Zu spät
Hey.
Vorab: diese Geschichte hier ist nicht so kurz wie die anderen, gehört aber trotzdem in die Kategorie Kurzgeschichte.
Das war der erste Versuch, wirklich etwas eigenes zu schreiben.
Um genau zu sein war das hier sogar vor "Zwei".
(Die ursprüngliche Version (die man nirgendwo mehr lesen kann xD), diese hier ist komplett überarbeitet!)
Viel Gefühl beim lesen,
-T. C:
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Sie ging gerne spazieren.
Im Sonnenlicht, im Regen.
Es war ihr egal.
Jedes Wetter hatte etwas schönes, etwas besonderes was es schön machte.
Gerade saß sie an ihrem Lieblingsplatz.
Einer kleinen Bank auf einem Felsvorsprung.
Von hier aus konnte man das Meer sehen.
Es war direkt unter dem Felsvorsprung.
Der Fels war nur über einen zugewucherten, unbekannten und schmalen Trampelpfad zu erreichen.
Sie saß jedoch gern hier und dachte nach.
Jedes mal kam sie dazu hierher.
Jeden Tag, sobald ihre Arbeit es zuließ.
Sie machte ihr längst keinen Spaß mehr.
Aber hatte sie das überhaupt schonmal?
Sie wusste es nichtmehr.
Hatte es vergessen, verdrängt, hatte nie so wirklich darauf geachtet.
Von hier oben konnte sie das Meer sehen.
Früher war sie gern mit ihm an den Strand gegangen.
Aber heute war da kein Strand mehr.
Das Wasser hatte ihn geholt.
Sie waren so gern in eine kleine Küstenstadt gefahren.
Im Urlaub, als Ausflug.
Hatten im Eiskaffe Erdbeereisbecher gegessen und lachend Leute draußen vor den Fenstern beobachtet.
Doch auch die Eisbecher gehörten der Vergangenheit an.
Das Wasser hatte auch die kleine Küstenstadt an sich genommen.
New Atlantis daraus gemacht.
Auch er war nicht mehr da.
Während sie nur das Meer sah, sah er jetzt von da oben die ganze Welt.
Bestimmt saß er jetzt auf einer Bank in den Wolken, wie er es ihr schwach lächelnd in dem Krankenhausbett erklärt hatte.
Passte auf sie auf.
Gern hatte er Bilder mit seinen Worten gemalt.
Gern hatte er Nach-dem-Tod-Theorien aufgestellt und anschließend lächelnd den Kopf darüber geschüttelt, so absurd waren sie manchmal gewesen.
Doch der Glaube an ein danach, an ein Wiedersehen unter Engeln hatte es ihnen beiden leichter gemacht.
Nicht sehr viel leichter, aber immerhin ein wenig.
Irgendwann, hatte er gesagt, würden sie wieder gemeinsam auf dieser Bank sitzen, Erdbeereis essen und auf die Welt zu ihren Füßen hinabsehen.
Wieder lachend Menschen zusammen beobachten.
Bis dahin, würde er dort auf sie warten.
Mit diesem Versprechen war er gegangen.
Seine wunderschönen, einst so strahlenden, funkelnden Augen schlossen sich ein letztes Mal.
Sein eingefallenes Gesicht kippte zur Seite, seine Hand, welche die ihre hielt erschlaffte, während sie kälter und kälter wurde.
Seine Lippen, die sonst ein so schönes, warmes Lächeln zur Schau trugen, waren ausdruckslos.
Und trotzdem hatte es nichts friedliches an sich, als er ging.
Er hatte verloren.
Sie saß hier, spürte, wie ihr die Tränen die Wangen hinabliefen.
Der Mundschutz fing sie auf und wurde an diesen Stellen ganz nass und bappte an ihren Wangen.
Ein seltsames Gefühl.
Daran würde sie sich wohl nie gewöhnen.
Bei jeder Bewegung ihres Kopfes rutsche das Stück Stoff höher, bis er ihr in die Augen drückte.
Eine unangenehme Sache.
Wie dünne, salzige Flüsse zogen sich die Tränenspuren über ihr abgemagertes Gesicht.
Mit knochigen Händen wischte sie sie davon.
Mit rehbraunen, glanzlosen Augen blickte sie auf das Meer.
Die grauen Wellen in welchen sich bunte Plastikfische tummelten, schlugen hart gegen den kahlen grauen Felsen.
Wie farbige Quallen geisterten halb zerfetzte, halb unberührte Plastiktüten im seichteren Wasser umher, verfingen sich im Fels und hingen daran fest wie Algen oder die farbenfrohen Korallen, die sie nur von Bildern und aus Berichten, Erzählungen kannte.
Hier oben wuchsen Dosen wie früher die Blumen aus der Erde.
Es war wie Halloween zur falschen Jahreszeit, Geisterbäume standen hier überall.
Kahl, knorrig, mit verfangenen Plastikstücken an den Ästen wie sie damals ihre Blätterkronen zur Schau trugen.
Es war ein Wunder, das es sie noch gab.
Früher wurden sie von lachenden Arbeitern gefällt, während sie in ihren großen, rußenden Maschienen saßen und rauchten.
Heute saßen diese Arbeiter auf der Straße und hätten alles für einen einzigen, grünen und vorallem lebendigen, alten Baum gegeben.
Einen einzigen im verdorrten Wald voller vertrockneter Baumleichen.
Was der Mensch hier nicht geschafft hatte, hatten das sich rasant vermehrende Ungeziefer und die durch Hitze und Trockenheit verursachte Feuersbrunst übernommen.
Das Gras war gelblich, spärlich wuchs es hier oben.
Kein einziger Vogel sang, flog mehr, dafür hockten ihre kleinen, gefiederten Leichen in den Astgabeln.
Sie sah sich um.
Wurde trauriger und trauriger.
Damals hätten sie noch alles verändern können.
Sie hätten so viel tun können. Zusammen.
Es hätte nie so kommen müssen.
