6 ~ Fall

Hatte ich dem verdächtig friedlichen Dasein meines Heimatorted tatsächlich geglaubt? Hatte ich wirklich gehofft, der Krieg würde sich dem Ende zuneigen, nur weil die Grauen Wolken sich daraus zurückziehen wollten? Ich hatte so sehr geglaubt, andere würden nachziehen und nach unserem Vorbild die Waffen niederlegen.

Wie als wäre noch Krieg, aber keiner geht hin. Aber es lag eben nicht in meiner Hand, den Krieg zu beenden, sondern in deren der Oberhäupter verschiedenster verfeindete Bündnisse. Am schwersten zu verhandeln, würde es wohl mit dem brutalen Bund der Schwarzen Wölfe werden, die ständig und überall auf der Welt Unheil anstifteten. Ich hatte in manchen Kämpfen sogar das Gefühl, die Wölfe hätten so etwas wie Spaß am Morden. Der Gedanke, die Schüsse könnten von ihnen stammen, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Ich war wehrlos, unbewaffnet, saß emotional am Boden auf den Ruinen meiner Heimat und auf der Asche dessen, was sich meine Eltern einst aufgebaut hatten.

Die Schüsse wurden lauter, schlugen dröhnend gegen mein Trommelfell. Im Augenwinkel entdeckte ich ein Kind auf der Straße, abgemagert und in zerrissenen Kleidern, das wie vor Schreck erstarrt war und sich nicht mehr rühren konnte. Schlagartig eilte ich zu dem kleinen Mädchen, stellte mich schützend vor sie. Doch als ich mich umdrehte, erkannte ich, warum sie der Schock erstarren ließ.

Drei vermummte Gestalten rannten geradewegs auf uns zu. Mein Herz schien einen Aussetzer zu machen, als ich das Wappen auf ihren Helmen erspähte: der Wolf. Nein, nein verdammt! Und ich naiver Idiot war unbewaffnet, völlig wehrlos.

Mit den Ringkörnern ihrer monströsen Schnellfeuer-Maschinengewehre auf mich gerichtet, kamen die Krieger näher. Das Mädchen flennte wild. Ich versuchte, sie ein wenig zu beruhigen, obwohl ich selbst in alarmierter Stimmung war. Die Wölfe machten, wenn es ums Morden ging, meist kurzen Prozess.

Die Soldaten erreichten und umzingelten uns. Flucht war undenkbar. ,,Lasst das Kind am Leben!", brüllte ich in die bedeckten Gesichter. ,,Lasst es gehen. Nehmt lieber mich!" Die Krieger tauschten Blicke aus und blitzschnell bedeutete ich dem Kind zu rennen - so schnell sie konnte. Die drei ließen sie tatsächlich unbeschadet davonstürmen, was mich zunächst irritierte, doch dann wurde mir schlagartig meine eigene, unausweichliche Situation bewusst, denn ihre Läufe der Gewehre waren unverändert steif auf mich gerichtet. Ich hob die Hände, ging immer weiter rückwärts, doch sie ließen nicht von mir ab. Oh, ich war gefundenes Fressen für die Wölfe.

Erst jetzt realisierte ich, dass ich meine Uniform trug. Ich war verloren. Wehrlos und verloren.

Kilian, so früh wollte ich dich doch gar nicht besuchen kommen. Du wirst mir wahrscheinlich gleich, wenn ich bei dir bin, eine mächtige Standpauke halten, wie ich es nur wagen könne, sie allein zu lassen. Bruder, wir werden ab jetzt wohl gemeinsam über Mutter und Monia wachen können.

Ich sah den Lauf des Gewehres, wie es mir gefährlich näher kam und letztendlich gegen meine Stirn gepresst wurde. ,,Jetzt stirb, verdammte Wolke", hörte ich den Wolf vor mir knurren, als er augenblicklich danach von einem kräftigen Knall übertönt wurde. Stille folgte, begleitend von unendlicher Leere.

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