Kapitel 16

,,Wieso tun sie so etwas?", brachte sie zitternd hervor, bevor sie, bäuchlings, einschlief.

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Traurig blickte die braunhaarige auf Liv hinab. Warum wollte sie gestern auch fliehen? Es war schon wieder Zeit für die nächste Vorstellung weshalb sie leise das Zimmer verließ und ihre Schminke noch mal auf frischte. ,,Los, geht endlich raus!", sagte auf einmal einer von Jeff's Jungs. Die Mädels und zwei Andere verließen den Raum und gingen hinten rum auf die Bühne. Sofort blickte alle auf die Bühne und es wurde etwas ruhiger. Ein paar Andere nahmen die Bestellungen auf und stöckelten durch die Sitzreihen. Seit einigen Tagen saß in Block B eine Gruppe Männer, die ziemlich viel Geld hatten. Sie wollten immer in der ersten Reihe sitzen und die besten Plätze haben. Selina versuchte gerade sie zu beschäftigen und sah immer zu ihnen hin. Einen von ihnen schien dies sehr zu gefallen und er bedeutete ihr näher zu kommen. Mit eingestimmten Bewegungen bewegte sie sich auf die Gruppe zu und machte reizende Gesten. Nachdem er ihr 250$ in ihren Ausschnitt gesteckt hatte, schwang sie sich auf die Bühne und machte gleich eine waghalsige Drehung an der Stange.

Was Selina nicht wusste ist, dass Marcell im selben Moment die Prozedur vom vorherigen Tag mit Liv wiederholte.

Noch bevor die Mädchen spät in der Nacht in das Zimmer kamen lag Liv wieder im Bett und versuchte die Erinnerungen der vorherigen Stunden aus zu blenden. Er hatte ihr eine neue Narbe im Gesicht verpasst. Diese verlief jetzt senkrecht über ihre Lippe.

So leise wie möglich versuchten sie nach einander duschen zu gehen und sich ins Bett zu legen. Milo raschelte jedoch so laut mit den Ketten, als er sie wieder ans Bett machte, dass sie verschlafen blinzelte. Ihre Augen waren von den Tränen verklebt und ihr Mund tat höllisch weh. Genau wie ihr Rücken. ,,Schlaf weiter", riet Selina ihr. Die Anderen hatten sich mit Drogen so vollgepumpt, dass sie jetzt schon schliefen. Sie selbst hielt sich immer etwas zurück. Es sollte nur die Hände und Blicke der Männer verschleiern und sie nicht ganz umhauen. ,,Er war wieder hier", flüsterte sie schwach und sah durch die Dunkelheit zu der Brünette. ,,Was hat er getan?", fragte sie leicht wütend. ,,Er... Ich kann nicht.... Ich habe eine neue Narbe", brachte sie schließlich nur raus und sank etwas zusammen. ,,Er sollte dich nicht so verunstalten", erwiderte sie nur und kuschelte sich in die dünne Decke. ,,Liv?" ,,Ja?", fragte sie und legte sich wieder auf den Bauch. In der einen Hand hielt sie die Kette von Dustin und in der Anderen den Stick. ,,Wie bist du eigentlich auf der Straße gelandet?" Liv schluckte schwer und rutschte unruhig herum. Sie redete nicht gerne darüber, da es ein ziemliches tief in ihrem Leben war. ,,Lass uns jetzt schlafen. Irgendwann erzähle ich es euch", antwortete sie nach einer Weile. ,,Okay."