Doch wie sooft auch, hatten sie alle einen Weg gewählt und die Mehrheit hatte letztendlich gesiegt.
Ja, Wahlen war wohl nicht immer etwas gutes.
Auch wenn diese Wahl hier nicht stattfand, wie Politiker-Wahlen damals.
Diese hier fand in jedem einzelnen Menschen damals statt.
Bequemlichkeiten gegen den Verstand.
Alle hatten sie vom Fortschritt gesprochen und keinen gemacht, aber sie hatten ja auch Leben mit Geld aufgewogen.
Das Leben gegen bunte, bedruckte Papierscheinchen mit hübschen Zahlen darauf.
Später, als die Dürre kam, merkten sie, das sie ihr buntes Papier nicht essen konnten um sich am Leben zu erhalten.
Sie konnten damit keine Pflanzen zum wachsen bringen und konnten der Erde kein Trinkwasser abkaufen.
Nichtmal ihre Liebsten konnten sie damit aus dem Jenseits zurückerwerben.
Und nach der Dürre kam das Meer.
Und auch das Meer wollte das Geld nicht.
Es nahm lieber die Städte.
Es wollte lieber das Land, als nochmehr Papier und Plastik herumschwemmen zu müssen.
Welche Last das Wasser mit sich herumtragen musste, hatte man schon damals gesehen.
Als noch kleine, bunte Fischlein darin herumschwammen.
Und trotzdem wurde ihm immer mehr davon aufgehalst.
Man konnte nichtmehr darin baden gehen.
Die lachenden, planschenden Menschen in ihren bunten Badesachen verschwanden mit ihren Handtüchern von den Ufern.
Dafür stiegen die Temperaturen.
Bald gab es im Meer mehr Plastik als Leben.
Viele Meerestiere waren mit den Bäuchen nach oben auf den Wellen herumgeschwappt worden.
Hatte man nachgesehen, fand man mehr Plastik als Gräten oder Fleisch in den jetzt toten Lebewesen.
Die Erwachsenen jammerten.
Oder sie hatten aufgehört und ihre hübschen Augen verschlossen.
Hätten sie den Kindern damals doch nur zugehört.
Hätten sie sie nicht nur belächelt und zurück in die Gebäude gestopft.
Sie waren nie stolz auf sie gewesen, auf ihre Versuche, ihr Interesse und ihre Proteste.
Sie wollten Interesse für Politik von Kindern.
Dann hatten sie welches und sie versteckten es lieber wieder hinter den Betonmauern und Tischen.
Hinter Tafeln, Büchern und Heften.
Die Kinder hätten ja Recht oder sogar gute Ideen haben können.
Bloß nicht!
Man müsste sich Fehler eingestehen, pff.
Wozu die ganzen Unannehmlichkeiten, wenn man einfach die Augen verschließen und auf gewissen Social Medias darüber ablästern konnte?
Die meisten hatten verlernt zuzuhören, vergessen zu akzeptieren und ignorierten die Wahrheit.
Sie vergruben den Atommüll in der Erde.
Sie fuhren weiter in ihren stinkenden Blechkisten umher, verpesteten weiterhin die Luft der Städte.
Und wer sollte sie schon aufhalten, wenn sie niemandem lang genug zuhörten?
Wer sollte sie eines besseren belehren, wenn sie sich Weiterbildungs-resistent verhielten?
Aber sie mussten bald einsehen, wie wertlos die Geschwindigkeit doch war.
Wertlos, im Gegensatz zu sauberer Luft.
Früher hätten sie das noch ändern können.
Jetzt war es zu spät.
Jetzt jammerten sie nurnoch.
Beschwerten sich über den Mundschutz.
Über die dicke, stickige Luft und den grauen Himmel.
Dabei war das Grau noch besser als die Sonne.
Sie erinnerte sich noch, schwelgte in angenehmeren Erinnerungen.
Schwelgte im Gedanken an den Sommer.
Sie hatte ihn genauso geliebt wie er.
Sie lächelte kurz traurig, ehe sie dem vorgesehenen Pfad ihrer Gedanken weiter in den Wald der Erinnerung folgte.
Die Mädchen in, für ihren Geschmack um einiges zu kurzen Hosen und knappen Tanktops.
Oder die bunten, hübschen Kleider und hochgesteckten Haare.
Jetzt trug man selbst im Winter manchmal kurze Hotpants, so warm war es teilweise.
Die flachen Sandalen und das Klackern der Stöckelschuhe auf dem warmen Asphalt.
Das Lachen in der beinahe überfüllten Eisdiele, die angenehme Wärme der Sonne auf der Haut.
Die Jungs in Tshirts oder offenen Hemden und kurzen Hosen.
Wie sie Abends mit den Mädchen tanzten, im Sonnenuntergang.
Wie sie Nachts mit ihnen Sterne zählten oder am Lagerfeuer saßen.
Am Strand noch im Meer schwammen und jauchzend in die kühlen Wogen rannten oder Fotos machten.
Wie die Kinder lachten und in der Schule saßen, lernten.
Am Kindertag mit leuchtenden Augen ihre Schokolade teilten und über ihre Lieblingsyoutuber redeten.
Später hatte es sich ein wenig verändert.
Die Kinder hatten nichts vom Kindertag gehabt, da sie für ihre Zukunft demonstrieren gingen.
Sie versuchten immerhin, etwas zu verändern.
Aber das hatte niemanden sonderlich gestört.
Sie wurden abgestempelt, angemeckert oder weggeschickt.
Sie wurden ignoriert und nicht ernst genommen.
Dabei hatten die klaren Kinderaugen die Gefahr als wahrhaftig ernst zu nehmendes Problem anerkannt, anders als gewisse Studierte. Immerhin konnten diese tolle Worte schwingen.
Auch die Anderen hatten es gesehen, doch leider erst als es zu spät war.
Augen, verschleiert von Machthunger, Habgier und Zerstörungswillen voller Egoismus hatten sie gehabt.
