4 ~ Morgen

Am nächsten Morgen weckte uns der ohrenbetäubende Lärm der Rotorblätter eines sich nähernden Flugobjekts. Monia und ich stürmten nach draußen, um sicherzustellen, dass dies kein Angriff war. Erleichtert stöhnte Monia auf, als sie den Versorgungshelikopter erspähen konnte, doch wenige Augenblicke später schien ihr Gesicht in sich zusammenzufallen.

Auch sie hatte realisiert, dass dieser Helikopter nicht nur überlebenswichtige Nahrung und Hygieneartikel, sondern auch den leblosen Leib Kilians in unsere Heimat zurückbringen würde. Ich konnte die Tränen nicht unterdrücken. Der Gedanke, dass ich heute meinen Bruder das letzte Mal sehen sollte, zerstach mir das Herz. Ich schmiegte mich näher an Monia und wir beide mussten feststellen, dass wir nicht mehr Herr über die eigenen Emotionen waren. Die Tränen rannen ungestoppt und verschmolzen zwischen unseren Gesichtern.

Als wir uns wieder halbwegs gefangen hatten, gingen wir nach drinnen, um uns etwas überzuziehen. Mutter hatte sich schon in Richtung des zerrissenen Vorhangs geschleppt um zu schauen, was los war und wo wir blieben. Als sie unsere verweinten Mienen sah, verstand auch sie, was sich draußen abspielte. Gemeinsam halfen Monia und ich ihr in den Rollstuhl - zu Fuß wäre Mutter nie in der Lage gewesen, zum Landeplatz des Helikopters auf der Brache hinter unserer Siedlung zu gelangen.

Stumm und ausdruckslos ließ sie sich schieben, unfähig ein Wort hervorzubringen. Dem Rollstuhl war sein Alter anzumerken: die verrosteten, krummen Felgen der Räder klapperten wild vor sich hin. Der Helikopter näherte sich mit jedem Schritt und ähnelte, aus der Nähe betrachtet, einem grauen stählernen Koloss. Ein technisches Meisterwerk, dass sich dieser Gigant überhaupt in die Lüfte begeben kann.

Am Hubschrauber angekommen, beobachteten wir die Crew beim Kisten ausladen, bis wir hinter einer der großen Boxen drei Säcke auf einem Wagen sehen konnten. In dem Moment, in dem ich auf einem der Säcke Kilians Namen las, brauch ich zusammen. Monia ließ sich schluchzend zu mir nieder, versuchte mich zu trösten, obwohl ich auch in ihrem Gesicht einen Ausdruck der Leere, der Fassungslosigkeit und der Realisation dessen, was geschehen war, lesen konnte. Mutter starrte vor sich hin und ich traute mich nicht, sie anzusprechen und ihr ,,alles wird gut" zuzuhauchen, denn das würde es nicht. Sie hatte erst ihren Mann, meinen geliebten Vater verlor, vor einigen Jahren verloren und jetzt ihren jüngsten Sohn. Dieser Schmerz ließ sich nicht in Worte fassen.

Die Crew-Mitglieder setzten den Wagen in Bewegung und liefen mit ihm in Richtung Dorf, um die Gefallenen auf den Friedhof zu bringen.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top