt er die Punkte, in denen Nathan sich verraten hat, sogar an den Fingern ab. „Ihr beinahe emotionsloser Ausdruck. Das unnötige Zögern. Und die distanzierte Art, wie Sie „Mutter" sagen."
Nathan staunt. Erst über Johns Aufmerksamkeit, dann darüber, dass er nicht weiter nachfragt. Er scheint einfach zu wissen, dass Nathan unbeschrieben ist, und sich überhaupt nichts daraus zu machen. Ob es ihm selbst genauso geht? Und kurz denkt er sogar, dass er sich mit John anfreunden kann und ihm vielleicht irgendwann die Wahrheit sagen, wenn er sich als vertrauensvoll herausgestellt hat.
Dann hält er ihm einfach nur seine Hand hin und stellt sich vor. Er mag nicht so aufmerksam sein wie John, aber als er seinen Namen sagt, sieht er trotzdem, wie kurz eine Emotion über Johns Gesicht flackert. Er weiß nur nicht, was sie bedeuten soll.
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