Die anderen, der kleine Teil, welche es sahen, hatten gelernt, wegzuschauen.
Oder sich mit den Kindern stark gemacht.
Aber ihnen ging es genauso wie den Kindern.
Sie wollen den anderen Angst machen, hieß es.
Ja, es war beängstigend.
Aber nur weil etwas Angst schürte, hieß das nicht, das es nicht real und nicht natürlich war.
Denn es war sehr zum Leidwesen aller, die Realität.
Aber weil sie nicht gefiel, wurde sie nicht als das was sie war anerkannt.
Was sie taten, das taten sie auch mit Bravour.
Sie ignorierten.
Denn, sie würden das ja eh nicht miterleben.
Ist ja nicht ihr Problem gewesen.
Aber sie vergaßen über ihre Ignoranz hinweg mal wieder etwas ganz wichtiges.
Ihre Kinder.
Sie müssten mit ansehen, wie die Bäume verschwanden und kahle Stellen in den sonst so dichten, üppigen Wäldern entstanden.
Wie ganze Wälder ihr Grün verloren und als zahnstocherähnliche Geister einen Hang bevölkerten.
So leer hatte es ausgesehen, so leer.
Sie mussten ertragen, wenn es immer wärmer und stickiger wurde.
Sie mussten zusehen, wie das Meer kam und ihr Zuhause beschlagnahmte.
Und sie starben in dem Wissen, das es zu spät war, und an dem Gift, welches sie selbst produziert und vergraben hatten.
An den Folgen dessen.
Aber jetzt war es ihnen auf die Füße gefallen.
Hatte sich wie Ranken um sie gewunden und zwang sie an Ort und Stelle stehen zu bleiben.
Krochen langsam, ganz langsam an ihnen hinauf, bis sie Hals und Kopf erreichten.
Gruben sich mit der schaurigen Wahr-und Gewissheit direkt in ihre Schädel.
Drückten solange zu, bis ihnen die saubere, klare Luft zum atmen fehlte, die ihnen früher einmal so egal gewesen war.
Sie war ja nichts besonderes gewesen, sie war ja selbstverständlich.
War sie aber nicht, wie sie schon bald feststellten.
Sie war kein erfreuliches Nebenprodukt eines ganz natürlichen Prozesses der in einer Pflanze ablief.
Sie war etwas bedeutendes, lebenswichtiges.
Irgendwann schlossen sich udie Jahreszeiten an.
Sie gingen mit.
Nur der Sommer blieb und wich ab und an dem Winter.
Es war ungewiss, ob es ein Wechsel der Gegensätze war oder ob es selbst im Winter warm bleiben und nichtmal ansatzweise kalt werden würde.
Und so verlernten die Kinder der Kinder den Frühling und vergaßen den Herbst. Sie sprangen nie in bunte, frsich zusammengeharkten Blätterhaufen und sahen nie, wie sich die ersten, starken Blüten der ersten Blümchdn durch den langsam schmelzenden Schnee gruben.
Sie lernten den warmen Sommerregen, in dem Sie mit Ihm so gern getanzt hatte, garnicht mehr kennen.
Diese Kinder lernten die Welt, wie sie mal war, garnicht mehr kennen.
Hörten nur in Geschichten davon.
Wuchsen mit Mundschutz auf und atmeten die verstaubte Luft dadurch zummindest ein wenig gefiltert.
Glaubten, der Schutz sei ein ganz normales Kleidungsstück, das man ab und an mal wechseln musste.
Sahen ihn als so alltäglich an, wie man früher die Hosen gesehen hatte.
Zuerst war es etwas gewesen, das Ärtzte trugen.
Dann kam es als Modeerscheinung und als Schutz bei einer Viruspandemie, jetzt war es ein Kleidungsstück wie eine Jacke oder Strümpfe.
Nichtmehr wegzudenken und irgendwie wichtig.
Der Sommer war toll gewesen, eine von vier Jahreszeiten.
Doch sie hatten sich fast immer nur beschwert, denn die Temperatur war nie recht gewesen.
Dabei gab es kaum Grund zum beschweren.
Hätten sie einfach genossen und zu schätzen gewusst, wäre ihre Erde vielleicht nicht zu Grunde gegangen.
Und den Sommer konnte man vergessen.
Es wurde so heiß, das man wortwörtlich die Bordsteine hochklappte.
Keiner ging mehr auf den Straßen mit dem bröckelndem Asphalt entlang, keiner ging in dieser staubigen Wüste spazieren um zum nächsten Freibad zu gelangen.
Es war so heiß, das selbst der Asphalt an einigen Stellen klebrig-zäh wurde und die Luft zu flimmern begann.
Er würde an den Schuhen haften, so warm wurde es.
Und ja, sie würden zu Fuß gehen.
Die Autos wurden umgestellt, aber da war es bereits zu spät.
Immerhin hier hätte es Fortschritt gegeben.
Aber auch nur, weil man die benötigten Stoffe wechseln musste, denn die alten waren beinahe verbraucht.
Nun jedoch fehlten die meisten Rohstoffe und die Menschen, sie zu gewinnen.
Auch von dieser Art gab es nichtmehr so viele wie früher.
Denn die Erde wurde immer wärmer, die Temperaturschwankungen stärker.
Und diese armen Kinder kannten keine Schnee.
Keine Schneestürme, keine im eisigen, beinahe stechenden Wind umherwirbelnden, tanzenden Schneeflocken und das morgendliche in der Sonne Glitzern eines unberührten Feldes voll mit dem kalten, weißen Pulverschnee.
Als bestünde er aus tausend und einem kleinen Diamanten so hatte er geglitzert.
Sie kannten dieses wunderbare Knirschen unter den dicken, verzierten mit Pelz gefütterten Stiefeln nicht und sie kannten die Wölkchen, die der Atem dann in der Luft bildete nicht.
Es wurde nurnoch kalt.
