46 | Hakuna MaWHATTHEFRUCHTEIS.
┊┊Lord Huron - The Night We Met┊┊
Daniel löst sich langsam wieder von mir und wischt sich die Tränen vom Gesicht.
"Ich habe deinen Pulli ganz durchnässt mit meinen Geheule." Seine Stimme ist kratzig, als hätte er zu viel geschrien.
"Schon okay", sage ich leise und suche seinen Blick. Aber er weicht mir aus. Er vergräbt seine Hände in seinem Pulli und hält den Blick gesenkt.
Die Couch knarzt ein wenig, als ich mich gegen die Lehne sinken lasse und meinen Kopf zurücklege. Die Decke besteht, sehr zu meiner Überraschung, ebenfalls aus Holz und meine Augen folgen den Mustern in den Brettern. Die Couch knarzt erneut, als auch Daniel sich zurücklehnt und sich mir anschließt. Er hat seine Augen geschlossen und sein Schmerz steht ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. Ich kann mir vermutlich nicht einmal annähernd vorstellen, wie weh es tut, jemanden auf so eine Art und Weise zu verlieren. Natürlich tut es immer weh, jemanden zu verlieren. Aber durch Suizid? Leider macht man viel zu oft den Fehler, nicht hinter die Fassade der einzelnen Personen zu sehen. Man lässt sich viel zu schnell blenden von einem Lachen und einem vermeintlich perfekten Leben.
"Danke für dein Vertrauen, Daniel", sage ich leise und drücke kurz seine Hand, die neben ihm auf der Couch liegt.
Er schweigt und sieht mich an. In seinen Augen spiegelt sich das Kaminfeuer. Das Heulen des Windes ist unverändert. Mir ist kalt, obwohl wir eine Decke teilen. Aber es fühlt sich so komisch an, neben ihm zu sitzen und bei ihm zu sein und nicht wirklich mit ihm zu sein. Ich halte die Spannung nicht länger aus und springe von der Couch auf.
Weil ich nicht weiß, wohin mit mir, öffne ich die Haustüre und sehe in die Nacht. Der Schneesturm hat sich gelegt, aber es ist noch immer etwas windig und eiskalt. Ich zittere und recke dennoch meinen Kopf in die frische Luft. Ich brauche frische Luft. Dort drinnen, umgeben von Daniels absolut atemberaubenden Duft, kann ich einfach nicht klar denken.
"Machst du jetzt das, was du am besten kannst? Wieder weglaufen wenn es unangenehm wird?" Daniels Stimme ist scharf und immer noch kratzig. Sie klinge ziemlich anziehend, wäre die Schärfe nicht direkt an mich gerichtet.
Ich schüttle den Kopf und werfe verloren die Arme in die Luft.
"Leck mich, Daniel. Ich bin nicht weggelaufen, ich habe dir die Wahrheit gesagt. Ich habe mich dir gestellt, dir und deinem Schweigen. Deinen Vorwürfen, deinen dummen Sprüchen. Also sag nicht, ich laufe ständig weg." Ich kann nicht verhindern, dass sich dumme, bescheuerte Tränen der Wut in meinen Augen bilden. "Ich wollte das zwischen uns nie kaputt machen. aber ich hatte Angst. Ich hatte einfach so große Angst", füge ich hinzu und kann ein Schluchzen kaum unterdrücken. Kopfschüttelnd lasse mich wieder neben ihm auf die Couch fallen.
"Hannah", plötzlich ist seine Stimme wieder sanft. Ich bekomme noch ein Schleudertrauma von seinen Stimmungsschwankungen. Es dauert keine Sekunde, bis er neben mir sitzt und mich in den Arm nimmt. Das Gefühl, wieder von seinen starken Armen gehalten zu werden. Ich schluchze in seinen weichen Pulli und versuche, mich auf seinen Herzschlag zu konzentrieren. Daniel streichelt mir sanft über den Rücken, was mich einerseits ziemlich nervös macht, aber andererseits auch beruhigend.