Unsanft wurden sie von dem Wecker geweckt und Liv's Rücken, sowie Nacken war steif. Ihr Lippe war schorfverkrustet und ihr tat einfach alles weh. ,,Das meintest du mit neuer Narbe", sagte Selina und sah sie traurig an. Liv senkte den Blick und lehnte sich vorsichtig an die Wand. Die Beine hatte sie noch unter der Decke da es sonst zu kalt war und die Kette hielt sie in ihren zitternden Händen. ,,Macht euch fertig. In einer halben Stunde gibt es etwas zu essen", sagte irgendein Typ und befreite sie von den kalten Ketten. Als erstes gingen Selina und Liv ins Bad. Dort half sie ihr ihren Rücken zu säubern und Creme auf zu tragen. Auch auf ihre Lippe machte sie Creme und putzte sich dann die Zähne. Nachdem sie sich nochmal aufgefrischt hatte schnappte sie sich eine enge Leggings und ein lockeres T-Shirt. Schminken tat sie sich nur leicht, so dass die Narben im Gesicht nicht so doll zu sehen waren. Die unter ihrem Augen hatte sie ganz abgedeckt und die an der Lippe teilweise. Zusammen und mit Ballerinas an den Füßen machten sie sich auf den Weg zur Bar. Dort stand ein bisschen Obst und für jeden ein Butterbrötchen. Ja nicht übertreiben, dachte Liv und biss in einen grünen Apfel. Der Saft brannte auf ihren Lippen, doch sie liebte Äpfel und wollte daher weiter essen. Das Wasserglas trank sie auch schnell aus und ihr Brötchen ließ sie einfach liegen. Plötzlich zischte sie und kniff ihre Augen vor Schmerz zusammen. Marcell hatte sie von hinten umarmt und sich bewusst gegen ihrer Wunden gelehnt. ,,Na Kleine. Wie geht's uns denn heute?" ,,Super", fauchte sie und wand sich aus seinem Griff. Er packte sie jedoch und drehte sie auf dem Barhocker herum sodass sie ihn angucken musste. Zufrieden musterte er ihre Lippe und strich sanft darüber. ,,Weißt du noch...?" Er legte eine Hand auf ihre Oberschenkel und fuhr damit zwischen ihre Beine. ,,Dabei hast du Schmerz gespürt..." Hart drückte er seine Lippen auf ihre und biss auf ihre Unterlippe. Der Schorf ging wieder etwas ab und sie verfluchte ihn innerlich. Grinsend zog er sich zurück und beobachtete sie. Mit einer Hand fasste sie sich an die Lippe, während sie sich mit der anderen an die Theke klammerte. Selina sah mitleidig zu ihr rüber und trank ein wenig. Die Jungs waren ziemlich grob zu ihnen, doch so wie Liv behandelten sie kaum jemanden. Dabei hatte sie in so kurzer Zeit so viel Leid erfahren. Selina konnte darüber nur den Kopf schütteln. Das Einzige was sie tun kann ist für Liv da zu sein, und das versucht sie so gut es eben ging. ,,Du hättest gestern Abend kellnern sollen", hörte sie Marcell sagen und verdrehte die Augen. Zum Glück hatte er das nicht gesehen. ,,Aber du konntest ja nicht, weil du mit den Folgen deiner dämlichen Flucht zu tun hattest. Heute darfst du dich nochmal ausruhen, doch morgen wirst du kellnern", sagte er noch und zischte dann ab. Erleichtert ließ sich Liv etwas zurück sinken und fuhr sich einmal mit den Händen durch die Haare. Er raubte ihr noch den letzten Nerv. Nicht nur ihr. Auch Lee war am verzweifeln. Sie wollte mit Liv sprechen, sehen wie es ihr ging, doch Marcell hatte ihr den Zutritt verweigert. Durch den Hintereingang kam sie eh nicht und André, der wie immer im Keller vor der Tür zum Verneuil saß, hatte den Befehl sie nicht durchzulassen. Wütend setzte sie sich neben Finn an die Bar im Laden. ,,Keine Chance", sagte sie und bestellte sich ein Wasser. ,,Du wirst sie wieder sehen", sagte er und sah sie beruhigend an. ,,Hoffe ich. Wer weiß, vielleicht lebt sie gar nicht mehr!" Frustriert sah sie auf ihr Wasserglas hinab und spielte mit ihren Fingern. ,,Sie ist dir echt wichtig, was?" ,,Ja", antwortete sie leise und vergrub ihr Gesicht in den Hände. ,,Irgendwie muss es eine Lösung geben. Kann man die Jungs nicht ablen-" noch bevor er fertig sprechen konnte schnappte sie sich seine Hand und zog ihn mit raus. ,,Da drinne kann dich jeder hören und es gibt Kameras", sagte sie Kopfschüttelnd und zog ihn mit Richtung Hochhaus. ,,Die einzige Chance besteht darin, Jeff und seine Leute zu verraten. Ansonsten würden sie dich suchen und jeden den du liebst, dich einbezogen, töten", sagte sie matt. Aufmunternd legte er einen Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Gemeinsam gingen sie so zurück in die Wohnung.

,,Und wenn wir Jeff einfach verraten? Was hält uns denn davon ab?", fragte er leise und streichelte ihren Oberarm. Seufzend lehnte sie sich beim laufen etwas an ihn und genoss seine wärme, obwohl es hier draußen warm genug war. ,,Das muss genau durch geplant sein. Wenn wir auch nur ein bisschen falsch machen sind wir tot. So etwas können wir nicht riskieren." Bestimmt schüttelte sie den Kopf. ,,Und warum? Denk doch mal nach. Es gibt so viele die Jeff stürzen wollen. Was ist mit einem seiner Gegner?" ,,So weit kommt's noch, dass ich Gerome um Hilfe anbettel", schnaubte sie und zog ihn weiter vorwärts. ,,Aber dass ist es ja. Wir betteln ihn nicht an, wir schlagen ihm einen tausch vor. Ich versuche näher an's Verneuil zu kommen und währenddessen verbünden wir uns mit Gerome", sagte er und seine Augen glühten vor Freude. Lee fand ihn so süß. Er kannte Liv kaum und würde trotzdem so viel für sie und Lee tun. ,,Lass uns einfach in die Wohnung gehen", sagte sie leise und unterdrückte die Tränen.