Es schneite aber nichtmehr.
Auch keine echten Weihnachtsbäume kannten sie.
Nur Plastikbäume.
Und davon gab es ja mehr als genug.
Zuerst fraßen die Fische das Meeresplastik.
Die toten Fische wurden von Möwen und anderen Wasservögeln gefressen.
Irgendwann hatten die Tiere mehr Plastik als rote Blutkörperchen im Körper.
Und auch wir hatten Plastik im Körper.
Vielleicht war das gerecht, dachte sie bei sich.
Der Gedanke flog einfach vorüber, ohne das sie irgendeine weitere Form von bedauern fühlte.
Die Menschen hatten die Erde damit zugeschüttet, sie konnte es nicht abbauen. Trotzdem hatten sie weitergemacht.
Jetzt erging es unseren Körpern genauso wie unserem Planeten, überlegte sie.
Sie waren als rücksichtsvollere Wesen mit starkem Überlebenswillen aufgetaucht, aber hatten sich im Laufe der Zeit wohl irgendwie zum Parasiten entwickelt.
Es war der Erde nicht anders ergangen, als den Kindern.
Man hatte sie ignoriert.
Sie und ihre stummen Hilfeschreie.
Zuerst war ihre Lunge verbrannt.
Menschen zündelten, bewusst oder unbewusst weil sie nicht weiter nachdachten was Glas, Zigaretten und Co auf trockenem Material auslösen könnten und Waldbrände entstanden.
Die grüne Lunge der Erde ähnelte mehr und mehr einer Raucherlunge.
Teils gewollt und teils durch "Zufälle" brannten viele Waldstücke lichterloh.
Es war keine gute Idee der Götter gewesen, uns das Feuer in die Hand zu geben und uns Fortschritt und die Forschung nachzuwerfen.
Den Gott der das Feuer auf die Erde brachte, hätten die anderen schon um einiges früher an ein Felsmassic ketten sollen.
Und selbst das Haar der Erde wurde löchriger, als würde sie es sich vor Verzweiflung ausreißen.
Dabei brauchten sie die schützende Ozonschicht doch genauso sehr wie unseren Sauerstoff, den alle atmen.
Den hätten sie alle gebraucht.
Vor Wut wurde die Erde immer und immer wärmer.
Die Menschen wunderten sich, warum kein Schnee mehr fiel.
Die Kinder waren traurig darüber.
Vermissten das herumtollen darin, das Schneemänner und Iglus bauen, die Schneeballschlachten.
Als es zu warm wurde, brachen die Schilde unserer Erde.
Das Wasser kam, der Meeresspiegel stieg an.
Jetzt, wo die Erde nichts mehr zu verlieren hatte, wollten ihr alle helfen.
Aber jetzt wollte sie nicht mehr.
Hatte kein Interesse mehr daran, es war wohl einfach zu spät.
Sie hatte jahrelang geschrien.
Um Hilfe gebeten und Zeichen gesendet.
Hatte zu allen gleichermaßen gesprochen.
Aber sie hatten nur ihren bunten kleinen Scheinchen und den matallischen Münzen beim rascheln und klimpern zugehört.
Den dieses Medium regierte sie wohl alle.
Und so hatten sie verlernt ihrer eigentlichen Lebensgrundlage Gehör zu schenken.
Weil sie ja selbstverständlich und unkaputtbar war.
Und wenn sie doch kaputt gehen würde, igendwer würde das schon wieder für sie richten und alles würde gut werden.
Aber halt nicht sie, die auf ihre Retter und Helden gewartet hatten.
Übersehen hatten, wie sehr Held jeder einzelne von ihnen hätte sein können. Hätte sein müssen.
Nein, diese Menschen warteten lieber als ihre Rettung mal selbst in die Hand zu nehmen.
Man hätte ja aktiv werden müssen.
Das könnten ja die anderen machen.
Außerdem würde es doch eh nur unangenehmes Gerede und vorschnelle Urteile geben.
Als die Schilde der Erde letztendlich gebrochen und in ihren salzigen Tiefen geschmolzen waren, hatten die Menschen angefangen zu verstehen.
Das sie blind und dumm gewesen waren.
Das sie hätten helfen können.
Aber sie hatten ihre Erde im Stich gelassen und sie ignoriert, als sie ihre Hilfe am meisten gebraucht hätte.
Aber geändert hatten sie erst etwas, als es längst zu spät dafür und Veränderung beinahe sinnlos war.
Da war die Erde erhört wurden, aber nicht von uns Menschen, nein.
Wir kamen erst, als es zu spät für uns und sie war.
Ihre Helfer jedoch hatten den Peinigern der Erde Hungersnöte geschickt.
Hatten Stürme freigesetzt.
Unsere Erde hatte gebebt vor Wut, erinnerte sie sich.
Viele Häuser waren in sich zusammen gefallen wie von Kindern gebaute Kartenhäuschen.
Doch es war kaum Zeit gewesen, sie alle wieder aufzubauen.
Und so fand man an einigen Stellen immernoch staubige Straßen, ehemalige Ortschaften die jetzt wortwörtlich in Schutt und Asche lagen.
Sie hatte es erlebt.
Wie die Erde erzitterte, erbebte und vor Wut weinte.
Sie hatte die Tränen gesehen und die Hungersnöte mühseelig überlebt.
Hatte die Gebäude einstürzen und die Bäume zittern sehen.
Die Tiere sterben und das Meer riesige, bedrohlich dunkle Wellen schlagen gesehen.
Jetzt, wo sie so hier saß, auf dieser Bank, fiel ihr so vieles wieder ein.
Die ganzen Geschichten, die sie damals geschrieben hatte.
Aber niemand hatte sie lesen wollen.
Die Geschichten, die sie vorgelesen hatte.
Aber niemand hatte sie hören wollen.
Irgendwann hatte sie zu Schweigen angefangen.
Wozu mit Menschen reden, die nicht zuhörten?