"Ich weiß, Hannah. Ich muss mich entschuldigen, denn ich war eine Diva. Aber ich war verletzt und unsicher und ich wusste nicht mehr, was ich glauben soll. Und die Tatsache, dass wir hier zusammen Urlaub machen und auf so engem Raum miteinander umgehen müssen, das hat mich einfach völlig verrückt gemacht. Einerseits wollte ich nichts anderes, als dich nie mehr wieder sehen", er schluckt und drückt mich noch fester an sich, "aber andererseits wollte ich nichts anderes, als dich zu küssen und dich wieder so verlegen zu machen, dass du rot wirst und dir hilflos die Haare aus dem Gesicht streichst. Es tut mir leid, wie ich mich hier dir gegenüber verhalten habe." Er schiebt mich sanft von sich und sieht mich ernst an.
Schnell wische ich mir über mein Gesicht, um die letzten Tränen verschwinden zu lassen. Ich kann nicht verstehen, wie Daniel mich so ansehen kann. Immer wenn ich weine, wird mein Gesicht fleckig, meine Nase rot und meine Augen schwellen an. Ich schiebe dann immer eine Allergie vor, denn so stellt niemand dumme Fragen.
Ich räuspere mich. "Es ist ... okay. Ich kann es verstehen."
"Und ich kann dich verstehen." Daniel streicht mir eine Strähne hinter das Ohr. Diese kleine Berührung lässt die eingefrorenen Schmetterlinge in meinem Bauch wieder lebendig werden.
"Also sind wir wieder Freunde - oder so?" Schon als ich es ausspreche, weiß ich, dass ich wieder nur Quatsch rede.
Daniel lächelt und seine Grübchen treten zum Vorschein. Verdammt, ich bin der Grund, warum er lächelt. "Also über das 'oder so' müssen wir ja auf jeden Fall nochmal sprechen, finde ich." Seine Stimme ist dunkel. Er beugt sich vor und ich schrecke zurück.
"Was wird das?", möchte ich wissen, obwohl sich mein dummes Herz schon Hoffnungen macht.
"Ich versuche, dich zu küssen, Hannah."
Mein Herz explodiert. Vor allem, als er sich näher zu mir beugt, langsam, wie in Zeitlupe. Wie jemand, der auf ein scheues Tier zugeht, um zu verhindern, dass es wegläuft. Ich dumme Nuss weiche ihm aus und drücke mich in die Couch.
"Hast du gewusst, dass Koalas, wenn sie gestresst sind, Schluckauf bekommen? Und, dass jeder Mensch fünfzehn- bis zwanzigmal am Tag Blähungen hat?", plappere ich. Meine Stimme quietscht, als hätte ich sie schon viel zu lange nicht geölt.
Daniel bewegt sich keinen Millimeter und leckt sich über die Lippen. "Hannah?" Sein schiefes Grinsen lässt die doofen Schmetterlinge in meinem Bauch aufgeregt herumflattern.
Ich bin so nervös, dass ich kaum atmen kann. "Hm?" Mein Blick ist jetzt an die Decke gerichtet, um nicht in seine schönen Augen zu sehen. Ich halte seinem Blick nicht stand, er macht mich zu nervös. Wie alles an ihm. Seine Hand ist neben meiner Hüfte aufgestützt und sein warmer Atem liebkost meine Wange, als er spricht.
"Darf ich dich jetzt bitte endlich küssen?"
Unsere Blicke treffen sich und ich kann nicht verhindern, dass meine übliche Wortkotze herausbrcht.
"Noch ein Fun Fact. Ein Kuss verbraucht-"
Daniel lacht leise und dann werde ich unterbrochen, als Daniel mich küsst.