Liv hatte ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen, denn sie dachte an Dustin. Inzwischen waren sie wieder in ihren Zimmern und sie klammerte sich an die Kette. Jede kleine Erinnerung versetzte ihr einen neuen Stich in die Brust, doch aufhören daran zu denken konnte sie auch nicht. Herzlos riss Marcell- der gerade ins Zimmer kam- sie mit sich, sodass sie vor Schreck die Kette fallen ließ und hinter ihm her stolperte. Schnell ging Selina zu ihrem Bett und hob die Kette vom Boden auf. Christina war gerade duschen und die anderen beiden suchten Klamotten raus. Sie hatte sich gerade die Haare geflochten, als Marcell Liv mitgenommen hatte. Traurig sah sie die Kette an. Es war eine wunderschöne Silberkette. Sie hatte ein ganz dünnes und feines Band, was dennoch fest hielt und ein Herz als Anhänger. In dem Herz war ein blauer Saphir der im Licht funkelte. Selina musste sofort an Liv's Augen denken. Sie hatten genau die selbe Farbe. Seufzend legte sie die Kette unter ihr Kopfkissen und ging dann raus um sich ein Kostüm zu suchen. (Bild) Als Schuhe zog sie hohe schwarze Leder High Heels an. Alle zogen ähnliche Kostüme nur in verschiedenen Farben an. Sofort ging sie auf die Bar zu und holte sich ein Tablett und einen Block, mit Stift. Schon auf dem kurzem Stück spürte sie die gierigen Blicke auf sich. Gleichzeit startete die Show auf der Bühne und das Licht wurde noch mehr gedämpft.

,,Was kann ich dir bringen, mein Hübscher?", fragte sie einen der Stammkunden. ,,Dich auf einem Silbertablett", lachte er und streichelte ihren Oberschenkel. ,,Ein Bourbon", zwinkerte er dann und sah ihr nach, wie sie arschwackelnd zum nächsten Kunden ging.

Insgesamt musste sie dreizehn mal zu dem Stammkunden gehen, bis er meinte er wolle bezahlen. ,,Der Rest ist Trinkgeld", sagte er und erhob sich dann. Da er in Block C, also einem der besseren Teile, saß waren um sie herum nicht so viele andere Leute, denen sie die Sicht versperrten. Mit einem gekünstelten Lächeln begleitete sie ihn zum Ausgang um dann das Geld weg zu bringen. Das Trinkgeld stopfte sie in ein extra Glas. Manchmal durften sie mit dem Geld in die Stadt gehen. Erschöpft ging sie sich kurz frisch machen und wechselte mit Jeyjey den Platz auf der Bühne.

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Weinend drückte sich Liv in die letzte Ecke des Badezimmers und hoffte das es endlich ein Ende hatte. Angespannt lauschte sie dem Geräusch der Tür und atmete aus, als sie hörte, dass sie sich schloss. Marcell war endlich weg. Schluchzend rappelte sie sich auf und stellte sich mit den restlichen Klamotten die sie am Körper trug unter die Dusche. Der kalte Wasserstrahl betäubte ihren Körper und entfernte das Blut und den Schmutz von ihr. Sie fühlte sich einfach nur noch benutzt und leer. Wie konnten man einen Mensch bitte in so kurzer Zeit zerstören? Und dann auch noch Spaß daran haben. Ihre Augen brannten schon vom ganzen weinen und ihre Lippe war angeschwollen. Die restlichen Fetzen von ihrem T-Shirt klebten unangenehm in ihren Rückenwunden und sie zog es kurzer Hand aus. Zitternd umarmte sie ihren Körper mit ihren Armen und versuchte nicht umzukippen. Er war ein Monster. Er, Milo, Jeff und alle anderen von seinen Leuten. Schluchzend sank sie auf den Boden und klammerte sich an ihre Beine. Ihre ganze Wut und Angst schrie sie einfach heraus und brach dann weinend zusammen.

Ihr Schrei wurde vom Wasserstrahl und den anderen Geräuschen verschluckt, sodass niemand sie hörte. Selina machte gerade Kunststücke an der Stange, Lee lag schlafend in Finn's Armen und sonst gab es niemanden der ihr im Moment hätte helfen können. Doch irgendjemand stellte den Wasserstrahl ab, wickelte Liv in ein Handtuch und legte sie an eine Heizung die im Bad war. Das schützte sie vorerst vor Unterkühlung. Doch wer war der Fremde? Eine braun-blonde Strähne rutschte unter seiner Kapuze hervor und grüne Augen blitzten im Licht der Lampen auf. So schnell wie er gekommen war um Liv zu retten, so schnell war er auch wieder weg. Er ging durch die Tür, von dort zum Verneuil und zog die Kapuze ab. ,,Da bist du ja endlich..."

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