Wozu gegen Ignoranz wie gegen eine massive Wand anlaufen?
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, aufzugeben?..
Irgendwann hatte die Erde dann nichts mehr zu verlieren.
Als sie das Begriff, wurde sie traurig.
Aber sie weinte nicht.
Sie ergraute.
Wie eine alte Frau, die des Lebens müde geworden war.
Nur das Erde an dem Gift, welches ihre Schützlinge produziert hatten, zugrunde ging.
Und da sie nichts mehr zu verlieren hatte, zerstörte sie auch sich selbst, wie ein Mensch wenn er keinerrlei Hoffnung mehr besaß.
Aber sie wollte ihre Schützlinge mitnehmen.
Wer hätte es ihr schon verübeln können?
Es gab mal mehr von ihnen, als es der Erde lieb war.
Zu viele waren sie geworden.
Zu viele, um sie zu halten und zu viele, um sie noch ausreichend zu ernähren.
Egoismus herrschte.
Doch später waren es nichtmehr zu viele gewesen.
Nunja, zu viele war wohl nicht ganz passend, denn für die wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen waren es immernoch zu viele.
Immerhin schossen heute keine Städte mehr wie Pilze aus dem Boden.
Doch heute galt beinahe das selbe wie früher.
Einzig und allein die bunten Papierscheine bestimmten, wem es gut ging und wem nicht.
Wer in besseren und wer in schlechteren Häusern wohnte und wer nicht.
Auch, wenn sie verstanden hatten, wie wertlos ihr buntes Konfetti doch im Gegensatz zu Leben war, wollten sie es nicht hergeben.
Sie klammerten sich daran fest, als hinge ihr gesamtes Leben davon ab.
Dabei entschied das Papier doch nur, wer hier ein wenig länger seine Zeit fristete und wer nicht.
Albern war das, dachte sie bei sich.
Albern.
Aber gut.
Der Glaube und das unveränderliche gaben dem Menschen vielleicht noch Hoffnung.
Für sie war das Ganze nicht nachvollziehbar.
Nichtmehr.
Und sie überlegte weiter.
Sie zog die runzlige, sonnengebräunte Stirn in Falten.
Der Teufel musste längst gegangen sein.
Selbst in der Hölle müsste es kühler sein als bei uns, dachte sie und lächelte bei dem Gedanken tatsächlich ein wenig.
Humor blieb, selbst wenn man von allem anderen verlassen worden war.
Bizarr, dachte sie bei sich.
Bizarr.
Ihre matten Rehaugen blinzelten.
Der Mundschutz verdeckte vielleicht das Lächeln auf ihren Lippen, aber ihre Augen, die Fenster zu ihrem Herzen konnte er nicht verbergen.
Und das sollte er auch garnicht.
Denn es gab doch noch Dinge, die man als positiv werten konnte.
Es mochte vielleicht zu spät für eine Rettung sein und vielleicht war es grausam, aber es gab trotzdem noch schöne Momente.
Seltener, versteht sich.
Aber im Gegensatz zu vielen Tieren sie waren nicht ausgestorben.
Das Kinderlachen konnte man vereinzelt auch noch auf den Straßen der Städte hören.
Man musste nur etwas genauer hinhören als früher.
Leiser, war es geworden.
Doch ganz verstummt war es nie.
Egal in welche Welt man ein Kind bringen würde, es würde etwas positives darin finden.
Es würde alles tun, um dich zum Lachen zu bringen und es wollte helfen.
So wie die Kinder damals.
Die Kinder, die jetzt traurige Erwachsene waren, die grau auf dieser farblos-bunten Welt wandelten und der Erde beim zerstören zusahen.
Schweigend, versteht sich.
Alt waren sie geworden, wie sie, die hier auf dieser Bank saß.
Aber viele von ihnen waren längst gegangen.
Sie hoffte, das sie alle an einem besseren Ort waren.
Mit Menschen, die bereit waren zuzuhören.
Das sie ihre Sprache wiederfinden und endlich erhört werden würden.
Sie wünschte es sich, es entspräche ihrem Sinn für Gerechtigkeit.
Denn sie alle hatten eine von vornherein aussichtslose Schlacht geschlagen.
Und sie hatten, wie hätte es anders sein können, verloren.
Sie hatten alles gegeben und waren trotzdem nicht weitergekommen.
Sie hatten gegen buntes Papier und verschlossene Augen verloren.
Sie hatten gegen eine Zahl verloren.
Und da sag nochmal jemand, im Alter werde man weise und die Kinder würden mit Tollpatschigkeit und Unwissen alles ausversehen kaputtmachen.
Würde dies jedoch stimmen, wäre ein Großteil der Bevölkerung wohl erst 5 Jahre alt und noch Unwissenheit in Person.
Trotz guter Schulbildung.
Auch die, die sich für so weise hielten, während sie den anderen weismachten, das doch nichts war.
Das die Kinder ja nur eine Ausrede fürs Schwänzen brauchten als sie auf die Straßen gingen und Langeweile sie verdorben habe.
Dabei hatten sie etwas, was sie in keinem Unterricht dieser Welt hätten erlernen können.
Sollte da noch einmal jemand sagen diese wetternden Leute seien alt und weise.
Die Kinder hatten die Hilfeschreie gehört.
Hatten die Veränderung gesehen und sehen wollen.
Durch ihren einfachen Blick.
Durch ihre einfache Art, die Dinge zu verstehen und trotzdem zu wissen, das dieses Problem eine gewisse Komplexität besaß.
Die Dinge so zu sehen, wie sie sind und wie sie waren lag wohl schon immer in ihrem Wesen.
Wann hatte man dies auf dem Weg des erwachsen werdens nur verlernt?
Wann hätte man diese Fähigkeit verloren?, fragte sie sich und fühlte nun doch eine Art Bedauern in sich aufsteigen.
Kinderlogik war so herrlich einfach, ein wenig erfrischend.
Keine Fachbegriffe und kein drumherumgerede.