Und in diesem Moment weiß ich gar nicht mehr, was ich sagen wollte. Meine Gedanken sind stumm. Das Gedankenkarussell hat endlich aufgehört, sich zu drehen. Alles, worauf ich mich konzentrieren kann, ist Daniel. Der Kuss ist sanft und langsam und ich genieße es, ihm wieder nahe zu sein. Die tausend Feuerwerke in meinem Bauch ignoriere ich, genauso wie diese dämlichen Schmetterlinge, die sich jetzt sicherlich gegenseitig die Hände schütteln und gratulieren. Meine Sinne sind geschärft und ich spüre, wie Daniels Daumen immer wieder über meine Wangen streicheln. Bei jeder Berührung fühlt es sich an, als wäre er elektrisch. Jede seiner Berührungen versetzt mir einen elektischen Schlag, so fühlt es sich an. Mein ganzer Körper steht durch Daniel unter Strom.
Ich lasse mich zurückfallen, sodass Daniel auf mir liegt und sich mit seinen Ellbogen neben meinem Kopf abstützt. Seine Hände halten meinen Kopf und ich fühle mich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Der Kuss wird verlangender, drängender, forscher. Und ich wage es, mit meinen Fingerspitzen unter Daniels Pulli zu fahren. Er keucht auf und ich zucke sofort zurück.
"Es tut mir leid", flüstere ich an seine Lippen.
Doch er lächelt nur. "Du hast total kalte Hände."
Jetzt muss auch ich lächeln. "Ich bin nervös."
Daniel löst sich von mir und sieht mich an. Meine Lippen sind ganz warm von seinen Küssen. Seine leicht zerzausten Haare fallen ihm ins Gesicht und ich nutze die Gelegenheit, sie ihm aus dem Gesicht zu streichen. Sie sind immer noch so weich wie ich es in Erinnerung hatte. Daniels Blick ist weich, als er mein Gesicht mustert.
"Nervös? Du? Warum denn?"
Die Tatsache, dass er auf mir liegt und mir so nah ist, macht mich völlig verrückt. Ich bekomme keinen klaren Gedanken zu fassen und beiße mir nur auf die Lippe.
Sein Blick fällt darauf und sofort tritt Verlangen in seine Augen. Seine Augen werden dunkler und sein Gesicht kommt wieder näher. Ich ziehe ihn an seinem Pulli wieder zu mir er küsst mich erneut. Er seufzt leise, als sich unsere Lippen wieder treffen und dieses Geräusch macht mich vollkommen verrückt. Meine Hände fahren über seinen Rücken und ich habe das dringende Bedürfnis, seine Haut zu spüren. Aus diesem Grund mache ich einen erneuten Versuch und fahre mit meinen Fingerspitzen vorsichtig unter seinen Pulli. Daniel hält die Luft an und atmet erleichtert aus, als meine Hände ihn scheinbar nicht mehr in Schockstarre versetzen. Das Gefühl seiner Haut unter meinen Händen ist großartig. Sie ist warm und weich.
Meinem leisen Knurren unterbricht er unseren Kuss, setzt sich auf und zieht mich mit sich. Auf seinen Schoß. Verwundert sehe ich ihn an.
"Ich möchte dich auch berühren", gibt er zu und legt seine Hände an meine Hüfte. Ich kann nicht verhindern, dass meine Hände wieder zittern.
"Das tust du, Daniel. Glaub mir, das tust du." Und diesmal bin ich es, die den Schritt zum Kuss macht.
Er schlingt seine Arme um mich und drückt mich an sich, so fest, dass mir die Luft wegbleibt. Meine linke Hand liegt an seiner Wange, meine rechte ist in sein Haar gekrallt.
Ich möchte mehr. Mehr als das. Ein leises Wimmern verlässt meine Lippen und Daniel seufzt leise, als ich mich von ihm löse und ihn ansehe. Sein Blick ist wild, voller Verlangen und hungrig. Und ich kann es nicht fassen, dass ich der Grund für diesen Blick bin.
"Darf ich dir den Pulli-" Ich werde von einem lauten Krachen unterbrochen und erschrecke so sehr, dass ich von Daniels Schoß springe.