Etwas lief schief?
Dann bieg es doch einfach wieder grade.
Ein Felsblock lag im Weg?
Dann hol dir Hilfe und räum ihn weg oder geh doch einfach darum herum.
Die Erwachsenen belächelten das gern mal.
Aber tatsächlich hätten sie nur ihr überkompliziertes Geschwafel in einfache Worte kleiden und ihre vorgesehenen Pläne umsetzen müssen.
So einfach wäre es gewesen.
Und vorallem hätten sie mal miteinander reden müssen.
Solang, bis es Kompromisse gab.
Lösungen und keine leeren Reden und Versprechungen.
Als Kind lernte man, man solle welche eingehen um Streit zu vermeiden und damit jeder etwas davon habe.
Fairness un so.
Das man nur versprechen durfte, was man auch halten konnte.
Das man nicht lügen sollte.
Was hatten die Erwachsenen getan?
"Ihr Land beschützt".
Bedeutete, Soldaten wie Spielfiguren auf einem Feld in Position zu bringen und sie dann aufeinander schießen zu lassen.
Mensch gegen Mensch.
Leben gegen Leben.
So lange, bis einer der beiden keinen Nerv mehr dazu hatte und ein Frieden ausgehandelt wurde.
Aber sie sahen nicht, das Frieden keine leeren Worte auf Papier war.
Frieden musste man wollen, nicht erzwingen, sonst würde er bröckeln.
Wäre durch und durch instabil, würde beim feinsten aufkommenden Schwall Misstrauen bröckeln und immer weiter brechen.
Und man musste ihn wie Freundschaften pflegen.
Sonst würde er zerreißen wie das Papier, auf das er geschrieben war.
Und Frieden hatte keine Bedingungen um den einen einzuschränken und dem anderen Vorteile zu verschaffen und er kannte nur eines, was man einhalten musste: keine Gewalt und keine Waffen.
Kein Hass.
Aber das war den Menschen nicht möglich.
Sie hassten einander bis aufs Blut und ließen ihre Spielfiguren tanzen.
Rammten sich gegenseitig Messer in die Rücken und fielen über einander her.
Beschossen sich, warfen zu groß geratene Böller aufeinander.
Zerstörten die Städte des jeweils anderen, übersahen dabei die Leute, die damit garnichts zu tun hatten.
Auch eine Lösung um das Problem der Überbevölkerung zu lösen, nichtwahr?, hakte die leise, von Sarkasmus durchtränkte Stimme in ihrem Kopf nach.
Sie konnte nicht anders als ihr zuzustimmen.
Sie alle schrieben Worte auf Papier oder stellten sie ins Internet und dachten nicht über die Wirkung nach, sie hielten Reden und drohten einander.
Am liebsten hörten sie sich scheinbar selbst reden.
Aber sie nahmen sich ihre eigenen Worte, beziehungsweise die ihrer Ghistwriter, nicht zu Herzen.
Sie redeten nur, lasen die Worte vom Papier ab.
Saugten sie aus wie ein Vampir sein Opfer, ohne auch nur ein einziges Wort davon wirklich und wahrhaftig in sich aufzunehmen.
Vielleicht sprachen sie auch nur, um die Stille zu füllen.
Aber sie merkten dadurch nie, wie schön die Stille sein konnte.
Wie erholsam.
Denn die Stille besaß eine ganz eigene Art von Frieden.
Aber auch die leer gesaugten Worte der Mächtigen hatten nichts gebracht.
Die Erde verdorrte.
Der Wald, an dem die Stadt in der sie wohnte, einst lag, war einer weitläufigen Savanne gewichen.
Verdorrte Pflanzen auf ausgetrockneten, staubigen ehemalig als Felder genutzen Flächen.
Grauer Himmel oder segende Hitze.
Tja.
Die Haare der Erde wären mehr wert gewesen als Papier und Gerede.
Dann hätten sie wenigstens ein wenig Schutz vor der brennenden Hitze und dem starken UV-Licht gehabt.
Der Teufel hatte diese Welt verlassen, da er gesehen hatte das der Mensch ihn nichtmehr brauchte.
Er musste kein Leid mehr sähen, keine Krankheiten überbringen oder den Tod vorbeischicken.
Das tat der Mensch von ganz allein.
Und sein Mitgefühl schwankte und wich dem Egoismus.
Sie lernten wohl nie aus ihren Fehlern.
Ob sie das jemals tun würden?
Wer weiß.
Wer wird es schon wissen?
Selbst Gott muss sich abgewandt haben.
Seine Kinder haben ihre Macht missbraucht und ihren Schutz hinterrücks erstochen und vergiftet.
Selbst den Teufel haben sie vergrauelt.
Währt ihr auf solche Kinder Stolz und würdet ihr denen noch helfen?
Nein.
Nein, würdet ihr nicht, auch wenn es eure Fantasie war, die sie einst in diese Welt brachte.
Eure Hände, die sie formten und eure Macht, von der sie ein Stück abbekamen.
Die ihnen das Feuer gaben, welches der Erde ihre Lungen nahm.
Es war zu ihrem Schutz gedacht gewesen, vor den anderen, pelzig-scharfzahnigen Erdbewohnern und nicht dazu, ihrer Zerstörungswut eine Möglichkeit zu wüten zu geben.
So kann man Dinge auch abwandeln.
Zweckentfremden.
Wäre sie Gott, dachte sie bei sich, sie würde ihre Kinder fressen.
Sie war schon so lange auf dieser überfüllten Welt gewesen.
Sehr lange.
Sie hatte im Schatten der Bäume gespielt, war durch die Straßen getanzt und hatte in den Seen gebadet.
Sie hatte die Katastrophen überlebt und war ihrer Arbeit nachgegangen.
Sie hatte eine Wohnung, hatte einen besonderen Menschen kennengelernt und mit ihm gelebt.
Er war gegangen, sie war geblieben.
Sie spürte, das es bald Zeit sein würde, zu ihm zu gehen.
Dieser Welt und ihren Mördern den Rücken zu kehren.
Vielleicht würden Gott und sein Gegenspieler ja wiederkommen.
Gemeinsam würden sie seine Kinder weggeben und ihr Meisterwerk retten.
An der Keksdose in ihrer Wohnung hing ein Zettel.
Ein Briefchen.
Mit dem wichtigsten.
Ihre Sachen sollten sie nicht verbrennen.
Das Feuer hatte schon mehr gefressen, als ihm Zustand.
Der nächste Bewohner sollte entscheiden.
Was kümmerte es sie, was er mit dem kleinen Tisch im Flur tat?
Ob er ihn umstellte oder nicht?
Es konnte ihr egal sein und es war ihr egal.
Aber diese Gegenstände sollten nicht vergraben werden, wie einst der strahlende Müll.
Sollte nicht verbrannt werden wie die Wälder und sollte nicht das Meer bevölkern wie all die Plastiktütenquallen.
Sie könnten es recyclen.
Etwas neues aus dem Alten machen.
Sie könnten zwar neue Möbel daraus machen, aber keine neue Erde.
Deshalb war es ihr egal.
An der Keksdose mit dem bunten Papier und den runden Metallstücken, die ja doch so wenig wert waren, hing noch ein kleiner Klebezettel.
Spendet es oder zerreißt es, es ist ja letztendlich doch nichts wert.
Ihr habt begriffen, das ihr es weder essen noch damit düngen oder die Erde basteln könnt, aber trotzdem tut ihr so, als würde das Leben davon abhängen.
Ist ja nichts neues für Menschen, die Leben mit Geld aufwiegen.
Ich bin zu ihm gegangen.
Jetzt sitzen wir zusammen auf unserer Wolkenbank.
Und so würde es sein, da war sich sie sicher.
Sie stand auf.
Langsam, ihre alten Knochen knackten.
Sie streckte sich.
Sie sah zum Himmel auf und lächelte.
Ich komme zu dir, wie ich es versprochen habe.
Ich habe entschieden, das meine Zeit jetzt gekommen ist, so, wie die Erde das eines Tages auch tun wird.
Das möchte ich nicht erleben.
Ich habe sie eine Zeit lang begleitet und ich liebe sie aus tiefstem Herzen.
Sie ist wunderschön.
Aber so, wie der Mensch sie gemacht hat, erinnert sie mich an mich.
Sie ist ergraut, allein und gebrechlich.
Jeden Tag, jede Sekunde könnte es vorbei sein mit ihr und ihren Schützlingen.
Und sie ging einen Schritt.
Die Wolkendecke des Himmels riss ein Stück auf.
Gab den Blick frei auf Sterne.
Und sie sah zu den Sternen auf, wie sie es früher immer tat.
Sah, wie es langsam aufhellte.
Früher hätte sie jetzt Rehe gesehen und Hirsche und Füchse.
Dachse und Luchse auf Beutesuche.
Die Blumen hätten sich langsam geöffnet, die ersten Bienen wären durch die Luft geschwirrt.
Der Morgentau, der die Gräser und die saftig-grünen Blätter der Bäume zum glitzern und funkeln brachte.
Die Tautropfen die die ersten, zarten Sonnenstrahlen brachen.
Erste Vögelchen, die langsam erwachten und zu singen begannen.
Die Sonne begrüßten und sich ankeiften.
Der laue Sommerwind, der am Morgen noch kühl war und mit ihren Haaren spielte.
Das Rauschen des Windes wenn er durch das weite Gerstefeld fuhr, die Halme die im Wind wogten und den Eindruck eines goldgelben Meeres hinterließen.
Und heute war das Meer wirklich da.
Sie hatte so oft mit ihm am Morgen hiergessen.
Die Sonne beobachtet, den Moment in dem sie aufging auf einem alten, verblassenden Polaroidbild festgehalten.
Das abgewetzte alte Bild, welches sie jetzt in ihrer Hosentasche bei sich trug.
Wie die ersten Strahlen langsam über den Horizont wanderten und das Feld zum Strahlen brachte.
Wunderschön war es gewesen.
Sie wünschte sich, soetwas bald wiederzusehen.
Und vielleicht würde sie das ja.
Sie hatte schon längst keine Angst mehr vor dem Sterben.
Was würde wohl passieren, wenn die Erde zerfiel?
Würde das eine Wirkung auf das Universum haben?
Hatte die Erde auch jemandem, zu dem sie so gerne wollte?
Den sie verloren hatte?
Was würde passieren wenn die Menschen einsahen, das man ein solches Kunstwerk nicht mit Zahlen beschreiben, nicht mit Buchstaben bewerten konnte?
Es würde doch immer etwas geben, was der Mensch nicht verstand.
Aber der Mensch musste die Welt ordnen, um glauben zu können, er würde sie verstehen.
Aber würde er sie wirklich verstehen, hätte er ihr zugehört, als sie schrie.
Er konnte es nicht einfach akzeptieren, Nein.
Er musste versuchen zu erklären.
Sie trat noch näher an den Abgrund.
Sie konnte die schmutzig-grauen Wellen unter sich sehen.
Die Gummieenten, die Ersatzmöwen auf den Wellen.
Die durch das Salzwasser rauen, spitzen Felskanten.
Sie fragte sich, ob man sie auf Arbeit vermissen würde.
Ob es überhaupt jemandem in seinem eigenen Trott, seinem eigenen Alltag realisieren würde.
Würde es jemandem auffallen?
Bestimmt.
Ein, zwei Personen.
Man würde zu ihrer Wohnung gehen und die Zettel finden.
Und wissen, wo sie war und was sie getan hatte.
Und wissen, das man ihr nichtmehr helfen konnte.
Nicht mehr.
Dafür wäre es zu spät.
Man würde sehen, lesen das sie ihren Job gehasst hatte.
Eingepfercht in einen durch Plastikwände geteilten Raum.