Alamiert steht Daniel auf. Dann hören wir es gleichzeitig. Schritte. Draußen sind Schritte zu hören.
Wir sehen uns an. Er zwickt die Augen zusammen, beißt sich auf die Lippen, die ich gerade noch geküsst habe, und überlegt.
"Meinst du, die anderen sind wieder da?", erkundige ich mich leise. "Vielleicht ist es auch die Vermieterin", füge ich hinzu und sehe ihn abwartend an.
Doch Daniel schüttelt unmerklich den Kopf. "Vermutlich ist es nur ein Tier. Bleib hier, Hannah, ja? Und geh nicht weg. Ich möchte da weitermachen, wo wir gerade aufgehört haben."
Er steht vor mir und legt sachte seinen Zeigefinger unter mein Kinn. Daniels Geruch hüllt mich ein und ich stelle mich auf meine Zehenspitzen. Ich lege meine Arme um seinen Hals und ziehe ihn zu mir. Er küsst mich. Hungrig. Und auch ein bisschen verzweifelt und ich fühle mich so begehrt, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. Die Anziehung zwischen uns beiden ist so intensiv, dass wir nicht mehr aufhören können. Daniel drückt mich gegen die Wand und sich gegen mich. Ich kann ihn spüren, überall. Und mein Verlangen steigt. Als es auf der Veranda erneut scheppert, löst er sich von mir und wir beide versuchen, wieder zu Atem zu kommen.
"Genau da machen wir weiter, ja? Ich bin gleich wieder da. Ich schaue nur nach, was das war." Er drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen und lächelt mich noch einmal an, als er die Tür öffnet. Ich möchte nicht, dass er geht und wir eine Pause einlegen müssen. Aber Daniel ist zu verantwortungsbewusst, als dass er nicht da draußen nachsehen würde, was der Grund für den Lärm war. Ich weiß nicht, warum, aber ich ziehe mir auch Schuhe an. Falls er nicht in wenigen Minuten wieder hier ist - oder meine Hilfe braucht, muss ich raus in den Schnee. Und ich hasse nasse Socken. Das Ausziehen geht ja wieder schnell.
Ich setze mich auf die Lehne der Couch und versuche, meine Haare zu ordnen. Wow. Wir haben uns geküsst. Intensiv und ... wow. Hannah, mach jetzt bloß keinen Fehler. Mach jetzt bloß nicht wieder alles kaputt. Wie gut küsst er denn, bitte? Ich könnte ihn den ganzen Tag küssen. Ich werde von seinen Küssen niemals genug bekommen. Gedankenverloren grinse ich und werfe einen Blick auf die Uhr. Komisch, wo bleibt er denn? Er ist da jetzt schon seit zehn Minuten draußen und nicht wieder in das Haus gekommen. Mir wird mulmig und eine leise Spur der Angst frisst sich durch meine Adern.
"Daniel?", frage ich leise und nervös in den Flur. Die Haustür steht genauso offen, wie er sie hinterlassen hat. Plötzlich zieht es. Verwirrt sehe ich mich um. Die Kälte kommt aus der Küche. Und tatsächlich, die Tür, die ebenfalls auf die Veranda führt, ist sperrangelweit offen. Mit zitternden Knien betrete ich die Küche, doch es ist nichts zu hören. Mein Herz droht mir aus der Brust zu springen und ich kann kaum atmen. Ich konzentriere mich auf die Geräusche, aber das einzige, das ich höre, ist mein lautes atmen.
Aber dann realisiere ich es. Es ist nicht mein Atmen, das ich höre. Aber es ist zu spät.
"Hallo, Süße. Endlich sind wir allein." Eine Stimme, die ich irgendwo her kenne, aber nicht richtig einordnen kann, ist hinter mir zu hören. Ich drehe mich um und sehe nur noch eine große Hand, die auf mein Gesicht zufliegt. Dann ist alles schwarz.
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