Vollgestopft mit Akten.
Kaum Platz für den Schreibtisch, auf welchem die kümmerliche Blume vor sich hin rottete.
Geschweige denn für einen Menschen.
Früher hätte sie Rente gekriegt, wovon sie hätte leben können.
Jetzt erhielt sie sich mit ihrem Bürojob das Leben.
Die Nahrungsmittel waren teuer geworden durch die Dürren und den Platzmangel.
Kaum Felder, zu viele Menschen und dann die Dürren, das war Gift für Pflanze und Bauer.
Sie hatte zwar Geld, aber sie aß wenig.
Sie teilte.
Mit den Kindern auf der Straße und den Arbeitern, die von Bäumen träumten.
Mit den Tagträumern und Nachtaktiven.
Mit den ehemaligen Verkäufern und den jungen Leuten.
Und jetzt würde sie ihren Arbeitsplatz räumen, für einen von ihnen.
In der Hoffnung, er würde genauso teilen wie sie.
Ihr Blick hob sich.
Sah den Sonnenaufgang.
Den rosaroten, apricó- farbenen Himmel.
Die zarten Wolken davor, verblassende sterne im Hintergrund.
Goldenes Licht, welches das Meer zum funkeln und den Müll für einige Zeit verblassen ließ.
Früher hatte man seinen Göttern Opfer dargeboten.
Sie wollte dem Wächter jedoch kein buntes Papier und Gold schenken.
Sie wollte ihm kein Brot geben und keinen Wein anbieten.
Sie würde ihm ein anderes Geschenk machen.
Sie würde ihm eine Erinnerung geben.
Sie zog das alte Polaroidbild aus ihrer Hosentasche.
Ganz zerknittert war es.
Aber es hatte nichts von seiner Schönheit eingebüßt.
Und die Erinnerung war stärker als das Vergessen und Verblassen.
Eine alte Kamera zog sie, dann machte es Klick.
Das Foto lief heraus, sie schüttelte es und warf einen Blick darauf.
Ein wunderschöner Sonnenaufgang lächelte ihr sanft entgegen.
Sie würde ihm ihren letzten Sonnenaufgang hier mitbringen und in ihr strahlendstes Lächeln verpacken.
Dem Wächter würde sie ein wirklich wertvolles Geschenk geben.
Sie würde ihn nur bitten, gut darauf Acht zu geben.
So wie sie es einst getan hatte.
Ein Leben lang.
Sie würde sich nur wünschen, Ihn endlich wieder in den Armen halten zu können.
Erdbeereis essend auf der Bank sitzen und lachend Sonnenauf- und Untergänge zu betrachten.
Im Regen zu tanzen und frei zu atmen.
Und in diesem Moment sah sie, das es selbst jetzt, selbst hier noch ein kleines bisschen Magie gab.
In jeder Ecke, in jedem Tropfen des wundervollen, sanften Sonnenlichtes.
In jedem von uns.
Und vielleicht, ganz vielleicht gäbe es für diese Welt ja doch noch Hoffnung, dachte sie bei sich.
Auch, wenn sie letztendlich nur eine von den Dingen sein würde, welche unter den Menschen gebrochen, welche von ihnen zerstört worden waren.
Letztendlich war sie nur eine von vielen gebrochenen Dingen auf dieser Welt.
Und es machte ihr nichts.
Nicht mehr.
Sie war stolz darauf.
Stolz darauf, ihre eigenen Konflikte gelöst, ihr Leben gelebt und durchgehalten zu haben.
Trotz allem hatte es sich gelohnt.
Vorsichtig lösten ihre knochigen Hände die Knoten.
Nahmen den Mundschutz von ihren Lippen.
Es fühlte sich an als würde sie eine Barrikade entfernen.
Sie lächelte, schloss die Augen.
Genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer runzligen Haut.
Dann tat sie die letzten Schritte.
Ihre letzten auf dieser Welt.
Über das gelbliche Gras.
Auf den Abgrund zu.
Sie hatte keine Angst.
Sie fühlte Zufriedenheit.
Ein letzter Atemzug, ein letzter Schritt.
Sie sprang nicht, sie ging wortwörtlich von dieser Welt.
Sie öffnete ihre Augen, genoss den Fall.
Sah der Sonne beim Kampf gegen die Wolken zu.
Sie wusste, das sie bald bei ihm sein würde.
Sie wusste, das jetzt alles gut werden würde.
Den Aufprall fühlte sie nicht.
Sie wollte scho immer einmal fliegen.
Diese Sehnsucht, die sie ein Leben lang hatte.
Dem Himmel entgegen, den Häusern beim kleiner und immer kleiner werden zusehen.
Sie brauchte sich nicht zu fürchten.
Denn in diesem Moment war sie voll Zufriedenheit.
Sie war stark.
Dann stieg sie, mit zwei Bildern in den Himmel auf.
Zu einer Bank in den Wolken.
Sie hielt ihn endlich wieder in den Armen.
Dem Wächter gab sie eine Erinnerung.
Er ließ sie passieren, lächelte und bedankte sich.
Beinahe hatte er Tränen in den Augen als er sich das Bild besah und seine Geschichte hörte.
Die Erinnerung an sich nahm.
Und er tat sie in eine Tasche, direkt über seinem Herzen.
Jetzt trüge er das Schönste aller Geschenke immer bei sich.
In seinem Herzen.
Dafür war er dankbar.
Der Wächter wusste, was für ein wertvolles Geschenk sie ihm gemacht hatte.
Er würde es behüten und darüber wachen wie sie es einst getan hatte.
Das versprach er ihr.
Jetzt, wo Sie wieder mit Ihm auf der Bank saß, seine Nähe spürte, in seinen Armen lag, seinem Herzen zuhörte, seiner Atmung lauschte und sein Lachen hörte war sie sich sicher.
Jetzt war alles gut.
Ende
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~6004 Wörter
And a real struggle while overthinking this story, lmao.
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